In der Diplomarbeit werden Entwicklungen im Bereich der Lokalisierung und Navigation in non-automotiven Branchen analysiert, um neue Erkenntnisse, Lösungen und damit Adaptionsmöglichkeiten für die Automotive-Welt zu gewinnen. Im Vorfeld wird zur Analyse der non-automotiven Branchen eine komplexe Untersuchungsmethodik eingeführt. Es gilt herauszufinden, mit welchen Ideen und Technologien andere Branchen die Probleme um die Lokalisierung und Navigation zu lösen versuchen und ob sich die identifizierten Lösungen letztlich für die Nutzung im Automotive-Bereich eignen.
Hierbei wird der Untersuchungsraum ausschließlich auf ausgewählte non-automotive Branchen beschränkt. Dabei handelt es sich um Potential-branchen, die nicht unmittelbar mit der Automobilindustrie in Verbindung stehen. Schlussendlich gilt es die Frage zu beantworten, wie die Lokalisierung und Navigation bei unbemannten Fahrzeugen für neue Anforderungen wie komplexe sowie fahrerlose Manöver und Urban Canyons ausgelegt sein sollte.
Die Vorfreude auf autonome bzw. selbstfahrende Fahrzeuge wird in unserer Gesellschaft spürbar größer. Nicht nur ist das Einschalten des Autopiloten voraussichtlich im Jahr 2020 eine greifbare Vision, sondern auch das Anfordern des Fahrzeuges an einen gewünschten Ort bereits für den einen oder anderen Autofahrer vorstellbar. Die technologische Revolution des Automobils wird in evolutionären Schritten ablaufen, immer intelligentere Fahrerassistenzsysteme finden dazu den Einzug in die Fahrzeuge. Das moderne Auto hat immer mehr Schnittstellen an Board – Tendenz steigend. In dieser Arbeit steht die Lokalisierungstechnologie im Fokus.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung in das Thema
1.1 Motivation und Fragestellung
1.2 Abgrenzung und Zielsetzung
2 Stand der Navigationstechnik
2.1 Begriffsabgrenzung Lokalisierung und Navigation
2.2 Bedeutung für das automatisierte Fahren
2.3 Klassische satellitenbasierte Navigation
2.3.1 Einführung
2.3.2 Globales Navigationssatellitensystem
2.3.3 Unterstützende Satellitensysteme
2.3.4 Genauigkeit, Verlasslichkeit und Fehlerursachen
2.3.5 Manipulationsmöglichkeiten und GegenmaBnahmen
2.3.6 Handlungsempfehlungen
3 Technologiemanagement und Methodenauswahl
3.1 Begriffsabgrenzung Theorie, Technologie und Technik
3.2 Der Begriff des Technologiemanagements
3.3 Technologiefrüherkennung
3.3.1 Informationsquellen der Technologiefrüherkennung
3.3.2 Methoden der Technologiefrüherkennung
3.4 Data-Mining Tool
3.5 Szenariotechnik
3.6 Technology Wargaming
3.7 Cross-Industry-Innovation
3.8 Betrachtung der Relevanz der Methoden und Methodenauswahl
4 Untersuchungsraum und Branchenanalyse
4.1 Untersuchungsmethodik
4.2 Untersuchungsfelder und Branchendynamiken
4.2.1 Logistik
4.2.1.1 Fahrerlose Transportsysteme (FTS)
4.2.1.2 Service- und Transportsysteme (STS)
4.2.1.3 Die Lagerlogistik der Zukunft
4.2.2 Mobile Robotik
4.2.2.1 Anwendungen mobiler Roboter
4.2.2.2 Aufbau und Verhalten mobiler Roboter
5 Alternative und nicht-satellitenbasierte Technologien zur Navigation
5.1 Funkbasierte und terrestrische Navigationstechnologien
5.1.1 Passivradar
5.1.2 Pseudoliten
5.1.3 BAE Systems‘ NAVSOP
5.1.4 Locata
5.1.5 Indoor-Navigation mit WLAN, BLE und VLC
5.2 Neuartige Navigationstechnologien
5.2.1 Echtzeit-Kartierung und -Lokalisierung mit SLAM
5.2.2 DARPA „Positioning, Navigation & Time“ (PNT)
6 Technologiebewertung: SWOT-Analyse
7 Adaptionsmöglichkeiten und Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
„Wir wollen den Menschen sagen, wir geben Dir die Zeit zurück, die Du heute damit verbringst, an einem Lenkrad zu kurbeln, damit das Auto nicht gegen den Kantstein fahrt. Jetzt kannst du stattdessen machen, was Du willst.“
Dieter Zetsche
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung in das Thema
Dieses Kapitel dient als Einleitung in das Thema der Diplomarbeit. Im ersten Schritt werden die Beweggründe, die Fragestellung und die Zielsetzung der Arbeit formuliert. Ausgehend davon und zur klaren Einordnung erfolgt die Abgrenzung zu themenverwandten Arbeiten. Im Vordergrund der Arbeit steht die Zukunft der Lokalisierung und Navigation bei unbemannten Fahrzeugen. Vor genau 30 Jahren wurde das Global Positioning System (GPS) mit Inbetriebnahme des letzten Satelliten voll einsatzfahig. Seitdem gilt GPS für die Menschheit als eine enorm wichtige Errungenschaft. Hinterfragt wird, ob diese klassische Satellitennavigation für diesen den neuen Anwendungsfall des unbemannten Fahrens geeignet ist und welchen Anforderungen die zukünftige Navigation genügen muss.
1.1 Motivation und Fragestellung
Die Vorfreude auf autonome bzw. selbstfahrende Fahrzeuge wird in unserer Gesellschaft spürbar gröBer. Nicht nur ist das Einschalten des Autopiloten voraussichtlich im Jahr 2020 eine greifbare Vision, sondern auch das Anfordern des Fahrzeuges an einen gewünschten Ort bereits für den einen oder anderen Autofahrer vorstellbar. Die technologische Revolution des Automobils wird in evolutionaren Schritten ablaufen, immer intelligentere Fahrerassistenzsysteme finden dazu den Einzug in die Fahrzeuge. Das moderne Auto hat immer mehr Schnittstellen an Board - Tendenz steigend. In dieser Arbeit steht die Lokalisierungstechnologie im Fokus.
