Das Massenmedium Fernsehen ist mittlerweile zu einem selbstverständlichen Bestandteil im Alltag westlicher Kulturen geworden. War ein Fernsehgerät im eigenen Haushalt in den sechziger Jahren noch Luxus, so verfolgt uns die Bilderflut heute ins Kaufhaus, in den Schnellimbiss, zum Zahnarzt und auch im Flughafengebäude muss man nicht auf die „Tagesschau“ oder ähnliche Information- und Unterhaltungssendungen verzichten. Für uns Rezipienten ist diese audiovisuelle Darstellung durchaus angenehm, da der Mensch scheinbar von Natur aus Dingen eher Glauben schenkt, wenn er sie nicht nur hören, sondern vor allem auch sehen kann. Des Weiteren ist es für uns bequemer, Ereignisse anhand von Bildern präsentiert zu bekommen, da diese Form der Information keine großen Anforderungen an die Vorstellungskraft des Menschen stellt. Oder wer kann schon einen Film verfolgen ohne dabei auf das Bild zu achten? Zwar wird das Fernsehprogramm zwischenzeitlich teilweise schon so gestaltet, dass es dem Rezipienten auch ohne ständigen Blickkontakt möglich ist es zu verfolgen, dennoch ist dies eher die Ausnahme als die Regel und die Dominanz der Visualität somit ungebrochen. Die Auditivität als eigenständiges Gebilde gerät zunehmend in den Hintergrund. Möglicherweise ist dies ein Grund, weshalb das Hörspiel als rein auditives Konstrukt seine ursprünglich hohe Bedeutung mehr und mehr zu verlieren scheint und nur noch für eine begrenzte Anzahl „echter“ Liebhaber interessant ist. Anlass genug der Geschichte und aktuellen Relevanz des Hörspiels auf den Grund zu gehen. Da es auch heute noch vor allem Kinder sind, die Hörspiele rezipieren, wollen wir uns speziell damit beschäftigen: Welche Rolle spielt das Hörspiel in der Entwicklung des Kindes? Welche Besonderheiten weist das Kind als Rezipient auf? Was ist das Charakteristische am Kinderhörspiel? Diese und andere Gesichtspunkte seien hier unter dem Thema „Das deutsche Kinderhörspiel in der Unterhaltungsindustrie“ näher beleuchtet. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung *
2. Die Geschichte des Kinderhörspiels**
2.1. Das Kinderhörspiel im Rundfunk
2.1.1. Von den Anfängen bis zum Dritten Reich
2.1.2. Von der Nachkriegszeit bis heute
2.2. Das Kinderhörspiel in der Unterhaltungsindustrie
2.2.1. Der Markt
2.2.2. Besonderheiten gegenüber dem Rundfunkhörspiel
3. Das Kind als aktiver Rezipient***
4. Eigenschaften des Kinderhörspiels***
4.1. Länge
4.2. Musik
4.3. Töne/ Geräusche
4.4. Sprecher
4.5. Technik
5. Das Kinderhörspiel und seine verschiedenen Zielgruppen***
5.1. Das Hörspiel im Kindergarten ( 3 - 6 jährige Kinder)
5.2. Das Hörspiel in der Grundschule ( 7 - 10 jährige Kinder)
5.3. Das Hörspiel in der Sekundarstufe (13 - 16 jährige)
6. Zwei Hörspiele aus unterschiedlichen Epochen im Vergleich*
6.1. Hänsel und Gretel
6.1.1. Allgemeine Informationen
6.2. Bibi Blocksberg
6.2.1 Allgemeine Informationen
6.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Übersicht
7. Abschluss und Ausblick*
Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Massenmedium Fernsehen ist mittlerweile zu einem selbstverständlichen Bestandteil im Alltag westlicher Kulturen geworden. War ein Fernsehgerät im eigenen Haushalt in den sechziger Jahren noch Luxus, so verfolgt uns die Bilderflut heute ins Kaufhaus, in den Schnellimbiss, zum Zahnarzt und auch im Flughafengebäude muss man nicht auf die „Ta- gesschau“ oder ähnliche Information- und Unterhaltungssendungen verzichten. Für uns Rezipienten ist diese audiovisuelle Darstellung durchaus angenehm, da der Mensch scheinbar von Natur aus Dingen eher Glauben schenkt, wenn er sie nicht nur hören, son- dern vor allem auch sehen kann. Des Weiteren ist es für uns bequemer, Ereignisse anhand von Bildern präsentiert zu bekommen, da diese Form der Information keine großen Anforde- rungen an die Vorstellungskraft des Menschen stellt. Oder wer kann schon einen Film verfol- gen ohne dabei auf das Bild zu achten? Zwar wird das Fernsehprogramm zwischenzeitlich teilweise schon so gestaltet, dass es dem Rezipienten auch ohne ständigen Blickkontakt möglich ist es zu verfolgen, dennoch ist dies eher die Ausnahme als die Regel und die Do- minanz der Visualität somit ungebrochen.
