Beschäftigt man sich mit Spielfilmen unter geschichtswissenschaftlichen Gesichtspunkten, so gibt es zwei grundsätzliche Aspekte, die zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden können: Einmal kann der Film auf seine Funktion als „Historiographie in bewegten Bildern“ geprüft werden, also als Veranschaulichung, Verlebendigung der dargestellten geschichtlichen Geschehnisse und Begebenheiten. Aussagekräftiger als seine Funktion als Sekundärquelle zu einer inszenierten Vergangenheit ist der Film jedoch als Dokument, „als historiographisches Material seiner Entstehungszeit“. Wie alle Kunstformen unterliegt er den politischen, sozialen und psychologischen Einflüssen, die die Gesellschaft, in der er entsteht, ausmacht. Dies desto mehr, je weniger er diese Einflüsse reflektiert, je unkritischer er also damit umgeht. Folglich lassen sich aus Massenfilmen, eher trivialen Produktionen, die keine weitere Intention als die Unterhaltung des Publikums vertreten, zumeist mehr Erkenntnisse über die Gesellschaft, die diese Filme ursprünglich rezipiert hat, gewinnen, als aus solchen, die einen kritischen und damit vorgelenkten Blick auf die eigene Entstehungszeit werfen. Dem entsprechend sollen in dieser Arbeit über Hollywoodfilme und den Kalten Krieg nicht nur Produktionen im Mittelpunkt stehen, die sich explizit mit dem Kalten Krieg und seinen Auswirkungen beschäftigen, sondern gerade auch Filme, die sich auf andere Themen beziehen und in Genres fallen, die üblicherweise keine Verbindung zum Kalten Krieg haben, in denen aber nichtsdestotrotz dessen Einfluss erkenntlich wird. Aus diesem Grund sollen hier nicht nur die großen Klassiker der einzelnen Epochen, wie Apocalypse Now für den Vietnamfilm, Beachtung finden, sondern beispielsweise auch Produktionen aus dem Bereich des Horror- und des Science-Fiction-Films. Aus den Erzählstrukturen und Leitmotiven dieser Genres, vor allem während der 50er Jahre, lassen sich aufgrund ihrer Popularität eher Rückschlüsse auf das Publikum ziehen als aus den alternativen Produktionen, die nur kleine Zuschauerzahlen erreichten.
Ziel dieser Arbeit ist es, nicht nur zu zeigen, dass sich politische und gesellschaftliche Einflüsse im populären Spielfilm spiegeln, sondern auch, dass diese Beeinflussung wechselseitig erfolgt, dass der Film aktiv auf die Meinungen und Vorstellungen seiner Zuschauer einwirkt, somit also – aus der Sicht des Historikers gesprochen – Teil des kollektiven Selbstverständnisses und Geschichtsbewusstseins ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verbindung von Politik und Filmindustrie: Hollywood im Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit
3. Kommunistenjagd und Hysterie: Hollywood zu Beginn des Kalten Kriegs
3.1 Antikommunismus im Film
3.2. Versteckte Kritik: Ausweichen auf andere Genres
3.3. Invasionen und Riesenmonster: Science-Fiction- und Horrorfilme
4. Weltuntergang und Dschungelhölle: Die 60er- und 70er-Jahre
4.1 Die Rückkehr der Kritik
4.2 Exkurs: Der Atomkriegsfilm
4.3 Der Vietnamfilm
5. Vielfalt trotz Revisionismus und Nostalgie: Die Reagan-Ära
6. Ausblick und Schlußbemerkung
Literaraturverzeichnis
1. Einleitung
Beschäftigt man sich mit Spielfilmen unter geschichtswissenschaftlichen Gesichtspunkten, so gibt es zwei grundsätzliche Aspekte, die zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden können: Einmal kann der Film natürlich auf seine Funktion als „Historiographie in bewegten Bildern“1 geprüft werden, also als Veranschaulichung, Verlebendigung der dargestellten geschichtlichen Geschehnisse und Begebenheiten. Aussagekräftiger als seine Funktion als Sekundärquelle zu einer inszenierten Vergangenheit ist der Film aber als Dokument, „als historiographisches Material seiner Entstehungszeit“.2 Wie alle Kunstformen unterliegt er den politischen, sozialen und psychologischen Einflüssen, die die Gesellschaft, in der er entsteht, ausmacht. Dies desto mehr, je weniger er diese Einflüsse reflektiert, je unkritischer er also damit umgeht. Folglich lassen sich aus Massenfilmen, eher trivialen Produktionen, die keine weitere Intention als die Unterhaltung des Publikums vertreten, zumeist mehr Erkenntnisse über die Gesellschaft, die diese Filme ursprünglich rezipiert hat, gewinnen, als aus solchen, die einen kritischen und damit vorgelenkten Blick auf die eigene Entstehungszeit werfen.3 Dem entsprechend sollen in dieser Arbeit über Hollywoodfilme und den Kalten Krieg nicht nur Produktionen im Mittelpunkt stehen, die sich explizit mit dem Kalten Krieg und seinen Auswirkungen beschäftigen, sondern gerade auch Filme, die sich auf andere Themen beziehen und in Genres fallen, die üblicherweise keine Verbindung zum Kalten Krieg haben, in denen aber nichtsdestotrotz dessen Einfluß erkenntlich wird. Aus diesem Grund sollen hier nicht nur die großen Klassiker der einzelnen Epochen, wie Apocalypse Now für den Vietnamfilm, Beachtung finden, sondern beispielsweise auch Produktionen aus dem Bereich des Horror- und des Science-Fiction-Films. Aus den Erzählstrukturen und Leitmotiven dieser Genres, vor allem während der 50er Jahre, lassen sich aufgrund ihrer Popularität eher Rückschlüsse auf das Publikum ziehen als aus den alternativen Produktionen, die nur kleine Zuschauerzahlen erreichten.4
