Dieser Aufsatz thematisiert den Zusammenhang zwischen den Medien Text und Bild. Ziel der Auseinandersetzung soll es sein, das Verhältnis von Text und Bild zu ausgewählten Werken aus der russischen Kurzprosa Gogols und Zoščenkos zu analysieren.
In der Literatur können Bilder – „wohldosiert“ – einen Beitrag dazu leisten, dem Leser einen Text schmackhaft zu machen. In dieser Hinsicht bilden Text als verbales und Bild als nonverbales konzeptuelles System eine Kommunikationseinheit. Den Text müssen wir im Verhältnis zum Bild, das Bild in Relation zum Text verstehen.
Das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Medien soll an drei deutschen und einer russischen Ausgabe untersucht werden, die zwischen 1978 und 2002 erschienen sind. Die in diesen Büchern enthaltenen Literaturillustrationen sind unterschiedlicher Natur, da sie zum einen von unterschiedlichen Künstlern stammen. Zum anderen unterscheiden sich nicht nur die dazugehörigen Texte, sondern auch die Maltechniken und die Zeit, in der die Illustrationen entstanden sind.
Mit der Verbindung von Theorie und Praxis soll ein wertvoller Beitrag zum besseren Verständnis über das Zusammenwirken zwischen den Medien Wort und Bild geleistet werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Was ist ein Bild? Ein kurzer theoretischer Exkurs
2.1. Das Bild in der Alltagssprache
2.2. Merkmale und Funktionen des Bildes
3. Nikolaj V. Gogol’
3.1. Die Kalesche und andere Erzählungen: Die Nase
3.2. Der Mantel
4. Michail M. Zoščenko
4.1. „Der Verwandlungskünstler oder Ein Vorfall in der Provinz. Humoresken und Satiren“
4.2. «Рассказы»
5. Fazit
6. Bibliographie
Every picture tells a story. (1847)
1. Einleitung
Dieser Aufsatz thematisiert den Zusammenhang zwischen den Medien Text und Bild. Ziel der Auseinandersetzung soll es sein, das Verhältnis von Text und Bild zu ausgewählten Werken aus der russischen Kurzprosa Gogols und Zoščenkos zu analysieren.
Theoretisch kommen literarische Werke ohne Bilder aus – es genügt die Kraft der Worte und das Vorstellungsvermögen des Rezipienten und er „malt“ sich seine eigenen Bilder im Kopf. In dieser Hinsicht ist Sprache dem Bild weit überlegen. Je länger ein Text jedoch ist, desto wohltuender mag da eine visuelle Unterbrechung sein. In Bilderbüchern für Kinder oder bei Comics ist der Text dem Bild sogar untergeordnet.
Zudem wird der Mensch heute häufiger mit Bildern konfrontiert als mit Texten. Wir leben in einer Zeit voller Bilder. Das Bild als massenmedialer Informationsträger ist unmittelbar und anschaulich. Ein Übermaß davon – ausgelöst durch die Macht der Medien – kann jedoch zu einer Reizüberflutung führen.
In der Literatur können Bilder – „wohldosiert“ – einen Beitrag dazu leisten, dem Leser einen Text schmackhaft zu machen. Denn entscheidet nicht auch die visuelle Aufmachung des Buchdeckels darüber, ob ein Buch in die Hand genommen wird oder nicht?
In dieser Hinsicht bilden Text als verbales und Bild als nonverbales konzeptuelles System eine Kom-munikationseinheit. Den Text müssen wir im Verhältnis zum Bild, das Bild in Relation zum Text verstehen. Das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Medien soll an drei deutschen und einer russischen Ausgabe untersucht werden, die zwischen 1978 und 2002 erschienen sind. Die in diesen Büchern enthaltenen Literaturillustrationen sind unterschiedlicher Natur, da sie zum einen von unter-schiedlichen Künstlern stammen. Zum anderen unterscheiden sich nicht nur die dazugehörigen Texte, sondern auch die Maltechniken und die Zeit, in der die Illustrationen entstanden sind.
Ich hoffe, durch die Verbindung von Theorie und Praxis einen wertvollen Beitrag zum besseren Verständnis über das Zusammenwirken zwischen den Medien Wort und Bild leisten zu können.
2. Was ist ein Bild? Ein kurzer theoretischer Exkurs
2.1. Das Bild in der Alltagssprache
Semantisch betrachtet hält das Lexem „Bild“ eine Reihe von interessanten Bedeutungsinhalten bereit. Wir möchten uns deshalb dem Bildbegriff zunächst aus linguistischer Perspektive nähern, um daraus allgemeingültige Merkmale und Funktionen des Bildes abzuleiten.
