Nach Angaben der Weltbank hatten im Jahr 2001 weltweit ca. 1,1 Mrd. Menschen (das entspricht 21% der Weltbevölkerung) weniger als 1 US-Dollar in lokaler Kaufkraft pro Tag zur Verfügung und galten damit als extrem arm. Vier Fünftel der Menschheit müssen sich mit einem Fünftel, das ärmste Fünftel mit 1,4 % des Weltsozialproduktes begnügen. Das reichste Fünftel der Menschheit verfügt über ein 150 mal höheres Einkommen als das ärmste Fünftel. Das Einkommen des reichsten Prozents der Weltbevölkerung ist so hoch wie das Einkommen der ärmsten 57 Prozent. 98 Prozent der Analphabeten leben in Entwicklungsländern. 1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, und täglich sterben mehrer tausend Kinder, Frauen und Männer an den Folgen. Über 800 Millionen Menschen leiden an Hunger. Gleichzeitig sind in den Industrieländern eine Milliarden Menschen übergewichtig. Dies sind ein paar statistische Zahlen, die die viele Ursachen haben können, jedoch vor allem eines bedeuten: Es herrscht Ungerechtigkeit auf der Welt. Ein kleiner Teil der Menschheit besitzt, was der größte Tel der Menschheit vermisst: Bildung, Nahrung, Geld für Luxusgegenstände und Grundbedürfnisse. Es stellt sich fast zwangsweise die Frage, was dann Gerechtigkeit ist und wie Ungerechtigkeit entstanden ist. Ich möchte diese Fragen behandeln und mich besonders den Ansätzen widmen, die bisher erdacht wurden, um Gerechtigkeit zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern wieder herzustellen. Entwicklungspolitik ist hier das Schlagwort. Bisher konnten Entwicklungshilfeprojekte nur als „Tropfen auf den heißen Stein“ betrachtet werden.
Die bisherige Entwicklungshilfe beruht auf alten Theorien und oft auf eigennützigen Interessen. Neuere Theorien zielen auf die Reformierung von Strukturen in den Entwicklungsländern ab und setzen sich für einen nachhaltigen Aufbau der Wirtschaft ein. Ich möchte daher auch aufzeigen, welche neueren Ansätze es gibt, um mehr Gerechtigkeit herzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist Gerechtigkeit?
3. Warum Gerechtigkeit?
4. Wege zu mehr Gerechtigkeit- Entwicklungstheorien im Widerspruch
4.1. Imperialismustheorie
4.2 Dependenztheorie
4.3. Modernisierungsthorie
4.4. Die Bedeutung von Entwicklungstheorien in der aktuellen Diskussion
5. Entwicklungshilfe in Zeiten der Globalisierung - Moderne Ansätze zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit
6. Resumee
7. Literatur
1. Einleitung
Nach Angaben der Weltbank hatten im Jahr 2001 weltweit ca. 1,1 Mrd. Menschen (das entspricht 21% der Weltbevölkerung) weniger als 1 US-Dollar in lokaler Kaufkraft pro Tag zur Verfügung und galten damit als extrem arm. Vier Fünftel der Menschheit müssen sich mit einem Fünftel, das ärmste Fünftel mit 1,4 % des Weltsozialproduktes begnügen Das reichste Fünftel der Menschheit verfügt über ein 150 mal höheres Einkommen als das ärmste Fünftel. Das Einkommen des reichsten Prozents der Weltbevölkerung ist so hoch wie das Einkommen der ärmsten 57 Prozent. 98 Prozent der Analphabeten leben in Entwicklungsländern. 1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, und täglich sterben mehrer tausend Kinder, Frauen und Männer an den Folgen. Über 800 Millionen Menschen leiden an Hunger. Gleichzeitig sind in den Industrieländern eine Milliarden Menschen übergewichtig.[1]
Dies sind ein paar statistische Zahlen, die die viele Ursachen haben können, jedoch vor allem eines bedeuten: Es herrscht Ungerechtigkeit auf der Welt. Ein kleiner Teil der Menschheit besitzt, was der größte Tel der Menschheit vermisst: Bildung, Nahrung, Geld für Luxusgegenstände und Grundbedürfnisse. Es stellt sich fast zwangsweise die Frage, was dann Gerechtigkeit ist und wie Ungerechtigkeit entstanden ist. Ich möchte diese Fragen behandeln und mich besonders den Ansätzen widmen, die bisher erdacht wurden, um Gerechtigkeit zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern wieder herzustellen. Entwicklungspolitik ist hier das Schlagwort. Bisher konnten Entwicklungshilfeprojekte nur als „Tropfen auf den heißen Stein“ betrachtet werden.[2] Die bisherige Entwicklungshilfe beruht auf alten Theorien und oft auf eigennützigen Interessen. Neuere Theorien zielen auf die Reformierung von Strukturen in den Entwicklungsländern ab und setzen sich für einen nachhaltigen Aufbau der Wirtschaft ein. Ich möchte daher auch aufzeigen, welche neueren Ansätze es gibt, um mehr Gerechtigkeit herzustellen.
