Die Kinder haben immer gearbeitet. Sie mussten arbeiten. Die Agrargesellschaft wäre ohne die Kinderarbeit nicht auskommen, und niemand kam auf die Idee, dass die Kinder ihrer Zeit untätig verbringen sollten. Die ganze Geschichte von einem Jahrhundert zum anderen (1750-1870) ist voll von Kinderarbeit, langen Arbeitstagen und äußerster Anstrengung für ein Stückchen Brot.
Die Kinderarbeit gibt es bereits seit Menschengedenken, aber mit der
Industrialisierung nahm sie im 18. und 19. Jahrhundert in Europa und in den USA Ausmaße an, die die Gesundheit und Bildung der Bevölkerung massiv beeinträchtigten. Sie war die Arbeit von Kindern aller werktätigen Schichten, der Lohnarbeiter und der Bauern, der Handwerker, der kleinen Ladenbesitzer und anderer Schichten des Kleinbürgertums, wobei die einzelnen Schichten zu verschiedenen Zeiten einen verschiedenen starken Anteil der Kinder stellten.
In der vorliegenden Arbeit will ich darauf eingehen, warum Kinder im 18. und 19. Jahrhundert dazu gezwungen wurden, schon im jüngsten Alter Geld zu verdienen. Es sollen die Fragen nach dem Ausmaß der Kinderarbeit und warum der Staat erst so spät eingegriffen hat, beantwortet werden.
Außerdem wird zu folgender, diese Arbeit leitende Hypothese Stellung genommen.
Sie lautet: Die Kinderarbeit bewahrt ein wichtiges Merkmal der mittelalterlichen Gesellschaft, und zwar den frühzeitigen Eintritt in die Erwachsenenwelt.
Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, gehe ich zuerst in der ersten Hälfte der Arbeit auf die Kinderrechte vom 18. Jahrhundert und die Geschichte der Kindheit ein.
In der zweiten Hälfte werde ich versuchen auf die oben genannten Fragen Antworten zu finden.
Abschließen werde ich meine Ergebnisse zusammenfassen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Kinderrechte und die Geschichte der Kindheit
III. Kinderarbeit
3.1. Kinder als Bettler
3.2. Kinderarbeit in den Waisenhäusern
3.3. Kinderarbeit in der Landwirtschaft
IV. Kinderarbeit zur Zeit der Industrialisierung
4.1. Gründe der industriellen Kinderarbeit
4.2. Die Arbeit der Kinder in den Fabriken
4.3. Die ersten Kinderarbeitschutzgesetze
V. Zusammenfassung
VI. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die Kinder haben immer gearbeitet. Sie mussten arbeiten. Die Agrargesellschaft wäre ohne die Kinderarbeit nicht auskommen, und niemand kam auf die Idee, dass die Kinder ihrer Zeit untätig verbringen sollten. Die ganze Geschichte von einem Jahrhundert zum anderen (1750-1870) ist voll von Kinderarbeit, langen Arbeitstagen und äußerster Anstrengung für ein Stückchen Brot.
Die Kinderarbeit gibt es bereits seit Menschengedenken, aber mit der Industrialisierung nahm sie im 18. und 19. Jahrhundert in Europa und in den USA Ausmaße an, die die Gesundheit und Bildung der Bevölkerung massiv beeinträchtigten. Sie war die Arbeit von Kindern aller werktätigen Schichten, der Lohnarbeiter und der Bauern, der Handwerker, der kleinen Ladenbesitzer und anderer Schichten des Kleinbürgertums, wobei die einzelnen Schichten zu verschiedenen Zeiten einen verschiedenen starken Anteil der Kinder stellten.
In der vorliegenden Arbeit will ich darauf eingehen, warum Kinder im 18. und 19. Jahrhundert dazu gezwungen wurden, schon im jüngsten Alter Geld zu verdienen. Es sollen die Fragen nach dem Ausmaß der Kinderarbeit und warum der Staat erst so spät eingegriffen hat, beantwortet werden.
Außerdem wird zu folgender, diese Arbeit leitende Hypothese Stellung genommen. Sie lautet.
Die Kinderarbeit bewahrt ein wichtiges Merkmal der mittelalterlichen Gesellschaft, und zwar den frühzeitigen Eintritt in die Erwachsenenwelt.
Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, gehe ich zuerst in der ersten Hälfte der Arbeit auf die Kinderrechte vom 18. Jahrhundert und die Geschichte der Kindheit ein.
In der zweiten Hälfte werde ich versuchen auf die oben genannten Fragen Antworten zu finden.
Abschließen werde ich meine Ergebnisse zusammenfassen.
