Die kleine Mia aus der Froop-Werbung entzückt gerade die deutsche TV-Nation mit ihrem Fruchtalarm. Die Sechsjährige scheint ein Spiegelbild ihrer Generation: Informiert, fordernd, selbstbewusst - und markenbewusst. Man kann erahnen, was Mias Mami blüht, wenn einmal der falsche Joghurt im Kühlschrank steht: Terroralarm statt Fruchtalarm, Giftzwerg statt Fruchtzwerg.
Dabei würde die Sechsjährige durchaus keine Ausnahme bilden. Schon Kinder ab drei Jahren erkennen Marken anhand Logos und Schriftzügen und verfügen über eine erstaunliche Markenkenntnis. Es macht also aus Unternehmenssicht durchaus Sinn, die Kleinen schon früh mit der eigenen Marke vertraut zu machen. Je früher die Kunden von morgen für das Unternehmen und seine Produkte gewonnen werden, desto nachhaltiger ist aus Sicht der Werbetreibenden die Bindung.
Nachdenklich in Bezug auf den „Zukunftsmarkt Kinder“ könnten jedoch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes bezüglich der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland stimmen. Das quantitative Schrumpfen der „Zielgruppe Kinder“ macht es für alle Unternehmen zu einer „Frage des Überlebens, weniger Kindern mehr zu verkaufen“3. Die Tatsache, dass die Zielgruppe Kind rein mengenmäßig abnimmt, scheint aber weniger bedrohlich angesichts des Vier-zwei-eins-Schemas: „Vier Großmütter und -väter, dazu zwei Eltern, konzentrieren ihre [finanzielle] Aufmerksamkeit auf ein Einzelkind“.
Dazu kommt, dass Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer Kaufkraft zu den für die Werbewirtschaft interessantesten Zielgruppen zählen. Kinder treten in immer früherem Alter als eigenständige Marktteilnehmer auf. Bereits Sechsjährige verfügen über ihr Taschengeld selbstständig und sind dabei extrem anspruchsvoll: Markenprodukte sind bei den Kids hoch im Kurs, auch wenn diese oft teuer sind.
Inhaltsverzeichnis
I Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der theoretische Hintergrund
2.1 Schule
2.1.1 Der staatliche Bildungsauftrag und das deutsche Schulsystem
2.1.2 Schulfinanzierung
2.1.3 Aktuelle Herausforderungen an Schule
2.2 Zielgruppe Kinder und Jugendliche
2.2.1 Die Relevanz der Zielgruppe für Unternehmen
2.2.2 Werbekompetenz von Kindern und Jugendlichen
2.3 Sponsoring als Form der Unternehmensförderung
2.3.1 Definition und Abgrenzung
2.3.2 Verschiedene Sponsoringformen
2.3.3 Social Marketing
2.3.4 Sponsoring im Wandel der Zeit: Entwicklung und Trends
2.3.5 Sponsoring als Unternehmenskommunikation
2.4 Werbung und Sponsoring an Schulen – Erscheinungsformen
2.4.1 Werbung an Schulen
2.4.2 Sponsoring an Schulen
2.5 Rechtlicher Rahmen
3. Schulsponsoring in der Praxis
3.1 Sponsoringprojekte
3.1.1 Telekom für mehr Computer
3.1.2 Coca Cola für mehr Bewegung
3.1.3 Nutella für gesunde Ernährung
3.1.4 Kleinere Projekte
3.2 Die Rolle der Agenturen als Mittler
3.2.1 spread blue media group
3.2.2 youngkombi GmbH
4. Möglichkeiten und Grenzen des Schulsponsoring
4.1 Motive für Schulsponsoring
4.1.1 Motivation aus Sicht der Unternehmen
4.1.2 Motivation aus Sicht der Schulen
4.2 Mögliche Problemfelder bei der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Schule
4.2.1 Sozial-Schere: Ungleichheit wird verstärkt
4.2.2 Akzeptanz
4.2.3 Mangelnde Professionalität seitens der Schulen und unklare Rechtslage
4.2.4 Mangelnde Professionalität seitens der Unternehmen
4.2.5 Weitere Problemfelder
4.3 Lösungsansätze zur erfolgreichen Zusammenarbeit
5. Fazit und Ausblick
III Literaturverzeichnis
IV Anhang
IV 1 Coca-Cola Projekt „1000 Schulen in Bewegung“
IV 2 Printanzeige media smart
IV 3 Beispiel für Schulheftgestaltung
IV 4 Corporate Identity einer Schule
I Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1: Produktwerbung für „Froop“, TV-Spot
Abb. 2: Grundstruktur des Bildungswesens in Deutschland
Tab. 1: Schülerzahlen nach Gebiet und Schultyp
Abb. 3: Modelle der Ganztagsbetreuung
Abb. 4: Trends im Public Sponsoring
Abb. 5: Sponsoring als Kommunikationsmittel
Tab. 2: Die Kosten für Anzeigen im Vergleich
Tab. 3: Akzeptierte Formen der Gegenleistung
Tab. 4: Rechtsgrundlagen für Schulwerbung und Sponsoring
Tab. 5: Rechtslage in den einzelnen Bundesländern
Abb. 6: Die spread blue media group GmbH
Abb. 7: Bildungsdreieck im Kräftegleichgewicht
Abb. 8: Kräfteverhältnis im Merkantilismus
Abb. 9: Kräfteverhältnis im Neuhumanismus
Abb. 10: Kräfteverhältnis im Zeitalter der Globalisierung
Abb. 11: Wem ist Sponsoring in Ihrem Unternehmen
Organisatorisch zugeordnet?
Abb. 12: Verfolgen Sie mit dem Sponsoring neben
Kommunikativen Zielen auch ökonomische Ziele?
Abb. 13: Welche ökonomischen Ziele verfolgen Sie mit
Dem Einsatz des Sponsorings?
Abb. 14: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der ökonomischen
Ziele beim Sponsoring in der Zukunft?
Abb. 15: Zielsetzung der Unternehmen durch Sponsoring
Abb. 16: Ziele von Schulsponsoring aus Schulsicht
Abb. 17: Verteilung des Engagements auf die verschiedenen
Schulformen
Abb. 18: Meinungen zum Schulsponsoring
Abb. 19: Akzeptanz von Schulsponsoring seitens der
Unternehmen
Abb. 20: Schwächen von Sponsoring
II Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]„Da kommn die Erdbeern nich einfach in den Bechaa, sondern in den Mixaa! Der macht dann Brei draus. Und der kommt obendrauf.“[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die kleine Mia aus der Froop-Werbung entzückt gerade die deutsche TV-Nation mit ihrem Fruchtalarm. Die Sechsjährige scheint ein Spiegelbild ihrer Generation: Informiert, fordernd, selbstbewusst – und markenbewusst. Man kann erahnen, was Mias Mami blüht, wenn einmal der falsche Joghurt im Kühlschrank steht: Terroralarm statt Fruchtalarm, Giftzwerg statt Fruchtzwerg.
Dabei würde die Sechsjährige durchaus keine Ausnahme bilden. Schon Kinder ab drei Jahren erkennen Marken anhand Logos und Schriftzügen und verfügen über eine erstaunliche Markenkenntnis.[2] Es macht also aus Unternehmenssicht durchaus Sinn, die Kleinen schon früh mit der eigenen Marke vertraut zu machen. Je früher die Kunden von morgen für das Unternehmen und seine Produkte gewonnen werden, desto nachhaltiger ist aus Sicht der Werbetreibenden die Bindung.
Nachdenklich in Bezug auf den „Zukunftsmarkt Kinder“ könnten jedoch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes bezüglich der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland stimmen. Das quantitative Schrumpfen der „Zielgruppe Kinder“ macht es für alle Unternehmen zu einer „Frage des Überlebens, weniger Kindern mehr zu verkaufen“[3]. Die Tatsache, dass die Zielgruppe Kind rein mengenmäßig abnimmt, scheint aber weniger bedrohlich angesichts des Vier-zwei-eins-Schemas: „Vier Großmütter und -väter, dazu zwei Eltern, konzentrieren ihre [finanzielle] Aufmerksamkeit auf ein Einzelkind“.[4]
Dazu kommt, dass Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer Kaufkraft zu den für die Werbewirtschaft interessantesten Zielgruppen zählen. Kinder treten in immer früherem Alter als eigenständige Marktteilnehmer auf. Bereits Sechsjährige verfügen über ihr Taschengeld selbstständig und sind dabei extrem anspruchsvoll: Markenprodukte sind bei den Kids hoch im Kurs, auch wenn diese oft teuer sind.[5]
Laut der KidsVerbaucherAnalyse 2003[6] stehen Jugendlichen zwischen 6 und 19 Jahren im Jahr durchschnittlich rund 1.800 Euro zur eigenen Verfügung, was hochgerechnet auf 11,28 Millionen Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe ein jährliches Gesamtvolumen von 20,43 Milliarden Euro ausmacht. Darüber hinaus spielen Kinder und Jugendliche eine immer wichtigere Rolle bei den elterlichen Kaufentscheidungen. Sie sprechen sowohl bei der Wahl des Urlaubszieles oder des neuen Computers, als auch in besonderem Maße bei alltäglichen Entscheidungen wie der Wahl der Lebensmittel mit.
