In der DDR der 50er Jahre konnte sich die zweite Generation von DEFA- Regisseuren allmählich mit Produktionen etablieren, die sowohl formal als auch thematisch, neue Richtungen vorgaben. Gleichzeitig war es diese, in die DDR hineingewachsene und von den antifaschistisch-demokratischen Reformen begeisterte Generation, die im Sinne der Staatsführung den Aufbau des Sozialismus mit vorantreiben sollte.
Die oftmals große Diskrepanz zwischen eigenem und staatlichem Anspruch führte
immer wieder zu Konflikten, staatlichen Restriktionen, und auch völlige Verbote einzelner Filme waren keine Seltenheit.
Gerhard Kleins Film "Berlin – Ecke Schönhauser" (1956/ 57) und die Fernsehproduktion Günter Stahnkes, "Fetzers Flucht" (1962), sind sowohl hinsichtlich der äußeren Bedingungen filmischen Schaffens, als auch im Bezug auf ihre Thematik, beispielhaft für diese Zeit.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Allgemeines
1.2 Begrenzungen und Thema der Arbeit
2 "Berlin – Ecke Schönhauser" (1956/ 57)
2.1 2.1 Entstehungsgeschichte und Inhaltsangabe
2.2 Form- und Inhaltsanalyse
2.3 Resonanz/ Diskussion
3 "Fetzers Flucht" (1962)
3.1 Entstehungsgeschichte und Inhaltsangabe
3.2 Form- und Schwerpunktanalyse
3.3 Resonanz/ Diskussion
4 Die Produktionen im Vergleich
4.1 Verbindungen und Parallelen
4.2 Formaler und inhaltlicher Vergleich
5 Resümee
6 Quellen- und Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Allgemeines
In der DDR der 50er Jahre konnte sich die zweite Generation von DEFA- Regisseuren allmählich mit Produktionen etablieren, die sowohl formal als auch thematisch, neue Richtungen vorgaben. Gleichzeitig war es diese, in die DDR hineingewachsene und von den antifaschistisch-demokratischen Reformen begeisterte Generation, die im Sinne der Staatsführung den Aufbau des Sozialismus mit vorantreiben sollte.
Die oftmals große Diskrepanz zwischen eigenem und staatlichem Anspruch führte
immer wieder zu Konflikten; staatliche Restriktionen, und auch völlige Verbote einzelner Filme, waren keine Seltenheit.
Gerhard Kleins Film "Berlin – Ecke Schönhauser" (1956/ 57) und die Fernsehproduktion Günter Stahnkes, "Fetzers Flucht" (1962), sind sowohl hinsichtlich der äußeren Bedingungen filmischen Schaffens, als auch im Bezug auf ihre Thematik, beispielhaft für diese Zeit.
1.2 Begrenzungen und Thema der Arbeit
Seit Gründung der DDR hatte sich die Staatsführung mit dem Problem der Republikflucht auseinanderzusetzen, das volkswirtschaftlichen und ideologischen Schaden bedeutete. Gleichzeitig war man bemüht, den sozialistischen Staat weiter aufzubauen und zu festigen. Dabei war es freilich von existenzieller Bedeutung, die
heranwachsende Generation für die politische Idee gewinnen zu können.
Mit Skepsis betrachtete man die Nachkriegsjugend, die mit Rock'n'Roll-Musik und den entsprechenden Filmen - als Halbstarke - sehr von westlichen Vorbildern geprägt war, und sich von der Vätergeneration entfremdete. Man fürchtete die überstarke Anziehungskraft der "Verlockungen" des Westens, eine ideologische "Verblendung" durch dessen kapitalistische Kultur.
Diese zwei Grundthemen sind Gegenstand beider von mir behandelten Filme,
und sollen in der vorliegenden Arbeit genauere Beachtung finden.
Gleichzeitig beleuchtet werden sollen die formalen Ansätze beider Werke, welche aufgrund ihrer modernen bzw. experimentellen Ausrichtung für teils heftige Kritik sorgten, womit ein letzter Anschauungsgegenstand genannt ist:
Die Entstehungsgeschichte bzw. die äußeren Produktionsumstände.
Zuletzt möchte ich die Betrachtung der im Verlauf der Arbeit aufgegriffenen Gemeinsamkeiten von "Berlin – Ecke Schönhauser" und "Fetzers Flucht" weiter vertiefen, d.h auch die Frage nach direkten Verbindungen stellen, und einen unmittelbaren Vergleich bezüglich Form und Inhalt vornehmen.