Die Arbeit folgt dabei einer chronologischen Vorgehensweise. Eine genauere Betrachtung einzelner Motive und Themen wäre ebenfalls denkbar gewesen, hätte aber allein schon aufgrund der Masse der entsprechenden Literatur unweigerlich zu einer starken Konzentration auf den Vietnamfilm geführt. Da aber der Überblickscharakter über die ganze Zeit des Kalten Krieges im Vordergrund steht, wird dieses Thema ebenfalls nur in gekürzter Form - wenn auch als einer der Schwerpunkte - zu Gunsten der Gesamtdarstellung vorgestellt.
Ziel dieser Arbeit ist es weiterhin, nicht nur zu zeigen, daß sich politische und gesellschaftliche Einflüsse im populären Spielfilm spiegeln, sondern auch, daß diese Beeinflussung wechselseitig erfolgt, daß der Film aktiv auf die Meinungen und Vorstellungen seiner Zuschauer einwirkt, somit also - aus der Sicht des Historikers gesprochen - Teil des kollektiven Selbstverständnisses und Geschichtsbewußtseins ist.5
2. Verbindung von Politik und Filmindustrie: Hollywood im
Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit
"There has never been a more effective salesman for American products in foreign countries than the American motion picture."6
Diese Beobachtung trifft nicht nur auf amerikanische Produkte, sondern auch auf die amerikanische Kultur zu. Gerade in der Nachkriegszeit wurde das Bild von Amerika in Deutschland durch die populäre Kultur, insbesondere durch Film und Musik geprägt. Dies wurde teilweise bewußt forciert durch die Kontrolle amerikanischer Gesellschaften über kulturelle Einrichtungen wie Theater, Konzerthallen, Zeitungen, Werbefirmen, Universitäten etc.. Das Kino und der Einfluß Hollywoods waren dabei von zentraler Bedeutung.7 Im Film konnte der deutschen Bevölkerung der amerikanische ‚way of life‘ besonders gut nahegebracht werden, wesentlich besser als durch die offiziellen Bemühungen der Diplomatie und der Politik. Das brachte Hollywood in eine Machtposition, die es sogar erlaubte, Forderungen an die amerikanische Regierung zu stellen, welche auf die Unterstützung der Filmindustrie bei der Gewinnung der deutschen Bevölkerung angewiesen war. Den Höhepunkt dieser Forderungen stellte das Jahr 1948 dar, in dem Hollywood die vollständige Kontrolle über die deutsche Filmindustrie verlangte und sogar der US-Regierung damit drohte, bei Ablehnung keine weiteren Filme mehr zu schicken. Am Ende gab Washington nach und zahlte zusätzlich noch Gelder an die Studios für jeden Film, der in Deutschland gezeigt wurde.8
Wie konnte es zu einer derartigen Verknüpfung der amerikanischen Politik mit der Filmindustrie kommen? Durch den Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland verlor Hollywood einen wichtigen Absatzmarkt in Europa und geriet in eine Krise. Um dies auszugleichen, orientierte man sich neu und wandte sich an die amerikanische Regierung. Dieser kam die Propagandamöglichkeit während des Zweiten Weltkrieges nur zu gelegen. Die Folge war eine Konzentration auf Filme, die speziell an die Truppen an der Front und an die Bevölkerung der eroberten Gebiete gerichtet waren. So kamen mit der Armee die Filme nach Deutschland. Aber natürlich blieb diese Verbindung mit den offiziellen Bestrebungen der USA auch für Hollywood nicht ohne Folgen. Da die Filme einen Auftrag zu erfüllen hatten, nämlich die Darstellung amerikanischer Werte und Vorstellungen in bestmöglichem Licht, war die Produktion kritischer Filme vollständig gehemmt.9 Die oberste Kontrolle über die besetzten Länder hatten noch immer das Militär und die Politiker inne, und diese waren nicht bereit - trotz aller Machtfülle, die Hollywood bis dahin gesammelt hatte -, Filme zeigen zu lassen, die die amerikanische Gesellschaft kritisch reflektierten. Auf diese Weise kam es zu einer wechselseitigen Verknüpfung von Staat und Filmindustrie, die von maßgeblichem Einfluß auf die Probleme Hollywoods in den folgenden Jahren sein sollte.