Angesichts dieser Fakten scheint es nur vernünftig, dass deutsche Unternehmen jährlich mehrere Milliarden Euro investieren, um sich im kindlichen Bewusstsein festzusetzen.[7] Hierbei fließt der Hauptanteil der Gelder nach wie vor in die TV-Werbung. Neben dem offensichtlichen Vorteil der Fernsehwerbung – Kinder und Jugendliche verbringen im Schnitt 18.000 Stunden ihrer Kindheit vor dem Fernseher[8] – gibt es jedoch auch Nachteile:
Zum einen droht angesichts des enormen Werbedrucks im Fernsehen der eigene Spot unterzugehen und bleibt somit trotz hoher Aufwendungen wirkungslos. Zum anderen sind die Möglichkeiten, die die TV-Werbung in Bezug auf das für Kinder besonders Erfolg versprechende multisensorische Lernen bietet, beschränkt. Aus diesen Gründen suchen Unternehmen nach immer neuen Wegen, die junge Zielgruppe zu erreichen: Immerhin 40 Prozent aller Werbeinvestitionen für Kinder[9] fließen bereits in den „below the line-Bereich“[10]. Hierzu zählen unter anderem Direktmarketing, Verkaufsförderung und Sponsoring.
Ein möglicher und viel versprechender Kanal für Werbebotschaften „direkt ans Kind“ ist das Sponsoring an Schulen. (Kinder verbringen im Schnitt 14.000 Stunden in der Schule – kaum ein anderes Medium erreicht ähnlich hohe „Einschaltquoten“ innerhalb der Zielgruppe).[11] Während Sponsoring im Sport bereits selbstverständlich geworden ist, hält es in diesem Bereich erst zögerlich Einzug. Dabei ist, angesichts immer knapper werdender öffentlicher Kassen, das Sponsoring und die Werbung an Schulen ein heiß diskutiertes Thema. Für viele mag es ein Horrorszenario sein, wenn die Klassenzimmer des zehnjährigen Sohnes nicht länger durchnummeriert sind sondern im Schulalltag stattdessen Chemie im BASF-Zimmer stattfindet und Computerkenntnisse im IBM-Raum vermittelt werden. Doch ist die Haltung gegenüber Schulsponsoring bei direkt Betroffenen (Schulleiter, Lehrer, Eltern) längst nicht so ablehnend, wie vielleicht angenommen, und so neu wie das Thema in der öffentlichen Diskussion erscheint, ist es auch nicht. Schon lange haben Unternehmen und Dienstleister die direkte Ansprache der Zielgruppe „Kinder und Jugendliche“ in der Schule für sich entdeckt. Banken veranstalten Kinder-Spartage und werben so an Schulen um zukünftige Kunden. Auch die Bewerbertrainings, die verschiedene Banken und Krankenkassen in den höheren Klassen anbieten, sind nicht völlig selbstlos. Gleichzeitig wird auf der anderen Seite die Forderung nach alternativen Finanzierungsquellen öffentlicher Einrichtungen immer lauter.
Spätestens seit PISA[12] ist klar: Die vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel reichen kaum aus, um längerfristig das Niveau der (Aus-) Bildung aufrecht zu erhalten. Eigentlich eine gute Voraussetzung für gemeinsame Wege von Wirtschaft und Schule. Jedoch führen kontroverse Meinungen, fehlende Professionalität und mangelnde Erfahrungen auf beiden Seiten oft zu suboptimalen Ergebnissen der Zusammenarbeit, die dann ihrerseits wieder die öffentlichen Meinungen beeinflussen.
Zielsetzung und Vorgehensweise
Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag zur erfolgreichen Zusammenarbeit der „zwei Welten Schule und Wirtschaft“ leisten und beiden Seiten Unsicherheiten im Umgang mit dem Thema „Sponsoring an Schulen“ nehmen. Hierzu soll zunächst eine Art „Marktanalyse“ des Kinder- und Jugendmarktes sowie des schulischen Umfelds vorgenommen werden. Nachdem die verschiedenen Formen des Schulsponsorings in der Theorie aufgezeigt wurden, soll die Analyse verschiedener Praxisbeispiele die aktuelle Situation von Schulsponsoring beleuchten. Mithilfe der im ersten Teil erarbeiteten theoretischen Grundlagen und den Praxisbeispielen des zweiten Teils werden anschließend die Chancen, aber auch die Grenzen des Schulsponsoring aufgezeigt. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf den unterschiedlichen Motiven der am Schulsponsoring beteiligten Parteien. Schließlich werden aus den hieraus gewonnenen Erkenntnissen Lösungsvorschläge für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft entwickelt.
2. Der theoretische Hintergrund
2.1 Schule
2.1.1 Der staatliche Bildungsauftrag und das deutsche Schulsystem
"Bildung ist Ländersache" - Zuständigkeiten in der Bildungspolitik
In der Bundesrepublik Deutschland sind die „Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen für Schulangelegenheiten den [Bundes-] Ländern zugewiesen. Daraus folgt, dass in jedem der 16 deutschen Bundesländer ein eigenständiges Schulsystem existiert, das durch ein jeweiliges eigenständiges Schulgesetz geregelt ist.“[13] Die Kultusministerien der Länder sind dabei aber dem Bundesgesetz verpflichtet (Bundesrecht bricht Landesrecht, Art. 31 GG): In diesem Zusammenhang ist Artikel 7 des Grundgesetzes maßgeblich, der „die Aufsicht des Staates („Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“, Absatz 1), den Religionsunterricht (Absatz 2 und 3), das Privatschulrecht (Absatz 4 und 5) sowie eine Einzelfrage des Schulaufbaus (Absatz 6) regelt. Er enthält aber keine umfassende Ordnung des Schulwesens. Auch die Mehrzahl der deutschen Bundesländer hat Normen über das Schulwesen in ihre Verfassung aufgenommen.“[14] So steht beispielsweise in Paragraf 1 Absatz 1 des Schulgesetzes von Baden-Württemberg: „Der Auftrag der Schule bestimmt sich aus der durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Baden-Württemberg gesetzten Ordnung, insbesondere daraus, dass jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung hat und dass er zur Wahrnehmung von Verantwortung, Rechten und Pflichten in Staat und Gesellschaft sowie in der ihn umgebenden Gemeinschaft vorbereitet werden muss.“[15]
Aus der Tatsache, dass Bildung Ländersache ist, resultieren die uneinheitlichen Gesetze in Bezug auf das Schulsponsoring: Die Kultusministerien der Länder haben hierzu jeweils eigene Gesetze und Richtlinien entwickelt. Einig sind sich die Bundesländer – bis auf wenige Ausnahmen -, dass reine Produktwerbung an Schulen weiterhin verboten bleiben wird. Schulsponsoring dagegen wird in den meisten Bundesländern als willkommene Finanzierungsquelle gesehen und die Betroffenen werden durch Leitfäden bei der Ausarbeitung von Sponsoringverträgen unterstützt.
