Gerade nach den teils ernüchternden Resultaten aus den PISA-Studien, der OECD und den Ergebnissen, TIMSS und der IEA wird immer wieder die Forderung nach einer Qualitätssicherung im Unterricht gestellt. Aber welche Unterrichtsstrukturen und Unterrichtsformen fördern das kognitiv-fachliche Lernen und welche stören die Lernprozesse?
Im Weiteren werden zehn empirisch abgesicherte Gütekriterien guten Unterrichts, die aus verschiedenen Studien der letzten Jahre ausgewählt und zu einem Kriterienmix zusammengefasst wurden, definiert. Daraus werden Folgerungen zur entsprechenden Unterrichtsgestaltung gezogen, die im Idealfall Lehrer und Schüler gemeinsam entwickeln bzw. erarbeiten sollen, schlüssig abzuleiten.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Einleitung
II. Zehn Merkmale „guten Unterrichts“
1. Klare Strukturierung des Unterrichts
1.1 Definition
1.2 Kennzeichen einer klaren Unterrichtsstrukturierung
1.3 Folgerungen
2. Hoher Anteil echter Lernzeit
2.1 Definition
2.2 Anzeichen für einen hohen Anteil echter Lernzeit
2.3 Forschungsergebnisse und Resümee
3. Lernförderliches Klima
3.1 Definition und Erläuterung
3.2 Indikatoren für ein lernförderliches Klima
3.3 Resümee
4. Inhaltliche Klarheit
4.1 Definition
4.2 Indikatoren
4.3 Resümee
5. Sinnstiftendes Kommunizieren
5.1 Definition und Erläuterung
5.2 Anzeichen für gelungene Sinnstiftungen im Unterricht
5.3 Resümee
6. Methodenvielfalt
6.1 Definition
6.2 Drei-Ebenen-Modell
6.3 Resümee
7. Individuelles Fördern
7.1 Definition und Erläuterung
7.2 Indikatoren
7.3 Resümee
7.4 Innere Differenzierung
8. Intelligentes Üben
8.1 Definition und Erläuterung
8.2 Indikatoren
8.3 Resümee
9. Transparente Leistungserwartungen
9.1 Definition und Erläuterung
9.2 Indikatoren
9.3 Resümee
10. Vorbereitete Umgebung
10.1 Definition und Erläuterung
10.2 Indikatoren
10.3 Resümee
III. Schluss
IV. Evaluation in der Schule
1. Definition
2. Ziele der Evaluation
3. Typen der Evaluation
4. Methoden der Evaluation
5. Rating
6. Videografie des Unterrichts
V. Empirische Studie
1. Einführender Teil
2. Auswertung der Unterrichtseinheiten
Verzeichnis der Abbildungen
Literaturverzeichnis
Was ist guter Unterricht?
Zehn Merkmale „guten Unterrichts“
Vorwort
Als Thema meiner Zulassungsarbeit habe ich bewusst das Thema „Was ist guter Unterricht?“ gewählt, da ich der Meinung bin, dass mir die intensive Auseinandersetzung mit dieser Materie für meinen späteren Beruf als Lehrkraft äußerst hilfreich sein wird.
Die Aussagen in dieser Arbeit beziehen sich immer auf Lehrerinnen und Lehrer bzw. auf Schülerinnen und Schüler. Um aber den Inhalt dieser Arbeit mit der dadurch notwendigen Nennung der jeweils männlichen und weiblichen Form von Lehrer und Schüler nicht unnötig unübersichtlich zu gestalten, werde ich im Folgenden nur jeweils „Lehrer“ bzw. „Schüler“ verwenden. Diese Reduzierung auf die männliche Form soll keineswegs die Lehrerinnen und Schülerinnen diskriminieren oder deren Bedeutung abwerten, sondern dient lediglich der Übersichtlichkeit dieser Arbeit.
I. Einleitung
Gerade nach den teils ernüchternden Resultaten aus den PISA-Studien (PISA: Programme for International Student Assessment) der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) und den Ergebnissen der Schulleistungsuntersuchungen TIMSS (seit 2003: Trends in Mathematics and Science Study) der IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) wird immer wieder die Forderung nach einer Qualitätssicherung im Unterricht gestellt. Aber welche Unterrichtsstrukturen und Unterrichtsformen fördern das kognitiv-fachliche Lernen und welche stören die Lernprozesse?