Die Auditivität als eigenständiges Gebilde gerät zunehmend in den Hintergrund. Möglicherweise ist dies ein Grund, weshalb das Hörspiel als rein auditives Konstrukt seine ursprünglich hohe Bedeutung mehr und mehr zu verlieren scheint und nur noch für eine begrenzte Anzahl „echter“ Liebhaber interessant ist. Anlass genug der Geschichte und aktuellen Relevanz des Hörspiels auf den Grund zu gehen.
Da es auch heute noch vor allem Kinder sind, die Hörspiele rezipieren, wollen wir uns spe- ziell damit beschäftigen: Welche Rolle spielt das Hörspiel in der Entwicklung des Kindes? Welche Besonderheiten weist das Kind als Rezipient auf? Was ist das Charakteristische am Kinderhörspiel?
Diese und andere Gesichtspunkte seien hier unter dem Thema „Das deutsche Kinderhörspiel in der Unterhaltungsindustrie“ näher beleuchtet.
2. Die Geschichte des Kinderhörspiels
Heute bringen wir Kinderhörspiele meist nur mit den Hörspielkassetten von Benjamin Blüm- chen und Co., die wir alle schon einmal im Regal der Musikabteilung oder in der Werbung gesehen haben, in Verbindung. Da Kassetten erst seit den sechziger Jahren des vergange- nen Jahrhunderts auf dem Markt sind, wird wohl auch gleichzeitig die Entstehung und Ver- marktung von Kinderhörspielen zu dieser Zeit stattgefunden haben - so in etwa könnte die Mehrheit der Menschen denken, die sich noch nicht großartig mit Kinderhörspielen und de- ren Entwicklung auseinandergesetzt haben. Diese Auffassung ist nämlich völlig falsch.
Zwar ist richtig, dass Kinderhörspiele in der Form, wie wir sie bis heute kennen, mit dem Auf- kommen von Kassetten ihren Durchbruch erlebten, doch ist das Hörspiel an sich, und so auch das Kinderhörspiel, ursprünglich ein Produkt des Rundfunks. Da besonders das Kinderhörspiel, dem wir uns in unserer Ausarbeitung widmen, heute sowohl im Rundfunk, jedoch noch viel stärker in der Unterhaltsindustrie vertreten ist, gehen wir im Folgenden auf beide Bereiche gesondert ein.
2.1. Das Kinderhörspiel im Rundfunk
2.1.1. Von den Anfängen bis zum Dritten Reich
Die Geschichte des Kinderhörspiels begann in Deutschland schon kurze Zeit nach Ausstrah- lung der ersten Rundfunksendung überhaupt. Bereits ab 1924 konnten die kleinen Hörer im Rahmen von Sendungen wie der „Funkheinzelmann“, die „Funkprinzessin“ und „Kapitän Funk“ Geschichten über den Lautsprecher lauschen. Schon damals war man davon über- zeugt, dass sich diese Sendungen positiv auf die Fantasie der Kinder auswirken würden und man sah lange in alten Märchen den idealen Stoff für derartige Kindersendungen.
Parallel zu den Geschichten über Funk entwickelte sich im literarischen Wortbereich eine neue Kunstform: das Hörspiel. Hans S. Heister, Redakteur der Zeitschrift „Der deutsche Rundfunk“ war es, der dieses Wort im Augustheft 1924 erstmals verwendete. Dabei unter- schied Heister mit diesem Begriff eigens für den Rundfunk geschriebene Werke von jenen, die nach vorhandenen Vorlagen lediglich für eine Sendung bearbeitet wurden.1 Die Idee, Bühnenstücke hörbar zu machen, war für die damalige Zeit jedoch nicht ganz ein- fach. Auf die Idee sich eines Geräuschemachers zu bedienen, kam man zunächst nicht und so war der Tonhintergrund stets authentisch, was nicht selten einen hohen Aufwand darstell- te. Zudem gab es noch keine Speichermöglichkeiten, weshalb die Aufführung des Hörspiels immer live im Sender stattfand.