Um auch bei der Länderverantwortlichkeit eine gemeinsame und vor allem vergleichbare Grundstruktur des Schulwesens sicherzustellen, wurde 1955 das „Abkommen zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens“[16] verabschiedet. Hier werden Themen wie Schulpflicht, Organisationsformen, Anerkennung von Prüfungen und ähnliches verbindlich geregelt. Neben dieser Regelung bietet die Ständige Kultusministerkonferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) eine Möglichkeit der Abstimmung zwischen den Ländern. Die KMK "ist ein Zusammenschluss der für Bildung und Erziehung, Hochschulen und Forschung sowie kulturelle Angelegenheiten zuständigen Ministerinnen und Minister bzw. Senatoren der Länder.“[17] Mittels der Koordinierung soll „ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit und Vergleichbarkeit im Bildungswesen gewährleistet werden. Dazu dienen
- übereinstimmende Regelungen im Schul- und Hochschulbereich ggf. durch Staatsabkommen der Länder,
- gemeinsame Stellungnahmen, Erklärungen und Empfehlungen,
- fortlaufende gegenseitige Information über Entwicklungen, Maßnahmen und Probleme in den einzelnen Ländern,
- ländergemeinsame Zusammenarbeit in der europäischen und internationalen Bildungs- und Kulturpolitik.“[18]
Das Schulsystem
Das deutsche Schulwesen ist untergliedert in Schulstufen (Schulbereiche) und in Schularten (Schulformen). Zu den Schulstufen zählen die Primarstufe, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II[19] (siehe auch Abb. 2). Laut Statistischem Bundesamt besuchten die so genannten allgemein bildenden Schulen im Schuljahr 2003/2004 rund 9,7 Millionen Schüler und Schülerinnen. Tabelle 1 zeigt die Verteilung der Schülergesamtzahl auf die einzelnen Schularten. (Die Zahlen weichen aufgrund unterschiedlicher Quellen leicht ab.) Die im Sinne einer durch frühe Ansprache erreichbare Markenbindung besonders interessanten Grundschüler sind in dieser Gesamtzahl mit 3,1 Millionen Schülern vertreten.[20] In den ersten vier Schuljahren der Primarstufe[21] besuchen die Schülerinnen und Schüler die Grundschule. Die Grundschule umfasst in Deutschland die ab Ende der 1960er Jahre aus den unteren Klassen der Volksschulen entstan-denen Schulen und damit die Alterstufen von etwa 6 bis 10 Jahren bzw. 12 Jahren. In der Grundschule werden elementare Lern- und Arbeitsformen sowie mathematisches, sprach-liches und fachliches Wissen vermittelt. Daneben sind auch ästhetische, kulturelle und oft auch religiöse Themen Gegenstand des Unterrichts.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Anschluss an das vierte Grundschuljahr folgt die Sekundarstufe I. Mit dem traditionell dreigliedrigen Schulsystem erfolgt eine leistungsbezogene Aufteilung der Schüler auf Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Ermöglicht werden soll eine allgemeine Grundbildung mit individueller Schwerpunktsetzung.[22] Aufbauend auf die Sekundarstufe I folgt die Sekundarstufe II. Sie umfasst die gymnasiale Oberstufe, die Oberstufen der Gesamtschulen[23] sowie berufsbildende Schulen und befähigt zur Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife.[24] Parallel zu Sekundarstufe I und II ermöglichen Sonderschulen die spezifische Förderung und Integration körperlich, geistig oder seelisch benachteiligter oder sozial gefährdeter Kinder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Schülerzahlen nach Gebiet und Schultyp
Quelle: o.V., spread blue media group GmbH I, online
Aufgaben von Schule
„Die dem Staat durch Art. 7 Abs. 1 GG zugewiesene Schulaufsicht […] beschränkt sich nicht auf die äußere Organisation des Schulwesens, sondern schließt den Bildungs- und Erziehungsauftrag ein. Dieser ist dem elterlichen Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht nach-, sondern gleichgeordnet. (BVerfGE 34, 165 [183]; 52, 223 [236]; er bedeutet nicht nur Vermittlung von Wissensstoff, sondern hat auch zum Ziel, den einzelnen Schüler zu einem selbstverantwortlichen Mitglied der Gesellschaft heranzubilden (BVerfGE 47, 46 [71f.]).“[25]
Gemäß der schultheoretischen Literatur erfüllt Schule also im Wesentlichen drei grundlegende gesellschaftliche Funktionen:[26]
- Qualifikation: Es werden Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt, also Schlüsselqualifikationen für das Beschäftigungssystem.
- Selektion und Allokation: Schulen tragen dazu bei, die Heranwachsenden durch schulische Auswahlprozesse (Selektion) auf die unterschiedlichen sozialen Positionen zu verteilen (Allokation). Die Selektionsfunktion geht eng einher mit der Qualifikationsfunktion der Schulen. Schulen wählen im Verlauf ihres Qualifikationsprozesses Schülerinnen und Schüler aus, und zwar in Abhängigkeit von ihnen vorgegebenen Kriterien, etwa danach, ob und inwieweit sie die gesteckten Qualifikationsziele erreichen können. Die Instrumente des Schulsystems reichen von der Entscheidung über die generelle Zulassung zu einzelnen Bildungswegen und Institutionen, die Einschulungsfähigkeit, das Sitzenbleiben, das Überweisen in Sonderschulen, die Aufnahme in weiterführende Schulen bis hin zu Abschlusszeugnissen. Laut Prof. Dr. H. Fend, Leiter des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie an der Universität Zürich, geschieht die Selektion durch die Schule ähnlich der eines Siebes: „Wir müssen [uns] – so Fend (1980, S.29) – das Schulsystem als ein riesiges Rüttelsieb vorstellen, das von Generation zu Generation die Lebenschancen neu verteilt.“[27]
- Integration und Legitimation: Unter Integration wird das Heranführen der Schüler an das jeweilige kulturelle und gesellschaftliche System. Dabei muss das System ihnen gegenüber legitimiert werden, das heißt es muss ihnen als sinnvoll vermittelt werden. Je nach Staatsform stehen hier zum Beipiel Gottesfurcht und Vaterlandsliebe, die Liebe zum Sozialismus oder aber die Wertschätzung von Menschenrechten, Bürgerrechten und Demokratie im Vordergrund. Es werden den Schülern die entsprechenden Normen und Werte gelehrt und vorgelebt.[28]
2.1.2 Schulfinanzierung
Folgt man der Terminologie der Ökonomie, ist das deutsche Schulsystem ein vom Staat finanziertes und betriebenes Großunternehmen, das aus zirka 48.000 Filialen (Einzelschulen) besteht. 1998 waren in diesem Unternehmen etwa 874.000 Arbeitnehmer (Lehrer) beschäftigt, die ihrerseits knapp 13 Millionen Kunden betreuten. Dabei wurden 1998 Ausgaben in Höhe von 43,9 Milliarden Euro getätigt.[29]
Doch wie wird ein „Unternehmen“ mit dieser Größenordnung finanziert? Auch hier teilen sich Bund und Land die Verantwortung: „Innerhalb der durch den Kulturföderalismus bedingten Länderzuständigkeit für die Ausgestaltung und die Steuerung des Bildungssystems teilen sich Land und Schulträger [also die Kommunen] die Verantwortlichkeit für die Schulen.“[30] Dies gilt auch für die Finanzierung des Schulbetriebs: Öffentliche Schulen werden von den Bundesländern und dem Schulträger finanziert. Schulträger sind Gemeinden, Landkreise, Regionalverbände bzw. Schulverbände (mehrere Gemeinden). Die Schulträger sind verantwortlich für die äußeren Schulangelegenheiten, sie tragen die Sachkosten einer Schule, also die Kosten für die Errichtung einer Schule und deren Unterhalt (z.B. anfallende Renovierungen, Reparaturen, sowie das Personal, das der Unterhaltung der Schule dient, also Hausmeister und Reinigungspersonal). Auch die Lehr- und Lernmittelkosten trägt der Schulträger.
Das Land kann den Schulträger bei diesen Kosten mit Zuschüssen unterstützen. Die inneren (pädagogischen) Schulangelegenheiten und damit die Kosten für das Lehrpersonal tragen die einzelnen Bundesländer, da das Lehrpersonal im Dienst des Landes steht.
2.1.3 Aktuelle Herausforderungen an Schule
Reformbedarf durch PISA
Was sich für Pädagogen schon längst abgezeichnet hat, ist spätestens seit dem wiederholt schlechten Abschneiden deutscher Schüler bei PISA zum öffentlichen Thema geworden: Das deutsche Bildungssystem stößt an seine Grenzen. In den Ergebnissen der PISA-Studien weist der Leistungsstand deutscher Schüler in gleich mehreren Gebieten eklatante Mängel auf. Dies ist natürlich auch für die Wirtschaft bedenklich, deren Mitarbeiter von morgen die Schüler von heute sind. Es werden Reformen des Bildungssystems gefordert, die den sich ändernden gesellschaftlichen Anforderungen und der sich ändernden familiären Situation gerecht werden.
Die Ganztagesschule
„Ganztagesschulen sind die Treibhäuser der Zukunft.“[31]
In der öffentlichen Diskussion wird die Ganztagesschule als „Universal-Lösung“ für das PISA-Problem gehandelt. Durch die veränderten Familienstrukturen, also das Schwinden der (Groß-) Familie, entfällt eine Möglichkeit der Integration und des Erlernens sozialer Kontakte. Des Weiteren sind heute deutlich mehr Mütter berufstätig, was, besonders in der Kombination mit dem Wegfallen der (Groß-) Familien, zur Folge hat, dass ein überwiegender Teil der deutschen Schüler nach Schulschluss sich selbst (beziehungsweise dem Fernseher, der Mikrowelle, der Straße) überlassen sind. Die Kinder wachsen also heute unter veränderten Sozialisationsbedingungen und mit mangelnder Betreuung auf, die Kindheit hat sich deutlich gewandelt.
Neben diesen Gründen spielt den Befürwortern der Ganztagesschule eine weitere Tatsache in die Hände: Bereits in Bezug auf Sprache und Sprachverständnis weisen die deutschen Schüler Wissensrückstände auf. Diese Sprachbarriere ist in späteren Jahren dann mitverantwortlich für schlechteres Abschneiden in anderen Fächern. Mit verursacht wird dieses Problem durch die mangelnde Integration der steigenden Anzahl von Migrantenkindern. In einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung heißt es hierzu:[32] „Die Leistungsunterschiede zwischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Jugendlichen mit in Deutschland geborenen Eltern sind in allen untersuchten Kompetenzbereichen erheblich (…). Die Leistungsunterschiede hängen vom Sprachhintergrund der Zuwanderer, der Verweildauer in Deutschland, den Sprachgepflogenheiten und der Sozialschicht der Familie, aber auch von der schulischen Förderung ab.“[33] Der Alltag an deutschen Schulen jedoch sieht anders aus: Aus Mangel an Personal, Räumen und nicht zuletzt Geld, erfolgt keine gezielte Förderung der Migrantenkinder; abgesehen von sporadisch angebotenen Förderstunden, die meist nicht an der Ursache, dem Sprachproblem, sondern an den Auswirkungen, nämlich zum Beispiel einem Defizit in Mathematik, ansetzen.
