1. Einleitung
Johann Wolfgang Goethe schuf mit seinem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers, erstmals erschienen im Jahre 1774, ein Werk, das die Menschen seiner Zeit bewegte und zu vielerlei Interpretationen veranlasste. Noch heute wird es viel gelesen, im Schulunterricht behandelt und auf verschiedenste Weisen interpretiert, denn sein Stoff ist nach wie vor hochaktuell. Dies nicht zuletzt, weil der Roman nach seinem erscheinen ein regelrechtes Wertherfieber auslöste und auch zu kritischen Betrachtungen veranlasste.
Hier sollen zwei Interpretationsansätze genauer betrachtet werden, die im 20. Jahrhundert entstanden sind und die Vorgehensweise zweier methodischer Strömungen germanistischer Literaturwissenschaft veranschaulichen. Der zuerst betrachtete Ansatz von Ernst Beutler ist dem Positivismus zuzuschreiben, während die Interpretation Herbert Schöfflers Züge der geistesgeschichtlichen Methode aufweist. Wie im Folgenden zu erkennen sein wird, deuten die beiden Autoren das Werk Goethes auf unterschiedliche Weise, da sie Autor und Roman aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Ihre Vorgehensweisen und die Unterschiede ihrer Deutungen sollen nun verglichen und kritisch diskutiert werden, wobei das Augenmerk auf Geistesgeschichte und Positivismus, den beiden literaturwissenschaftlichen Methoden, die in kritischem Bezug zueinander standen, liegen soll.
Im ersten Teil meiner Hausarbeit werde ich mich mit dem Interpretationsansatz Ernst Beutlers beschäftigen, sowie mit der positivistischen Methode an sich. Nachdem dann Herbert Schöfflers Interpretation in Hinblick auf die Geistesgeschichte betrachtet wurde, sollen zum Schluss noch einmal die Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen herausgearbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ernst Beutlers Interpretation: Wertherfragen
2.1 Inhalt und Kernaussagen der Interpretation
2.2 Die positivistische Interpretationsmethode
3. Herbert Schöfflers Interpretation: Die Leiden des jungen Werther. Ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund.
3.1 Inhalt und Kernaussagen der Interpretation
3.2 Die geistesgeschichtliche Interpretationsmethode
4. Unterschiede der Deutungen Beutlers und Schöfflers
4.1 Methodische Unterschiede
4.2 Inhaltliche Unterschiede
5. Literaturverzeichnis
6. Erklärung über das selbstständige Verfassen der Seminararbeit
1. Einleitung
Johann Wolfgang Goethe schuf mit seinem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers, erstmals erschienen im Jahre 1774, ein Werk, das die Menschen seiner Zeit bewegte und zu vielerlei Interpretationen veranlasste. Noch heute wird es viel gelesen, im Schulunterricht behandelt und auf verschiedenste Weisen interpretiert, denn sein Stoff ist nach wie vor hochaktuell. Dies nicht zuletzt, weil der Roman nach seinem erscheinen ein regelrechtes Wertherfieber auslöste und auch zu kritischen Betrachtungen veranlasste.
Hier sollen zwei Interpretationsansätze genauer betrachtet werden, die im 20. Jahrhundert entstanden sind und die Vorgehensweise zweier methodischer Strömungen germanistischer Literaturwissenschaft veranschaulichen. Der zuerst betrachtete Ansatz von Ernst Beutler ist dem Positivismus zuzuschreiben, während die Interpretation Herbert Schöfflers Züge der geistesgeschichtlichen Methode aufweist. Wie im Folgenden zu erkennen sein wird, deuten die beiden Autoren das Werk Goethes auf unterschiedliche Weise, da sie Autor und Roman aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Ihre Vorgehensweisen und die Unterschiede ihrer Deutungen sollen nun verglichen und kritisch diskutiert werden, wobei das Augenmerk auf Geistesgeschichte und Positivismus, den beiden literaturwissenschaftlichen Methoden, die in kritischem Bezug zueinander standen, liegen soll.