Die Herausforderung ist dabei, dass zur zuverlassigen und exakten Lokalisierung unbemannter Fahrzeuge die herkömmliche Satellitennavigation unzureichend ist. Es gilt zu untersuchen, wie ein autonom agierendes unbemanntes Fahrzeug im Falle eines Satelliten- ausfalls lokalisiert werden kann. Die Verfügbarkeit und Zuverlassigkeit des Satellitensignals ist ferner in Urban Canyons oder Tiefgaragen nicht gegeben, sodass alternative und neuartige Navigationstechnologien als Erganzungssysteme den Einzug in die Infrastruktur und ins Automobil finden müssen (vgl. Adams et al., 2012, S. 9). Die Gestaltung und Auslegung der Navigation für unbemannte Fahrzeuge ist daher ein besonders kritisches Thema. Für das autonome und kollisionsfreie Parken oder den prazisen Spurwechsel auf der Autobahn, ist eine Lokalisierung mit einer extrem hohen Genauigkeit erforderlich. Die gegenwartige Satellitengenauigkeit ist für diesen Anwendungsfall nicht geeignet (Zogg, 2006, S. 84). Neben der Navigation von einem beliebigen Standort zu einem gewünschten Zielort geht es in Zukunft auch um die Frage, wie zuverlassig und genau ein unbemanntes Fahrzeug an Orten ohne die Verfügbarkeit der Satelliten- navigation lokalisiert werden kann und mit welcher Genauigkeit eine komplexe Fahrsituation wie das Einparken in engen Passagen oder der einfache Spurwechsel beherrscht werden kann.
Dazu kommt, dass die satellitengestützte Navigation heute zum Ziel von Manipulationsangriffen gehört, um den Empfang des Satellitensignals zu verhindern oder gar gezielt zu verfalschen (vgl. Just/Ciesluk, 2013). In dieser Arbeit wird die satellitenbasierte Navigation als kritische Infrastruktur in Frage gestellt, zumal in den USA dieses Thema seit Jahren auch im Defense- Bereich diskutiert wird (vgl. Hatch, 2014). Die Verwundbarkeit der herkömmlichen satellitenbasierten Navigation und deren Schwachen gilt es, durch neuartige Werkzeuge der Technologiefrühaufklarung wie das Data- Mining und Technology Wargaming zu analysieren. Verknüpft mit der Erweiterung und Anwendung einer komplexen Methodenuntersuchung zur Analyse von Entwicklungen in non-automotive Branchen ist es das Ziel, neuartige Technologien zur zuverlassigen und exakten Navigation bei unbemannten Fahrzeugen zu identifizieren. Die oben dargestellten Entwicklungen und Gefahren, verknüpft mit den Unzulanglichkeiten der Satellitennavigation, sind Beweggründe der Diplomarbeit.
1.2 Abgrenzung und Zielsetzung
In der Diplomarbeit werden Entwicklungen im Bereich der Lokalisierung und Navigation in non-automotive Branchen analysiert, um neue Erkenntnisse, Lösungen und damit Adaptionsmöglichkeiten für die Automotive-Welt zu gewinnen. Im Vorfeld wird zur Analyse der non-automotive Branchen eine komplexe Untersuchungsmethodik eingeführt. Es gilt herauszufinden, mit welchen Ideen und Technologien andere Branchen die Probleme um die Lokalisierung und Navigation zu lösen versuchen und ob sich die identifizierten Lösungen letztlich für die Nutzung im Automotive-Bereich eignen.
Hierbei wird der Untersuchungsraum ausschlieBlich auf ausgewahlte non-automotive Branchen beschrankt. Dabei handelt es sich um Potential- branchen, die nicht unmittelbar mit der Automobilindustrie in Verbindung stehen. Schlussendlich gilt es die Frage zu beantworten, wie die Lokalisierung und Navigation bei unbemannten Fahrzeugen für neue Anforderungen wie komplexe sowie fahrerlose Manöver und Urban Canyons ausgelegt sein sollte.
2 Stand der Navigationstechnik
In diesem Kapitel wird zunachst auf die Bedeutung von Lokalisierung und Navigation eingegangen. Ferner wird das autonome Forschungsfahrzeug Mercedes-Benz S 500 Intelligent Drive für das Verstandnis des Standes der Technik zum automatisierten Fahren aufgegriffen. Im Anschluss erfolgt die Einführung in die herkömmliche satellitenbasierte Navigation. Hierbei werden auch die zukünftigen Herausforderungen an das globale Satelliten- navigationssystem sowie deren Schwachstellen dargelegt. AbschlieBend werden die Unzulanglichkeiten der Satellitennavigation zur Navigation von umbenannten Fahrzeugen aufgezeigt, welche als grundlegende Motivationsgründe zur Identifikation von neuen Navigationstechnologien dienen.
2.1 Begriffsabgrenzung Lokalisierung und Navigation
Die Begriffe „Lokalisierung“ und „Navigation“ werden falschlicherweise ihrer Bedeutung entgegen oft im gleichen Sinne verwendet. Daher gilt es vorab den Unterschied der Begriffe darzulegen:
Die Positionsbestimmung des aktuellen Standortes eines Objektes, der ruhend oder bewegt sein kann, wird als Lokalisierung bezeichnet. In anderen Worten ist unter Lokalisierung die Abfrage oder Angabe der Koordinaten des Standortes zu verstehen. Hierbei wird der aktuelle Standort mit drei Koordinaten, der geographischen Lage, Breite und der Höhe angegeben. Die Grundlage für das Führen eines Objektes von einer bestimmten Koordinate zu einem Zielort ist eine erfolgreiche Lokalisierung. (vgl. Mansfeld, 2004, S.1)
Von Navigation spricht man, wenn ein Objekt auf einer bestimmten Route und innerhalb einer bestimmten Zeit zu einem Zielort geleitet wird. Beispielsweise wird die herkömmliche und altbekannte Satellitennavigation zunachst für die genaue Positionsbestimmung genutzt, in zweiter Linie für die Navigation. (vgl. Mansfeld, 2004, S.3)
2.2 Bedeutung für das automatisierte Fahren
Der Traum sich fahrerlos, wohlbehalten und komfortabel chauffieren zu lassen ist im Hinblick der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen greifbarer denn je. So hat die Daimler AG im Jahre 2013 auf der IAA in Frankfurt ihre S-Klasse 500 Intelligent Drive vorgestellt. Die historische Pionierstrecke des Automobils, die Bertha Benz Memorial Route, meisterte das Roboterauto nahe der Serientechnik autonom und vor allem ohne technische Ausfalle. (vgl. Debus, 2013)
Erstmals wurde demonstriert, dass das autonome Fahren im Stadt- und Überlandverkehr mit einer seriennahen Technik durchführbar ist. Möglich machten diese autonome Fahrt Sensordaten, die Lokalisierung des Fahrzeugs sowie eine digitale Karte. Aus der Fusion dieser Informationen leitete das autonome Fahrzeug schlussendlich seinen Fahrweg ab. (vgl. Mercedes-Benz, 2013). Nachfolgend soll kurzerhand die gesamte Sensortechnik des autonomen Forschungsfahrzeugs S 500 Intelligent Drive aufgezeigt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.1: Sensortechnik S 500 Intelligent Drive (Daimler, 2014)
Mit zwei Fernbereichsradaren (orange) erkennt die S 500 Intelligent Drive an Kreuzungen von links und rechts kommende Objekte. Ein weiterer Fernbereichsradar visiert das Geschehen hinter dem Fahrzeug an. Für die Erkennung von Verkehrsteilnehmenden in der naheren Umgebung sorgen vier Nahbereichsradare (weiB). Eine Stereokamera (blau) hinter der Windschutzscheibe erkennt Ampeln, die zweite Stereokamera, die hinter der Heckscheibe installiert ist, untersucht die Umgebung nach bereits bekannten Merkmalen und gleicht die GPS-Informationen mit der im Fahrzeug abgespeicherten digitalen Karte ab. Ziel dieses Prozesses ist die Lokalisierung des Fahrzeugs im Zentimeterbereich. (vgl. Daimler, 2014)
Aus den oben genannten Ausführungen und technischen Details zur S 500 Intelligent Drive kann die Bedeutung und Unverzichtbarkeit einer hochgenauen und permanenten Lokalisierung abgeleitet werden. Die Versorgung des autonomen Fahrzeugs mit korrekten GPS-Informationen ist somit eine wesentliche Grundvoraussetzung für die gesamte Funktionalitat eines autonomen Fahrzeugs. Für das Verstandnis der Diplomarbeit und die Relevanz der Lokalisierung sind die Ausführungen zur S 500 Intelligent Drive hinreichend und werden im Weiteren nicht im Detail verfolgt.