Die Ganztagesschule eignet sich, diesen Problemen entgegenzuwirken. Dazu eine Stellungnahme des Grundschulverbands[34] zum Thema Ganztageschule: „Mit dem gesellschaftlichen und kulturellen Wandel ändern sich die Erwartungen an die Schule und ihr Bildungsauftrag. Eine moderne Schule ist mehr als ein Ort der Wissensvermittlung. Sie ist auch eine Stätte der Begegnung von Kindern aus unterschiedlichen Lebenskontexten, von Generationen und Kulturen. Sie bietet Möglichkeiten für grundlegende Erfahrungen, für soziale Interaktion und für die Teilhabe der Schülerinnen und Schüler an Entscheidungen über Unterricht und Schulleben sowie an Aktivitäten außerhalb des Unterrichts. „Stundenschulen“, d.h. Schulen, in denen sich die Kinder und Jugendlichen und ihre Lehrerinnen und Lehrer nur stundenweise für die durch die Stundentafel festgelegte Anzahl von Unterrichtsstunden in der Schule aufhalten, werden dem heutigen Bildungsauftrag nicht mehr gerecht. Dies gilt für Grundschulen ebenso wie für Schulen des Sekundarbereichs. Spätestens seit PISA wird das bessere Abschneiden anderer Länder mit Ganztagesschulen in Verbindung gebracht. Dabei ist nicht die Anzahl der Unterrichtsstunden, sondern die Anzahl der Stunden gemeinsamen Lebens und Lernens entscheidend. Ganztagesschulen dürfen daher nicht als Schulen missverstanden werden, die den Unterricht in der bisherigen Form beibehalten und nur durch Betreuungsangebote ergänzen. Kinder und Jugendliche brauchen heute Schulen, die ihnen genügend Zeit und Handlungsspielraum für ihre Entwicklung geben. Dies gilt für alle Schulen für die Dauer der Pflichtschulzeit.“[35] Auch Schlaffke[36] betont, es sei ein Paradoxon, „in allen wesentlichen Fächern mehr und bessere Bildung erreichen zu wollen, zugleich aber Schulzeitverkürzung zu betreiben. Diese Widersprüchlichkeit scheint ein Schulmodell ganz ausgezeichnet auflösen zu können, nämlich die Ganztagesschule. Sie schafft Spielräume für die individuelle Förderung, gerade auch der besonders starken oder schwachen Schüler, für Zusatzangebote oder Vertiefung, weil Zeit zur Verfügung steht, die die Halbtagsschule nicht hat.“[37] Laut einer Definition des Ganztagsschulverbands werden im Wesentlichen zwei verschiedene Modelle unterschieden (siehe auch Abb. 3):[38]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Modelle der Ganztags-betreuung
Quelle:Leffers, Jochen, online
Im Modell der offenen Ganztagesschule erfolgt der Unterricht nach Lehrplan überwiegend am Vormittag, nach einem gemeinsamen, freiwilligen Mittagessen, wird dann das Nachmittagsprogramm angeboten, das, bestehend aus zum Beispiel Hausaufgabenhilfe, Projektgruppen, pädagogischer Betreuung und Hobbykursen, ebenfalls freiwillig ist. Im Modell der gebundenen Ganztagesschule dagegen herrscht Anwesenheitspflicht von 8 bis 16 Uhr, das gemeinsame Mittagessen ist somit Pflicht. Der Unterricht und das Freizeitprogramm sind über den ganzen Tag verteilt.
Die schrittweise Einführung der Ganztagesschule scheint unausweichlich, sowohl die Politik als auch die Wirtschaft haben ihr ureigenes Interesse daran und beide tragen den sich ändernden Anforderungen wie folgt Rechnung:
Die Politik reagiert darauf unter anderem mit dem Investitionsprogramm der Bundesregierung „Zukunft Bildung und Betreuung“, das eines der größten Bildungsprogramme darstellt, die es je in Deutschland gab. Im Rahmen des Ganztagesschulprogramms wird der Auf- beziehungsweise Ausbau von Ganztagesschulen gefördert. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, das deutsche Bildungssystem innerhalb von zehn Jahren derart zu stärken, dass es wieder an der Weltspitze steht. Die Bundesregierung sieht den Weg dahin in der Unterstützung der Länder beim Auf- und Ausbau von Ganztagesschulen und handelt damit im Sinne der Mehrheit der deutschen Bevölkerung: Gemäß einer Umfrage des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) sind mehr als fünfzig Prozent der Deutschen für das Umdenken in der Schulpolitik hin zu Ganztagesschulen.[39]
Die pädagogische und auch gesellschaftliche Notwendigkeit von Ganztagesschulen ist mittlerweile auf allen Gesellschaftsebenen unumstritten. Das Problem jedoch: Das Projekt „Ganztagesschule“ erfordert hohen Finanz- aber auch Personaleinsatz. Für beides kann der Staat aufgrund der desolaten Finanzlage momentan nur bedingt aufkommen. Vielleicht aus dieser Not heraus startet das Land Baden-Württemberg ab dem Februar 2006 einen Modellversuch mit ehrenamtlichen Jugendbegleitern an Ganztagesschulen. Dazu Ministerpräsident Günther Oettinger und Kultusminister Helmut Rau am 20. Dezember 2005 in Stuttgart: "Bildung, Betreuung und Erziehung sind nicht nur Aufgaben der Eltern und der Schule, sondern liegen in der Verantwortung der ganzen Gesellschaft. Die Schulen sollen deshalb für die Mitarbeit außerschulischer Partner und ehrenamtlich Tätiger stärker als bisher geöffnet werden […].“[40] Laut Oettinger besonders für diese Herausforderung geeignet sind, neben Vertretern aus Vereinen, Verbänden und Kirchen auch Fachleute aus der Wirtschaft: „Die Jugendbegleiter werden uns dabei helfen, eine ganztätige Betreuung zu sichern. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag zum Kinderland Baden-Württemberg. Mit ihrer Persönlichkeit, ihrer Lebenserfahrung und ihrer Professionalität werden sie Kinder und Jugendliche in den unterschiedlichsten Sparten unterstützen, fördern und begleiten. Darüber hinaus bilden sie eine Brücke von der Schule zu einem breiten gesellschaftlichen Umfeld… Ich sehe im Jugendbegleiter auch eine Chance, die Schul- und Arbeitswelt zukünftig stärker zu vernetzen. Handwerksmeister, Unternehmer oder Betriebsräte sind bestens dafür geeignet, jungen Menschen Eindrücke aus der Arbeitswelt zu vermitteln und sie dafür zu interessieren".[41]
Die Herausforderung angenommen haben über 300 Unternehmen aus dem Stuttgarter Raum, die ihre Mitarbeiter für insgesamt rund 5000 Betreuungsstunden unter anderem mit dem Ziel freistellen, den zukünftigen Auszubildenden einen Einblick in das Berufsleben und in die verschiedenen Berufe zu ermöglichen.[42]
Dieser Punkt ist eines der bedeutendsten Argumente für Ganztagesschulen aus Unternehmenssicht: Besser ausgebildete Schüler sind besser qualifizierte Arbeitnehmer. Es ist demnach ein ureigenes Bedürfnis der Wirtschaft, in (Aus-) Bildung zu investieren, besonders da der Staat immer weniger dazu in der Lage scheint. Vor diesem Hintergrund ist das Engagement der Unternehmen an Schulen zu verstehen. Die Angst mancher Eltern, die Unternehmen würden die (Aus-) Bildung ihrer Kinder ausschließlich aus absatzorientierten und kundenbindungsorientierten Gründen „sponsern“, ist in der überwiegenden Zahl der Fälle unbegründet. Selbstverständlich gibt es auch hier „schwarze Schafe“, die dem Ruf von Schulsponsoring dauerhaft schaden werden. Bei der Unterscheidung von „Gut und Böse“ spielt die Trennung zwischen reiner Produktwerbung und Sponsoring eine wichtige Rolle. Wenn sich jedoch beispielsweise Coca-Cola „als Teil der sozialen Gemeinschaft“[43] versteht und betont, das Projekt „1000 Schulen in Bewegung“ (siehe auch Kapitel 3.1.2: Coca Cola für mehr Bewegung) sei keine Marketinginitiative, so entsteht das aus dem Selbstverständnis als „Corporate Citizen“ heraus und ist durchaus glaubhaft. Mehr und mehr Unternehmen entdecken ihre Verantwortung für die Gesellschaft und unterstützen– zugegebenermaßen öffentlichkeitswirksam- Projekte in Bereichen wie Umweltschutz, Bildung, Kultur, Sport und Sozialwesen.
