Der Held in Hartmanns Erzählung ist Iwein, wie Erec einer der zwölf Ritter der Tafelrunde am Hofe König Artus', der die typischen Merkmale eines Artusritters trägt. Durch aventuiren verschafft er sich Ruhm und Ehre und eine schöne, edelmütige Frau, die er liebt. Durch ein Fristversäumnis verliert er aber Frau und Ehre, wird wahnsinnig und kann am Ende doch geheilt werden und seine Ehre wiedererlangen, ja sogar seine Frau wiedergewinnen. Ein zentraler und hochinteressanter Aspekt ist hierbei die Episode von Iweins Wahnsinn, denn seine Verfehlung und seine daraus folgende Krankheit bilden das Zentrum der Erzählung. Nach einem tiefen Fall muss der Titelheld sich buchstäblich wieder hochkämpfen. Viele Fragen stellen sich dem Leser hierbei: Warum wird Iwein wahnsinnig? Wie äußert sich sein Wahnsinn und was sind Hartmanns Grundlagen für seine Beschreibung? Wie wird Iwein geheilt? Und welche Stellung hat diese Episode im gesamten Roman?
Im Folgenden soll der Wahnsinn Iweins untersucht werden, indem nach Ursache, Verlauf und Auswirkungen gefragt wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wahnsinn im Mittelalter
2.1 Psychische Krankheiten im Mittelalter
2.2 Die Krankheitstheorie der Hildegard von Bingen
2.3 Die Säftelehre des Bartholomäus Anglicus
2.4 Der Traktat de melancholia des Constantinus Africanus
3. Inhaltliche Darstellung des Wahnsinns Iweins im Roman Hartmanns von Aue
3.1 Was geschieht, bevor Iwein wahnsinnig wird
3.2 Ausbruch und Heilung des Wahnsinns
3.3 Der weitere Verlauf der Handlung nach der Heilung
4. Die Ursachen für Iweins Wahnsinn
5. Die Symptomatik der Krankheit
5.1 Genaue Darstellung des Wahnsinns und Gründe dafür
5.2 Inwiefern übernimmt Hartmann bekannte Krankheitsbilder
6. Die Heilung Iweins
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Hartmann von Aue, einer der bedeutendsten mittelhochdeutschen Epiker, lebte in etwa von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis Anfang des 13. Jahrhunderts. Um 1200 verfasste er seinen zweiten Artusroman mit dem Titel Iwein. Der Roman besteht aus 8166 Versen im Paarreim und ist zeitlich, soweit nachvollziehbar, etwa nach Hartmanns Artusroman Erec und dem Gregorius entstanden. Der Arme Heinrich könnte parallel zum Iwein entstanden sein, aber auch kurz früher oder später. Grundlage für den Roman bot die Vorlage Yvain ou Le Chevalier au lion von Chrétien de Troyes (um 1180), an die Hartmann sich ziemlich genau hielt. In seiner Adaptation erhielt er die Materia, somit also den eigentlichen Gegenstand der Erzählung, und übertrug sie frei aus dem Altfranzösischen, indem er ihre Form durch Kürzung und Erweiterung änderte. Im Allgemeinen spricht man hier von Ebnung und Glättung des Textes.
Der Held in Hartmanns Erzählung ist Iwein, wie Erec einer der zwölf Ritter der Tafelrunde am Hofe König Artus’, der die typischen Merkmale eines Artusritters trägt. Durch aventuiren verschafft er sich Ruhm und Ehre und eine schöne, edelmütige Frau, die er liebt. Durch ein Fristversäumnis verliert er aber Frau und Ehre, wird wahnsinnig und kann am Ende doch geheilt werden und seine Ehre wiedererlangen, ja sogar seine Frau wiedergewinnen. Ein zentraler und hochinteressanter Aspekt ist hierbei die Episode von Iweins Wahnsinn, denn seine Verfehlung und seine daraus folgende Krankheit bilden das Zentrum der Erzählung. Nach einem tiefen Fall muss der Titelheld sich buchstäblich wieder hochkämpfen. Viele Fragen stellen sich dem Leser hierbei: Warum wird Iwein wahnsinnig? Wie äußert sich sein Wahnsinn und was sind Hartmanns Grundlagen für seine Beschreibung? Wie wird Iwein geheilt? Und welche Stellung hat diese Episode im gesamten Roman?