2.3 Klassische satellitenbasierte Navigation
2.3.1 Einführung
Zu Beginn dieses Kapitels soll das allgemeine Funktionsprinzip der satellitenbasierten Navigation erlautert und die Satelliten- navigations-systeme GPS, GLONASS, Galileo sowie Beidou vorgestellt werden:
Mit der Satellitennavigation kann der genaue Standort, dazu gehören die geographische Lage, Breite sowie Höhe und die genaue Zeit im Bereich zwischen 60 und fünf Nanosekunden, ermittelt werden. Die Genauigkeit liegt bei dem Global Positioning System (GPS) für zivile Anwendungen heute im Zentimeterbereich, für die United States Army wird das GPS-Signal allerdings mit einer höheren Qualitat zur Verfügung gestellt. (vgl. Zogg, 2006, S. 10)
Ein elementarer Begriff bei der satellitenbasierten Navigation ist die Laufzeitmessung. Für die Ermittlung des genauen Standortes bzw. der genauen Position muss die Laufzeit zwischen vier Satelliten mit bekannter Position und dem Beobachtungsstandort gemessen werden. Satelliten mit einer bekannten Position senden in regelmaBigen Zeitintervallen Signale aus, anhand der gemessenen Laufzeit wird die Position des Empfangers ermittelt. Für die Bestimmung der GröBen Lange, Breite, Höhe und Zeit benötigt man mindestens vier Satelliten. (vgl. Zogg, 2006, S. 13)
Satellitenbasierte Navigationssysteme verwenden Satelliten als Zeitsender und haben mindestens zu vier Satelliten Funkverbindung. Bei nicht-synchronisierten Empfanger-Uhren muss die Anzahl der Zeitsender stets um Eins gröBer sein als die Anzahl der unbekannten Dimensionen. Für die exakte Positions- und Zeitbestimmung auf einer Geraden werden demensprechend mindestens zwei Zeitsender benötigt. Einfacher ausgedrückt benötigt man für die exakte Positionsbestimmung in der Ebene drei Zeitsender, im Raum dafür vier Zeitsender. (vgl. Zogg, 2006, S. 14)
2.3.2 Globales Navigationssatellitensystem
Das globale Navigationssatellitensystem (GNSS) soll einmal ein gemeinschaftlich betriebenes und kontrolliertes System werden, welches die zivile Nutzung nicht einschrankt und die weltweite Satelliten- verfügbarkeit wesentlich verbessert. Heute ist das GNSS lediglich ein Sammelbegriff, der folgenden Satellitensysteme ausschlieBlich von der Nutzbarkeit her betrachtet: (vgl. Mansfeld, 2004, S.275):
- NAVSTAR-GPS (USA)
- GLONASS (Russische Föderation)
- Galileo (Europaische Union)
- Beidou (China)
Das heute bekannteste Satellitennavigationssystem ist unumstritten das GPS-System. Entwickelt wurde das NAVSTAR-GPS vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium, dem DoD. Der erste Satellit wurde im Jahre 1978 in die Umlaufbahn gebracht. Ursprünglich sollte das GPS ausschlieBlich militarischen Zwecken dienen, um 1993 wurde aber das GPS der Zivilbevölkerung zuganglich gemacht. Das zivile Signal, auch bekannt unter der Bezeichnung Standard Positioning Service (SPS) ist grundsatzlich ungenauer als das ursprüngliche militarische Signal Precise Positioning System (PPS). (vgl. Zogg, 2006, S. 10) Heute umkreisen 30 aktive Satelliten in einer Höhe von 20.180 km auf sechs unterschiedlichen Bahnen die Erde. Zuletzt wurde im Oktober 2014 der GPS-Satellit USA-258 in die Erdumlaufbahn gebracht (vgl. GPS, 2014).