2 "Berlin – Ecke Schönhauser" (1956/ 57)
2.1 Entstehungsgeschichte und Inhaltsangabe
Gerhard Klein (1920-1970) gehörte zur 2. Generation von DEFA-Regisseuren (den zwischen 1920 und 1932 geborenen) und war eigentlich gelernter Trickfilmzeichner.
Schon früh beschäftigt er sich mit dem Gebiet des Films, bringt sich vieles autodidaktisch bei, bevor er 1946 mit seiner Arbeit für die DEFA beginnt. Hier ist er zunächst als Drehbuchautor, später als Regie-Assistent tätig, 1952 wechselt er schließlich zum DEFA-Studio für Spielfilme.
Zu dieser Zeit ist Hans Rodenberg, Hauptdirektor des Studios, bestrebt, neue Filmemacher für die Spielfilmproduktion zu gewinnen. Es kommt zu einer kontinuierlichen Steigerung des Ausstoßes durch junge, der DDR unverkrampft und aufgeschlossen gegenüberstehende Filmschaffende; die Chancen für den Nachwuchs, einen eigenen Film realisieren zu können , standen Selten so gut wie Mitte der 50er Jahre.[1]
Bereits sein erster Spielfilm "Alarm im Zirkus" (1953/ 54) entsteht in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautoren Wolfgang Kohlhaase, und auch schon hier ist das Sujet gefunden, dem sich die beiden in den kommenden Jahren widmen werden – der Film eröffnet ungeplant die Reihe der drei "Berlin-Filme" (dem Debut folgt 1955/56 "Eine Berliner Romanze" und schließlich "Berlin – Ecke Schönhauser).
Wie viele ihrer Kollegen (darunter z.B. Herbert Ballmann, Helmut Spieß und Heiner Carow) wenden sie sich seit ihrem gemeinsamen Einstieg thematisch der Gegenwart zu, und versuchen, die Probleme Heranwachsender in der Vier-Sektorenstadt Berlin möglichst authentisch abzubilden, wobei auch die kritische Betrachtung gesellschaftlicher Hintergründe nicht außer Acht gelassen wird.
Die "Berlin-Trilogie", gilt heute als bedeutendes zeitgenössisches Dokument, vor allem aber "Berlin – Ecke Schönhauser" als einer der wichtigsten Gegenwartsfilme der 50er Jahre.[2]
Klein und Kohlhaase stammen selbst aus proletarischen Verhältnissen, sie arbeiten unter anderem mit Laiendarstellern, und bemühen sich auch durch intensive Recherche um soziale Genauigkeit. So wurde beispielsweise das Drehbuch zu "Alarm im Zirkus" - einer Kriminalgeschichte - "nach Vernehmungsprotokollen und Prozessakten über einen Sabotageakt aus dem Jahre 1952 geschrieben"[3], außerdem wurden Interviews mit Häftlingen geführt.[4]
Im Sommer 1956 wird mit den Dreharbeiten zu "Berlin – Ecke Schönhauser" begonnen; schon nach wenigen Wochen sind diese abgeschlossen.
Beide Autoren lassen dafür andere Projekte ruhen: Während sich Klein mit einem Stoff über Arbeiter zur Zeit des Kapp-Putsches befasst hatte, war Kohlhaase mit einer Geschichte über die Nationale Volksarmee beschäftigt gewesen.[5]
Nun griffen Sie wieder ein Zeitthema auf, das auch in Westdeutschland Beachtung fand, und dort filmisch umgesetzt wurde: Georg Tressler drehte1956 in Westberlin die "Halbstarken" mit Horst Buchholz und Karin Baal, der einer ganzen Gattung von Filmen ihren Titel gab.
Diskussionen um den Vorläufer "Eine Berliner Romanze", dem unter anderem vorgeworfen wurde, die vermeintlichen "Verlockungen" des Westens zu stark zu betonen, gaben bereits einen Vorgeschmack auf den Streit um "Berlin – Ecke Schönhauser ", der schon im Anfangsstadium des Filmes begann.
In der "Hauptverwaltung Film" wird der Stoff ausführlich besprochen; die Funktionäre sind der Meinung, dass die Autoren ausschließlich die negativen, problematischen Erscheinungen des DDR-Alltags in den Vordergrund rücken.
Es würden "Probleme gezeigt, wo keine sind"[6], hieß es in der Kritik.