Im Weiteren wird versucht, guten Unterricht anhand von zehn empirisch abgesicherten Gütekriterien, die aus verschiedenen Studien der letzten Jahre ausgewählt und zu einem Kriterienmix zusammengefasst wurden, zu definieren. Daraus werden Folgerungen zur entsprechenden Unterrichtsgestaltung gezogen, die im Idealfall Lehrer und Schüler gemeinsam entwickeln bzw. erarbeiten sollen, schlüssig abzuleiten[1].
Definition guter Unterricht
Um guten Unterricht definieren zu können, muss zunächst klar gestellt werden, dass die Gütekriterien für alle Schüler aller Schularten, Herkunft und Ausprägung, für alle Fächer, Schulstufen und Schularten gelten sollen und dabei sowohl das kognitive wie affektive Lernen gefördert wird und sie zur Analyse des alltäglichen Unterrichts genauso geeignet sind, wie zur eigenen Beurteilung und zur Bewertung unter den Kollegen[2].
Unter diesen Voraussetzungen kann man dann guten Unterricht definieren als einen Unterricht, in dem
1. „im Rahmen einer demokratischen Unterrichtskultur
2. auf Grundlage des Erziehungsauftrages
3. und mit dem Ziel eines gelingenden Arbeitsbündnisses
4. eine sinnstiftende Orientierung
5. und ein Beitrag zur nachhaltigen Kompetenzentwicklung aller Schülerinnen und Schüler geleistet wird.“[3]
Dabei soll über eine demokratische Unterrichtskultur die Mündigkeit und Solidarität der Schüler für das Leben in der Gesellschaft entwickelt werden. Dies gelingt nur, wenn der fachliche Unterricht auch mit dem Erziehen verknüpft wird. Guter Unterricht erfordert ein einvernehmliches Arbeitsbündnis zwischen Lehrer und Schülern, soll die Urteilskraft und Persönlichkeit der Schüler stärken, damit sie ihre persönliche Entwicklung erfolgreich bewältigen können. Bei all diesen Forderungen darf aber der eigentliche Bildungsauftrag des Unterrichts in der stützenden und zugleich fordernden Unterrichtsgemeinschaft nicht zu kurz kommen, wobei auch entsprechende Freiräume und Zeiten für Übung und Vertiefung mit eingebaut werden müssen[4].
Der nachfolgende Kriterienmix enthält zehn Merkmale guten Unterrichts, die zunächst definiert werden. Anschließend folgt die Darstellung der Indikatoren für die Merkmalsausprägung und schließlich im Resümee die Umsetzung im Unterricht.
II. Zehn Merkmale guten Unterrichts
1. Klare Strukturierung des Unterrichts
Es gibt sechs grundlegende Dimensionen unterrichtlichen Handelns:
Das sind die Ziel-, Inhalts-, Sozial-, Prozess-, Handlungs- und Raumstruktur des Unterrichts, die zusammen das so genannte didaktische Sechseck ergeben. Die Zuordnung der zehn Gütekriterien im didaktischen Sechseck ist in der Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Didaktisches Sechseck (vgl. MEYER, 2004, S. 25)
Das Kriterium Klarheit wird hier speziell auf die Klarheit der Prozessstruktur des Unterrichts ausgelegt und gliedert sich einerseits in das Unterrichtsmanagement und andererseits in die didaktisch-methodische Linienführungen[5].
1.1. Definition
„Unterricht ist dann klar strukturiert, wenn das Unterrichtsmanagement funktioniert und wenn sich ein für Lehrer und Schüler gleichermaßen gut erkennbarer „roter Faden“ durch die Stunde zieht.“[6] Das heißt, Ziele, Inhalte und Methoden des Unterrichts müssen stimmig sein, also eine „innere Zielgerichtetheit“ aufweisen, wie in Abbildung 2 dargestellt[7].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der zuvor angesprochene „rote Faden“ lässt sich auch mit der Folgerichtigkeit des methodischen Gangs beschreiben. Damit ist gemeint, dass sich in einer schlüssigen Unterrichtsstunde die einzelnen Unterrichtsschritte jeweils aus den vorhergehenden ergeben müssen.
