In der sozialen Arbeit stoßen wir immer wieder auf Problemfälle aufgrund von Konflikten. Im folgenden Fallbeispiel habe ich versucht, die sozialen Zusammenhänge des Problemfalls näher zu beleuchten und aufgezeigt wie eine Problemlösung mit Hilfe von Mediation und Empowerment angegangen und bewältigt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Fallbeschreibung – Hintergründe
2 Theoretischer Kontext – Fokus Aggression, Gewalt, Konflikte
2.1 Definition von Aggression nach Bandura
2.2 Definition von Aggression nach Zillmann
2.3 Soziale Lerntheorie - gelernte Aggression
2.4 Aggression als Ausdruck von Machtausübung durch Zwang nach Tedeschi und Quigley
3 Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit / institutioneller Rahmen
4 Interventionsmethode Mediation
4.1 Mediation – ein Verfahren zur Konfliktbewältigung
4.2 Die Rolle des Mediators
4.3 Durchführung der Mediation
4.3.1 Phase 1 – Vorbereitung und Mediationsvertrag
4.3.2 Phase 2 – Information –und Themensammlung
4.3.3 Phase 3 – Interessensklärung
4.3.4 Phase 4 - Kreative Suche nach Lösungsmöglichkeiten
4.3.5 Phase 5 – Bewertung und Auswahl der Optionen
4.3.6 Phase 6 – Vereinbarung und Umsetzung
5 Kritische Stellungsnahme
Literaturverzeichnis
Einleitung
In der sozialen Arbeit stoßen wir immer wieder auf Problemfälle aufgrund von Konflikten. Im folgenden Fallbeispiel habe ich versucht, die sozialen Zusammen-hänge des Problemfalls näher zu beleuchten und aufgezeigt wie eine Problem-lösung mit Hilfe von Mediation und Empowerment angegangen und bewältigt werden kann.
1 Fallbeschreibung - Hintergründe
Hans W. ist 59 Jahre alt und erst seit kurzer Zeit Frührentner. Er hat in den letzten 20 Jahren in einem mittelständischen Betrieb als kaufmännischer Angestellter gearbeitet. Zuletzt war er Abteilungsleiter seiner Firma. Seine Frau Helga ist 8 Jahre jünger und Hausfrau. Im Haushalt lebt auch Ingeborg W., die Mutter von Hans W. Sie ist 87 Jahre alt und seit gut zwei Jahrzehnten Witwe. Nach einem Schlaganfall lebt sie seit nun 2 Jahren bei der Familie ihres Sohnes in dem gemeinsamen Reihenhaus in einer kleinen Gemeinde. Im Haushalt der Familie lebt außerdem der einzige Sohn Willi. Er ist 21 Jahre alt und nach einer abgeschlossenen Ausbildung als Heizungsbauer arbeitslos. Willi wurde bereits mit 18 Jahren Vater eines Mädchens, mit dem Namen Annabel. Die Beziehung zu der Mutter, Anna P. (22-jährige Verkäuferin) ist bereits kurz nach der Geburt des Kindes gescheitert. Das gemeinsame Kind Annabel lebt in einer Zweizimmer-wohnung mit ihrer Mutter in der Nachbargemeinde. Willi kümmert sich um Annabel jedes zweite Wochenende und nimmt sie zu sich mit nach Hause. Mit Anna P. kommt es immer wieder zu Streitigkeiten, da sie das Gefühl hat, dass sich Willi nicht richtig um Arbeit kümmert, damit er keinen Unterhalt bezahlen muss. Es ist schon mehrmals vorgekommen, dass Willi gewalttätige Handlungen über sich ergehen lassen musste. Er leidet darunter sehr stark, weil er das Gefühl hat, er kann mit niemandem darüber sprechen. Er leidet immer mehr unter Schlaflosigkeit und geht nun öfters als früher in seine Stammkneipe ein paar Bier trinken. Desweiteren liebt er seine Tochter Annabel über alles, so dass ein Kontaktabbruch für ihn nicht in Frage kommen kann. Hindessen hat Anna P. ihm angedroht, den Kontakt mit Annabel zu unterbinden. Anna P. ist total verzweifelt. Sie arbeitet 30 Stunden in der Woche als Verkäuferin in einem Supermarkt in München. Das Geld reicht gerade so, um sich und ihr Kind zu ernähren und die laufenden Lebenshaltungskosten zu decken. Sie hat das Gefühl nicht genügend Zeit für ihre Tochter zu haben und hat große Sorgen, dass die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Tochter darunter leidet. Desweiteren leidet sie unter ihren ständigen Aggressionsattacken gegenüber Willi.