Ein gewisser Nutzen, eine positive Auswirkung auf das Firmen- oder Markenimage beispielsweise, sei den Unternehmen gegönnt. Besonders bei dem heiklen Thema Schulsponsoring ist jedoch die Motivation wichtig, aus der heraus die Sponsoringprojekte durchgeführt werden und die den Unterschied zwischen Werbung und Sponsoring ausmachen: Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Im Zuge des enormen Finanzbedarfs, der bei der Umstellung der Schulen auf Ganztagesschulen entsteht, bietet sich eine hervorragende Chance für die Unternehmen, dieses Verantwortungsbewusstsein unter Beweis zu stellen. Die Formen des Engagements und der Unterstützung können dabei höchst vielfältig ausfallen. Fest steht, dass sich mit dem erhöhten Finanzbedarf für die Einrichtung von Ganztagesschulen viele neue Felder für Schulsponsoring eröffnen werden.
Schulautonomie
Was in Österreich bereits gang und gäbe ist, findet auch hierzulande immer mehr Befürworter: Die (Einzel-) Schule soll autonom werden. Schulautonomie, das bedeutet gemäß österreichischem Schulrecht die „Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen. Das heißt, Schulen können Angelegenheiten, die bisher übergeordnete Verwaltungseinheiten entschieden haben, unter Mitwirkung der Schulpartner selbst entscheiden. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur kann allerdings nur jene Entscheidungsbefugnisse an die einzelnen Schulen abgeben, die ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur fallen und nicht aufgrund übergeordneter Rechtsvorschriften von den Landesschulräten bzw. dem Stadtschulrat für Wien oder vom Bundesministerium selbst wahrzunehmen sind. Ungeachtet dieser den Schulen zusätzlich übertragenen Kompetenzen bleibt die Aufsichtsfunktion der Schulbehörden erhalten. Die Schulbehörde hat rechtswidrige Entscheidungen der Schule aufzuheben, kann aber auch in einzelnen Fällen rechtskonforme schulische Entscheidungen, die sie für unzweckmäßig hält (z.B. mehrere Schulen entscheiden sich für denselben inhaltlichen Schwerpunkt) durch eine eigene Entscheidung ersetzen. “[44]
Selbst wenn in Deutschland eine vollständige Autonomie der Schulen verfassungswidrig wäre:[45] Auch in Deutschland hält die autonome Schule, wenn auch zögerlich, Einzug. So gelten zum Beispiel für die Hauptschulen in Baden-Württemberg bestimmte Lernziele, die zum Ende der sechsten und neunten Klasse erreicht werden müssen, wann und wie zeitintensiv die Lehrer jedoch die einzelnen Themen behandeln, kann auf das individuelle Lerntempo der einzelnen Klassen abgestimmt werden.
Als eine weitere Erscheinungsform der autonomen, individuellen Schule hat sich das Entwickeln eines eigenen Schulprofils etabliert. Das Bestreben der Schulleiterinnen und Schulleiter, „ihrer“ Schule durch Zusatzangebote ein eigenes Profil zu geben, ähnelt dem Kampf eines Unternehmers um Unverwechselbarkeit und damit um Kunden. Durch die Schulpflicht ist ein gewisser „Kundenstamm“ natürlich garantiert. Welche Schule die Kinder und Jugendlichen jedoch besuchen, entscheiden zumindest bei den weiterführenden Schulen die Schüler beziehungsweise deren Eltern.[46] Die Realschulen und Gymnasien konkurrieren somit also um eine – dank abnehmender Bevölkerungszahlen – abnehmende Zahl von Schülern. Die staatlichen Mittel, die den Schulen zugeteilt werden, bemessen sich unter anderem an eben diesen Schülerzahlen. Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist die Schulleiterin/ der Schulleiter daran interessiert, der eigenen Schule durch Zusatzangebote und der Abgrenzung von anderen Schulen durch ein unverwechselbares Profil einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und diesen dann auch zu kommunizieren. Welche Chancen diese Tatsache für das Schulsponsoring bedeutet, wird in Kapitel 4.1.2 (Motivation aus Sicht der Schulen) eingehender behandelt.
Mit zunehmender Entscheidungsbefugnis werden Schulleiter zu „Schulmanagern“, eine Rolle, auf die sie im Augenblick noch ungenügend vorbereitet werden (vgl. Kapitel 4.2: Mögliche Problemfelder bei der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Schule). Die Vorteile der Autonomie liegen jedoch auf der Hand: Die Entscheidungswege werden kürzer, Bürokratie wird vermieden, und je mehr Entscheidungen eine Schule eigenverantwortlich treffen darf, desto motivierter werden die Mitarbeiter sein.
Trotz aller (Teil-) Autonomie steht fest: „Der Staat wird nicht aus seiner Verantwortung entlassen, im Gegenteil: Der Staat muss seinen allgemeinen Gestaltungs- und Normierungsbefugnissen mit besonderer Sorgfalt nachkommen. Die Fach- und Dienstaufsicht der Schulverwaltungsbehörden darf sich nicht auf die Aufgaben der Finanz- und Qualitätskontrolle beschränken, sondern muss zum Partner und Förderer der Schulen werden. Denn es gilt einerseits zu helfen, die Schulautonomie zu stärken, und andererseits sicherzustellen, dass die gesetzten Bildungs- und Erziehungsziele erreicht werden.“[47]
2.2 Zielgruppe Kinder und Jugendliche
Kinder und Werbung – zu diesem Thema existieren zahlreiche Studien. Während sich die Ergebnisse in punkto Werbewirkung zum Teil deutlich unterscheiden, gleichen sie sich alle in einem Punkt: Kinder und Jugendliche sind als Zielgruppe für die Wirtschaft aus verschiedenen Gründen interessanter denn je. Der Werbedruck auf Kinder und Jugendliche hat enorme Ausmaße erreicht. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Fernsehwerbung: Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sitzen Kinder und Jugendliche zwischen sechs und sechzehn Jahren im Schnitt zwei Stunden täglich vor dem Fernseher und sehen so, mehr oder weniger bewusst, monatlich etwa 900 Werbespots. Angesichts dieser Flut an Werbebotschaften, die auf die Kinder und Jugendlichen einwirken, ist verständlich, dass viele Eltern und Pädagogen die Schule als werbefreie Zone erhalten möchten. Tatsächlich gibt es in den meisten Bundesländern (Ausnahmen sind Berlin, Bremen und Sachsen-Anhalt, siehe auch Kapitel 2.5: Rechtlicher Rahmen) ein Werbeverbot an Schulen. In den Mittelpunkt der Diskussion rückt nun die „Werbe- und Medienkompetenz“ von Kindern und Jugendlichen. Wie gehen Kinder mit Werbebotschaften um? Und sind sie ihnen tatsächlich völlig arg- und hilflos ausgeliefert?
2.2.1 Die Relevanz der Zielgruppe für Unternehmen
Für die Wirtschaft ist der Nachwuchs allein schon wegen der Größe der Zielgruppe interessant. Etwa 2,5 Millionen Kinder werden in Kindergärten betreut, dazu gibt es rund 12,4 Millionen Schüler. Deren Kaufkraft wird von Experten auf mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.[48] Dabei ist die sinkende Geburtenzahl für die Werbetreibenden momentan nur scheinbar ein Problem: Zwar nimmt die Größe der Zielgruppe ab, ihre Kaufkraft jedoch steigt quasi umgekehrt proportional. Dies liegt zum einen daran, dass die Entscheidung für ein Kind heute bewusst fällt und sich die Eltern dem „Wunschkind“ mit mehr (finanzieller) Aufmerksamkeit widmen. Zum anderen konzentriert sich die geballte Finanzkraft von vier Großeltern und zwei Eltern auf ein Kind. Jedoch verlässt sich die Werbeindustrie längst nicht mehr auf diese Tatsache, dass der Geburtenrückgang auch weiterhin durch zunehmende Kaufkraft kompensiert werden kann. Wirtschaft und Werber reagieren darauf in mehrfacher Weise: Zum einen rückt verstärkt eine weitere, äußerst lukrative Zielgruppe in ihr Visier, nämlich die zahlungskräftigen Großeltern selber. Zum anderen wird im Bereich der Kinder und Jugendlichen intensiver um einzelne Käufer gekämpft. Die vermehrte Werbeflut in „above the line-Medien“ wie TV und Print hat allerdings einen erheblichen Nachteil: In der intensiven Konkurrenz mit anderen Werbetreibenden bleibt der eigene Spot oft wirkungslos. Daher ist ein weiterer Trend zu beobachten: Immer mehr Unternehmen verteilen ihr Werbebudget neu, die Gelder werden weniger für „above the line-Medien“ und vermehrt für „below the line-Werbemaßnahmen“ ausgegeben - wozu unter anderem das Sponsoring gerechnet wird.