Die einzelnen methodischen Schrittfolgen sollen jeweils in den drei Schritten Einstieg, Erarbeitung und Ergebnissicherung erfolgen (methodischer Grundrhythmus)[8]. Dabei können die Linienführungen z. B. vom Vertrauten zum Fremden, vom Abstrakten zum Konkreten, vom Einfachen zum Komplizierten oder eben auch genau umgekehrt verlaufen.
Damit die Schüler ihre Aufgaben erkennen können (Aufgabenklarheit), muss der Lehrer sie an seinen didaktischen Überlegungen teilhaben lassen. „Guter Unterricht“ ist nur mit klaren Regeln möglich (Regelklarheit), für deren Einhaltung zunächst der Lehrer zuständig ist, aber schrittweise sollten auch die Schüler dafür die Verantwortung übernehmen. Dazu müssen die einzelnen Rollen auf beide Seiten (Lehrer / Schüler) genau verteilt, von beiden Parteien erkannt, akzeptiert und durchgehalten werden (Rollenklarheit). Die Schüler müssen also jederzeit wissen, was gerade „angesagt“ ist und das muss vom Lehrer auch klar umgesetzt werden[9].
1.2. Kennzeichen einer klaren Unterrichtsstrukturierung
Hier unterscheidet man zwischen direkt feststellbaren Kennzeichen und den durch Klarheit ausgelösten Indikatoren. Erstere äußern sich beispielsweise in einer verständlichen Lehrer- und Schülersprache, einer klaren Rollendefinition und Aufgabenstellung, deutlicher Darstellung der einzelnen Unterrichtsschritte und einem geschicktem Unterrichtsablauf unter Einhaltung von Regeln und Einsatz von Ritualen.
Durch Klarheit bewirkte Effekte können sein:
- die Schüler wissen stets, was sie gerade tun und welches Ziel sie dabei verfolgen,
- sie wollen sich vom Lehrer beim Lernen helfen lassen,
- es gibt nur geringe Störungen, alles läuft ruhig und nicht hektisch ab,
- der Anteil echter Lernzeit im Unterricht ist beträchtlich.
Eine klare Strukturierung durch gutes Unterrichtsmanagement und geschickte didaktisch-methodische Linienführung führt zusammen mit den vorgenannten Kennzeichen und Indikatoren zuerst zu einem hohen Anteil echter Lernzeit, hoher Schüleraufmerksamkeit, Reduzierung und Prävention von Störungen sowie zu Transparenz der Leistungserwartungen und mündet schließlich in einem erhöhten Lernerfolg[10].
1.3. Folgerungen
Der Amerikaner JACOB KOUNIN hat in mehrjährigen Studien folgende Prinzipien effektiver Klassenführung erarbeitet (diese Studien sind allerdings mittlerweile 35 Jahre alt):
- Allgegenwärtigkeit des Lehrers mit von den Schülern akzeptiertem Führungsanspruch.
- Die Reibungslosigkeit des Unterrichts ist gewährleistet durch einen gleichmäßigen Unterrichtsfluss ohne Hektik mit wenig Leerlauf und der Vermeidung von unnötigen Unterbrechungen, wobei die Unterrichtsschritte harmonisch aufeinander folgen.
- Gute Organisation und Vorbereitung des Unterrichts lassen es zu, dass der Lehrer sich auch um mehrere Dinge gleichzeitig kümmern und so Störungen vermeiden kann.
- Dabei hat der geschickte Lehrer stets die ganze Klasse im Blick, auch wenn er sich gerade nur mit einzelnen Schülern befasst.
- Durch passend gestaltete Einzelarbeiten werden die Schüler entsprechend ihrem Leistungsstand angemessen gefordert.
- Der Lehrer erkennt und vermeidet vorgetäuschte Aufmerksamkeit durch geschickte Arbeitsaufträge[11].
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es dem Lehrer durch seine Allgegenwärtigkeit, durch Reibungslosigkeit und Schwung des Unterrichts ermöglicht wird, auch unruhige Klassen zum Lernen zu bringen[12].
Durch empirische Studien wurde nachgewiesen, dass kein anderes Merkmal einen wirksameren Einfluss auf den Lernerfolg hat, als die klare Strukturierung des Unterrichts[13].
