Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die italienischen Regionen europapolitische Mitregenten sind.
Schon seit mehr als 20 Jahren fordern die Regionen unter Bezugnahme auf ihre Schlüsselfunktion bei der Umsetzung von EU-Richtlinien und EU-Gesetzen, am europäischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozess stärker beteiligt zu werden (vgl. Jeffery 2003, S. 1).
Ein Blick in die Verfassung der Republik Italien soll klären, welche Rolle den Regionen im italienischen Mehrebenensystem zugestanden wird. Die Verfassungsreform im Jahr 2001 verbesserte die Kompetenzen der Regionen erheblich.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Regionen in der Verfassung
3. Die Regionen im Senat
4. Der Einfluss der Regionen im Bereich der Europapolitik
4.1 Auf der Ebene des Nationalstaats
4.2 Im Mehrebenensystem der EU
4.3 Rolle der Regionen im geplanten Vertrag über eine Verfassung für Europa
4.4 Emilia Romagna: Beispiel für regionalpolitischen Erfolg auf nationaler wie europäischer Ebene
5. Schattenseiten des Regionalisierungsprozesses und Gründe
6. Fazit und Perspektiven
7. Literaturangaben
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die italienischen Regionen europapolitische Mitregenten sind.
Schon seit mehr als 20 Jahren fordern die Regionen unter Bezugnahme auf ihre Schlüsselfunktion bei der Umsetzung von EU-Richtlinien und EU-Gesetzen, am europäischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozess stärker beteiligt zu werden (vgl. Jeffery 2003, S. 1).
Ein Blick in die Verfassung der Republik Italien soll klären, welche Rolle den Regionen im italienischen Mehrebenensystem zugestanden wird.
Die Verfassungsreform im Jahr 2001 verbesserte die Kompetenzen der Regionen erheblich.
Danach erfolgt eine kurze Betrachtung der zweiten Kammer des italienischen Parlaments, dem Senat, die verdeutlichen soll, welchen Einfluss die Regionen auf der nationalen Ebene innerhalb des politischen Systems Italiens ausüben. Die Darstellung beschränkt sich auf Aspekte und Institutionen, die besonders für die Regionen von Bedeutung sind; eine gesonderte Betrachtung der Institutionen Staatspräsident, Abgeordnetenkammer und Regierung würde zu weit führen.
Ebenfalls wird geklärt, ob die Regionen auch an der Gestaltung der Europapolitik auf nationaler und europäischer Ebene mitwirken können. Die seit dem Vertrag von Maastricht Einzug haltende Tendenz zur Zentralisierung Europas, die sich von da an auch auf die politische Dimension erstreckte, hat weit reichende Auswirkungen auf die nationalstaatliche und auch regionale Politik der Mitgliedsstaaten. Der geplante Verfassungsvertrag für Europa schreibt diese Tendenz fort. Ob der „Ausschuss der Regionen“ und das 2001 vertraglich in der italienischen Verfassung festgehaltene Subsidiaritätsprinzip den Kompetenzverlust der italienischen Regionen begrenzen oder sogar ihren Einfluss auf europäischer Ebene stärken können, bleibt zu klären.
Die Region Emilia-Romagna ist ein Beispiel für die erfolgreiche Regionalpolitik- sowohl auf der Ebene des Nationalstaats als auch auf Ebene der EU.
Wo jedoch die Grenzen des regionalen Einflusses - nicht nur in Italien - liegen und welche Schattenseiten der Regionalisierungsprozess mit sich bringen kann, soll anschließend erörtert werden.
In einem abschließenden Fazit werden noch einmal die Gründe für die eher negative Bilanz regionalpolitischer Einflussnahme auf europäischer Ebene und Perspektiven für die zukünftige Rolle der Regionen im europäischen Integrationsprozess erläutert.
2. Die Regionen in der Verfassung
Die Verfassung von 1948 beschreibt Italien sowohl als republikanischen Einheitsstaat als auch als Mehrebenensystem. Das bedeutet, dass auch schon damals die subnationalen Gebietskörperschaften Region, Provinz und Kommune Verfassungsrang genossen, obwohl Italien über keine starken föderalistischen oder regionalen Verfassungstraditionen verfügt (Trautmann/Ullrich 2003, S. 592). Nur die Regionen verfügen danach jedoch über einen eigenen Kompetenzbereich (vgl. Grasse 2005, S. 73). Sie üben über die Provinzen und Gemeinden/Kommunen, die nach allgemeinem Recht autonome Selbstverwaltungskörperschaften sind, auf dezentralisierter Grundlage die Rechtsaufsicht aus.
Weiterhin hat der Staat dafür Sorge zu tragen, dass die staatliche Verwaltung eine größtmögliche Zentralisierung erfährt. In diesem Sinne muss er seine Gesetzgebung an den Bedürfnissen der Dezentralisierung ausrichten.
Die Regionalisierung Italiens begann zwischen 1944 und 1948 mit der Etablierung von fünf Regionen mit Sonderstatut (Trentino-Südtirol, Friuli-Venezia Giulia, Valle d’Aosta, Sardegna und Sicilia). Erst 1970 richtete Rom die letzten 15 Regionen mit Normalstatut ein, die eigentlich schon 1951 hätten bestehen sollen, und gestand ihnen weniger Kompetenzen als den Regionen mit Sonderstatut zu.
