Diese Arbeit will der Frage nachgehen, inwiefern man Foucaults Text Qu’est-ce qu’un auteur? (Was ist ein Autor?) wirklich als eine endgültige Absage an Autorschaft als Urheberschaft lesen kann: ist für Foucault ein Autor als Subjekt literarischen Sprechens wirklich kein „Herrschendes“ mehr, sondern nur noch eine „untergeordnete Figur des Diskurses“?* Kann man sagen, dass „der Autor des Texts keine ursprüngliche Begründungsfunktion hat, sondern nur eine variable Größe des Diskurses darstellt“**? Dass es Foucault nicht kümmert, wer spricht? Im ersten Teil der Arbeit wird versucht, kurz den intellektuellen Hintergrund nachzuzeichnen, vor dem Foucaults Text entstand: auf eine allgemeine Bemerkung zum Strukturalismus folgt eine kurze Skizze der philosophischen und literaturtheoretischen Ansätze, die das Denken der französischen Intellektuellen der 50er und 60er Jahre beherrschten, sowie eine Analyse der wichtigsten Punkte von Roland Barthes Text „Der Tod des Autors“ (1968), auf den Foucaults Vortrag weitgehend reagiert. Der zweite Teil der Arbeit ist Michel Foucault und seinem Verständnis des Autorbegriffes gewidmet: nachdem die Entwicklung seines Denkens in Kürze umrissen wurde, wird „Was ist ein Autor?“ näher analysiert werden. Die Gliederung des Vortrags wird dargestellt und dann versucht, Foucaults Autorbegriff zu umreißen und zu problematisieren. [* Siehe M. Wetzel: Autor / Künstler, in: K.-H. Barck u.a. (Hg): Ästhetische Grundbegriffe, S. 490.; **Vgl. Ebd., S. 491.]
GLIEDERUNG
1. Einleitung
2. Vorgeschichte
2.1. Strukturalismus und Autorbegriff
2.1.1. Bemerkung zum Strukturalismus
2.1.2. Der Einfluss des Strukturalismus in Frankreich
2.1.3. Roland Barthes: «La mort de l’auteur»
3. Michel Foucault: „Was ist ein Autor?“
3.1. „Michel Foucault jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik
3.2. «Qu’est – ce qu’un auteur?»
3.2.1. Aufbau des Vortrags
3.2.2. Spielarten des Autorbegriffs bei Foucault
4. Schlussbemerkung
5. Literaturangaben
1. EINLEITUNG
„Vom Ausführenden über den Schöpfer zum Schreiber“ – so könnte man die semantische Entwicklung des Autorbegriffs von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, an deren Ende Foucaults diskursanalytisch geprägtes Verständnis des Autors steht und das Thema dieser Arbeit ist, schematisch umreißen. Ende der 60er Jahre, als Foucault wegweisender Text Qu’est-ce qu’un auteur? (Was ist ein Autor?)[1] entstand, war die Literaturwissenschaft vom Verständnis des Autors als eines Schöpfers abgewichen, zu einer Hinterfragung der metaphysischen Position des Autors gelangt und äußerte Zweifel an dessen autonomer Kreativität. Mit Roland Barthes, der die These vertreten hatte, der „Personenkult“ um den Autor behindere die freie Entfaltung der Schrift und der Autor sei auf Kosten des Werks begünstigt worden, begann die Rede vom „Tod des Autors“ als deren Apotheose Michel Foucaults Text allgemein gilt.[2]
Diese Arbeit will der Frage nachgehen, inwiefern man Foucaults Text wirklich als eine endgültige Absage an Autorschaft als Urheberschaft lesen kann: ist für Foucault ein Autor als Subjekt literarischen Sprechens wirklich kein „Herrschendes“ mehr, sondern nur noch eine „untergeordnete Figur des Diskurses“?[3] Kann man sagen, dass „der Autor des Texts keine ursprüngliche Begründungsfunktion hat, sondern nur eine variable Größe des Diskurses darstellt“[4] ? Dass es Foucault nicht kümmert, wer spricht?