Die Tatsache, dass in unserer modernen Alltagssprache zahlreiche, doch überschaubare Sinngehalte für das Wort „Bild“ existieren, beweist ein Blick in gängige Wörterbücher der deutschen Gegenwartsspra-che. Zur Veranschaulichung der verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten des Begriffes „Bild“ sollen folgende Satzbeispiele dienen[1]:
1. Das Bild stellt den Prinzen Eugen dar.
2. Es ist ein Lehrbuch mit vielen Bildern und klaren Lernschritten.
3. Er hat im Urlaub gestochen scharfe Bilder gemacht.
4. Schon wieder ist das Bild gestört. Wir müssen die Antenne richten.
5. In seinem Bericht entwirft er ein erschütterndes Bild von den Zuständen in jenem Land.
6. Vor meinem geistigen Auge stiegen alle alten Bilder auf.
7. Er verwendet zahlreiche Bilder in seinen Gedichten.
Wie den Beispielsätzen zu entnehmen ist, hängt die Bedeutung und Verwendung des Bildbegriffes stark vom Kontext ab. Gleichzeitig können wir grob unterscheiden zwischen drei Arten von Bildern: grafisch / materiell (1 bis 4), geistig / mental (5 und 6) und sprachlich (7).
Das sprachliche Bild unter (7) steht synonym für Gleichnis oder Metapher. Es hat die Funktion, der Sprache eines Dichters oder Redners u.a. mehr Ausdruckskraft zu verleihen: „Wüstenschiff“ ist beispielsweise anschaulicher und bildhafter als „Kamel“.
Unter (5) wird Bild verwendet in der Bedeutung von Anblick (vgl. „ein Bild des Grauens“, „ein Bild des Jammers“). Gemeint ist die Szenerie, die einem in einer konkreten Situation begegnet. Das Bild ist allerdings nur im Moment des eigentlichen Betrachtens konkret wahrnehmbar, denn es manifestiert sich in der textlichen Wiedergabe in bestimmten versprachlichten Vorstellungsgehalten. Es entsteht ein mentales Bild. Somit ist das Bild das Denkergebnis eines Wahrnehmungsprozesses und geistige Vor-stellung zugleich.
Das mentale Bild unter (6) schließt zusätzlich seelisches, psychisches Empfinden ein. Ein einziger äußerlicher Reiz genügt und Erinnerungen in Form von geistigen Bildern werden ausgelöst. Bilder dieser Art unterliegen allerdings der Veränderung und des Vergessens. Solche Bilder können deshalb klar und deutlich, flüchtig, verzerrt, emotional angereichert oder sogar falsch interpretiert sein.
Aus den Bereichen Fernsehen und Kino stammt die Verwendung des graphischen Bildbegriffes unter (4). Es sind „bewegte“ Bilder und deren rechteckige Projektionsfläche erinnert an das Bild aus der Optik (5). Bild steht hier synonym für Fotografie (also Licht bild). Röntgenbilder und Passbilder gehören ebenso dazu.
Die gebräuchlichste Verwendung für den Bildbegriff finden wir unter (1) und (2). Bild ist zum einen das Werk eines Malers oder Grafikers (1). Zwar kann es als rein graphisches Produkt betrachtet werden, doch ist es als Kunstobjekt zu sehen, wenn das Bild entstanden ist unter Verwendung bestimmter künstlerischer Mittel (Farben, Pigmente, Bindemittel) und auf künstlerische Weise (Maltechniken wie Öl, Aquarell oder Pastel).
Zum anderen steht Bild für Abbildung, Reproduktion, Zeichnung, Diagramm oder Illustration (2). Es ist wie (1) auf einer Fläche künstlerisch Dargestelltes – mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Bildbegriff unter (2) gewöhnlich in Verbindung mit dem begleitenden Text eine Einheit bildet. Für unsere Beschreibung und Analyse von Text-Bild-Beziehungen ist deshalb folgender Bildbegriff von Interesse: das Bild als materielles Abbild von Textinhalten. Respektiv müssen wir den Text als „ Vorlage “ für das Bild sehen.
Um das Bild jedoch verstehen und deuten zu können, sind – wie beim Lesen eines Textes – kulturspezifisches Weltwissen und Zeichenkenntnisse von Seiten des Rezipienten notwendig. Dabei ist unsere Bildwahrnehmung und -verarbeitung an sich ein zweifacher visueller Vorgang: zunächst erfolgt das Erfassen des Bildes, d.h. das Auge setzt das Bild zusammen. Anschließend folgt das Abbilden im mentalen Gedächtnis. Die Bilddeutung wird mit Hilfe der verbalen Sprache realisiert, welche sich wiederum individuell unterscheidet. Demnach hat jeder Betrachter seine eigene subjektive und einmalige Bildlesart.
Zum Schluss sei angemerkt, dass der Bildbegriff wie erwähnt auch Illustrationen jeglicher Art einschließt. Eine Illustration ist „allgemein die Bebilderung eines Druckwerks (Buch, Zeitschrift), z.B. durch Grafiken, Diagramme, Fotografien, Bildreproduktionen [...]. Im engeren Sinne ist eine Illustration eine künstlerische Zeichnung oder Grafik zu einem bestimmten Text“ (Duden Kunst 2000: 182).
Für unsere Zwecke ist die letztgenannte Begriffsbestimmung von Bedeutung: einem vorliegenden (literarischen) Text werden geeignete Bilder (Illustrationen) von künstlerischer Qualität „zugeordnet“. Entweder handelt es sich dabei um „freie Bilder“, also Bilder, die nicht für einen bestimmten Text gezeichnet worden sind, sich aber für gewisse Texte eignen. Oder Illustrationen werden speziell für einen Text geschaffen, in Auftrag gegeben.