Um diese Klarheit im Unterricht etablieren zu können, sollte deshalb zuerst eine kluge Unterrichtsvorbereitung erfolgen, welche die Aufgabenerledigung in den Vordergrund stellt, nicht zu abstrakt ist und den Ablauf zwar exakt regelt, aber auch Freiräume für andere Abfolgen lässt. Des Weiteren müssen die Schüler vor Unterrichtsbeginn darüber informiert werden, was in der folgenden Stunde auf sie zukommt. Leichte und schwierige Fragen sollten gemischt an möglichst viele Schüler gestellt werden, zur Antwort muss ein Schüler mindestens drei Sekunden Zeit haben, bevor die Frage an den nächsten Schüler gestellt wird und bei schwierigen Fragen dürfen die Schüler auch mal rückfragen.
Unterrichtsrituale erzeugen Ordnung und Vertrauen für Lehrer und Schüler, schaffen zugleich eine soziale Distanz zwischen den beiden Parteien und ergeben durch die Rhythmisierung einen gegliederten Unterrichtsablauf. Je mehr Freiräume ein Unterricht enthält, desto wichtiger ist eine klare Strukturierung[14].
2. Hoher Anteil echter Lernzeit
„Wer länger zur Schule geht, lernt auch mehr“ oder „wer intensiver arbeitet, lernt mehr“,[15] sind zwei Aussagen, die ausdrücken, dass die von den Schülern aktiv genutzte Lernzeit einen ausschlaggebenden Einfluss auf den Lernerfolg hat.
2.1. Definition
„Echte Lernzeit“ definiert sich somit als die vom Schüler tatsächlich aufgewendete Zeit für das Erreichen der angestrebten Ziele ohne nicht dazu gehörige „Nebenzeiten[16] “[17].
2.2. Anzeichen für einen hohen Anteil echter Lernzeit
Wenn die nachfolgenden Anzeichen in einem Unterricht vorliegen, kann man von einem hohen Anteil echter Lernzeit sprechen:
Ein hoher Anteil echter Lernzeit liegt vor, wenn die meisten Schüler aktiv am Unterricht beteiligt sind und sich nicht ablenken lassen. Die im didaktisch begründeten Rhythmus erzielten Arbeitsergebnisse erfüllen die Aufgabenstellung und es gibt einen Wechsel zwischen Aktivitäten und Erholungspausen mit nur wenigen Störungen. Der Lehrer schweift nicht ab und stört die Schüler nicht beim Lernen[18].
Der Anteil echter Lernzeit im Unterricht lässt sich vergrößern, wenn
- Lehrer und Schüler pünktlich und gut vorbereitet sind,
- Organisatorisches und Disziplinkonflikte außerhalb des Unterrichts geregelt werden,
- der Unterricht klar strukturiert und geschickt rhythmisiert abläuft,
- die Aufgabenstellung dem Leistungsvermögen der Schüler entspricht und
- Konzentrationsübungen sowie Aufwärm- und Ausklingphasen eingebaut werden.
2.3. Forschungsergebnisse und Resümee
Nach JOHN B. CARROLL (1963) können “alle Schüler die gesetzten Ziele erreichen, wenn man den Schwächeren unter ihnen mehr Zeit lässt”[19]. Er unterscheidet deshalb drei Zeitgefäße:
1. die für die Aufgabenstellung theoretisch notwendige Lernzeit,
2. die vom Lehrer bzw. dem Unterrichtsplan angebotene Lernzeit und
3. die vom Schüler aufgrund seiner Motivation und seinem Vermögen tatsächlich genutzte Lernzeit[20].
Je höher die von den Schülern tatsächlich genutzte Lernzeit ist, desto höher wird der Lernerfolg ausfallen. Es gilt also, durch gutes Management und klare Strukturierung, Übungsintensität und Verständlichkeit der Lerninhalte, ein lernfreundliches Klima mit Vermeidung von Angst, durch ein angemessenes Schwierigkeitsniveau und individuelle Unterstützung einzelner Schüler unter Vermeidung von störenden Einflüssen, die aktiv genutzte Lernzeit so hoch wie nur möglich zu gestalten.
Das Zusammenspiel all dieser Faktoren mit dem Bezug auf den Lernerfolg ist in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Echte Lernzeit (vgl. MEYER, 2004, S. 44)
Das Lerntempo sollte stets dem Niveau der gesamten Klasse angepasst sein, nicht zu hoch, dadurch entsteht Überlastung und nicht zu niedrig, weil sich dann viele Schüler unterfordert fühlen. Dies äußert sich in Unruhe in der Klasse und führt zu geringeren Lernleistungen[21].