Im ersten Teil meiner Hausarbeit werde ich mich mit dem Interpretationsansatz Ernst Beutlers beschäftigen, sowie mit der positivistischen Methode an sich. Nachdem dann Herbert Schöfflers Interpretation in Hinblick auf die Geistesgeschichte betrachtet wurde, sollen zum Schluss noch einmal die Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen herausgearbeitet werden.
2. Ernst Beutlers Interpretation: Wertherfragen
2.1 Inhalt und Kernaussagen der Interpretation
Ernst Beutler veröffentlichte im Jahre 1940 in der Viermonatsschrift der Goethe-Gesellschaft einen Interpretationsansatz zu Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers, den er mit Wertherfragen betitelte. Dieser Ansatz ist klar gegliedert in drei Teile, welche er relativ stark voneinander abgrenzt: 1. Das ertrunkene Mädchen, 2. Religiöse Hintergründe, 3. Frankfurter Szenerie.
Der erste Teil des Interpretationsansatzes behandelt den Fall des ertrunkenen Mädchens, den Werther in einer Diskussion mit Albert anspricht. Zu finden ist die Textstelle im Brief des 12. August 1771, den Beutler als „umfangreicher und gewichtiger als die anderen Schreiben“[1] bezeichnet. Werthers Argumentation ist an dieser Stelle des Romans sehr aufschlussreich, denn als er mit Albert auf das Thema Selbstmord zu sprechen kommt, wird seine Einstellung dazu sehr deutlich. Im Mittelpunkt steht hierbei sein Bezeichnung „Krankheit zum Tode“, die er im Zusammenhang mit der Geschichte des ertrunkenen Mädchens nennt. Diese Liebeskrankheit, den Hang zum Selbstmord als Ausweg aus einem unerträglichen Leben ohne Liebeserfüllung, vergleicht er mit einem Fieber, dem man nicht entrinnen kann. Beutler merkt hier an, dass dieser Begriff aus dem Johannesevangelium stammt. Der Bericht des ertrunkenen Mädchens beschäftigt Beutler so sehr, dass er Nachforschungen in der Biographie Goethes anstellt und hier auch fündig wird. Bei den Aktenabschriften in den Papieren des kaiserlichen Rates, in die Goethe durch seinen Vater Einsicht hatte, ist der Bericht zu finden. Goethe nahm also den Stoff auf und setzte ihn dann nach vier Jahren in Dichtung um, indem er ihm besonders seelische und emotionale Aspekte beifügte, also die Leidensgeschichte des Mädchens nachzeichnete. Beutler bemerkt, Goethe erkenne anhand solcher Fälle „die Leidenschaft als größten, aber auch gefährlichsten Inhalt des Lebens“[2]. Über den Fall an sich kommt Folgendes zu Tage: Das Mädchen, von dem im Roman die Rede ist, hieß in Wirklichkeit Anna Elisabeth Stöber, war 23 Jahre alt und wohl eine Gespielin Goethes, der wenig jünger war als sie. Ihr Todesfall wurde verschwiegen, lediglich ein Sektionsbericht war angefertigt worden, in den Goethe dann Einsicht gewann. Im Werther, so macht Beutler deutlich, hat der Fall eine besonders wichtige Funktion, da er der Vorausdeutung von Werthers Schicksal dient, gleichzeitig stellt er einen Parallelfall zu dem der Maria Brandt dar, der als Vorlage für die Gretchentragödie im Faust diente.
[...]
[1] Ernst Beutler: Wertherfragen, S. 138
[2] ebd. S. 143
- Arbeit zitieren
- Martina Jansen (Autor:in), 2006, Die Interpretation von Goethes "Werther": Vergleich zweier methodischer Ansätze von Herbert Schöffler und Ernst Beutler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70870
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