Die Hauptverwaltung warnte die Studioleitung, während Klein und Kohlhaase
unbeirrt weiterarbeiteten.
Am 10.09.1956 erhält die vorgesetzte Behörde das Drehbuch, nach dessen Prüfung
die für die Dreharbeiten eigentlich notwendige Produktionsbestätigung ausbleibt,
da die "[...] Bedenken und Hinweise in keiner Weise beachtet wurden"[7]
Dennoch beginnen die Dreharbeiten am 10. Oktober; bei einer späteren Vorführung des Rohschnittes verweigert Gerhard Klein Mitarbeitern der Hauptverwaltung die Teilnahme.Am 30.08.1957 feiert der Film Premiere.
Es geht um eine Gruppe von Jugendlichen, die sich unter dem U-Bahnbogen auf der Schönhauser Allee trifft, um der Enge des Elternhauses zu entfliehen.
Jeder hat seine eigenen Nöte und Ängste zu bewältigen:
Die Hauptfigur, der Bauarbeiter Dieter (Ekkehard Schall), ist auf der Suche nach Unabhängigkeit, sein Freund Kohle (Ernst-Georg Schwill) flüchtet vor seinem alkoholkranken Stiefvater, Karl-Heinz (Harry Engel) lässt sich mit Kriminellen ein, und Angela (Ilse Pagé) entfremdet sich zusehends von der eigenen Mutter, die ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Vorgesetzten hat. Karl-Heinz versucht vergeblich, Dieter und Kohle mit in seine Geschäfte zu ziehen. Im Irrglauben, Karl-Heinz in einem Streit getötet zu haben, flüchten Dieter und Kohle nach Westberlin. Nachdem Kohle im Auffanglager unter tragischen Umständen ums Leben kommt,
kehrt Dieter nach Hause zurück. Er will sich seiner Tat stellen, und zurück zu Angela, die ein Kind von ihm erwartet.[8]
2.2 Form- und Inhaltsanalyse
Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase sind vom italienischen Neorealismus beeinflußt: Man verließ die Enge der Kulissen, ging raus auf die Straße, um das "echte Leben", die ungeschminkte Wirklichkeit einzufangen. Dazu Kohlhaase:
"Die neorealistischen Filme waren für uns die wichtigsten Filme jener Jahre, [...] sie haben uns motiviert. Sie Haben mir zu dem Mut verholfen, aus den Geschichten, die ich eventuell erzählen konnte, Filme zu drehen. Und zwar Filme, die mit Alltäglichkeit umgingen und als Sujet begriffen. [...] Wenn Klein über irgendwelche spezifischen Fragen nachdachte, über die Optik, über die Kamera, über Schnitt, dann korrespondierte das oft mit bestimmten neorealistischen Haltungen und Vorlieben. Diese Filme entsprachen seinen stilistischen Ambitionen."[9]
Auch für "Berlin – Ecke Schönhauser" drehte man vor Ort; auf der Straße und in Wohnungen. Gleich die Anfangssequenz, ein unaufgeregter Rundumblick der Kamera am titelgebenden Ort, gibt die Richtung vor. Bis auf einige Ausnahmen bleibt die Kameraführung dokumentarisch, so dass im Zusammenspiel mit den lakonischen Dialogen und dem Verzicht auf abrupte Schnitte "der Rythmus einer Reportage"[10] entsteht, wie es Ralf Schenk formuliert. Im Filmspiegel resümiert Karl-Eduard v. Schnitzler:
[...]
[1] vgl. Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg.1950 bis 1960. in: Schenk (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfime 1946 – 1992, Berlin 1994
[2] ebd.
[3] Reinhard Wagner: Dissertation zur Erlangung des wissenschaftlichen Grades eines Doktors der Wissenschaften (Dr.sc.). Vom Ringen um sozialistische Positionen. Über den Beitrag des DEFA-Spielfilms mit ernster problemorientierter Gegenwartsthematik zur Schaffung von geistigen Grundlagen des Sozialismus in der DDR (1950 bis 1962). Babelsberg, 1985
[4] Schenk: Das zweite Leben, S.130
[5] ebd. S. 131
[6] ebd. S.132
[7] ebd. S. 134
[8] Frank-Burkhard Habel: Das grosse Lexikon der DEFA-Spielfilme. Berlin 2001, S. 63
[9] Zitiert nach: Schenk: Das zweite Leben, S.130
[10] ebd. S.127
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