Im ersten Teil der Arbeit wird versucht, kurz den intellektuellen Hintergrund nachzuzeichnen, vor dem Foucaults Text entstand: auf eine allgemeine Bemerkung zum Strukturalismus folgt eine kurze Skizze der philosophischen und literaturtheoretischen Ansätze, die das Denken der französischen Intellektuellen der 50er und 60er Jahre beherrschten, sowie eine Analyse der wichtigsten Punkte von Roland Barthes Text „Der Tod des Autors“ (1968), auf den Foucaults Vortrag weitgehend reagiert. Der zweite Teil der Arbeit ist Michel Foucault und seinem Verständnis des Autorbegriffes gewidmet: nachdem die Entwicklung seines Denkens in Kürze umrissen wurde, wird „Was ist ein Autor?“ näher analysiert werden. Die Gliederung des Vortrags wird dargestellt und dann versucht, Foucaults Autorbegriff zu umreißen und zu problematisieren.
2. Vorgeschichte
2. 1. Strukturalismus und Autorbegriff
2. 1. 1. Bemerkungen zum Strukturalismus
Ein strukturalistischer Ansatz versucht, „menschliche Tätigkeiten wissenschaftlich abzuhandeln, indem [er] Grundelemente (Begriffe, Handlungen, Wortklassen) und deren Kombinationsregeln oder –gesetze [bestimmt].“[5] Im weitesten Sinne bezeichnet Strukturalismus also eine Methode, die sich der Untersuchung von Beziehungen zwischen den Teilen eines Ganzen widmet, um dessen Funktionieren zu erklären.[6] So versteht die strukturalistische Linguistik die Sprache als ein System von Zeichen, von denen sich jedes nur im Bezug auf die anderen Zeichen und nicht isoliert definieren lässt – der Sinn eines Elements ergibt sich also aus seiner Position im Verhältnis zum Ganzen. Strukturalisten versuchen, durch die Auffindung objektiver Gesetze, die jede menschliche Tätigkeit – und insbesondere die symbolische Produktion – regeln, sowohl ohne Bedeutung als auch ohne Subjekt auszukommen. Alle „Phänomene des Kulturellen [werden] auf ein bestimmtes Spiel von Signifikanten und Signifikaten zurückgeführt, das den Aktanden dieses Spiels übergeordnet ist.“[7]
2. 1. 2. Der Einfluss des Strukturalismus in Frankreich
Die Texte des Strukturalismus waren aber im Frankreich der 50er Jahre, als Barthes, Foucault, Derrida und Lacan die wissenschaftliche Szene betraten, wenig oder gar nicht zur Kenntnis genommen worden. Die französischen Intellektuellen dieser Zeit waren von der Husserlschen Subjektphilosophie und ihrer phänomenologischen Lektüre durch Martin Heidegger geprägt. Zum ersten Mal wurde der strukturalistische Ansatz in Frankreich (gut ein halbes Jahrhundert nach de Saussure!) von Lévi-Strauss auf die Ethnologie und von Lacan auf die Psychologie angewandt – der „phänomenologische Bann“ war mit dem Erscheinen ihrer respektiven Arbeiten Tristes Tropiques (1955) und L’instance de la lettre dans l’inconscient ou la raison depuis Freud (1957) endlich gebrochen. Lacan kam zu dem Schluss, dass es nicht der Mensch „als bewusstes Subjekt [sei], der denkt, handelt oder spricht, sondern das linguistische Unterbewusstsein, das jeden seiner Gedanken, jede seiner Handlungen und Äußerungen determiniert.“[8] In diesem Sinne formulierte Roland Barthes den Begriff des Schreibens (écriture), in dem „Sprache als transsubjektive Struktur und auktorialer Stil als geregelte <Sprachverwendung> konvergieren.“[9]
Aus dem Aufeinandertreffen von Strukturalismus und Phänomenologie entstand in Frankreich eine Spielart des Antisubjektivismus, die sich nicht damit zufrieden geben konnte, das auktoriale Subjekt einfach beiseite zu schieben, oder den „Tod des Subjekts“ nur auf eben die Literaturwissenschaft zu beschränken: „the death of the author must connect with with a general death of man“[10], beschreibt Seán Bourke das Anliegen der Franzosen. An dieser Kreuzung entstand, so Bourke, die Rede vom Tod des Autors, wie wir sie von Barthes und Foucault her kennen.[11]
[...]