Die Regionen mit Sonderstatut hatten auch Gesetzgebungsbefugnisse in den Politikbereichen Kultur, Industrie und Wirtschaft, Kreditwirtschaft, Sozialgesetzgebung etc. Diese späte Implementierung der Regionen mit Normalstatut hing vor allem damit zusammen, dass die Ministerien der Regierung einen Machtverlust vermeiden wollten.
Bis zur Verfassungsreform 2001 hatten sie auch nur Kompetenzen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, sie konnten also nur unter Beachtung der staatlichen Rahmengesetzgebung innerhalb der im Art. 117 genannten Gebiete aktiv werden. Ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse hatten sie nur dann, wenn der Staat auf das Setzen von Rahmenbedingungen verzichtete.
Heute sind die Gebiete des Art. 117 Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Staates und alle anderen Gebiete, die nicht ausdrücklich der staatlichen Gesetzgebung unterliegen, unterliegen der ausschließlichen Gesetzgebung in den Regionen (vgl. Italienische Regionen 2006).
Auch die Organe der Regionen sind in der Verfassung in Art. 121 verankert. Die Regionen haben jeweils eine eigene direkt gewählte Volksvertretung, den Regionalrat. Er kann mit den Landtagen in der Bundesrepublik verglichen werden.
Die Regionalregierung setzt sich aus dem Regionspräsidenten, der seit 2002 direkt gewählt werden kann, und dem Regionalausschuss zusammen.
Alle Gesetze, die in den Regionen mit Normalstatut verabschiedet wurden, unterlagen bis 2001 außerdem der präventiven Kontrolle eines Regierungskommissars.
Die Regionen befanden sich nicht nur deshalb am Gängelband des Zentralstaates (vgl. ebd.)
3. Die Regionen im Senat
Der Senat als zweite Kammer des italienischen Parlaments wird zwar auf regionaler Basis gewählt, er ist aber dennoch keine Regionalvertretung im Sinne des Bundesrates in der Bundesrepublik Deutschland. Senat und Abgeordnetenkammer sind gleichberechtigt. Die Verfassungsgebende Versammlung wollte hierdurch ein „deliberatives Element“ (Trautmannn/Ullrich 2003, S. 558) in den Gesetzgebungsprozess einbauen. Die Verdopplung der beratenden und Beschluss fassenden Aufgaben des Parlaments sollten die Qualität der Politik steigern; stattdessen wurden Gesetzesvorhaben seit den 50er Jahren eher verschleppt. Jedem Beschluss muss von beiden Kammern zugestimmt werden. Da es keinen Schlichtungsausschuss gibt, kann der Gesetzgebungsprozess stark verlangsamt werden (vgl. ebd.). Die Regionen sind im italienischen Senat entsprechend ihrer Bevölkerungsanzahl vertreten, wobei sich die Wahlkreise an den Provinzen orientieren (Grasse 2005, S. 83).
Alle 5 Jahre werden die insgesamt 315 Senatoren gewählt. Wahlberechtigt ist jeder, der das 25. Lebensjahr vollendet hat. Wählbar ist jeder, der das 40. Lebensjahr vollendet hat. Senat und Abgeordnetenhaus sind gleichberechtigt. Jedes Mitglied soll sein Amt ausüben, ohne an Aufträge gebunden zu sein. Die Interessen der Regionen können also gar nicht vertreten werden, zumal auch die Senatoren eher ihren Parteien oder Bündnissen verpflichtet sind als der Region, aus der sie entsandt wurden.
1993 wurde das Verhältniswahlsystem abgelöst durch ein Mischwahlsystem. Für die erste Kammer, das Abgeordnetenhaus, bedeutete diese Neuerung, das knapp drei Viertel der Sitze nach dem Mehrheitsprinzip und knapp ein Viertel der Sitze nach dem Verhältnisprinzip vergeben werden.
Im Senat basiert die Zusammensetzung auf den Ergebnissen in den Regionen, weshalb die Sitzverteilung anders ausfällt als das prozentuale Gesamtergebnis. Bei den Parlamentswahlen 2006 führte Berlusconi das Verhältniswahlrecht wieder ein.
Die Region Trentino-Südtirol, die aus den autonomen Provinzen Trient und Bozen besteht, weigerte sich aufgrund ihres Sonderstatuts erfolgreich, das Verhältniswahlrecht anzuwenden und konnte 6 ihrer Sitze wie bisher nach dem Mehrheitswahlrecht und den siebten Sitz nach dem Verhältniswahlrecht vergeben (vgl. Parlamentswahlen 2007).
Hieran zeigt sich wieder einmal, dass die Kompetenzen zwischen den Regionen mit Normalstatut und den Regionen mit Sonderstatut ungleich verteilt sind.
[...]
- Citation du texte
- Johanna Jansen (Auteur), 2007, Nationales Regieren in der EU am Länderbeispiel Italien: Sind die italienischen Regionen europapolitische Mitregenten?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71046
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.