Die Möglichkeit, durch die Kombination von Sprache, Musik und Geräuschen eine eigene Welt in den Köpfen entstehen zu lassen, reizte auch Kindersendungsmacher. In der Zeit von 1929 bis 1932 hielt Walter Benjamin für die Funkstunde Ag Berlin und die Stunde der Jugend des Südwestdeutschen Rundfunks in Frankfurt am Main Rundfunkvorträge für Kinder und Jugendliche. Aus dieser Zeit stammt auch eines der ersten Kinderhörspiele überhaupt, das Hörspiel „Radau um Kasperl“ von Benjamin, welches er eine „Geschichte mit Lärm“ nannte und das eine gewaltige Neuerung vom literarischen Standpunkt aus darstellte.2 Die Beson- derheit bei diesem Hörspiel war die Tatsache, dass man nicht nur die Handlung mit Geräu- schen der Außenwelt dargestellte, sondern auch das Funkstudio an sich als eine Ebene des Hörspiels mit eingebracht wurde. Kasperl verspätet sich beim Einkaufen und will nun seiner Frau durch den Rundfunk mitteilen, dass er zu spät kommt.3
„Mit dem Begriff ‚Hörspiel’ verband sich recht früh der Anspruch, eine produktive Funkgat- tung zu schaffen, die nicht mehr bloß negativ - durch den Wegfall der optischen Elemente - definiert wurde: Stimmen Sprache, Geräusche und Musik wurden als konstitutive Elemente neu entdeckt, die den Hörer auffordern und in die Lage versetzen, sich Personen, Handlun- gen, auch Orte vorzustellen.“4 Dies ist besonders bei Hörspielen für Kinder interessant, da deren Fantasie meist viel ausgeprägter als die von Erwachsenen ist und sie zudem einige der Situationen, die im Hörspiel vorkommen, möglicherweise in ihrem kurzen Leben noch gar nicht selbst erlebt haben.
Die Dominanz von Märchenhörspielen änderte sich auch im Dritten Reich nicht, da Märchen zum Volksgut gehörten und darum gepflegt wurden. Hinzu kamen so genannte Sing-, Spielund Bastelsendungen, die der Sympathiewerbung der Propagandamaschinerie dienen sollten. Das gleiche galt für den Hitlerjugend-Funk, der nach 1933 aus den bisherigen Jugendsendungen hervorgegangen war.5
2.1.2. Von der Nachkriegszeit bis heute
Die durch den Krieg unterbrochene Entwicklung des Hörspiels setzte sich etwa ab 1954 fort. Damals gab es bereits wieder neun neue Rundfunkanstalten mit eigener Hörspielabteilung. Es entstand eine erste Blütezeit des Hörspiels: das literarische Hörspiel. Dieses zeichnete sich durch symbolhafte und fabelartige Stücke aus, die versuchten, auf poetische Art mit der Vergangenheit fertig zu werden. Einen großen Vorteil für die Produktion von Hörspielen stellte ab den fünfziger Jahren die technische Möglichkeit, Magnettonband- aufzeichnungen durchführen, dar. Fortan mussten Hörspiele nicht mehr live aufgeführt wer- den, sondern konnten aufgenommen und zu einem späteren Zeitpunkt gesendet und auch darüber hinaus aufbewahrt werden. So gab es Anfang der sechziger Jahre rund 350 Neu- produktionen, welche zusammen die rund 1000 Hörspieltermine aller Rundfunkanstalten bereicherten.6 Durch die Einführung von Magnettonbändern veränderte sich auch die Drama- turgie des Hörspiels, da nun Schnitt und Blende, zwei wichtige Mittel zur Aneinanderfügung unterschiedlicher Zeiten und Orte, möglich waren.
In den späten sechziger sowie in den siebziger Jahren erlebte das Hörspiel mit der Geburt des „Neuen Hörspiels“ eine zweite Blütezeit. Hierbei wurden neue Ideen mit politischeren Texten als bisher verbunden. Hinzu kommen wieder neue technische Möglichkeiten zur Ver- fremdung von Stimmen oder zur Veränderung des Raumklangs. Stimmen konnten nun so- wohl als Träger von Informationen als auch von Gefühlen eingesetzt werden.