Folgende drei Segmente bilden das komplette Positionierungssystem GPS ab (vgl. Zogg, 2006, S. 19):
- Weltraumsegment
- Kontrollsegment
- Benutzersegment
Wie bereits im Vorfeld erklart, besteht das Weltraumsegment aus heute 30 aktiven GPS-Satelliten, die auf sechs unterschiedlichen Bahnen die Erde umkreisen. In rund 12 Stunden umkreist ein GPS-Satellit die Erde, wobei nach 24 Stunden mit der Erdrotation sich der Satellit über seinen Ausgangspunkt befindet. (vgl. Zogg, 2006, S. 20)
Das Kontrollsegment (Operational Control System) setzt sich aus dem Hauptquartier im US-Bundesstaat Colorado, aus fünf mit Atomuhren ausgerüsteten Monitorstationen und drei Bodenkontrollstation (Ground Control Station) zusammen. Zu den Aufgaben des Kontrollkollektives gehören die Beobachtung der Bewegung der Satelliten, die Berechnung der Bahndaten, die Überwachung der Atomuhren der Satelliten, die zeitliche Synchronisation der Satelliten, die Übertragung der exakten Bahndaten und letztlich die Übermittlung der ungenauen Bahndaten des Satelliten- verbundes. Das zivile GPS-Signal wird unter anderem über das Kontroll- segment künstlich verfalscht. (vgl. Zogg, 2006, S. 26)
Beim Benutzersegment handelt es sich schlichtweg um das Empfangergerat. Die GPS-Signale haben eine Laufzeit von rund 67 Millisekunden, bis sie empfangen werden. Für die raumliche Positionsbestimmung benötigt der Empfanger bekanntlich Funkverbindung zu mindestens vier Satelliten. Aus der Laufzeit der Signale wird der Abstand zum jeweiligen Satellit ermittelt. Der Empfanger kann schlieBlich aus dem Abstand und bekannten Satellitenpositionen seine Breite <p, Lange A, Höhe h und Zeit t berechnen. (vgl. Zogg, 2006, S. 27)
Eine Parallelentwicklung zum US-amerikanischen GPS startete wahrend des Kalten Krieges in der früheren Sowjetunion unter dem Namen GLONASS. (vgl. Zogg, 2006, S. 38). Der erste GLONASS-Satellit starte im Jahr 1982, wohingegen der kontinuierliche Betrieb im Jahr 1993 startete. Im Wesentlichen differenzieren sich GPS und GLONASS in wenigen Merkmalen. Hinsichtlich der technischen Auslegung gibt es Ahnlichkeiten, wobei heute beide Systeme den Weg in Empfanger finden. 24 Satelliten umkreisen die Erde etwa in einer Höhe von 19.000 km. Das GLONASS-Satellitensystem besteht aus den Segmenten Raum-, Kontroll- und Nutzersegment. (vgl. Mansfeld, 2004, S.255)
Neben dem altbewahrten GPS-System ist heute also auch das GLONASS- System aktiv, wohingegen das chinesische sowie das europaische Satellitennavigationssystem, Beidou und Galileo, sich weiterhin im Aufbau befinden. Allerdings schaltete man im Dezember 2014 das Beidou-System für die kommerzielle Nutzung scharf. 16 Satelliten versorgen seither den ostasiatischen und australischen Raum mit Satellitensignalen. Seit fast zehn Jahren arbeitet China am Aufbau des eigenen Satellitennavigationssystems und hat bis dato 20 Satelliten in die Erdumlaufbahn gebracht. (vgl. Lee, 2014)
Gegenüber der chinesischen Entwicklung sollte das europaische Satelliten- system Galileo bereits im Jahre 2008 der kommerziellen und zivilen verfügbar gemacht werden. Es kam jedoch zu mehrjahrigen Verzögerungen, da es zwischen Partnerlandern innerhalb der Europaischen Union immer wieder Streitigkeiten und Uneinigkeiten gab. Für das Jahr 2015 soll zumindest die eingeschrankte Nutzung bereitgestellt werden, erst im Jahr 2020 soll Galileo weltweit zum GPS-Konkurrenten werden. (vgl. FAZ, 2015)
Nachfolgend sollen die vier vorgestellten Satellitennavigationssysteme NAVSTAR-GPS, GLONASS, Galileo und Beidou hinsichtlich ihrer technischen Daten dargestellt werden:
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Tabelle 2.1: Übersicht GNSS nach (Dawoud, 2012)
2.3.3 Unterstützende Satellitensysteme
Zusatzlich zu den im Abschnitt 2.2.2 vorgestellten Satellitennavigations- systemen existieren öffentlich oder privatrechtlich betriebene Erganzungs- systeme, welche die Zuverlassigkeit, Genauigkeit und Verfügbarkeit der Positionsermittlung unterstützen sollen. Die Erganzungssysteme lassen sich in zwei Gruppen einordnen (vgl. Mansfeld, 2004, S.275)
- Bodengestützte Erganzungssysteme (GBAS)
- Satellitengestützte Erganzungssysteme (SBAS)
Mit dem SBAS werden die Satellitennavigationssysteme GPS, GLONASS und Galileo für die Erhöhung Lokalisierungs- und Navigationsgenauigkeit unterstützt. Innerhalb der SBAS gibt es verschiedene Systeme, deren Servicegebiete im Bild dargestellt sind: (vgl. DLR, 2015)
- EGNOS (Europa)
- WAAS (Nordamerika)
- MSAS (Japan)
- GAGAN (Indien)
- SDCM (Russland)
Für den Landeanflug sowie bei schlechter Sicht benötigen die Piloten eine weit höhere Genauigkeit als beispielsweise die heute herkömmlich genutzte GNSS-Navigation im StraBenverkehr. Ebenso werden die SBAS-Signale in der Landwirtschaft verwendet. Ein GNSS-Empfanger kann somit die Genauigkeit von 10 Metern auf bis auf einen Meter verbessern. In Abschnitt 2.2.5 werden die Fehlerquellen und die damit verbundene Signalverschlechterung von GNSS-Systemen detailliert beschrieben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.2: Servicegebiete der SBAS (vgl. Rogers, 2013)
Das bodengestützte Erganzungssystem GBAS kommt vor allem in Flughafen zum Einsatz. Insbesondere eignet sich das Zusatzsystem zur GNSS als Prazisionsanflughilfe. Die Bodenstation ermöglicht neben der Genauigkeitserhöhung gekurvte und segmentierte Anflüge, um auch in puncto Larmreduzierung in Wohngebieten Verbesserungswirkungen zu erzielen. Im Wesentlichen korrigiert die Bodenstation die GPS- Informationen. Die GPS-Satelliten übermittelt die Position zunachst an die GBAS-Bodenstation, nach der Korrektur werden die weit genaueren GPS-D aten an das Flugzeug gesendet. (vgl. Mauel, 2013; Fraport, 2014)
In Tabelle 2.2 ist die Verbesserungswirkung der Positionsbestimmung mit den GNSS-Erganzungssystemen SBAS und GBAS dargestellt:
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Tabelle 2.2: Vergleich der GNSS-Genauigkeit mit SBAS und GBAS (vgl. Rogers, 2013)
Zusatzlich zu den öffentlichen Erganzungssystemen gibt es eine Reihe von kommerziellen Anbietern, die je nach der gewünschten GNSS-Genauigkeit Servicestufen anbieten. Die Echtzeit-Satellitennavigation RTK, basiert auf Differential-GPS, ist beispielweise in der Landwirtschaft ein weit verbreiteter Lokalisierungsdienst. Das RTK-System wird unter anderem von John Deere realisiert und besteht ahnlich dem GBAS aus einer Bodenstation, die sich unmittelbar in der Nahe des Feldes befindet. Der Empfanger bekommt die Korrektursignale übermittelt und es kann eine Genauigkeit von ± 2 cm erreicht werden. Zusatzlich kann der RTK-Service über die Einbindung von Mobilfunkmasten oder Korrektursignalen von weiteren Anbietern erweitert und verbessert werden. (vgl. John Deere, 2015)
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Bild 2.3: RTK-Korrektursignal auf dem Feld (CLAAS, 2015)
Deutschland, Österreich und die Schweiz betreiben dazu staatliche Satelli- tenreferenzdienste, die ebenfalls auf Differential-GPS basieren.