In beiden Fällen erfüllen Bilder eine Reihe von unterschiedlichen Funktionen, worauf im nächsten Kapital näher eingegangen werden soll.
2.2. Merkmale und Funktionen des Bildes
Grafische, mentale und sprachliche Bilder verbindet eine wichtige Eigenschaft: alle sind bis zu einem bestimmten Grad Konstrukt der Realität. Zudem ist das grafische Bild, auch stehendes Bild genannt, dem Text in gewisser Hinsicht überlegen, denn es hinterlässt reichhaltigere Gedächtnisrepräsentatio-nen als das Wort:
„Die appellative Kraft des stehenden Bildes resultiert aus seinem semiotischen Potenzial als ikonisches Zeichen, das sich durchaus von dem des symbolischen Sprachzeichens abhebt. Das Bild weckt mit Farben, Fläche und Formen die Aufmerksamkeit des Betrachters, informiert ihn simultan in kürzester Zeit umfassender und wirklichkeitsnäher, weckt Konnotationen und berührt unmittelbar die Emotionalität“ (Telgmann 2006: 5).
Die magische Kraft der Bilder beweist schon der Volksmund: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte bzw. Ein Bild ist tausend Worte wert. Während mentale Bilder jedoch relativ flüchtig sind, haben grafische Bilder den Vorzug, dauerhaft und unveränderlich zu sein.
Für grafische Bilder ist außerdem kennzeichnend, dass sie Momentaufnahmen sind – scheinbar losgelöst von Raum und Zeit. Nicht nur sind Vor- und Nachgeschichte des Dargestellten unbekannt, Bilder haben die paradoxe Wirkung, „dass sie längst Vergangenes vergegenwärtigen und uns seelisch bewegen, als gäbe es keine zeitliche Distanz“ (ebd.: 4).
Auf dem ersten Blick sind Bilder materiell starre Gebilde. Doch entwickeln sie in der Vorstellungskraft des Betrachters eine spezielle subjektive Eigendynamik: sie regen das Gefühl an, lösen Erinnerungen und Empfindungen aus, heben die Stimmung, motivieren, bauen auf, regen zum Nachdenken an. Sie berühren in hohem Maße die affektive Seite. Ein ästhetisches Lustgefühl kann entstehen. Bestimmte Farben und Formen können die Stimmungslage beeinflussen – eine Tatsache, die oft nicht rationell begründbar ist. Kurzum, Bilder haben eine sinnliche Qualität, „sie sind attraktiv [und] besitzen einen hohen Reizwert“ (Straßner 2002: 13).
Welche Funktion ein Bild im Text erfüllt, hängt in großem Maße von der Textsorte, der Art des Bildes und der Absicht des Illustrators ab. Verzierungen wie Vignetten oder Ornamente beispielsweise sind häufig in den Text integriert und dienen oft nur dem Dekorationszweck. Hier hat das Bild als schmückendes Beiwerk hauptsächlich eine rein ästhetisch-ergänzende Funktion.
Neben dieser affektiven und motivationalen Aufgabe von Bildern sind zwei weitere wichtige Funktio-nen relevant: einerseits können Bilder einen Text mehr oder weniger inhaltsgetreu beschreiben bzw. veranschaulichen. Das trifft vor allem auf nicht-fiktionale Texte zu, bei denen komplizierte Zusam-menhänge visualisiert werden sollen (kognitive Funktion).
Andererseits können Bilder den Text frei interpretieren (Interpretationsfunktion). Häufig sind Literatur-illustrationen Interpretationen: eine literarische Textvorlage wird durch die subjektive Lesart des Künstlers in prägnanten Einzelbildern visuell verlebendigt. Die Wahl der künstlerischen Mittel, des zu visualisierenden Textausschnittes, aber auch seine Emotionen fließen in die Gestaltung der Buch-illustration ein. Dabei kann der Informationsgehalt von Text und Bild stark voneinander abweichen. Je größer die Diskrepanz zwischen den Inhalten des Textes und des Bildes, desto interpretativer ist die Darstellung. Bild und Text werden somit auf unterschiedliche Art und Weise aufeinander bezogen.
Die referenzielle Verknüpfungen zwischen Text und Bild sollen in den folgenden Kapiteln an reprä-sentativen Beispielen aus der klassischen und modernen russischen Kurzprosa N. Gogols und M. Zoščenkos veranschaulicht und analysiert werden.
[...]
[1] Die Beispielsätze wurden herangezogen aus: das „Duden Stilwörterbuch der deutschen Sprache“ (1988), das „Wahrig Wörterbuch der deutschen Sprache“ (1998) und „Langenscheidts Großwörterbuch für Deutsch als Fremdsprache“ (1998).
- Citation du texte
- Steffen Laaß (Auteur), 2007, Text-Bild-Beziehungen in der Kurzprosa von Gogol' und Zošèenko, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70551
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