Dieser Artikel greift die wieder auflebende Forschungsdiskussion über die Inflationstheorie der Deutschen Inflation von 1918-1923 auf. Die gegensätzlichen Forschungspositionen der rationalistischen und irrationalistischen Inflationstheorie sollen hierbei als Grundlage dienen. Schwerpunkt dieser Arbeit ist der Zeitabschnitt vom Kriegsende 1918 bis zum Londoner Ultimatum im Jahre 1921. Dieser Zeitabschnitt ist geprägt durch die Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg und die damit verbundenen Schwierigkeiten in Politik und Wirtschaft. Das Londoner Ultimatum ist das Ende der Reparationsverhandlungen und leitete eine neue Politik der Reichsregierungen ein, die vorwiegend durch die Last der Reparationen und deren außenpolitische Auswirkungen, wie die Ruhrbesetzung 1923, gekennzeichnet ist.
Die Phase bis zum Londoner Ultimatum ist von besonderer Bedeutung, da in jener Zeit die wirtschafts- und finanzpolitischen Ursachen der Deutschen Inflation zu finden sind. Entsprechend des derzeitigen Forschungsstandes, einer ambivalenten Sichtweise, werden rationalistische (Specht, Petzina) und irrationalistische (Holtfrerich, Kerstingjohänner) Forschungspositionen miteinander verknüpft, um diese Ambivalenz auf Tauglichkeit zu überprüfen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Ursachen der Deutschen Inflation
2.1. Kriegsfinanzierung
2.2. Kriegsfolgelasten und Übergangswirtschaft
Übergangswirtschaft und Produktionsaufbau
Handelsbilanz
2.3. Finanzpolitik
Die Valuta-Diskussion
Reichsfinanzen
Kriegsanleihen
Attentismus
Die „Erzbergersche“ Finanzreform
Diskontpolitik der Reichsbank
Außenwertverlust der Reichsmark
Vor- und Nachteile der Finanzpolitik
2.4. Reparationsverhandlungen
3. Fazit
Bibliographie
Quellen
Darstellungen
1. Einleitung
„There is no subtler, no surer means of overtuning the existing basis of society than to debauch the currency. The process engages all the hidden forces of economic law on the side of destruction, and does it in a manner which not one man in a million is able to diagnose.“ (J.M. Keynes)[1]
Dieses Zitat von John Maynard Keynes verdeutlicht, dass selbst ein so renommierter Wirtschaftswissenschaftlers der Inflation zur Zeit der 20er Jahre ohnmächtig gegenüber stand. Auch heutzutage wird Inflation – auch aufgrund der Erfahrungen in den 1920er Jahren - von einem Großteil der Bevölkerung als etwas Negatives und Bedrohliches angesehen, das möglichst vermieden werden sollte. Unter Wirtschaftswissenschaftlern ist man sich jedoch einig; Inflation kann nicht nur wirtschaftliche Nachteile, sondern auch Vorteile mit sich bringen. Auch zur Zeit der Deutschen Inflation von 1918 bis 1923 können diese volkswirtschaftlichen Vorteile nachgewiesen werden. Obgleich sie von den großen volkswirtschaftlichen Schäden des Krieges und den durch die Hyperinflation entstandenen Verlusten überschattet werden. Diese Schäden waren verheerend für die deutsche Wirtschaft, ihre Auswirkungen waren noch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 zu finden.
Jedoch sollen die wirtschaftlichen Vorteile dieser Inflation nur indirekt Gegenstand dieser Arbeit sein, da sie die Frage aufwerfen, ob die Inflation eine natürliche oder eine künstliche Entwicklung war.
Viele Quellen lassen darauf schließen, dass die inflationäre Entwicklung von den führenden Eliten aus Wirtschaft und Politik jener Zeit durchaus hingenommen und gebilligt, wenn nicht sogar gefördert wurde.
Die Arbeit soll die wieder auflebende Forschungsdiskussion über die Inflationstheorie der Deutschen Inflation von 1918-1923 aufgreifen. Die gegensätzlichen Forschungspositionen der rationalistischen und irrationalistischen Inflationstheorie[2] sollen hierbei als Grundlage dienen.
Schwerpunkt dieser Arbeit ist der Zeitabschnitt vom Kriegsende 1918 bis zum Londoner Ultimatum im Jahre 1921. Dieser Zeitabschnitt ist geprägt durch die Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg und die damit verbundenen Schwierigkeiten in Politik und Wirtschaft. Das Londoner Ultimatum ist das Ende der Reparationsverhandlungen und leitete eine neue Politik der Reichsregierungen ein, die vorwiegend durch die Last der Reparationen und deren außenpolitische Auswirkungen, wie die Ruhrbesetzung 1923, gekennzeichnet ist.