Doch als sei die „Marktmacht Kind“ nicht schon allein durch deren eigene Kaufkraft begründet, reicht ihre Bedeutung wesentlich weiter: Müller nennt im Wesentlichen vier Gründe, warum Kinder für Industrie und Werbung interessant sind. Kinder treten demnach auf
- „als eigenständige kleine Konsumenten und mittelbare Käufer […],
- als mittelbare Konsumenten, die sich ihre materiellen Wünsche von ihren Eltern und Verwandten erfüllen lassen,
- als Berater und immer einflussreichere Mitentscheider bei Kaufentscheidungen der Erwachsenen und schließlich
- als Zukunftsmarkt, den man nicht früh genug für sich gewinnen kann.“[49]
Daraus geht hervor, dass Kinder bei Anschaffungen, die in der Regel durch die Eltern finanziert werden, wie beispielsweise die Zimmereinrichtung, Kleidung, technische Geräte oder Spielzeug, sehr häufig in die Kaufentscheidung miteinbezogen werden, meist, um Enttäuschungen und ungenutzt daheim herumstehende und –liegende Gegenstände zu vermeiden. Auch als Kaufentscheider innerhalb der Familie spielen sie eine bedeutende Rolle. Besonders beim Kauf von Süßwaren und Nahrungsmitteln wie Eis, Schokolade, Bonbons, Cornflakes, Pizza und Getränken sind sie Kaufmotivatoren[50], aber das Mitspracherecht reicht weiter: Beim Kauf von Computer, Fernsehgerät oder dem neuen Auto sowie bei der Bestimmung des Urlaubszieles tragen Kinder in hohem Maße zur Entscheidungsfindung bei. Eine Faustformel aus den USA besagt, dass Kinder eine doppelt so große Summe beeinflussen, wie sie selber ausgeben.[51] Dies ergäbe einen Schätzwert von rund 60 Milliarden Euro jährlicher direkter und indirekter Kaufkraft.
In diesem Zusammenhang nennt Aufenanger Ergebnisse einer 2001 durchgeführten Studie: „Auf die Frage „Gehst du mit deinen Eltern einkaufen?“ antworteten 33,9% der 5-7-Jährigen mit ‚häufig’, 63,7% mit ‚manchmal’ und 2,4% mit ‚nie’. Auf die Frage „Kannst du mit aussuchen, was gekauft wird?“ gaben 16,5% dieser Altersgruppe die Antwort ‚häufig’, 55,8% die Antwort ‚manchmal’ und 27,7% die Antwort ‚nie’. Angesichts dessen, dass gut 2/3 der Kinder angaben, häufig oder manchmal mitzubestimmen, was von den Eltern gekauft wird, erscheint folgende Interpretation fraglich: „Die so häufig aus unterschiedlicher Sicht angeführte Behauptung einer übermäßigen Beeinflussung des Kaufverhaltens der Eltern durch die Kinder kann hier nicht konstatiert werden.“ Und wenn 27,7% der Kinder angeben, dass sie ‚nie’ mit aussuchen dürfen, was die Eltern kaufen, sagt [dies] nichts darüber aus, ob sie es nicht versucht haben.“[52]
Zudem gilt: Je früher ein potentieller Kunde für das Unternehmen gewonnen wird, desto haltbarer ist die Kundenbeziehung. „Die Bindung an ein Markenprodukt oder an eine Bank ist im Schnitt deutlich haltbarer als eine Ehe oder Partnerschaft. Deshalb sind aus Sicht der Unternehmen Investitionen in das Markenbewusstsein schon bei ganz jungen Kunden besonders wichtig.“[53]
2.2.2 Werbekompetenz von Kindern und Jugendlichen
Kinder werden, auch wenn andere Faktoren wie eigene Präferenzen, der Einfluss von Eltern, Freunden und des Verkaufsortes eine größere Rolle spielen, ebenso wie Erwachsene von Werbung beeinflusst.[54] Ein vollständiges Werbeverständnis liegt im Wesentlichen dann vor, wenn Kinder zwischen Werbung und anderen Informationen unterscheiden können und wenn die Intention von Werbung verstanden wird.[55] Aus der Studie „Fernsehwerbung und Kinder“ von 1995 geht hervor, dass Vier- bis Sechsjährige große Probleme damit haben, Werbung vom eigentlichen Fernsehprogramm zu unterscheiden. Etwa 37% der Vierjährigen kennen den Unterschied zwischen Werbung und Programm nicht und sind somit der Werbebotschaft ohne kritische Auseinandersetzung ausgeliefert. Dieser Prozentsatz sinkt jedoch mit zunehmendem Alter: Noch 21% der Fünfjährigen und 12% der Sechsjährigen haben ähnliche Unterscheidungsschwierigkeiten.[56] Die aktuelle Studie „Zielgruppe Kind“ von 1999 untersuchte das Verständnis der Kinder und Jugendlichen für die Intention von Werbung.[57] Bei der Beantwortung der Frage, warum Werbung gemacht wird, zeigt sich eine ähnliche Entwicklung innerhalb der Altersgruppen: Auf einer Skala von 1 (kein Verständnis für die Intention von Werbung) bis 9 (volles Verständnis) erreichten Kinder im Alter von sechs Jahren einen Mittelwert von 4,34. Die Siebenjährigen lagen bei 4,75 Punkten, die Achtjährigen bei 5,03 und die Neunjährigen bei 5,57 Punkten. Ab einem Alter von 10 Jahren (6,69 Punkte) stagniert die bis dahin zunehmende Werbekompetenz deutlich. In Bezug auf die Glaubwürdigkeit von Werbung ergab sich unter den befragten Kindern folgendes Bild: Von den befragten Sechsjährigen gaben rund 33% an, sie glauben, was in der Werbung gezeigt werde, 25% glauben der Werbung ‚manchmal’, 34% glauben ihr nicht. Bei den Sieben- bis Achtjährigen antworteten nur noch 21% mit ‚ja’, während es bei den Neunjährigen nur noch 10% waren. Diese Ergebnisse zeigen, dass Schulkinder im Alter ab sechs Jahren den Werbeeinflüssen nicht völlig arglos gegenüberstehen. Dazu Dr. Reinhold Bergler, Universitätsprofessor am Psychologischen Institut der Universität Bonn: „Die Forschungsergebnisse widerlegen eindeutig die Annahme, [dass] Kinder aufgrund der angenommenen fehlenden kognitiven Orientierungs- und Bewertungsmuster der Werbung hilflos ausgeliefert sind. Schon Kinder sind keine tabula rasa, auf die Werbung ungeschützt trifft und dann manipulativ Konsumbedürfnisse und „Konsumtyrannis“ gegenüber den eigenen Eltern auslöst. Kinder entwickeln wesentlich früher, als dies die Vorurteile des psychologischen Laien akzeptieren, Werbekompetenz und damit funktionierende Orientierungs- und Bewertungssysteme für einen eigenständigen und auch kritischen Umgang mit werblichen Informationen.“[58]
In diesem Zusammenhang hat sich der Ansatz der „Bewahrpädagogik“[59] nicht bewährt. Da es angesichts der überall präsenten Werbebotschaften nahezu unmöglich ist, Kinder von Werbung beziehungsweise Werbung von Kindern vollständig fernzuhalten, kann dieser Ansatz durchaus das Gegenteil seiner ursprünglichen Zielsetzung: Ein Kind, das in frühen Jahren keine Einstellung zu Werbung gewonnen hat, ist dieser später vorbehaltloser ausgeliefert als ein Altersgenosse mit „Werbeerfahrung“. Bei der Fachtagung "Kinder, Werbung - Werbekinder?!" stellte Axel Dammler von der Münchener Agentur iconkids & youth klar, dass Kinder, wie auch Erwachsene, durch Werbung beeinflusst werden. Jedoch spielen hier neben der Werbung auch andere Faktoren wie Freundeskreis und Familie eine Rolle. Um mit diesen Einflüssen umgehen zu können, ist es unbedingt erforderlich, Kinder "konsumkompetent" zu machen. Dammler sieht die Lösung jedoch nicht darin, Kinder von Werbung fern zu halten.[60] Es ist vielmehr Aufgabe der Eltern und Lehrer, den Kindern einen sinnvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit Werbung im Sinne von Werbekompetenz zu vermitteln.