Bojan Halar, ein Student der Sozialen Arbeit im 6. Semester und ein Freund von Willi, trifft ihn mal wieder zufällig, wie Willi unter starkem Alkoholeinfluss versucht den Nachhauseweg von seiner Stammkneipe aus zu bestreiten. Dabei schüttet Willi sein Herz aus und erzählt seine Problemlage. Im Rahmen seines Studiums hat Bojan die Flexible Jugendhilfe München kennengelernt und bringt beide Seiten in Kontakt.
2 Theoretischer Kontext – Fokus Aggression, Gewalt, Konflikte
Willi erleidet sowohl physische als auch psychische Gewalt. Die Androhung von Anna P., dass er seine Tochter nicht mehr sehen darf, ist eine Form von psychischer Gewalt. Jedes Kind hat nach § 1626 Abs.3 BGB das Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen., eine willkürliche Untersagung durch die Mutter des Kindes ist eine Ausübung von Gewalt. Psychische Gewalt wird in unsere Gesellschaft oft verharmlost. Dabei kann sie ebenfalls zu schwerwiegenden körperlichen Auswirkungen führen. Einen sehr geliebten Menschen von einen auf den anderen Tag nicht mehr sehen zu dürfen, ist eine dramatische Situation. Wenn diese durch Machtmissbrauch herbeigeführt ist, dann ist dies zweifellos eine Gewaltform, wenn auch eine indirekte Form. Nichtsdestotrotz leidet Willi zusätzlich noch durch die körperlichen Schläge, die er von Anna P. verabreicht bekommt. Diese Gewaltform ist familiärer, physischer und direkter Art. Es gilt in unserer Gesellschaft als unüblich, dass Männer von Frauen Gewalt erfahren. Allerdings zeigen Dunkelfeldstudien, dass das Maß der Gewalttätigkeiten in engen sozialen Beziehungen annähernd gleich verteilt ist. (BMFSFJ ,1995 , S.163) Für männliche Opfer stehen allerdings kaum Beratungsangebote, Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung, die sie niedrigschwellig in Anspruch nehmen können, um zu einer Lösung zu kommen. Somit sind sie meist mit ihren Gewalt-Problemen alleine gelassen, denn wer outet sich in seinem Freundes – und Bekanntenkreis als Mann, der sich von seiner (Ex-)Frau schlagen lässt?
2.1 Definition von Aggression nach Bandura
Aggression wird als „schädigendes und destruktives Verhalten charakterisiert, das im sozialen Bereich auf der Grundlage einer Reihe von Faktoren als aggressiv definiert wird, von denen einige eher beim Beurteiler liegen als beim Handelnden liegen.“( vgl. Bierhoff, 1998, S.5) Hier wird berücksichtigt, dass es oft kein eindeutiges Bezugssystem für die Klassifikation aggressivens Verhalten gibt. Die Klassifikationen sind sehr stark kontextgebunden, d.h. Beurteiler können unterschiedlicher Meinung sein, ob Aggression vorliegt oder nicht. Aktuelle Forschungsarbeiten kommen zu dem Ergebnis, dass solch eine Urteilsdivergenz, z.B. zwischen Täter und Opfer, tatsächlich sehr häufig auftritt. (ebd. S.6)
2.2 Definition von Aggression nach Zillmann
Eine umfassende Definition legt Zillmann (1979) vor :Eine Aktivität wird dann als Aggression definiert, wenn von der handelnden Person versucht wird, einer anderen Person körperlichen Schaden oder physischen Schmerz zuzufügen, und wenn das Opfer gleichzeitig danach strebt, eine solche Behandlung zu vermeiden. (ebd. S.6) Hier gilt es noch zu ergänzen, dass wie schon oben erwähnt, dass auch psychische Schmerzen und Beeinträchtigungen durch Aggression hervorgerufenen werden können bzw. häufig vom Täter beabsichtigt wird, die Opfer in diesen Bereichen zu schädigen. (ebd. S.7) Dies beobachten wir auch hier in unserem Fallbeispiel : Anna P. versucht Willi W. durch die Androhung eines Kontaktverbotes zu der gemeinsamen Tochter, in diesem Bereich zu treffen und zu schädigen.