- SAPOS (Deutschland)
- APOS (Österreich)
- swipos (Schweiz)
Der SAPOS betreibt bundesweit 260 Referenzstationen, welche auf der GNSS-Technik basieren und die Nutzer mit genaueren GPS-Daten versorgen. Ahnlich wie John Deere bietet der SAPOS Genauigkeitsstufen zwischen ± 0,5 cm und ± 3 cm an. Die Referenzstationen messen dabei die Entfernungen zu den GPS-Satelliten und errechnen Korrekturwerte, die anschlieBend an die Landfahrzeuge übermittelt werden. (vgl. LGLN, 2015; AdV, 2015 )
2.3.4 Genauigkeit, Verlasslichkeit und Fehlerursachen
In diesem Abschnitt werden die Fehlerursachen der GPS-Ungenauigkeit dargelegt und hinsichtlich der Verlasslichkeit Angaben gemacht. Im Vorfeld wurde erörtert, dass Erganzungssysteme wie SBAS, GBAS oder RTK notwendig sind, um etwa Anwendungen, die eine höhere Genauigkeit voraussetzen, zu genügen. Bei GPS können mehrere Ursachen den Gesamt- fehler ausmachen. Nachfolgend sind in Tabelle 2.3 diese Ursachen aufgelistet:
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Tabelle 2.3: Fehlerquellen der GPS-Navigation nach (Zogg, 2006, S.70 f.)
Summiert man die Fehlerquellen auf, so liegt die Genauigkeit der GPS- Satellitennavigation etwa bei 10 Metern. Mit denen in Kapitel 2.4.4 vorgestellten GNSS-Erganzungssystemen SBAS, GBAS und RTK kann eine Genauigkeit im Zentimeterbereich erreicht werden.
Mit der Differential-GPS, auch DGPS genannt, können durch den Abgleich von Referenzstationen die oben dargestellten Fehlerursachen minimiert oder aufgelöst werden. Hierbei werden unterschiedliche Methoden genutzt:
- Echtzeitverfahren basierend auf der Laufzeitmessung und auf der Phasenmessung des Tragersignals
- Postprocessing (Datenkorrektur im Nachhinein)
Das Prinzip des DGPS basierend auf der Laufzeitmessung ist trivial. Eine GPS-Bodenreferenzstation bestimmt die exakte Position mittels vier oder mehr Satelliten. Die Referenzstation, welche ihre genaue Position kennt, kann die Positionsabweichung von der gemessenen Position berechnen. Die Abweichungen werden per Funk übermittelt oder im Nachhinein für die Kor- rektur genutzt. Nachfolgend soll die GPS-Genauigkeit mit und ohne dem Ein- satz von Differential-GPS betrachtet werden. (vgl. Zogg, 2006, S. 72 ff.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.4: GPS-Genauigkeit ohne und mit DPGS nach (Zogg, 2006, S. 84)
Der Einsatz von DGPS-Referenzstationen würde die Genauigkeit von GPS um ein Vielfaches verbessern, allerdings genügt dies den Ansprüchen eines autonomen Fahrzeuges lange nicht. Um von Punkt A nach Punkt B zu kommen oder direkt vor einer gewünschten Hausnummer anzuhalten, ware die Genauigkeit von 2,4 Metern ausreichend. In Parksituationen oder für den Spurwechsel ist eine Genauigkeit jedoch mindestens im Zentimeterbereich erforderlich.
2.3.5 Manipulationsmöglichkeiten und GegenmaBnahmen
Neben den in Abschnitt 2.2.5 dargelegten natürlichen Fehlerursachen, die zu einer Ungenauigkeit der GPS-Positionierung führen, gibt es Möglichkeiten zur Manipulation des GPS-Empfangs. Heute können so genannte GPS- Jammer, die sich im low-cost Bereich platzieren, einen erheblichen Radius von bis zu 50 km beeintrachtigen und GPS-Signale sogar verfalschen. Betrachtet man nun den Anwendungsfall des autonomen Fahrzeuges, so ist diese Gefahr einzudammen. Das heute noch unkalkulierbare Risiko verblüfft Wissenschaftler und erfahrene Schiffskapitane. Grundsatzlich gibt es zwei Möglichkeiten, den GPS-Empfang zu manipulieren:
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Bild 2.4: Möglichkeiten der GPS-Manipulation
So wurde an der University of Texas im Jahre 2013 eindrucksvoll demonstriert, wie eine Yacht vom richtigen Kurs fehlnavigiert wurde. Hierbei wurde ein modifizierter GPS-Sender auf dem Schiff installiert und die Sendeleistung erhöht, um die Feldstarke des ursprünglichen und authentischen GPS-Signals zu überstrahlen. AnschlieBend wurde der Kurs um drei Grad geandert. Die stets falsch übertragenen GPS-Positionsdaten hatten am Ende die Folge, dass die Yacht erheblich vom eigentlichen Kurs abgedriftet war. (vgl. Just/Ciesluk, 2013)
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Der Bund Deutscher Kriminalbeamter weist dazu hin, dass haufig bei Autodiebstahlen das Orten per GPS kein Erfolg bringt, da die Kriminellen oft GPS-Jammer einsetzen und somit den GPS-Empfang blocken. Im Jahre 2013 melden die Nachrichten, dass mitten im Londoner Finanzzentrum Navigationsgerate ausfallen, sogar Börsenkurse sich nicht anderten. Ein Fahrer eines Lieferservices nutze einen GPS-Jammer, weil er sich von der Zentrale aus nicht lokalisieren lassen wollte. (vgl. Buntrock et al., 2014)
Im Rahmen dieser Arbeit wurden GegenmaBnahmen der Manipulationsmöglichkeiten von GPS identifiziert, welche in Kapitel 5 im Detail analysiert werden. Dabei handelt es sich vorwiegend um aussichtsvolle funk-, sensor-, sowie und bildbasierte Navigationstechnologien.
2.3.6 Handlungsempfehlungen
Die herkömmliche satellitenbasierte Navigation ist im Hinblick zur Lokalisierung und Navigation von unbemannten Fahrzeugen in folgenden Punkten unzureichend (vgl. Adams et al., 2012, S. 9):
- Die Satellitennavigation ist beschrankt oder überhaupt nicht verfügbar (Bsp.: Hauserschlucht, Waldgebiet, Waldrand, Tiefgarage).
- Eine permanente Genauigkeit im Bereich von ± 1 cm ist nicht gegeben.
- Die sichere GNSS-Signalversorgung ist hinsichtlich der Manipulierbarkeit (siehe Abschnitt 2.3.5) nicht gegeben.
Ein unbemanntes Fahrzeug muss permanent und sicher anhand einer hochgenauen Karte lokalisiert werden können. Dabei dürfen auBerdem Manipulationsversuche, um das Fahrzeug falsch zu navigieren, zu keinem Zeitpunkt zweckvoll werden. Aus diesen Schlüsselkriterien ist zu schlieBen, dass in der Arbeit mit Hilfe von Werkzeugen und Methoden der Technologiefrüherkennung neuartige Technologien zur Lokalisierung und Navigation von unbemannten Fahrzeugen zu identifizieren sind. Darüber hinaus gilt es, Entwicklungen und Trends in non-automotive Branchen zur Identifikation von neuen Technologien heranzuziehen.