II. Kinderrechte und die Geschichte der Kindheit
Wenn man sich für die Rechte des Kindes zu interessieren beginnt, fällt auf, dass das Stichwort Kinderrechte selten, wenn überhaupt, in der Literatur zu finden ist. Vor dem Hintergrund, dass die Rechte des Kindes nahezu missachtet werden, und zumindest über den Kinderschutz viele Abhandlungen existieren, sticht diese Besonderheit um so stärker ins Auge.
Möglicherweise gibt es für diesen Umstand aber einige Erklärungen, die sowohl historischer als auch gesellschaftlicher Natur sind.
Der Begriff der Kindheit selber ist zu einem festen Begriff unseres Lebens geworden. Doch war dies nicht immer so. Die Begriffe Kindheit und Jugend scheinen aus der Sicht des 20. Jahrhunderts unverzichtbar zur Entwicklung eines Menschen dazuzugehören. Die Frage, was der Betrachter unter diesen Begriffen genau versteht, ist schon nicht mehr so eindeutig.
Ein Mensch, der sich im sechsten, achten oder zehnten Lebensjahr befindet, wird allgemein als Kind bezeichnet. Ein Mensch im 15. oder 17. Lebensjahr als Jugendlicher. Somit drängt sich der Gedanke auf, diese Eigenschaften mit Lebensaltern zu verbinden und so als allgemeingültig stehen zu lassen.
Wenn ich versuche, die Begriffe Kindheit und Jugend stärker auszufüllen, gebrauche ich wiederum Begriffe wie Spiel, Schule, Freizeit, Lehre, vielleicht auch schon Studium. Auch viele der bekannten Sozialisationstheorien greifen auf diese Begriffe zurück, so zum Beispiel E. H. Erikson.
Andere Begriffe kommen hinzu: Die Phase der primären Sozialisation verstehen wir als Zeit, in der das Kind durch Eltern und die Familie Kontakt mit der Gesellschaft bekommt. In der sekundären Sozialisation kommen die Einflüsse durch den Kindergarten und die Schule, d. h. durch Institutionen und Kontakte mit (vorwiegend) Gleichaltrigen hinzu. All dies scheint einigermaßen plausibel und kann ohne Probleme auf unsere Erfahrungen übertragen werden. Beim Vergleich dieser Beschreibung von Kindheit und Jugend mit den Bildern, die oft von der Kindheit vergangener Epochen in Erinnerung sind, treten Zweifel an der Allgemeingültigkeit dieser Zuschreibung auf.
Hierbei denke ich nicht an Bilder von Breughel oder Zille, deren Darstellung von Kindheit sich zum Teil mit unserer Begrifflichkeit deckt. Es sind vielmehr Schilderungen der Kinderkreuzzüge, Bilder von Kindern in Kohlenbergwerken, Gemälde von absolutistischen Fürsten und Königen im Kindesalter. In allen diesen Vergleichen muss der Betrachter unweigerlich den Eindruck haben, dass diese Kindheiten mehr mit dem Leben von Erwachsenen als dem von Kindern zu tun hatten. Die Kinder der Kinderkreuzzüge waren zwischen zehn und fünfzehn Jahren alt und zogen wie Erwachsene in einen „heiligen“ Krieg. Die Kinder auf den Stichen, die die Arbeit im Bergbau zeigten, arbeiteten härter und länger als es heute die meisten Menschen in Mitteleuropa tun (müssen). Und schließlich zeigen die Bilder der zukünftigen Monarchen Kinder, die wie kleine Erwachsene aussehen. Unzweifelhaft handelt es sich in diesen Fällen um Menschen, die wir nach biologischen Maßstäben als Kinder bezeichnen, obwohl ihre Rolle dem zu widersprechen scheint.
Die anfangs genannten Begriffe wie Schule, Spiel etc. im Leben dieser Kinder zu suchen, scheint zu vermessen. Sind die Begriffe Kindheit oder Jugend also moderne Erfindungen, die lediglich auf räumlich wie zeitlich eng umrissene Bereiche anzuwenden sind?
