Im 18. Jhdt. bildeten sich, trotz aller konfessionellen, sprachlichen und nationalen Antagonismen, Vorstufen eines europäischen Bewußtseins heraus. Eine besondere Rolle in diesem kollektiven Identifikationsgefühl spielte die Rückbesinnung auf die Antike, wodurch wiederum der Gegensatz zwischen Europa und den übrigen Kontinenten stark betont wurde. Kunst, Kultur und Wissenschaft waren, nach eigenem Selbstverständnis, die dominierenden Unterscheidungsmerkmale und bei allen außereuropäischen Völkern, wenn überhaupt, nur rudimentär vertreten; somit waren Religion und Hautfarbe nicht die einzigen Differenzen. Der gebildete Europäer wiederum sah sich ganz in der Tradition der Antike. Das förderte zum einen die stark angestiegene Kommunikation der Gelehrten untereinander durch Zeitschriften, Briefe und Kataloge, zum anderen Reisen zu den wichtigsten künstlerischen und antiken Schauplätzen Europas. An der Diskussion der Gelehrten beteiligten sich nun auch die Fürsten und Aristokraten. Sie unternahmen Reisen, vor allem nach Italien (Rom, Florenz, Venedig). Dort (insbesondere in Rom) trafen englische, französische, deutsche und polnische Gelehrte, Künstler und Adelige aufeinander. Hier wurden die wichtigen Kontakte geknüpft, die später Grundlage vieler Antikensammlungen sein sollte.
Gliederung
I. Die Antike als Bezugspunkt des 18. Jahrhunderts
II. Sammlungstypen im 18. Jhdt
II.1. Höfische Sammlungen
II.2. Öffentliche Sammlungen
II.3. Gelehrten- und Universitätssammlungen
II.4. Aristokratische Sammlungen
II.5. Bürgerliche Sammlungen
III. Antikenhandel und -restaurierung im Rom des 18. Jhdts
IV. Die Antikensammlung des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anh.-D
V. Schlußwort
I. Die Antike als Bezugspunkt des 18. Jahrhunderts
Im 18. Jhdt. bildeten sich, trotz aller konfessionellen, sprachlichen und nationalen Antagonis-men, Vorstufen eines europäischen Bewußtseins heraus. Eine besondere Rolle in diesem kollektiven Identifikationsgefühl spielte die Rückbesinnung auf die Antike, wodurch wieder-um der Gegensatz zwischen Europa und den übrigen Kontinenten stark betont wurde.
Kunst, Kultur und Wissenschaft waren, nach eigenem Selbstverständnis, die dominierenden Unterscheidungsmerkmale und bei allen außereuropäischen Völkern, wenn überhaupt, nur rudimentär vertreten; somit waren Religion und Hautfarbe nicht die einzigen Differenzen.
Der gebildete Europäer wiederum sah sich ganz in der Tradition der Antike. Das förderte zum einen die stark angestiegene Kommunikation der Gelehrten untereinander durch Zeitschriften, Briefe und Kataloge, zum anderen Reisen zu den wichtigsten künstlerischen und antiken Schauplätzen Europas. An der Diskussion der Gelehrten beteiligten sich nun auch die Fürsten und Aristokraten. Sie unternahmen Reisen, vor allem nach Italien (Rom, Florenz, Venedig). Dort (insbesondere in Rom) trafen englische, französische, deutsche und polnische Gelehrte, Künstler und Adelige aufeinander. Hier wurden die wichtigen Kontakte geknüpft, die später Grundlage vieler Antikensammlungen sein sollte.
Das identitätsstiftende Leitbild war das antike Griechenland. Dies ist z.B. im Vorwort des 1769 erschienenen Werkes „Ionian Antiquities“ der Society of Dilettanti belegt, in dem es heißt, daß das moderne England das Gegenstück zum antiken ionischen Griechenland ist; England, wo Mathematik, Geometrie und Astronomie gepflegt wurde, als Heimat verwegener Seefahrer und Händler, als Wiege der Medizin, der Geschichtsschreibung, der Dichtkunst und der Architektur. Diese Vorzüge des antiken Ioniens entsprachen den Kulturleistungen, die das moderne Europa nach zeitgenössischer Meinung den anderen Erdteilen gegenüber überlegen machte; die Antike war der Prototyp moderner Werte und Verhaltensweisen.
Dies zeigte sich insbesondere daran, daß Militärs und Politiker versuchten, durch Studium der griechischen und römischen Geschichte Lösungen für aktuelle Probleme zu finden. Zum anderen kam es zur Anlage von Antikensammlungen; galten doch die Antiken, die z.B. in den Uffizien und im Vatikan bestaunt wurden, als Verkörperung idealer Schönheit.
Der kunstgeschichtliche Aspekt spielte aber bei der Betrachtung der antiken Skulptur allen-falls eine untergeordnete Rolle. Vielmehr bündelten die in dieser Zeit eingerichteten Sammlungen die Anliegen und Werte ihrer Zeit; sie blieben aber auch nicht ohne Kritik.
So kritisierte z.B. Julius B. von Rohr in seinen um 1730 gedruckten Leitfaden für richtige Verhaltensformen des Adels und des Bürgertums „unzüchtige nackende Bilder und Statuen aus dem wollüstigen Italien“, da sie der „Entzündung böser Lüste“ dienten. Es erschien im skandalös, „daß dergleichen hier und da und bisweilen in großer Menge in den Zimmern der sogenannten Christen“ diese Werke Aufstellung fanden. Diese Meinung war vor allem im evangelischen Deutschland stark vertreten; sie verhinderte aber nicht die Entstehung solcher Sammlungen.
Die Statuen antiker Götter und Heroen verkörperten nämlich eine ideale und perfekte Schönheit; ihre ästhetische Qualität sollte zur Verfeinerung des Geschmacks beitragen und damit zur allgemeinen Verbesserung der Gesellschaft überhaupt (Boschung, D./v. Hesberg, H., S. 5ff.).
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- Citation du texte
- Marco Chiriaco (Auteur), 2003, Die Antikensammlungen des 18. Jhs. am Beispiel der Sammlung des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70996
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