Die Phase bis zum Londoner Ultimatum ist vor allem interessant, weil hier die wirtschafts- und finanzpolitischen Ursachen der Deutschen Inflation zu finden sind. Entsprechend des derzeitigen Forschungsstandes, einer ambivalenten Sichtweise, werden rationalistische (Specht, Petzina) und irrationalistische (Holtfrerich, Kerstingjohänner) Forschungspositionen miteinander verknüpft, um diese Ambivalenz auf Tauglichkeit zu überprüfen.
2. Die Ursachen der Deutschen Inflation
2.1. Kriegsfinanzierung
Die Finanzierung des Ersten Weltkrieges gilt als eine der Hauptursachen der Deutschen Inflation.[3] Alle am Krieg beteiligten Staaten hatten mit der „kriegsbedingten Teuerung“ zu kämpfen, die auf Güterknappheiten zurückzuführen ist. Das Deutsche Reich nimmt aber eine Sonderstellung ein, da nicht nur kriegsbedingte Knappheiten, sondern auch die Kriegsfinanzierung ursächlich für die Inflation waren.
Das Deutsche Kaiserreich musste aufgrund seines föderalen Steuersystems alternative Finanzierungsmethoden nutzen, um eine effiziente Kriegsführung zu gewährleisten.
So wurde am 4. August 1914 die Golddeckungspflicht der Reichsbank aufgehoben. Dadurch war die Reichsbank nunmehr in der Lage, durch die so genannten Schatzanweisungen (kurzfristige, unverzinsliche Kredite), das Reich je nach Bedarf mit Finanzierungsmitteln auszustatten.[4] Sowohl die Schatzanweisungen als auch die später gegründeten Darlehenskassen, die Kredite an die Privatwirtschaft vergaben, waren vom realen Wirtschaftsprozess abgekoppelt und konnten nahezu ungehindert Geld drucken. Um jedoch eine vorzeitige Erhöhung der Geldmenge durch diese zwei Finanzierungsmethoden zu verhindern, wurden als weiteres Finanzierungsmittel Kriegsanleihen ausgegeben. Die Kriegsanleihen wurden aus politischen Gründen einer Steuerreform vorgezogen und sollten den Kern der ordentlichen Einnahmen des Reiches während des Krieges bilden. Die Kriegsanleihen waren nur kurzweilig von Erfolg gekrönt. Bereits nach der Vierten, von insgesamt neun ‚Zeichnungswellen’, erstarb das Vertrauen der Bevölkerung in die Zahlungsfähigkeit des Reiches. Die weiteren ‚Zeichnungswellen’ waren defizitär, da die Einnahmen hinter dem Zinsendienst zurückblieben. Ab 1916 wurden sogar Kriegsanleihen von der Reichsbank als Schatzanweisungen übernommen. Durch diesen Prozess wurde schließlich der Ausgleich zwischen inflationären Finanzierungsmethoden (Schatzanweisungen und Darlehenskassenscheine) und deflationären Methoden (Kriegsanleihen, Steuern und kurzfristigen Schuldtiteln an die Privatwirtschaft) unterbrochen. Dennoch versuchte die Reichsbank bis 1916 die Deckungsvorschriften für die Geldmenge einzuhalten.
[...]
[1] Keynes, John Maynard: The Economic Consequences of the Peace; London 1920; S. 220.
[2] Die rationalistische Theorie geht von einer bewussten ‚Steuerung’ der inflationären Entwicklung durch wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen der Verantwortlichen – im besonderen in den Reichsregierungen und der Reichsbank - aus, während die irrationalistische Inflationstheorie den Verantwortlichen weitestgehende Unkenntnis über die inflationären Prozesse unterstellt.
[3] Blaich, Fritz: Der Schwarze Freitag: Inflation und Wirtschaftskrise; 2. Aufl.; München 1990, S.19-22, 34-37, und Kerstingjohänner, Helmut: Die deutsche Inflation: 1919-1923, Politik und Ökonomie; Frankfurt am Main 2004, S. 27-40, sowie Specht, Agnete von: Politische und wirtschaftliche Hintergründe der deutschen Inflation 1918-1923; Frankfurt am Main 1982, S. 9.
[4] Vgl. Specht: Wirtschaftliche Hintergründe, S. 9; Blaich: Der schwarze Freitag, S. 34-35 und Kerstingjohänner: Politik und Ökonomie, S. 30
- Citar trabajo
- Markus Mill (Autor), 2006, Die Ursachen der Deutschen Inflation - Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Londoner Ultimatum, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70450
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