Auch das Kinderhörspiel profitierte von den technischen Neuerungen. Ein großer Auf- schwung blieb nach dem Krieg jedoch aus, da Kinder von den Autoren der Erwachsenenhör- spiele als weniger relevant betrachtet wurden. Zudem konnten beim Kinderhörspiel nicht alle Neuerungen experimentell ausgeschöpft werden. Allerdings sah man das Hörspiel immer noch als ein ideales Medium für Kinder, da nirgends sonst Fantasiegeschichten so gut um- gesetzt werden konnten. Darum wurde im Laufe der Zeit den surrealistischen Stoffen zu- nehmend mehr Bedeutung als den realistischen geschenkt. Klaus Klöckner erklärt die Ent- wicklung wie folgt: „Die akustischen Signale wecken und aktivieren das Vorstellungsvermö- gen, ohne die Vorstellung selbst festzulegen; Zaubererscheinungen und Fabelwesen werden durch ‚Hörsensationen’ ins Spiel gebracht. Die Gefahr, dass man im Hinblick auf Kinder ge- rade diese Möglichkeiten der akustischen Darstellung überbetonte, lag nahe; die Monopol- stellung des Zaubermärchens bestätigt es; und auch viel später noch lautete die Reihenfolge ungefähr so: Märchen-, Trau-, Gespenster-, Abenteuer-, Alltagshörspiel.“7
In den sechziger Jahren änderte sich auch das Bewusstsein über die Rolle der Medien. Dies war ein Grund dafür, dass das Hörspiel zu dieser Zeit als Thema an die Schulen getragen wurde. Auch sonst war es als literarische Form in aller Munde und konnte sich im Gegensatz zu heute noch gut neben dem Fernsehprogramm behaupten.
Als zu Beginn der siebziger Jahre die Hörerzahlen sanken, erkannten die Produzenten von Rundfunksendungen und Hörspielen für Kinder, dass man etwas an Inhalt und Aufmachung ändern musste. Seit den fünfziger Jahren war das Kinderprogramm größtenteils das gleiche geblieben, die Gesellschaft jedoch nicht. Darum wurde das alte ‚heile-Welt-Angebot’ aufge- geben und neue realitätsbezogene Themen wie Selbstständigkeit und Umgang mit Konflik- ten im sozialen Umfeld eingeführt. Fortan sollten nicht mehr fantastische Wesen in fantasti- schen Geschichten spielen, sondern reelle Figuren wirklichkeitsnahe Situationen durchleben, die an persönliche Erlebnisse und Erfahrungen anknüpfen können. Das Kinder- und Jugend- programm sowie die Inhalte der Hörspiele waren seit dieser Zeit von Themen wie Schulprob- lemen, Lernschwierigkeiten und Eltern-Kind-Konflikten geprägt. Diese Neuerungen sollten das Kinderhörspiel wieder bei Kinder und Eltern populärer machen. Bei den Kindern, die sich für die Geschichten interessieren sollten und bei den Eltern, die die Gewissheit haben konn- ten, dass ihr Kind etwas „pädagogisch Wertvolles“ hört.
2.2. Das Kinderhörspiel in der Unterhaltungsindustrie
Zu der Entwicklung des Kinderhörspiels im Rundfunk gesellte sich seit dem Aufkommen von Speichermöglichkeiten auf Magnettonband die kommerzielle Verbreitung von Hörspielaufzeichnungen auf Tonträgern.
2.2.1. Der Markt
Im Kapitel über das Kinderhörspiel im Rundfunk haben wir bereits angesprochen, dass Hörspielmacher zu Beginn der Entwicklung das Problem des Fehlens eines geeigneten Aufzeichnungsmediums hatten. Tatsächlich gab es bereits in den zwanziger Jahren die ersten Kinderschallplatten.8 Diese hatten jedoch eine auf 2 ½ Minuten begrenzte Speicherkapazität, sodass Märchen und Lieder auf diese kurze Zeit beschränkt waren. Die Aufnahme von kompletten Hörspielen war somit gänzlich ausgeschlossen.
Erst gegen Ende der fünfziger Jahre war die technische Entwicklung soweit, dass eine Auf- zeichnung von Hörspielen auf Kassette und Schalplatte möglich wurde und deren Vermark- tung beginnen konnte. Die ersten Unternehmen auf dem Markt waren die Deutsche Gram- mophon und die Telefunken-Decca, die im Jahr 1958 in das Geschäft einstiegen und Hör- spiele nach bekannten Bestsellern wie Jules Verne, Jack London und Daniel Dafoe veröf- fentlichten. Der Philipskonzern war es, der zehn Jahre später die ersten Kassettenrekorder und Tonbandkassetten auf den Markt brachte. Nun dauerte es nicht mehr lange, bis sich dieses neue Tonträgersystem durchgesetzt hatte, da dieses nicht nur handlicher und ver- schleißärmer, sondern auch besonders von Kindern einfacher zu bedienen war als der sper- rige und anfällige Plattenspieler.