[1] M. Foucault: Qu’est-ce qu’un auteur?, Vortrag, gehalten vor der Société française de philosophie am 22. 2. 1969, erstmals publiziert im Bulletin de la Société française de philospohie, Juli – September 1969.
[2] Der Begriff „Autor“ an sich verdankt seine Karriere dem Diskurs der Literatur- und Kunstkritik, bzw. deren Theorie: an der Schwelle vom Mittelalter zur Renaissance fand eine Relativierung des ästhetischen Prinzips der Nachahmung zu Gunsten eine Verständnisses der Kunst als Schöpfung, als kreativen Aktes statt und mit ihr eine Veränderung im Verständnis des Autors, dem im Frühhumanismus die Omnipotenz eines „ alter deus “ zugesprochen wurde. Das Verständnis des Autors als eines Schöpfers hielt sich bis ins 20. Jahrhundert, erfuhr dann aber einen Bedeutungswandel hin zur bloßen Funktion eines Sprachaktes. Der Strukturalismus begriff Autorschaft nicht mehr als Äußerung schöpferischer Kraft, sondern sah den Autor nur noch als „Schreiber“ (scripteur); zur Entwicklung des Autor – Begriffes siehe: m. Wetzel: Autor/Künstler, in: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, hg. von K.-H. Barck / M. Fontius / D. Schlenstedt / B. Steiwachs / F. Wolfzettel, Stuttgart / Weimar, 2000, Bd. 1.
[3] Siehe M. Wetzel: Autor / Künstler, in: K.-H. Barck u.a. (Hg): Ästhetische Grundbegriffe, S. 490.
[4] Vgl. Ebd., S. 491.
[5] Vgl. H. L. Dreyfus, P. Rabinow: Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, Frankfurt/Main 1987, S. 16. Titel der amerikanischen Originalausgabe: Michel Foucault. Beyond Structuralism and Hermeneutics, Chicago 1982, 1983.
[6] Man unterscheidet jedoch den atomistischen und den holistischen oder diachronischen Strukturalismus, hierzu: H. L. Dreyfus, P. Rabinow: Michel Foucault, S. 16f.
[7] Vgl. M. Wetzel: Autor/Künstler, in: K.-H. Barck u.a. (Hg.): Ästhetische Grundbegriffe, S. 489.
[8] „It is not man as conscious subject who thinks, acts or speaks, but the linguistic unconscious that determines his every thought, action and utterance.“, vgl. S. Bourke: The Death and Return of the Author. Criticism and Subjectivity in Barthes, Foucault and Derrida, Edinburgh 2004, Erstausgabe 1992, Zweitausgabe 1998, S. 13.
[9] Vgl. M. Wetzel: Autor/Künstler, in: K.-H. Barck u. a. (Hg.): Ästhetische Grundbegriffe, S. 490.
[10] Und weiter: „For Barthes, Foucault and Derrida, the expulsion of the subject from the space of language is thus seen to extend right across the field of the human sciences, and to call into question the idea that man can properly possess any degree of knowledge or consciousness.“, vgl. S. Bourke: The Death and Return of the Author, S. 14.
[11] Ebd., S. 14.
- Arbeit zitieren
- Anne Krier (Autor:in), 2007, "Wen kümmert's, wer spricht?" Michel Foucault und das Problem der Autorschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71626
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