2. Was ist Gerechtigkeit?
Was bedeutet „Gerechtigkeit“? Mit dieser Frage befassen sich seit Jahrtausenden Philosophen und Politiker. Die Antworten gehen je nach philosophischer Position in unterschiedliche Richtungen und können hier aufgrund des begrenzten Rahmens nicht aufgezeigt werden.
Ich orientiere mich an dem Gerechtigkeitsbegriff von John Rawls. „Nach seiner Theorie der Gerechtigkeit (1971) besitzt jeder Mensch eine Unverletzlichkeit, die auch im Namen des Wohlergehens der ganzen Gesellschaft nicht aufgehoben werden darf.“[3] Die von ihm genannten universalen Bedingungen sind nicht etwa Bürgerrechte, sondern Menschenrechte, d. h. Rechte, die jedem Menschen zustehen; sie sind unverletzbar, unveräußerlich und natürlich und gehen jeder Rechtsordnung voraus. „Gerechtigkeit als Fairness“ wird zum entscheidenden Faktor seiner Vorstellungen. Er entwickelt drei Gerechtigkeitsgrundsätze. Ersteren hat er in einer neuren Version noch einmal umformuliert und ist schließlich zu folgendem Ergebnis gekommen: 1. Jedermann hat „gleichen Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundrechte und Freiheiten, das mit demselben System für alle vereinbar ist.“[4] 2. Eine gerechte soziale Ordnung muss „mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen unter Bedingungen faire Chancengleichheit offen stehen“[5] und 3. „Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu regeln, dass sie […] den am wenigsten Begünstigten die bestmöglichsten Aussichten bringen.“[6]
Rawls unterscheidet zwischen einem Grundsatz, der für alle die gleichen Grundfreiheiten sichert und denen, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ungleichheiten determinieren. Die Grundfreiheiten – die klassischen Bürger- und Staatsbürgerrechte - sollen für jedermann gleich sein.
Der zweite und dritte Grundsatz hingegen, die die Verteilung von Einkommen und Vermögen und die Beschaffenheit von Organisationen bestimmen, in denen es um Macht und Verantwortung geht, erlauben unter bestimmten Bedingungen durchaus ungleiche Verteilungen, die jedoch zu jedermanns Vorteil sein müssen. Auch die sozialen Werte – Chancen, Einkommen, Vermögen und die sozialen Grundlagen der Selbstachtung – sind gleichmäßig zu verteilen, es sei denn, eine ungleiche Verteilung bedingt einen Vorteil für alle. Ungleichverteilungen müssen sich daher durch distributive Vorteilhaftigkeit legitimieren lassen. Alle Positionen gesellschaftlicher und politischer Funktionsmacht müssen ferner für alle frei zugänglich sein. Die sozioökonomische Ungleichheit muss durch die zu erwartende Besserstellung des am schlechtesten gestellten Menschen begründet werden.[7] „Diese Überlegung hat zwei Aspekte: Sie macht deutlich, dass es unter bestimmten Bedingungen ethisch gerechtfertigt sein kann, den Wettbewerb um Stellungen, die von ihren Inhabern ein höchstes Maß an Verantwortung verlangen, auf die besonders „Fähigen“ zu begrenzen. Wichtiger ist der andere Aspekt: Ob eine politische (oder wirtschaftspolitische) Maßname geeignet ist, die gesellschaftliche Ordnung gerechter zu gestalten, ist eine Frage, die nicht nur die soziale „Elite“ zu entscheiden hat, sondern auch und vor allem die Gruppe der am meisten Benachteiligten.“[8] Um zu verhindern, dass auf Kosten einer Einschränkung der Grundfreiheiten größere wirtschaftliche Vorteile zu tragen kommen, geht für Rawls der erste Grundsatz in jedem Falle dem zweiten voraus. „Diese Ordnung bedeutet, dass Verletzungen der vom ersten Grundsatz geschützten gleichen Grundfreiheiten nicht durch größere gesellschaftliche oder wirtschaftliche Vorteile gerechtfertigt oder ausgeglichen werden können.“[9]