Im Folgenden soll der Wahnsinn Iweins untersucht werden, indem nach Ursache, Verlauf und Auswirkungen gefragt wird. Unter Betrachtung der allgemeinen Krankheitslehren und Heilmethoden des Mittelalters soll erarbeitet werden, was Hartmann mit der Beschreibung des Wahnsinns ausdrücken wollte und welche Bedeutung sie für das gesamte Werk hat. Es wird also zunächst der Wahnsinn im Mittelalter mit seinen medizinischen Hintergründen besprochen, woraufhin näher auf das Werk und die Arbeit Hartmanns eingegangen werden soll.
2. Wahnsinn im Mittelalter
Bevor der Text Hartmanns genauer durchleuchtet wird, soll zunächst betrachtet werden, wie groß das Wissen über Krankheiten im Mittelalter im Allgemeinen war und welche Lehren insbesondere für Geisteskrankheiten galten. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Wahnsinn Iweins als Erkrankung angesehen wird, die Bezeichnung des ‚Wahnsinns’ also als Krankheitsbezeichnung gilt. Dieser Begriff soll zunächst geklärt werden. Auf die genaue Erkrankung Iweins soll allerdings erst im nächsten Teil der Hausarbeit eingegangen werden, während hier zunächst die Krankheitslehre des Mittelalters im Allgemeinen besprochen wird.
Natürlich besteht keine Frage, dass die Krankheitslehren des Mittelalters kaum mit dem heutigen Wissensstand zu vergleichen sind, aber es ist nachgewiesen, dass die Menschen über ein bestimmtes medizinisches Wissen verfügten, das sie aus Lektüre oder eigener Erfahrung erlangten. Die Mediziner der damaligen Zeit waren zwar teilweise auf dem richtigen Weg, verstanden aber zahlreiche Phänomene ganz anders, als wir es heutzutage tun. Es ist deshalb unerlässlich, das medizinische Verständnis und die Behandlungsmethoden des Mittelalters genauer zu betrachten, um über Hartmanns Beschreibung der Krankheit seines Titelhelden urteilen zu können.
2.1 Wahnsinn und psychische Krankheiten im Mittelalter
Iwein, der Artusritter, wird in Hartmanns Roman wahnsinnig. Doch was war Wahnsinn an sich im Mittelalter überhaupt? Was kann es genau bedeuten, wenn Hartmann erzählt „[…] der lief nû harte balde / ein tôre in dem walde“[1] oder dass Iwein „ein zorn unde ein tobesuht“[2] ins Gehirn fuhren?
Allgemein kann zunächst einmal festgehalten werden, dass das Wissen über Krankheiten im Mittelalter durch arabische und griechische Einflüsse geprägt wurde. Das Wissen der arabischen Ärzte stammte aus alten griechischen Überlieferungen (zum Beispiel des griechischen Arztes und Anatoms Galen, 130-200 n. Chr.). Constantinus Africanus, Bruder des Benediktinerordens und medizinischer Forscher im elften Jahrhundert, war der wichtigste Übersetzer des Werkes von Ishaq ibn Imran ins Lateinische (Libri duo constantine de melancholia). Auf seine Beschreibung der Geisteskrankheiten soll auch kurz eingegangen werden.
In La folie [3] gibt Angelika Groß einen umfassenden Überblick über psychische Krankheiten und insbesondere den Wahnsinnsbegriff im Mittelalter. Deshalb stützt sich der folgende Text auf ihre Ausführungen.
Der mittelalterliche Wahnsinnsbegriff ist nicht zu verwechseln mit dem des Narren. Während ein Narr einen ‚komischen Vogel’ darstellt, der meist am Hofe die Gesellschaft erheiterte, sind Wahnsinn und Geisteskrankheit medizinische Phänomene. Dass es hier um den Wahnsinn geht, ist im Roman eindeutig zu erkennen. Religiöse Vorstellungen von Wahnsinn sind schon im Alten Testament zu finden, wo er als Folge von Frevel angesehen wird und seinen Ursprung in der Gottheit hat. Im neuen Testament dann wird der Wahnsinn einem Geistwesen zugeschrieben, das zum Beispiel als Dämon die Seele verunreinigt. Diese Ansicht wird selbst heutzutage noch von einigen Christen vertreten und zieht Rituale wie Teufelsaustreibungen nach sich. Sicherlich können hier auch die beschriebenen Wunderheilungen Jesu als Beispiel aufgeführt werden.