Diese Herausforderung hat die Schule bereits angenommen. Werbung ist in vielen Schulbüchern Thema und findet sich auch im Lehrplan verschiedener Klassenstufen sowohl in der Grundschule als auch in weiterführenden Schulen wieder. Im Bildungsplan 2004 für Baden-Württembergische Grundschulen beispielsweise heißt ein Lernziel für die Klasse 4 im Schulfach „Mensch, Natur und Kultur“: „Die Schülerinnen und Schüler können der Darstellung von Menschen in verschiedenen Medien kritisch begegnen; Werbung, Mode, Idole und Musik als Vermittler von Trends, Wunschvorstellungen, Werten und Lebensstilen erkennen und einschätzen.“[61] Gemeinsam mit den Mitschülern und mit der Unterstützung der Lehrer sollen die Kinder „Werbung sehen und verstehen“ – so auch der Leitspruch einer gemeinnützigen Initiative zur Förderung von Medien- und Werbekompetenz von Kindern, der Media Smart e.V., die 2004 von werbetreibenden Unternehmen und Medien gegründet wurde. Auf der Homepage der Initiative heißt es: „Ziel der Initiative ist es, Medien- und Werbekompetenz bereits im Grundschulalter zu fördern, und so einen Beitrag zur Bildung von mündigen Verbrauchern zu leisten. Kinder sollen zu einem selbst bestimmten und konstruktiven Umgang mit Medien und Werbung als Bestandteil ihrer Lebenswirklichkeit angeleitet werden.“[62] Neben Experten aus den Bereichen Medienpädagogik, Werbung und Schule wird die Initiative von Unternehmen unterstützt. „Mitglieder des Media Smart e.V. sind Burger King GmbH, Hasbro Deutschland GmbH, IP Deutschland GmbH, KELLOGG (Deutschland) GmbH, LEGO GmbH, Masterfoods GmbH, Mattel Deutschland GmbH, McDonald’s Deutschland Inc., Nokia GmbH, Super RTL, Zapf Creation (Central Europe) GmbH Co. KG“.[63] Der Media Smart e.V. setzt an verschiedenen Punkten an. So wird auf der Homepage kindgerecht erklärt und durch Spiele vermittelt, warum es Werbung gibt, wie Werbung entsteht, mithilfe welcher „Zutaten“ Werbung wirkt und wie man Werbung vom Fernsehprogramm unterscheiden kann (was, wie bereits erläutert, eine Voraussetzung zur Erlangung von Medienkompetenz darstellt).
Daneben stellt der Media Smart e.V. kostenloses Unterrichtsmaterial für die Grundschule zur Verfügung, das Schulen auf Anfrage zugeht und das vorhandene Material aus Schulbüchern zum Thema Werbekompetenz ergänzt. Eine dritte Zielgruppe neben Kindern und Lehrern sind die Eltern, denen eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des Konsumverhaltens und des Werbeverständnisses ihres Nachwuchses zukommt.
Die Idee für eine solche Initiative ist nicht neu: Bereits 2002 wurde Media Smart in England – nach kanadischem – Vorbild gegründet und hatte eine enorme Resonanz der Grundschulen zufolge. Heute nutzen bereits 30% aller Grundschulen das von Media Smart ausgearbeitete Material. Dieser Erfolg war Anlass für Deutschland, aber auch andere europäische Länder wie Belgien, die Niederlande, Polen, Irland und Finnland, vergleichbare Initiativen ins Leben zu rufen. Die Initiative des Media Smart e.V. wird in Deutschland durch Printanzeigen[64] und in TV-Spots[65] kommuniziert (siehe Anhang IV 2: Printanzeige smart media).
Die Motivation, die werbetreibende Unternehmen dazu bringt, die Media Smart e.V. zu unterstützen, mag ein wenig widersprüchlich erscheinen, sind das doch genau die Unternehmen, die Kinder und Jugendliche in ihren Werbespots gezielt ansprechen und überzeugen möchten. Doch bei genauer Betrachtung könnte genau darin der Grund für die Beteiligung an der Media Smart e.V. liegen: Ähnlich einer freiwilligen Selbstkontrolle entkräften die teilnehmenden Unternehmen durch ihr Engagement bei der Initiative den Vorwurf, „ahnungslose“ Kinder mit ihrer Werbung „fangen“ zu wollen.
2.3 Sponsoring als Form der Unternehmensförderung
Im täglichen Sprachgebrauch wird inzwischen jede erdenkliche Art von finanzieller Zuwendung als Sponsoring bezeichnet. Die Begriffe Mäzenatentum und Spende, Sponsoring und Fundraising werden dementsprechend oft als gleichbedeutend verwendet. Das Resultat fehlender Fachkenntnis ist es dann mitunter, dass Schulen, die finanzielle Unterstützung suchen, um Sponsorengelder bitten, während sie darunter eigentlich eine Spende verstehen. Dass Sponsoring immer auch eine Gegenleistung des „Empfängers“ voraussetzt, wird in diesem Falle nicht bedacht. Tatsächlich gelten das Mäzenatentum, die Spende und das Sponsoring als verwandte Formen der Unternehmensförderung, jedoch gibt es deutliche Unterschiede. Zum allgemeinen Verständnis ist es also nötig, die verschiedenen Begriffe voneinander abzugrenzen. Aus diesem Grund soll daher zunächst auf die Begriffsherkunft des Sponsoring und auf die verschiedenen möglichen Formen der Unternehmensförderung eingegangen werden.
2.3.1 Definition und Abgrenzung
Der Begriff Sponsor lässt sich zurückführen auf den lateinischen Begriff sponsus, was so viel bedeutet wie Verlobter; versprochen, verpflichtet sein, während s ponsor aus dem Lateinischen übersetzt Bürge oder Pate bedeutet. Auch im Englischen hat der Begriff sponsor diese Bedeutung, wobei er sich hier zudem noch mit Gönner, Förderer, Schenker übersetzen lässt. Aufgrund dieser sprachlichen Herkunft ist zu erkennen, dass es sich beim sponsern zunächst um eine einseitige Zuwendung handelte und somit das Sponsoring im Ursprung deutliche Verwandtschaft mit dem klassischen Mäzenatentum aufweist.[66]
Als Urvater des Mäzenatentums, der ursprünglichen Form von Förderung Dritter seitens einer Privatperson oder seitens eines Unternehmens, gilt Gaius Clinius Maecenas (70-8 v. Chr.). Der vermögende römische Diplomat förderte und unterstütze die bedeutendsten Dichter seiner Zeit. Diesem Handeln lag keine geschäftliche Nutzenerwartung des Mäzens zu Grunde. Der aus seinem Namen abgeleitete Begriff Mäzenatentum ist also somit definiert als die finanzielle, materielle oder ideelle Förderung der Kultur und des Gemeinwesens durch Personen oder Organisationen aus altruistischen Motiven.[67]
Das Spendenwesen gilt als eine Weiterentwicklung des Mäzenatentums. Während ein Mäzen seinen Schützling meist über lange Zeit fördert, hat die Spende als finanzielle Zuwendung einen eher einmaligen Charakter. Der Hauptunterschied zum Mäzenatentum liegt allerdings in der Möglichkeit, die Spende steuerlich geltend zu machen. „Jedes Unternehmen kann zugunsten gemeinnütziger Zwecke bis zu 5% vom steuerlichen Gewinn, für manche Zwecke, z.B. Wissenschaft und Kunst, bis zu 10% oder 0,2% der Gesamtumsätze und der aufgewendeten Löhne und Gehälter spenden, der Nachweis erfolgt über eine Spendenquittung.“[68] Auch hierbei gilt, dass einer Spende keine Gegenleistung des Begünstigten gegenübersteht. Der einzige Nutzen des Spenders, ähnlich wie beim Mäzen, besteht darin, durch die Spende eventuell im öffentlichen Ansehen zu steigen.
Hierin liegt der maßgebliche Unterschied von Mäzenatentum und Spendenwesen auf der einen und Sponsoring auf der anderen Seite: Entscheidet sich ein Unternehmen, als Sponsor aufzutreten, dann tut es das bewusst aus dem Motiv heraus, diese Sponsoringaktivität marketingtechnisch für das Unternehmen auszunutzen. Laut einer Definition von Bruhn ist Sponsoring die „Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit der Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Dienstleistungen oder Know-how durch Unternehmen und Institutionen zur Förderung von Personen und/oder Organisationen in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales, Umwelt und/oder den Medien verbunden sind, um damit gleichzeitig Ziele der Unternehmenskommunikation zu erreichen“.[69]
Während die Verwandtschaft von Sponsoring, Mäzenatentum und Spende in dem allen drei Begriffen zugrunde liegenden Fördergedanken besteht, wird mit dem Begriff des Fundraising schließlich der Fokus vom Fördernden auf den Geförderten gelenkt. Während beim Sponsoring der Schwerpunkt zunächst auf dem Geben liegt, steht beim Fundraising das Suchen beziehungsweise Nehmen im Vordergrund.[70] Fundraising bedeutet, aus dem amerikanischen übersetzt, „Mittelbeschaffung“, und ist laut Böttcher die aktive, langfristig angelegte und systematisch betriebene Beschaffung von Finanz- oder Sachmitteln.[71] Urselmann definiert Fundraising „als denjenigen Teil des Beschaffungsmarketing einer Nonprofit-Organisation, bei dem die nötigen Ressourcen ohne marktadäquate, materielle Gegenleistung beschafft werden“.[72] Das Sponsoring wird in der Literatur dem Fundraising zugeordnet und bildet eine Möglichkeit der Mittelbeschaffung neben anderen, wie zum Beispiel Spenden.[73]
Wie bereits herausgearbeitet, geschieht die Bereitstellung von Geld, Zeit, Know-how oder Material seitens des Sponsors nicht aus altruistischen Motiven. Vielmehr werden damit bestimmte Ziele der Kommunikationspolitik verfolgt (vgl. Kapitel 2.3.5: Sponsoring als Unternehmenskommunikation). Dennoch kann Sponsoring nicht mit Werbung gleichgesetzt werden, wie dies oft irrtümlicherweise geschieht. Während der Sponsor sich vorrangig eine Imageoptimierung verspricht, verfolgt die (Produkt-) Werbung absatzorientierte Motive. Die Unterscheidung fällt in Einzelfällen jedoch schwer und liegt von Fall zu Fall anders. Offensichtliche Werbung liegt dann vor, wenn ein Unternehmen Werbefläche an Schulen „bucht“, wie es bei verschiedenen Anbietern möglich ist (vgl. Kapitel 3: Schulsponsoring in der Praxis). Bei dieser Form der reinen Werbung, die nur in wenigen Bundesländern zulässig ist (vgl. Kapitel 2.5: Rechtlicher Rahmen), findet keinerlei Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Schule statt, das Buchen erfolgt „anonym“ über Agenturen.[74] Die Verflechtung von Sponsor und Gesponsertem reicht bei „echtem“ Sponsoring viel tiefer: Vertreter aus Unternehmen und Schulen erarbeiten im Idealfall ein Konzept der Zusammenarbeit, das beiden Seiten gerecht wird. Dazu gehört zunächst das Erarbeiten eines Eigenprofils auf beiden Seiten: Wer bin ich, was biete ich, was suche ich? Sind die Profile von Schule und Unternehmen deckungsgleich, beginnt die gemeinsame Ausarbeitung. Es gilt als Faustregel: „Der Werbeeffekt muss deutlich hinter dem pädagogischen Nutzen zurücktreten.“[75]
[...]