3. Kommunistenjagd und Hysterie: Hollywood zu Beginn des Kalten Kriegs
Mit der Gründung des ‚New Deal‘ in den 30er Jahren unter Präsident Roosevelt erlebte die intellektuelle Kulturszene Amerikas einen starken Aufschwung. Theatergruppen und vor allem Regisseure und Drehbuchautoren, bei denen liberales und linkspolitisches Gedankengut vorherrschte, wurden gezielt von der Regierung gefördert, um gegen die sozialen Probleme der Zeit vorzugehen. Verstärkt wurden diese liberalen Strömungen durch die zahlreichen Emigranten, die ihre Eindrücke aus den faschistischen Teilen Europas mitbrachten.10 Jene Einflüsse äußerten sich in Hollywood beispielsweise durch die Gründung der ‚Anti-Nazi- League‘. Während des Krieges waren es diese Personen, die eng mit Washington zusammenarbeiteten und sich in der Produktion von Propagandafilmen als Patrioten beweisen wollten. Anfang der 50er Jahre waren es dieselben Personen, die unter Anklage gestellt wurden. Das neue Feindbild hatte sich durchgesetzt, die Kommunisten wurden zur Ursache aller Probleme der amerikanischen Gesellschaft erklärt. Nach der Überwindung der Wirtschaftskrise waren die Konservativen wieder erstarkt. Ihre Position festigte sich durch den Hitler-Stalin-Pakt und den aufkommenden Antagonismus mit der Sowjetunion. Diesen Leuten waren die linken Intellektuellen in Hollywood zutiefst suspekt. Die Tatsache, daß die Kommunistische Partei und diverse Gewerkschaften in der Filmindustrie Fuß gefaßt hatten, erzeugte die Illusion des ‚Red Hollywood‘.11 Der Vorwurf an die Produzenten kriegspropagandistischer Filme lautete, daß diese nicht aus Haß auf die Nationalsozialisten, sondern aus Sympathie für den ehemaligen Alliierten gedreht worden waren.12 Die enge Verknüpfung mit der amerikanischen Regierung wurde dadurch vielen Drehbuchautoren und Produzenten zum Verhängnis. Schon in Trumans Legislaturperiode (1945-1953) waren die Konservativen stark genug geworden, mit Hilfe eines eigens gegründeten Ausschusses - des ‚House Un-American Activities Committee‘ (HUAC) - gegen die vermeintlichen Sowjetspione vorzugehen. Die Prozesse dieses Komitees weiteten sich unter der Präsidentschaft des Republikaners Eisenhower (1953-1961) und dem Wüten des berüchtigten Kommunistenhassers Joseph McCarthy (Wirkungszeit 1946-1954) weiter aus. Als das HUAC im Jahr 1947 eine Untersuchung der kommunistischen Unterwanderung Hollywoods ankündigte, bestand die Reaktion der Filmstudios noch aus Empörung. Der Vertreter der Produzenten verkündete in der Öffentlichkeit: „So lange ich lebe, werde ich mich niemals an einer so unamerikanischen Sache wie der Schwarzen Liste beteiligen.“13 Damals war der Mut für eine solche Antwort noch vorhanden, denn die ersten Jahre der Nachkriegszeit waren zwar mit finanziellen Problemen verbunden gewesen, das Ansehen Hollywoods hatte aber aufgrund der Propagandafilme bis dahin noch nicht gelitten. Dennoch gab es Mitarbeiter in der Filmindustrie, die sich durch die Präsenz der vielen linkspolitischen Intellektuellen bedroht fühlten und sich durch deren Ausgrenzung als vorbildliche Amerikaner beweisen wollten.14 Tatsächlich stützten sich die ersten Untersuchungen des HUAC auf Gerüchte und Verdächtigungen, die sich gegen alle unabhängigen Filmproduktionen richteten. Unter den Denunzierten befanden sich damals schon so namhafte Personen wie Charles Chaplin, Frank Sinatra und Bertold Brecht.