Während der Wahnsinn aus religiöser Sicht also von einem unreinen Geist und somit von außen stammt, gilt er in spätmittelalterlichen Texten als Geisteskrankheit, wird also hier als Krankheit, der Betroffene nicht als Besessener, sondern als Kranker angesehen. Aus medizinischer Sicht kommt der Wahnsinn von innen. Hierzu gibt es verschiedene Krankheitstheorien, die im Folgenden erläutert werden.
2.2 Die Krankheitstheorie der Hildegard von Bingen
Die Benediktinerin Hildegand von Bingen (1098-1179) gibt im Liber Causae et Curae eine Erklärung für Geisteskrankheit. Ursache für diese stellt laut ihrer Theorie eine Verunreinigung des Blutes durch Phlegma dar, welche wiederum bedingt ist durch die Sterblichkeit des Menschen durch einen frühzeitlichen Sündenfall. Grundlage ist hierfür die hippokratische Zweisäftelehre mit Galle und Phlegma. Die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, aus denen der Mensch bestehen soll, haben sich, durch den Teufel bedingt, in Phlegmata, also Krankheitsstoffe verwandelt, die den Körper krankheitsanfällig machen. Entsprechend den verschiedenen Elementen können verschiedene Phlegmata entstehen: Das trockene Phlegma aus dem Feuer, das feuchte Phlegma aus dem Wasser, das schaumige Phlegma aus dem Blut und das lauwarme Phlegma aus dem erdigen Gewebe. Das Krankheitsbild resultiert schließlich aus dem Verhältnis der Phlegmata. Das lauwarme Phlegma ist hier von größtem Interesse, da daraus die Melancholie entsteht, welche schwarz und bitter ist und von welcher jedes Übel ausgeht. Der Mensch kann auf diese Art und Weise tobsüchtig werden oder zu ketzerischen Gedanken kommen, für die Analyse der Krankheit Iweins ist hier aber die Beschreibung des Wahnsinns am wichtigsten: Wenn der Wahnsinn als Krankheit entsteht, so dominieren nach Hildegand von Bingen feuchtes und lauwarmes Phlegma das Schaumige und das Trockene. „ dadurch wird das Feuchte im Menschen ‚wie ein Rad herumgewälzt’ und der Mensch stürzt sich dadurch bald ins Wasser oder rennt ins Feuer. Außerdem versetzt ihn das Lauwarme in Wahnsinn. Der Mensch wird dann so, dass ihm das Bewusstsein schwindet (scientia evanescit) und er von Sinnen kommt (amens effictur).“[4] Treffen alle diese Phänomene gleichzeitig ein, führen sie ebenfalls zum Wahnsinn und entledigen den Menschen seines klaren Bewusstseins. Als Ursache für Geisteskrankheit werden auch Störungen des Geschlechtslebens angesehen. Sind Energie und Libido beim Mann durch zuviel Geschlechtsverkehr zu groß, führt dies zur Geisteskrankheit. Letztendlich kann der Mensch in so einer Krankheitssituation zusätzlich von Dämonen befallen werden.
Es wird hier also deutlich, dass Hildegard von Bingen eine Erklärung für Geisteskrankheiten vorbringt, die sowohl physisch-medizinisch, als auch religiös-mythologisch begründet wird.
2.3 Die Säftelehre des Bartholomäus Anglicus
Die wohl bekannteste Krankheitslehre des Mittelalters ist die des Bartholomäus Anglicus. Sein Werk Liber de proprietatibus rerum, das 19 Bücher umfasst, zeigt umfassend das Wissen über Medizin und Naturheilkunde im 13. Jahrhundert. Jedoch ist hier nicht nur die Medizin Thema seiner Ausführungen, vielmehr behandelt Bartholomäus in den einzelnen Büchern auch Themen wie die Seele, Gott, die Zeit, die Welt, die Himmelskörper, Tiere, Landschaften und Physik. Er gibt also einen Gesamtüberblick über die Naturwissenschaften seiner Zeit. Zwei der Bücher sind für uns von größtem Interesse: Im vierten Buch werden die menschliche Physiologie und die allgemeine Säftelehre behandelt, das siebte Buch befasst sich dann mit menschlichen Krankheiten.
[...]
[1] Vgl. Hartmann von Aue: Iwein. V. 3259f.
[2] Vgl. Hartmann von Aue: Iwein. V. 3233
[3] Groß, Angelika: La folie.
[4] Vgl. Groß: La folie. S. 27
- Arbeit zitieren
- Martina Jansen (Autor:in), 2007, Der Wahnsinn Iweins - Eine nähere Betrachtung der Erkrankung der Hauptfigur im gleichnamigen Roman Hartmanns von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71384
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