Geht man von dieser Definition von Gerechtigkeit aus und überträgt sie auf eine Gerechtigkeit, die nicht nur für die Menschen in einem Land, sondern für alle Menschen auf der Welt gelten soll, so kommt man wohl sehr nahe an einen universellen Gerechtigkeitsbegriff heran, der theoretisch von einen Großteil der Menschheit akzeptiert werden könnte. Rawls geht nun noch einen Schritt weiter uns sagt, dass wirkliche Gerechtigkeit nur dann von allen angenommen würde, wenn sie nicht wüssten, an welcher Stelle der Ordnung sie sich befinden würden; ob sie arm oder reich wären, ob krank oder gesund. Unter diesem „Schleier des Nichtwissens“ hätte niemand aufeinander oder gegeneinander gerichtete Interessen.[10] Da dies natürlich nur ein ideal ist, gehe ich davon aus, dass Gerechtigkeit dann herrschen würde, wenn sich alle zumindest ernsthaft bemühen würden, diese herzustellen. Besonderen Wert lege ich auf die Chancengleichheit zwischen den Völkern, aber auch den Aspekt der Beachtung der Benachteiligten Bevölkerung auf der Welt.
3. Warum Gerechtigkeit?
Der Ruf nach Gerechtigkeit auf der Welt ist ein alter, der immer lauter wird mit einer voranschreitenden Globalisierung der Welt. Bessere und schnellere Verkehrsbedingungen und direktere Informationsdatenbahnen bewirken, dass über Hungerkatastrophen, Kriege und die tägliche Armut in Dritte-Welt-Ländern fast täglich berichtet wird. Die Ungerechtigkeit wird für viele Menschen so viel bewusster. Und doch ist Moral und Mitleid nicht der einzige Grund, um etwas daran zu ändern. Es gibt auch keinen „Schleier des Nichtwissens“ und so zielen die meisten Beweggründe nicht auf die ideale Gerechtigkeit ab, wie sie im Sinne Rawls auf der Welt existieren sollte, sondern auf eine, die möglichst auch einen eigenen Zweck erfüllt.
Die Wege zur Herstellung von Gerechtigkeit bauen auf den Begründungen warum es überhaupt Gerechtigkeit geben soll auf, und werden im nächsten Kapitel genauer vorgestellt. Hier soll es nun um die unterschiedlichen Gründe gehen, die dazu veranlassen, einen Ausgleich von Gütern und Chancen auf der Welt zu schaffen.
Eine Hauptmotivation ist sicherlich das Eigeninteresse. In Zeiten des kalten Krieges wurde angestrebt, mit Hilfe der Entwicklungszusammenarbeit Dritte-Welt-Länder an den Westen zu binden. Vertreter dieser Richtung können argumentieren, dass wenn es dem Nachbar gut geht, es einem keinen Schaden zufügen wird oder sogar dazu beitragen kann, dass man selbst einen besseren Absatzmarkt für die eigenen Produkte findet.[11] Diese Argumentation spielt in der gegenwärtigen Diskussion jedoch eine immer geringere Rolle. Es geht nun mehr um Moralargumentationen und ethische Gesichtspunkte, wobei das Eigeninteresse natürlich nicht ganz außen vor bleibt.