Schließlich beugten sich die Produzenten dem Druck und gaben nach: [E1],Damit wurden die Schwarze Liste akzeptiert und die angeklagten Schriftsteller, Regisseure und Schauspieler ihrem Schicksal überlassen.
Das vollständige Ausmaß dieser Prozesse zu schildern, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.15 Erwähnenswert sind die sogenannten ‚Hollywood Ten’, zehn Personen - unter ihnen Bertold Brecht - die sich weigerten, Fragen zu ihrer politischen Gesinnung zu beantworten und dafür wegen Mißachtung des Komitees zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Brecht entschied sich, aus seinem Exil zurück nach Deutschland zu fliehen.16
In den folgenden Jahren wurden immer wieder prominente Personen Hollywoods aufgrund von Gerüchten und Denunziation auf die Schwarze Liste gesetzt. Sie wurden von ihren Filmstudios entlassen und durften nicht mehr eingestellt werden. Dies und die Verpflichtung der Produzenten, antikommunistische Filme drehen zu lassen, war nicht ohne Folgen für das Kino.
[...]
1 Rother, R. (Hrsg.): Bilder schreiben Geschichte: Der Historiker im Kino. Berlin 1991, S. 11 (kurz: Rother 1991).
2 Ebd. S. 11.
3 Rodenberg, H.P.: „Back to the Future“ - Tendenzen des US-Amerikanischen Films der 80er Jahre. In: Kerkhoff I., Rodenberg, H.P.: Leinwandträume. Film und Gesellschaft. Gulliver, Deutsch-Englische Jahrbücher, Band 29, Hamburg, Berlin 1991, S. 15-33, S. 23 (kurz: Rodenberg 1991).
4 Vgl. Hey, B.: Zeitgeschichte im Kino: Der Kriegsfilm vom Zweiten Weltkrieg bis Vietnam. In: GWU (1996), S. 579-589, S. 579.
5 Dies wird besonders deutlich im Vietnamfilm, der teilweise bewußt als Mittel der Vergangenheitsbewältigung benutzt wurde. Vgl. hierzu auch Bösche, F.-W.: „Rambo“ als Quelle - Der Vietnam-Konflikt -ein Krieg von vielen? UE Sel.1/Materialien Sek. II, in: Praxis Geschichte 1992/H. 6, S. 42-46, S. 42.
6 Mayer, G. M.: American Motion Pictures in World Trade. Annals of the American Academy of Political and Social Sciences 254 (1947), S. 31-36. Zitiert nach: Wagnleitner, R. American Cultural Diplomacy, the Cinema, and the Cold War in Central Europe. Salzburg 1992. (kurz: Wagnleitner 1992) (benutzte Internetquelle im Literaturverzeichnis).
7 Wagnleitner 1992.
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Muscio, G.: Hexenjagd in Hollywood - Die Zeit der Schwarzen Listen, Frankfurt/Main 1982, S. 14ff. (kurz: Muscio 1982).
11 Ebd. S. 28.
12 Ferro, M.: Gibt es eine filmische Sicht der Geschichte? In: Rother 1991, S. 17-36, S. 33.
13 Eric Johnston, zitiert nach: Muscio 1982, S. 57.
14 Muscio 1982, S. 53.
15 In aller Ausführlichkeit behandelt in Muscio 1982.
16 Auch Chaplin sollte wenige Jahre später den USA für immer den Rücken kehren. 1957 drehte er den Film A King in New York, in dem er das HUAC anklagt. Vgl. Muscio 1982 129.
- Quote paper
- Johannes Kaufmann (Author), 2005, Hollywoodfilme und Kalter Krieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70976
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