Desweiteren wird hier unterschieden zwischen provozierter und unprovozierter Aggression. Es ist häufig festzustellen, dass Aggressionen damit begründet werden, dass auf eine vorangegangene Provokation reagiert wurde. Auch hier können wir dann oft wieder Perspektivendivergenz zwischen den Beteiligten beobachten. Die Beteiligten stimmen oft nicht darüber ein, ob tatsächlich die vorangegangene Aktivität eine Provokation darstellte oder nicht. (ebd. S.7) Dies sehen wir auch hier zwischen den Beteiligten. Anna P. fühlt sich durch mangelndes Engagement von Willi bezüglich Unterhaltsleistungen und Arbeitssuche provoziert. Willi sieht dies allerdings völlig anders, er weiß, wie viel Zeit er Woche für Woche opfert sich zu bewerben und sich weiterzu-qualifizieren und wie schwierig es ist für ihn, in der heutigen Arbeitsplatzmarkt-lage eine Arbeit zu finden. Andersrum fühlt er sich wiederum von Anna provoziert, und zwar dadurch, dass sie ihm androht, dass er seine Tochter nicht mehr sehen darf. Für Anna ist dieses Verhalten berechtigt, sie ist der Meinung, wenn der Vater nicht zahlt, hat er auch kein Recht seine Tochter zu sehen.
Die Gefahr in dieser Situation ist, dass Aggression und Gegenreaktion eskalieren und die beteiligten Personen ihr Verhalten jeweils als Vergeltung für die vorherige Provokation der anderen Seite rechtfertigen.(ebd. S.7)
2.3 Soziale Lerntheorie - gelernte Aggression
Die soziale Lerntheorie von Albert Bandura zählt zu den bekanntesten Aggressionstheorien. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht, dass Verhalten im Kindesalter erlernt wird, durch spontane Nachahmung der Verhaltensweisen der Vorbilder. Zusätzlich verstärken Belohnungen die Nachahmungstendenzen, sowie Bestrafungen diese hemmen. ( ebd. S.9) Somit werden auch komplexe Verhaltensmuster wie Aggression und Gewaltausübung erlernt. Auf unser Fallbeispiel bezogen, können wir somit vermuten, dass Anna P. ihre Aggressionen in ihrer Kindheit gelernt hat. Vielleicht hat sie diese Verhaltensweisen bei ihrem Vater oder/ und Mutter erleben müssen und hat diese somit in ihr eigenes Leben assimiliert. In dieser Theorie unterscheiden wir zwei Phasen: Die Phase des Erwerbs und der Ausführung eines Verhaltens.
Die Ausführung des Verhaltens wird durch Verstärkungen beeinflusst, aber auch durch selbstregulatorische Vorgänge. (ebd. S.9) Anna findet in den Aggressionshandlungen gegenüber Willi innere Selbstbestätigung. Sie freut sich darüber aggressiv aufzutreten und sich durchzusetzen. Die Aggression führt bei ihr zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls. Ein Selbstwertgefühl, welches durch ihre finanzielle und soziale angespannte Situation, natürlich immer wieder in Frage und auf die Probe gestellt wird. Als weiteren Punkt in dem die soziale Lerntheorie hier mit eine Rolle spielt, sind die Auswirkungen von Gewaltdarstellungen in den Medien, besonders in den visuellen Medien. Die regelmäßige, teilweise auch unbewusst, beobachtete Gewalt in den Medien, führt dazu, dass Menschen für Aggressionen im Alltag desensitiviert werden. Die Toleranzschwelle für aggressives Verhalten wird somit stark erhöht, dadurch dass solches Verhalten regelmäßig als mögliches Beispiel und Modellverhalten gezeigt wird. Diese Handlungsweisen werden in der Phase des Erwerbs übernommen und bei entsprechenden ähnlichen Alltagssituationen zum Ausdruck gebracht. (ebd.S.9)
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- Citation du texte
- Michael Supp (Auteur), 2005, Mediation und Empowerment in der Sozialen Arbeit an einem Fallbeispiel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71087
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