3 Technologiemanagement und Methodenauswahl
Zur Identifikation, Bewertung und Analyse von neuen Technologien müssen Werkzeuge des Technologiemanagements, darunter die Technologie- früherkennung, eingesetzt werden. Oft wird bestehende und erprobte Technik ihrer Bedeutung entgegen als Innovation oder als Technologie verwendet. Daher gilt es in diesem Kapitel zunachst die Begriffe Theorie, Technologie und Technik voneinander abzugrenzen. Für den methodischen Ansatz, um neue Technologien zur Navigation von unbemannten Fahrzeugen auszumachen, werden neuartige Früherkennungswerkzeuge vorgestellt und im Hinblick Ihrer Relevanz für die Arbeit analysiert.
3.1 Begriffsabgrenzung Theorie, Technologie und Technik
Das Technologiemanagement und der Einsatz von Werkzeugen der Technologiefrüherkennung sind für die Identifikation von Innovationen unabdinglich. Allerdings sind zunachst die Begrifflichkeiten Theorie, Technologie und Technik klar voneinander abzugrenzen. Nach Hofbauer und Stangl spricht man von der Theorie, wenn man mittels Hypothesen Zusammenhange zwischen Ursache und Wirkung aufzeigt. Die Theorie ist daher der Ausgangspunkt von Technologien, liefert jedoch hinsichtlich der Lösung von einem konkreten Problem keine Hinweise. (vgl. Hofbauer/Sangl, 2011, S. 85)
Die Technologie beherbergt dagegen das Wissen über naturwissenschaftliche Zusammenhange, das zur Lösung von praktischen Problem genutzt wird (Corsten/Gössinger et al., 2006, S. 38). Wird ein konkretes Problem auf der Grundlage der Technologie gelöst, spricht man von der Technik (Specht/Möhrle, 2002, S. 331).
3.2 Der Begriff des Technologiemanagements
Nach der Abgrenzung von Theorie, Technologie und Technik folgt in diesem Abschnitt die begriffliche Einordnung des Technologiemanagements. Der Begriff des Technologiemanagements wird von Spath et al. wie folgt erklart:
„Technologiemanagement umfasst alle Führungsaufgaben zur Erhaltung und Verbesserung der technologischen Wettbewerbsfahigkeit eines Unternehmens. Dies beinhaltet die Planung, Organisation und Umsetzung wie auch Steuerung und Kontrolle des Wissens über Technologien, das zur Entwicklung und Erzeugung von Produkten oder Dienstleistungen in einer Unternehmung Verwendung findet.“ (Spath et al. 2011)
Brockhoff beschreibt auBerdem die Komponenten des Technologie- managements. So sind die Beschaffung, Speicherung und Verwertung von Technologien wesentliche Bestandteile des Technologiemanagements. (Brockhoff 1999, S. 153). Übertragen auf die Problemstellung, dass unbemannte Fahrzeuge sicher, genau und permanent lokalisiert werden sowie autonom navigieren, ist die Technologieanalyse ein zentraler Schritt dieser Arbeit.
3.3 Technologiefrüherkennung
Für den Prozess der Technologiefrüherkennung, welcher für die Effektivitat von Technologieentscheidungen auBerst wichtig ist, gibt es unterschiedliche Methoden. Grundsatzlich basieren diese auf der systematischen Analyse von Informationen über Technologietrends. AnschlieBend erfolgt die Bewertung der identifizierten Technologien. Die Technologiefrüherkennung begrenzt sich nicht auf das Beobachten von Wettbewerbern. Es sollen eher die Entwicklungen im technologischen Umfeld identifiziert werden. Zu den Impulsgebern gehören heute Universitaten, Forschungseinrichtungen, Start-up-Unternehmen sowie Zulieferer. Entscheidend für den erfolgreichen Prozess der Technologiefrüherkennung ist nicht nur das komplette Beobachten der Trends. Am Ende kommt es darauf an, ob ein Lerneffekt ausgelöst werden kann, welcher auch die Entscheidungsfindung verbessern soll. Übertragen auf die Hauptproblematik der Arbeit, dass die GPS- bzw. GNSS-Navigation für das autonome navigieren unzulanglich ist, sind Technologien zu identifizieren und zu bewerten. (vgl. Möhrle/Isenmann, 2008, S. 59 ff.)
Die Technologiefrüherkennung erfolgt in folgenden Schritten ab: (vgl. Alius et al., 2014. S.1)
1. Informationsbedarf bestimmen
2. Informationsquellen auswahlen
3. Daten sammeln
4. Filtern, analysieren und interpretieren
5. Entscheidungen vorbereiten
6. Bewerten und entscheiden
7. Durchführen von Handlungsempfehlungen
3.3.1 Informationsquellen der Technologiefrüherkennung
In Anlehnung an Reger, wird eine Auswahl formeller und informeller Informationsquellen der Technologiefrüherkennung aufgezeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3.1: Informationsquellen der Technologiefrüherkennung nach (Reger, 2001)
3.3.2 Methoden der Technologiefrüherkennung
Die Beschaffung von Informationen ist ein auBerst aufwandiger Arbeitsschritt. Der Einsatz von Methoden unterstützt die systematische Technologiefrüherkennung und liefert wichtige Impulse. Nachfolgend soll eine Auswahl von Methoden dargestellt werden: (vgl. Schuh, 2010, S. 150 ff.)
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Bild 3.1: Anwendungsbereiche der Methoden der Technologie- früherkennung nach (Schuh, 2010, S. 150 ff.)
In dieser Arbeit werden die Methoden Data-Mining, Szenariotechnik, Technology Wargaming und die Cross Industry-Innovation hinsichtlich ihrer Eignung zur Bewertung sowie Analyse von Navigationstechnologien naher betrachtet. Zum Abschluss von Kapitel 3 erfolgt die begründete Methodenauswahl.
3.4 Data-Mining Tool
Die automatische Datenanalyse mittels eines Data-Mining Tools gehört heute gewiss zum Erfolgsfaktor der Technologiefrüherkennung. In Anbetracht der unzahligen Veröffentlichungen von Technologienachrichten und wissenschaftlichen Publikationen im Internet, ist die klassische Desktop-Recherche ineffizient. Ein webbasiertes Daten-Analysetool, welcher mit Suchbegriffen gespeist wird, kann bei der Suche nach neuen technologischen Trends den Prozess der Früherkennung wesentlich unterstützen.
Das Ziel des Data-Minings umschreiben Mertens und Wieczorrek wie folgt:
„[...] effiziente Suche nach versteckten, aber potentiell nützlichen Infor- mationen in groBen Datenbestanden. “ (Mertens/Wieczorrek, 2000, S. 211)
Krahl et al. erklart ferner, dass Data-Mining auf induktivem maschinellen Lernen basiert (Krahl et al., 1998, S. 59 f.). Dabei ist unter dem maschinellen Lernen die Automatisierung des Lernprozesses zu verstehen, der Annahmen erzeugt, diese prüft und dem Nutzer relevante Ergebnisse liefert (Zeller, 2003, S. 124). Der induktive Bezug bedeutet hier, dass neue und im Vorfeld unbekannte Zusammenhange identifiziert werden und daraus Informationen abgeleitet werden (Zeller, 2003, S. 125).