Die anfängliche Angeglichenheit von Platten- und Kassettenpreisen änderte sich, als es der Firma „Miller International“ gelang, die Produktionskosten und somit auch die Verkaufskos- ten für Kassetten zu senken und diese dann nur noch etwa die Hälfte kosteten. Heute ver- treibt Miller International unter dem Label „Europa“ (BMG Ariola-Miller GmbH) und auch wei- tere Billigproduzenten wie zum Beispiel Karussell, Kiosk (Kiddinx) und Emi-Elektrola haben sich auf dem Hörspielmarkt behauptet. Eine Hörspielkassette kostete dort vor zehn Jahren im Durchschnitt 7,95 DM.
Seit einigen Jahren werden die bekanntesten Hörspiele wie beispielsweise Benjamin Blüm- chen, Biene Maja und Bibi Blocksberg nicht nur auf Kassette, sondern auch auf CD verkauft.
Nachfolgend eine kurze Übersicht über Hersteller, Hörspiele, Medien und Preise:9
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach der Einführung der Hörspielkassetten stiegen ihre Verkaufszahlen rasant an. 1970 wurden zirka eine Million verkauft, 1977 bereits 15 Millionen. 1988 erreichte der Markt seine bisherige Spitze von 25 Millionen. Allerdings wurde die Tonbandkassette seit Anfang der neunziger Jahre mehr und mehr von Fernsehen, Videokassetten und mittlerweile auch DVDs verdrängt, sodass der Absatz 1990 auf 20 Millionen zurückging.
2.2.2. Besonderheiten gegenüber dem Rundfunkhörspiel
Das heutige Angebot, vor allem an kommerziellen Hörspielen, vorrangig für Kinder und Ju- gendliche, ist riesig. In der Datenbank der Internetseite www.hoerspiele.de sind alleine 7178 Hörspieltitel aus 536 verschiedenen Hörspielserien (kommerziell) und 902 Radiohörspiele erfasst (Stand: 25.08.2003).
Betrachtet man sich allerdings die Hörspiele in einem Geschäft einmal etwas genauer, so findet man dort neben Klassikern wie „Die Drei ???“, „Die Fünf Freunde“ oder „TKKG“ auch Titel wie „Teletubbies“, „Barbie“, „Playmobil“, „Turtles“, „Baby Born“ sowie ein duzend andere mehr. Letztgenannte haben allerdings nur sehr wenig mit dem klassischen Kinderhörspiel, welches kindgerecht eine Geschichte erzählt, zu tun. Dennoch sind sie unter den Kindern alles andere als unbeliebt, da wohl fast jedes Mädchen eine Barbie und die Mehrzahl der Jungen Playmobilfiguren zu Hause haben. Genau auf diese Tatsache zielt das Vermark- tungskonzept der Hörspiele produzierenden Firmen ab. Die Kleinen kennen und lieben be- reits ihre Helden aus dem Kinderzimmer und möchten sie dann natürlich auch auf Kassette erleben. Der Inhalt spielt da natürlich im Vergleich zum Namen eine untergeordnete Rolle.
Ähnlich verhält es sich bei einer weiteren Gruppe von Hörspielen, jene, die dick und fett die Aufschrift „Original TV-Aufnahme“ tragen. Fast schon wie ein Gütesiegel wird dieser Auf- druck angepriesen, dabei ist er meist das ganze Gegenteil. Ziel der kommerziellen Kasset- tenverlage: alles, was mit Erfolg im Fernsehen läuft, so schnell wie möglich auf Kassette, oder neuerdings auch auf CD, veröffentlichen. Dabei werden meist der Soundtrack und die Dialoge sowie Hintergrundgeräusche aus dem Fernsehen übernommen. Zwar wird dieser durch kurze Erzählpassagen aufbereitet, allerdings hapert es meist durch das fehlende Fernsehbild an Überschaubarkeit der Handlung und der Zusammenhänge. In der Fernsehse- rie können Emotionen auch ohne Worte nur durch Mimik und Gestik ausgedrückt werden, was im Hörspiel eigentlich durch Kommentare des Erzählers geschieht. Bei der bloßen Ü- bernahme des Fernsehtons fällt das jedoch leider weg. Nicht selten wird einfach vorausge- setzt, dass die mit dem Fernsehen aufgewachsenen Kinder die Serie und deren Zusammen- hänge bereits kennen. Bekannte Beispiele hierfür sind die Hörspielkassetten von „ALF“ und den „Simpsons“, bei denen wir das während unseren Recherchen auch selbst haben fest- stellen können.