Eine der ersten umfassenden Untersuchungen zur Frage, was Kindheit ist und wie sie sich in der Vergangenheit dargestellt hat, ist bei Aries[1] zu finden. Aries beginnt sein Buch mit der Hypothese, dass die Rolle des Kindes in der Gesellschaft daran abzulesen ist, wie Kinder in der Kunst und Literatur dargestellt werden. Hierbei ist festzustellen, dass das Kind als solches in der Malerei des Mittelalters nicht existent ist und sich dies sogar auf die religiösen Darstellungen (zum Beispiel Jesus als Kind) ausdehnen lässt: falls ein Kind dargestellt wird, hat es die Figur und das Aussehen eines Erwachsenen, wenngleich auch proportional verkleinert. Dies ist nach seiner Darstellung durchgängig bis zum Ende des 16. Jahrhunderts festzustellen. Aries kommt zu der Schlussfolgerung, dass es sich nicht um ein Versehen oder die Unfähigkeit, Kinder darzustellen, handelt, sondern dass dies Ausdruck für die Tatsache ist, dass ein Verständnis für Kindheit nicht vorhanden war. Wie lässt sich dies verstehen? Nach Aries war Kindsein vor dem 17. Jahrhundert nicht viel anders als Erwachsensein. Man spielte die gleichen Spiele, trug die gleichen Kleider und lebte (nahezu) das gleiche Leben. Kinder erlebten von Geburt an die Welt der Erwachsenen: auf dem Feld, bei Feiern, bei der Liebe, nahezu immer und überall waren sie (schon aus Raummangel) anwesend. Aber auch andersherum wurde das Leben geteilt. Erwachsene waren, aus heutiger Sicht, große Kinder, die sich mit Spielen vergnügten, die heute nur noch von Kindern gespielt werden.
Eine Begründung hierfür versucht Neil Postman[2] in seinem Buch zu geben. Im Gegensatz zur Antike, in der Rolle der Kinder und Jugendlichen schon definiert war, verschwand mit dem Niedergang des Römischen Reiches die Differenz zwischen Kindern und Erwachsenen. So verschwand unter anderem die Liberalität, d.h. die Fähigkeit zu lesen. Somit fehlte, laut Postmann, der Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen, wie wir sie heute kennen. Ein Kind mit sieben oder acht Jahren hatte zwar nicht die gleiche Kraft und Erfahrung wie ein Mann von 25 Jahren, besaß aber in etwa alle Kenntnisse, die man in dieser Zeit erwerben konnte. Es war also nicht notwendig, ein achtjähriges Kind als etwas Besonderes zu betrachten. Noch etwas anderes war gleich: die Züchtigung. So wie Kinder gezüchtigt werden durften, durften auch Erwachsene gezüchtigt werden. Die Gewalt in der Gesellschaft war allgegenwärtig. Lediglich in einem unterschieden sich Kinder und Erwachsene. Kinder standen (allerdings dem Ansehen nach wohl gleichauf mit Abhängigen) am Ende der Hierarchie. Eine Unterscheidung der Kinder war allerdings auch vor dem 17. Jahrhundert vorhanden. Die großen Denker der Zeit vertraten die Ansicht, dass ein Kind nichts wisse und könne und über keinerlei Erfahrungen verfüge. So waren Kinder, die ihre Rolle in der Gesellschaft noch nicht einnehmen konnten, auch nichts wert, sie wurden nicht beachtet:
„ Das Kind gehörte ... sobald es ohne die ständige Fürsorge seiner Mutter ... leben konnte, der Gesellschaft der Erwachsenen an und unterschied sich nicht länger von ihr. ...Das sehr kleine Kind, das noch zu schwach ist, um am Leben der Erwachsenen teilzunehmen, zählt nicht ...“ [3]
Es war nämlich gut möglich, dass dieses Kind gar nicht das Erwachsenenalter erreicht!
Die Kindheit war die unbedeutendste und jämmerlichste Phase im Leben eines Menschen.
Bis zum 19. Jahrhundert war es in Europa ein häufiges, ja normales Verfahren, für ein Neugeborenes eine Amme zu nehmen. Sehr reiche Eltern holten eine Amme ins Haus, wobei sie auf die Gesundheit, die Milchproduktion und die Lebensweise der Amme achten konnten. Die meisten aber schickten ihre Neugeborenen aufs Land, wo sie von Bäuerinnen gestillt wurden. Die Kinder blieben zwei oder drei Jahre bei der Amme.
Besuche wurden selten gemacht, viele Eltern sahen ihr Kind während der Stillzeit überhaupt nicht.[4]
[...]
[1] Aries, Philippe: Geschichte der Kindheit. München: dtv, 8. Auflage 1988.
[2] Postman, Neil: Das Verschwinden der Kindheit. 1987.
[3] Aries, Philippe: Geschichte der Kindheit. 1988, S. 209.
[4] Utrio, Kaari: Evas Töchter. Die weibliche Seite der Geschichte. Wiesbaden. S. 259-290.
- Arbeit zitieren
- Monika Prokopova (Autor:in), 2006, Kinderarbeit in Deutschland im 18. und 19. Jh., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71364
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