Zwischen der Technologiefrüherkennung und dem Data Mining gibt es einige Parallelen, die in Tabelle 3.2 aufgezeigt werden:
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Tabelle 3.2: Parallelen zwischen Technologiefrühaufklarung und Data-Mining nach (Zeller, 2003, S. 143)
Bei der Beschaffung von Informationen über technologische Trends zur Lokalisierung und Navigation wird das Data-Mining Tool „Topic Analyst“ naherbetrachtet und verwendet. „Topic Analyst“ durchsucht eine Vielzahl von Internetquellen automatisch und erstellt daraus in Echtzeit Analysen sowie Reports. Zu den Datenquellen von „Topic Analyst“ zahlen die Tagespresse, die Fachmedien und diverse Datenbanken. Automatische Suchroboter, auch Crawler genannt, durchsuchen Inhalte im Word Wide Web. Vorab werden so genannte „Supervised Topcis“ angelegt. Innerhalb dieses Themenspeichers kann man nun Schlüsselwörter wie Lokalisierung, Navigation, GPS etc. hinterlegen und zusatzlich Gewichtungen vergeben. Nun hat man eine Wortwolke erzeugt, welche das Analysetool bei der Suche im Internet verwendet und zu den Schlüsselwörtern entsprechende Nachrichten bzw. Veröffentlichungen als Ergebnis liefert.
Dieses vielversprechende Web-Analysewerkzeug lasst sich intuitiv über den Browser konfigurieren und schafft bei der Suche nach neuen Nachrichten zu technologischen Neuigkeiten Abhilfe. Taglich erscheinen die neusten Meldungen passend zu den festgelegten Schlüsselwörtern in einer automatisch aktualisierten Liste. Der Nutzer wird aktiv auf Informationen, die gemaB den Interessen und Konfiguration erscheinen, aufmerksam gemacht. Optional kann die Benachrichtigung per E-Mail erfolgen, sodass Technologiennachrichten im Internet zeitnah und sofort auf einen Blick verfolgt werden können.
Ein Radar-Werkzeug ermöglicht es dazu, die Suchtiefe je nach Anforderung anzupassen (siehe Bild 3.1). Stimmen die gelieferten Ergebnisse doch nicht mit den festgelegten Schlüsselwörtern überein, so kann der Suchradius variiert werden. Damit wird die Suche feinfühliger und der Datenkrake schlieBt Ergebnisse mit weniger Relevanz aus. So gelingt es dem Anwender, in kürzester Zeit zu einem Themengebiet oder zu Suchbegriffen aktuelle Inputs zu erhalten. Eine weitere Funktion von „Topic Analyst“ ist die grafische Bereitstellung von Zusammenhangen zu einem Themengebiet oder zu den festgelegten Suchbegriffen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 3.2: Radar-Werkzeug für die Anpassung des Übereinstimmungsgrades (Topic Analyst, 2015)
Im Hinblick auf die Identifikation von neuen Technologien zur Lokalisierung und Navigation von unbemannten Fahrzeugen erwies sich „Topic Analyst“ bei der Suche nach Neuem als zuverlassige Hilfe. Für die Arbeit wurde das webbasierte Analysetool mit folgenden Schlüsselwörtern konfiguriert:
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Bild 3.3: Hinterlegte Schlüsselwörter für das Data-Mining (Topic Analyst, 2015)
Im Folgenden ist jedoch zu prüfen, ob sich durch die Anwendung des Data- Mining Tools schwache Signale hinsichtlich der Identifikation von neuen Technologien zur Lokalisierung und Navigation tatsachlich erkennen lassen.
3.5 Szenariotechnik
Eine bewahrte und zuverlassige Methode, mit der Zukunftsszenarien erarbeitet werden können, ist die Szenariotechnik. Lange vor der wirtschaftlichen Relevanz kündigen sich bevorstehende technologische Veranderungen als Signale an. Hier gilt es, die Signalwarnungen frühzeitig wahrzunehmen und entsprechend Handlungsschritte einzuleiten. Dadurch wird es möglich, die richtigen Konsequenzen für das geplante Handeln abzuleiten. Die Szenariotechnik ist transparent und liefert aufgrund der Dokumentationspflicht Entwicklungspotentiale zugleich. (vgl. Schlegelmilch, 2015, S.1)
Die Entwicklung der nahen Zukunft (zwei bis drei Jahre) ist durch die Strukturen der Gegenwart, wie beispielsweise Infrastrukturen, Normen, Gesetze oder Verhaltensmuster festgelegt. Wird nun der Versuch gestartet, die ferne Zukunft zu prognostizieren, dann nimmt der Einfluss der Gegenwartsstrukturen ab und das Spektrum der Möglichkeiten öffnet sich wie ein Trichter. (vgl. Schwarz/Geschka, 2012, S.3)
Nach Schlegelmilch gehören zu den Zielen der Szenariotechnik: (vgl. Schlegelmilch, 2015, S.2)
- Frühzeitiges Erkennen von Veranderungsmöglichkeiten
- Handhabung von komplexen Entscheidungssituationen
- Schaffung einer gemeinsamen Basis für Entscheidungen
- Zukunftsrobuste Strategie- und Entscheidungsfindung
- Systematisierung von Strategiefindungsprozessen
- Vorbereitung eines Früherkennungsprozesses
- Erhöhung der Planungsflexibilitat durch Orientierungswissen
- Zusammenführung und Verknüpfung von Zukunftswissen
Experten liefern bei der Szenariotechnik in der Regel den notwendigen fachlichen Input. So kann zumeist die aktuelle Situation beschrieben werden, Ausblicke in die Zukunft sind auch möglich. Zu Beginn der Szenariotechnik erfolgt eine Analyse der gegenwartigen Situation. Ferner werden anhand von fundierten Annahmen mögliche Einflussfaktoren mit unsicherer Zukunftsentwicklung ausgearbeitet. Hierbei reicht es aus, dass die EinflussgröBen qualitativ beschrieben werden. Eine Quantifizierung ist zunachst nicht erforderlich. Als Ergebnis dieses Prozesses werden unterschiedliche Zukunftsszenarien vorgelegt, die in sich stimmig sind. Zur Generierung von MaBnahmen werden die ausgedachten Zukunftsbilder nun interpretiert und illustriert. (vgl. Schwarz/Geschka, 2012, S.5 ff.)