[1] Zitat aus der TV-Werbung (Sommer 2005) für „Frucht auf Joghurt“ von Froop, eine Marke der Unternehmensgruppe Theo Müller
[2] vgl. Müller, Melissa (1997), S. 22 ff
[3] Hamann, Götz (2004)
[4] Hamann, Götz (2004)
[5] vgl. Schwertfeger, Till: Auf was unsere Kinder so abfahren, online
[6] KidsVerbaucherAnalyse 2003 (KVA): Eine seit 1994 jährlich von den Verlagen Axel Springer (Hamburg), Heinrich Bauer (Hamburg), und Bastei (Bergisch-Gladbach) herausgegebene Untersuchung des Medien- und Konsumverhaltens der 6- bis 19-Jährigen.
[7] vgl. Hamann, Götz (2004)
[8] vgl. Müller, Melissa (1997), S. 20
[9] vgl. Neumann-Braun, Klaus u.a., online, S.6
[10] Unter „below the line-Aktivitäten“ versteht man Werbestrategien, die nicht der klassischen,
messbaren Werbung (TV, Hörfunk, Print, Plakat) zuzurechnen sind.
[11] vgl. Müller, Melissa (1997), S. 20
[12] Im Rahmen des Programme for International Student Assessment der OECD wurden 2000 und
2003 Schülerleistungen eines internationalen Vergleichs unterzogen.
[13] o.V., Der Jugendserver, online
[14] ebenda
[15] Art. 1 (1) SchG , Baden Württemberg
[16] Das so genannte „Düsseldorfer Abkommen“ wurde am 17.02.1955 von den Ministerpräsidenten der Länder verabschiedet und bildete die Grundlage für länderübergreifende Regelungen in Deutschland
[17] o.V., Jahresbericht 1999 der Kultusministerkonferenz, online, S. 143
[18] o.V., Der Jugendserver, online
[19] vgl. Avenarius, Hermann u.a., (2000), S. 38
[20] vgl. o.V., Statistisches Bundesamt, online
[21] Ausnahme sind Berlin und Brandenburg, hier dauert die Primarstufe sechs Jahre
[22] vgl. o.V., Statisitisches Landesamt Baden-Württemberg (1999), S. 31
[23] „Die Gesamtschule ist eine Form der weiterführenden Schule, die Kinder nach der Grundschule besuchen können. Sie ist in mehreren Bundesländern eine Alternative zum traditionellen dreigliedrigen Schulsystem (mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium) geworden. Weil sie, im Gegensatz zu den anderen Schulformen, zudem meist als Ganztagsschule konzipiert ist, rückt diese alternative Schulform seit den Ergebnissen der ersten PISA-Studie wieder in den Blickpunkt der Bildungsdebatten.“ (Definition Gesamtschule: www.wikipedia.org)
[24] vgl. Avenarius, Hermann (2001), S. 18
[25] Avanarius, Hermann (2001), S. 26
[26] vgl. Sandfuchs, Uwe (2001), S. 15ff
[27] Sandfuchs, Uwe (2001), S. 16
[28] vgl. Sandfuchs, Uwe (2001), S. 17
[29] vgl. Bellenberg, Gabriele u.a., (2001), S. 9
[30] ebenda
[31] Kahl, Reinhard, online
[32] Stanat, Petra et al. (2002)
[33] Stanat, Petra et al. (2002), S. 20f
[34] „Der Grundschulverband wurde als Arbeitskreis Grundschule 1969 in Frankfurt/Main gegründet und ist eine gemeinnützige und überparteiliche bundesweite Basisinitiative von z.Zt. mehr als. 12.000 Grundschulen, Lehrerinnen und Lehrern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie weiteren an der Grundschule interessierten Personen und Institutionen.“ (Definition auf der Homepage des Grundschulverbandes: http://www.grundschulverband.de/wirueberuns0.html)
[35] o.V., Grundschulverband, online
[36] Prof. Dr. Winfried Schlaffke ist Stellvertretender Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft
Köln und Leiter von deren Bildungsabteilung
[37] Schlaffke, Winfried (2002), S. 119
[38] vgl. o.V., Ganztagsschulen, online
[39] vgl. o.V., Das Programm: Was die Regierung tut, online
[40] o.V., Jugendbegleiter. Neue Dimension in der Ganztagesbetreuung, online
[41] ebenda
[42] vgl. Giertz, Julia (2005)
[43] o.V., Coca Cola GmbH (Hrsg.): Questions & Answers, siehe Anhang IV 1
[44] Feigl, Susanne, online, S. 5
[45] Laut Art. 7 (1) GG gilt: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“
[46] vgl. z.B.: Art. 25 SchG, Baden Württemberg, 2. Teil: Die Schule, Schulbezirk
[47] Schlaffke, Winfried (2002), S. 150
[48] vgl. KidsVerbaucherAnalyse 2003 (KVA)
[49] Müller, Melissa (1997), S. 143f
[50] vgl. o.V., EGMONT EHAPA VERLAG GMBH (2001), S. 218
[51] vgl. o.V., EGMONT EHAPA VERLAG GMBH (2001), S. 42
[52] Aufenanger, Stefan (2005), S.15
[53] Mohn, Carel, online
[54] Barlovic, Ingo u.a. (2005), S. 18f
[55] vgl. Neuß, Norbert (1999)
[56] vgl. Charlton, Michael u.a., (1995), Band 2, S. 58
[57] vgl. Baake, Dieter u.a. (1999)
[58] Bergler, Reinhold, online
[59] Als "Bewahrpädagogik" bezeichnet man ein Erziehungsverhalten, das zum Ziel hat, Kinder möglichst vor schlechten Einflüssen zu „bewahren“. Das schließt auch den Versuch ein, Kinder vor wohlüberlegten Werbestrategien zu schützen.
[60] vgl. o.V., Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, online
[61] o.V., Bildungsplan für die Grundschule, Baden-Württemberg (2004), S. 104
[62] o.V., media smart, online
[63] ebenda
[64] z.B. in Eltern for Family und Stern, vgl. Wicht, Christiane, online
[65] Download auf http://www.mediasmart.de möglich.
[66] vgl. Weiand, Neil George (1993), S. 27
[67] vgl. Bruhn, Manfred (1998), S. 19
[68] Hermanns, Arnold (1997), S. 37
[69] Bruhn, Manfred (1998), S. 22
[70] vgl. Böttcher, Jens-Uwe (Hrsg.),(1999), S. 9
[71] vgl. ebenda
[72] Urselmann, Michael (2002), S. 13
[73] vgl. Haibach, Marita (2002) , S. 68
[74] Die Bezahlung erfolgt wie bei der Schaltung beispielsweise von City-Light-Plakaten entsprechend der gebuchten Werbefläche. Die Unterscheidung zwischen Werbung und Sponsoring ist besonders dann schwierig, wenn die Schule vom Unternehmen Geld erhält und als Gegenleistung verpflichtet wird, im Schulgebäude Plakate aufzuhängen, ein dem oben beschriebenen Vorgang des reinen Buchens von Werbefläche nicht unähnlicher Vorgang.
[75] o.V., Landesinstitut für Erziehung und Unterricht (2001), S. 158
- Citation du texte
- Berit Mainx (Auteur), 2006, Macht Wirtschaft Schule? Sponsoring an Schulen als Gratwanderung zwischen ökonomischem Nutzen und sozialem Engagement, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70397
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