Im Zuge des aus-dem-Fernsehen-Übernehmens werden auch Serien als Kinderkassetten angepriesen, die dies eigentlich gänzlich nicht sind. Beispiele hierfür sind die Serien „Das A- Team“ und „Knight Rider“. Beide Fernsehserien, mit Erfolg Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger im Fernsehen gelaufen, haben nur erwachsene Darsteller und handeln auch sonst nur von Problemen der Erwachsenenwelt, wie beispielsweise Wettschulden, Überfällen oder sonstigem Betrug - Dinge ohne pädagogischen Nutzen oder sonstigen kindlichen Zu- schnitt. Dies scheint für die Produktionsfirmen allerdings keine Rolle zu spielen.
Zum Abschluss unserer Ausführungen über die Besonderheiten des kommerziellen Kinder- hörspiels im Vergleich zum Radiohörspiel, möchten wir kurz auf das Phänomen „Benjamin Blümchen“ und „Bibi Blocksberg“ eingehen. Letzteres werden wir im Analyseteil unserer Ausarbeitung noch genauer betrachten. Beides sind Hörspielreihen, die für Kinder produziert wurden und von denen schon mehr als 70 Folgen pro Serie erschienen sind. Doch damit nicht genug. Seit ihrem Erscheinen im Jahr 1978 beziehungsweise 1979 erfreuen sich die Helden Benjamin und Bibi einer stetig wachsenden Beliebtheit unter den Fünf- bis Dreizehn- jährigen. Ursprünglich als Hörspiel produziert, gibt es mittlerweile von den beiden auch schon Bücher, T-Shirts, Taschen, Federmappen und allerlei andere Dinge, womit sich bei Kindern Geld verdienen lässt. Sogar eine „Benjamin-Blümchen-Töröö-Torte“ darf auf den meisten Kindergeburtstagen nicht mehr fehlen. Für die, die aus dem Hörspielalter heraus sind, sich von ihren Helden der Kindheit dennoch nicht so ganz trennen wollen, gibt es selbstverständlich auch Zeitschriften und seit Mitte der neunziger Jahre sogar Zeichntrickfil- me. Hierbei wurden schlichtweg die bereits auf Kassette erschienenen Geschichten verfilmt, obwohl die Erzählweise und sonstige Umsetzung der Hörspiele eine Visualisierung eigentlich nicht nötig hätte. Bibi und Benjamin sind nun aber einmal bekannt und beliebt und darum verkaufen sich Kassetten und Videofilm.
[...]
* Franziska Lehnert & Nicole Fleischmann
** Nicole Fleischmann
*** Franziska Lehnert Verfasser der einzelnen Kapitel (falls nicht anders angegeben, beziehen sich die Markierung auf das jeweils ge samte Kapitel bis zur n ä chsten Markierung)
1 vgl. Würffel, Stefan Bodo: Das deutsche Hörspiel. Stuttgart: Metzler, 1978; S. 18
2 vgl. Benjamin, Walter: Aufklärung für Kinder, Rundfunkvorträge. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1985
3 vgl. Schiller-Lerg, Sabine: Walter Benjamin und der Rundfunk, Programmarbeit zwischen Theorie und Praxis. München, 1984, S. 252ff.
4 Klöckner, Klaus: Hörfunk, in: Grünewald, Dietrich/Kaminski, Winfried (Hrsg.), Kinder- und Jugendmedien. Weinheim und Basel: Beltz, 1984; S. 216
5 vgl. Klöckner, Klaus, a.a.O., S. 201
6 vgl. Klose, Werner: Didaktik des Hörspiels. Stuttgart: Reclam, 1977; S. 26
7 Klöckner, Klaus, a.a.O., S. 210
8 Hengst, Keinz: Schallplatte/Kassette: Hörspiel, in: Grünewald, Dietrich/Kaminski, Winfried (Hrsg.), Kinder
und Jugendmedien. Weinheim und Basel: Beltz, 1984; S. 217ff
9 Preisinformationen verfügbar im Internet unter: www.amazon.de, Stand: 25.08.2003
- Quote paper
- Nicole Fleischmann (Author), Franziska Lehnert (Author), 2003, Das deutsche Kinderhörspiel in der Unterhaltungsindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70812
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