Der evangelische Menschenrechtler Theo Tschuy basiert seine Gerechtigkeitsforderung auf den geschichtlichen Entwicklungen Europas. Seiner Meinung nach hätten Entdeckertum, Kreuzzüge und Kolonialisierungsbestrebungen Ungerechtigkeit über die Welt gebracht und ein System der Ausbeutung der Ressourcen durch die Industrieländer auf Kosten der Dritte-Welt-Länder etabliert.[12] Er sieht eine Änderung dieses Systems jedoch nicht nur als eine moralische Pflicht, sondern auch aus praktischer Sicht als lebensnotwendig an, da „wir im Begriff sind, die eigenen Lebensbedingungen aufzuzehren“[13] Die knappen Ressourcen würden von den Industrieländern verbraucht, ohne Rücksicht auf die Entwicklungsländer. Auf Dauer würde es zu einem Kampf um Rohstoffe kommen, wenn nicht schnellstmöglich Gerechtigkeit hergestellt würde. Das bedeutet jedoch „ […] das redliche Teilen der noch vorhandenen Ressourcen, wenngleich dies zu einer namhaften Reduktion des opulenten Lebensstils und des Machtgebarens der Industrieländer führt.“[14]
Der frühere Außenminister Joschka Fischer sprach im Gerechtigkeitsdiskurs ebenfalls die historische und globale Verantwortung der Industrieländer für die Entwicklungsländer an. Er bezog sich besonders auf den Kontinent Afrika, der wohl am stärksten von der Ungerechtigkeit auf der Welt betroffen ist: „Europa und Afrika sind Nachbarkontinente. Allein aus diesem Grund können wir es uns nicht erlauben, dass Afrika im Zeitalter der Globalisierung zum vergessenen Kontinent wird. Was dort geschieht, geht uns unmittelbar an und hat vielfältige Rückwirkungen auf Deutschland und Europa. Europa hat- nicht nur aufgrund seiner kolonialen Geschichte- eine Verantwortung für Afrika. Wir müssen und wollen uns deshalb in Afrika Engagieren.“[15]
[...]
[1] Vgl. www.wikipedia.de,
www.brot-fuer-die-welt.org,
de.news.yahoo.com/15102006/12/wieczorek-zeul-mahnt-engagement-hunger.html,
Werkstatt Ökonomie e.V : Reichtum und Armut als Herausforderung für kirchliches Handeln. Heidelberg, 2002,
Obrecht, Andreas J.: Zeit, Sinn und Raum. In: Zapotoczky, Klaus; Gruber, Petra (Hrsg.): Entwicklungstheorien im Widerspruch. Wien 1997. S. 36
[2] Vgl. Pogge, Thomas: Priorities of Global Justice, in: Ders. (Hrsg.): Global Justice; Malden/Oxford 2001, S. 9
[3] Höffe, Otfried: Gerechtigkeit. München 2001. S. 66
[4] Rawls, John: Politischer Liberalismus. Frankfurt a.M. 1998. S. 69.
[5] Rawls, John: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a.M. 1975. S. 69
[6] Ebd. S. 104
[7] Vgl. ebd.
[8] Kesselring, Thomas: Internationale Gerechtigkeit. Auf der Suche nach Kriterien. In: Studia Philosophica: Globale Gerechtigkeit und Weltordnung. Basel 2005. S. 40
[9] Rawls 1975. a.a.O. S. 105
[10] Vgl. ebd. S. 52.
[11] Vgl. Etzioni, Amitai. Jenseits des Egoismusprinzips. Stuttgart 1994.
[12] Tschuy, Theo: Armut und Not in der Welt als Gerechtigkeitsanfrage an uns im Norden. In: EmK heute: Gerechtigkeit- Internationale Gesprächsbeiträge zu aktuellen Gerechtigkeitsfragen. Stuttgart 1992.
[13] Ebd. S. 61
[14] Ebd. S. 63
[15] Fischer, Joschka: Deutsche Afrikapolitik, Rede vor dem deutschen Bundestag 18.1. 2001. Bei Kössler, Reinhart und Melber, Henning: Globale Solidarität? Frankfurt a.M. 2002. S. 149.
- Arbeit zitieren
- Inka Lezius (Autor:in), 2006, Reiche und arme Länder - Entwicklungspolitik im Kontext internationaler Gerechtigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71267
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