Die Bedeutung der Szenariotechnik für diese Arbeit wird in Kapitel 3.8 auf- gegriffen, vorab erfolgt jedoch eine erste zusammenfassende Bewertung: Die Szenariotechnik ist trotz der einfachen Vorgehensweise auf tiefgründige Analysen angewiesen, welche haufig langfristig andauernde Studien erfordern. Zumeist ist für die Aufarbeitung von komplexen wechselseitigen Abhangigkeiten der Einsatz von Software erforderlich. Man kann indes sagen, dass die Szenariotechnik zur Komplexitatsreduktion von möglichen Zukunftsbildern sehr hilfreich ist und eine gute Annahrung liefert.
3.6 Technology Wargaming
Eine Domane des Militars ist das berüchtigte Wargaming, um zunachst Stra- tegien zu entwickeln und diese gleichzeitig zu prüfen, die Machbarkeit von Konzepten zu testen und Schachzüge des Kontrahenten vorherzusehen. Ausgehend vom Business Wargaming soll zunachst die Frage gestellt werden, ob Technologien etwa Gegentechnologien gegenüberstehen und wie diese im Fall der Lokalisierung und Navigation von unbemannten Fahrzeugen aussehen könnten. Betrachtet wird diese Fragestellung unter der Überschrift „Technology Wargaming“. Man könnte in Anbetracht dieser Fragestellung sagen, dass sich hinter dem Ganzen das Durchspielen von Planen verbirgt. Das spektakulare beim Wargaming ist also, dass das Spielen Dinge bzw. Falle hervorbringen kann, worauf herkömmliche Methoden nicht eingehen. Bevor Entscheidungen umgesetzt werden, kann das Wargaming Dinge aufzeigen, an die nicht gedacht wurde. (vgl. Oriesek/Schwarz, 2009, S. 6 f.)
Ein Beispiel hierfür ist das Wargame, wenn in Zukunft Hackangriffe auf unbemannte Fahrzeuge stattfinden, womit die Lokalisierung sowie die Navigation gestört bzw. verfalscht werden könnte. Bereits in Kapitel 2 wurde aufgezeigt, dass die herkömmliche Satellitennavigation heute mittels lowcost Störsendern manipulierbar ist. In Zukunft sind daher weitere Technologien vorstellbar, welche die Funktionalitat von unbemannten Fahrzeugen angreifen.
Das Wargaming sollte sich demnach mit folgenden Fragen beschaftigen (vgl. Oriesek/Schwarz, 2009, S. 166):
- Was möchte man mit dem Wargaming erfahren?
- Welche Schlüsselfragen muss das Wargame beantworten?
- Welches sind die bisher unbehandelten Aspekte in der Technologie?
- Welche Experten sollten beim Wargaming hinzugerufen werden?
- Welchen Zeitraum sollte das Wargaming betrachten?
Dazu gewinnt das Wargaming in der Privatwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Ein Grund hierfür ist, dass das Wargaming dabei unterstützt, die Gefahren der unsicheren Zukunft, zu verringern. Die Bedeutung des Wargamings kann man heute bei Cyber-Attacken viel klarer erkennen. Nach Angaben der Norse Corporation, werden alleine aus China stündlich vier Millionen Hackangriffe koordiniert, aus den USA werden weitere drei Millionen Angriffe gesteuert.
Die Banken in London spielen daher unschwer zu verstehen in regelmaBigen Abstanden Cyber-Wargames durch. Ein an der Londoner Börse notiertes Unternehmen verlor namlich vor einigen Jahren nach einem Cyber-Angriff über eine Milliarde Euro. Spatestens nach diesem Vorfall wird in der Finanzwelt von London Wargaming groBgeschrieben. Seither wird durchgespielt, wie gut Banken und weitere Marktprotagonisten kommunizieren und etwa auf Cyber-Angriffe reagieren. (vgl. Scuffham/Franklin, 2013)
Es ist folglich durchaus vorstellbar, dass unbemannte Fahrzeuge, die dazu in Zukunft miteinander kommunizieren sollen, als Ziele von Cyber-Angriffen ausgemacht werden. Die University of Virgina untersucht seit Jahresbeginn mit diversen Partnern die Cyberabwehr für autonome Fahrzeuge. Die Untersuchung zielt auf die gefahrdeten Automatisierungssysteme und Software im Fahrzeug ab. Ziel dieses Pilotprojektes ist es in erster Linie aufzuzeigen, wie man mit Hackangriffen autonome und vernetzte Fahrzeuge bedrohen kann. Im zweiten Schritt geht es um die Verbesserung der Cyber-Abwehrkrafte von autonomen bzw. unbemannten Fahrzeugen. (vgl. Leopold, 2015)
3.7 Cross-Industry-Innovation
Der Wissenstransfer von anderen Industrien bzw. Branchen kann Unterneh- men zu aussichtsreichen Innovationsschüben verhelfen. Oft stecken im Wissen und in der Technik von anderen Branchen vielversprechende Adaptionsmöglichkeiten für die eigene Produktwelt. Diese gilt es daher zu sichten und bei Eignung auf den eigenen Anwendungskontext zu übertragen. Hinzu kommt, dass 80 % aller Innovationen eine Rekombination des vorhandenen Wissens sind. Das bedeutet zugleich, dass nur ein kleiner Teil von technologischen Neuerungen aus neuen Erkenntnissen und Entwicklungen hervorgehen. (vgl. Dürmüller, 2008; Enkel/Horvarth, 2010, S.1; Lummer, 2014)
Dieser branchenübergreifender Untersuchungsansatz bietet die Chance, dass zukunftstrachtige Technologien genutzt werden. Weitere Vorteile der Cross-Industry-Innovation sind (vgl. Lummer, 2014):
- Starkung der unternehmerischen Innovationskraft
- Differenzierungsmöglichkeiten für die Produkte
- Fokussierung der Entwicklung auf Schlüsseltechnologien
- Reduzierung von Entwicklungszeit, -Kosten und -Risiken
Grundsatzlich liefert die Cross-Industry-Innovation drei StoBrichtungen (siehe Bild 3.3):
Beim Outside-in-Ansatz werden Lösungen, Wissen und Fahigkeiten aus anderen Branchen genutzt, um das eigene Leistungsangebot innerhalb der Produkt-Markt-Strategie voranzutreiben. Der Inside-out-Ansatz beschaftigt sich dagegen mit der ErschlieBung von Diversifikationschancen in anderen Branchen auf Basis der eigenen Lösungen und Wissen. Bei der Cross-Industry-Innovation ist die Innovationshöhe und folglich der Wettbewerbsvorsprung groB. Dazu kommt, dass durch die Verwendung der Cross-Industry-Ansatze mit hoher Wahrscheinlichkeit völlig neuartige Lösungen ausgemacht werden können. Der Coupled-Prozess kombiniert die StoBrichtungen Outside-In und Inside-Out. (vgl. Dürmüller, 2008; Gass- mann/ Enkel, 2004, S. 5 ff.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
- Citar trabajo
- Fatih Senel (Autor), 2015, Lokalisierung und Navigation bei unbemannten Fahrzeugen. Technologie-Bewertung und -Analyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/703138
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