Weiterhin hat man festgestellt, dass Lehrer den Schülern oftmals zu wenig Beantwortungszeit zur Verfügung stellen oder den Zeitabschnitt für konzentriertes Arbeiten zu lang ausdehnen. Beides mindert die Leistungen und damit den Lernerfolg[22].
Zur Erhöhung der echten Lernzeit ist die pünktliche Einhaltung des Unterrichtsbeginns und Unterrichtsendes unumgänglich, wobei auf entsprechende Verschnaufpausen geachtet werden sollte. „Organisationskram“ muss außerhalb des Unterrichts erledigt werden. Der Lehrer beachtet die unterschiedlichen Arbeitsgeschwindigkeiten seiner Schüler und fördert langsamere Schüler durch gezielte Lernstrategien. Bewegungsübungen, Aufwärmphasen zu Beginn und Ausklingphasen am Ende des Unterrichts erhöhen die Konzentrationsfähigkeit[23]. Oftmals ist es aber auch notwendig und sinnvoll, das Arbeitstempo bewusst und angemessen zu verlangsamen, um das Lernen zu intensivieren.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass „Guter Unterricht“ mit einem angepassten Lerntempo, einem hohen Anteil echter Lernzeit sowie intelligentem Wechsel von konzentrierten Arbeiten und Entspannungsphasen zustande kommt[24].
3. Lernförderliches Klima
Klima bezeichnet in diesem Zusammenhang die humane Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehungen und der Beziehungen der Schüler untereinander.
3.1. Definition und Erläuterung
Ein lernförderliches Unterrichtsklima ist gekennzeichnet durch:
1. Gegenseitigen Respekt
2. Einhaltung von Regeln
3. Eine Allen bewusste Verantwortungsübernahme
4. Gerechtes Verhalten des Lehrers gegenüber jedem Einzelnen und
5. Fürsorge des Lehrers für seine Schüler sowie der Schüler untereinander.
Gegenseitiger Respekt bedeutet hier, sich untereinander mit Höflichkeit zu begegnen und zu achten, die Stärken und auch die Schwächen des Anderen zu tolerieren und Niemanden zu demütigen, denn Demütigung ist das Gegenteil von Respekt und hat verheerende Auswirkungen.
Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden, so sagt das Sprichwort und so denken auch manche Schüler und wollen dabei ausloten, wie weit sie gehen können. Dadurch aber erkennen viele Schüler auch erst die Regeln. Der Lehrer hat dafür zu sorgen, dass vereinbarte Regeln verlässlich eingehalten werden, muss aber auch einmal „ein Auge zudrücken“ können[25].
In der Unterrichtsgemeinschaft spielt die Übernahme von Verantwortung für den eigenen Lernprozess und den der Mitschüler eine entscheidende Rolle.
Gerechtigkeit im Unterricht herrscht dann, wenn sowohl Lehrer als auch Schüler um Wahrhaftigkeit, ehrliche Interessensdarstellung und um Interessensausgleich bemüht sind, wobei hierbei dem Lehrer die wichtigere Rolle, z. B. in der Gleichbehandlung der Schüler, zukommt[26].
Die Fürsorge schließlich äußert sich in einer umsichtigen Unterrichtsführung durch den Lehrer sowie in Hilfsbereitschaft und Kameradschaft unter den Schülern.
Im Unterrichtsalltag können diese zuvor genannten fünf Dimensionen leicht in Widerspruch zueinander geraten, der nicht vermieden werden kann. Ein professioneller Lehrer kann hier nur ausgleichend, aber nicht aufhebend wirken[27].
3.2. Indikatoren für ein lernförderliches Klima
Anzeichen für ein lernförderliches Unterrichtsklima sind:
- respektvoller Umgang des Lehrers mit den Schülern,
- Schüler mit geringeren Leistungen werden nicht diskriminiert oder bloßgestellt,
- die Schüler nehmen Rücksicht aufeinander und helfen sich gegenseitig,
- unter den Schülern herrscht kein aggressives Verhalten,
- die Schüler beschimpfen und beleidigen sich untereinander nicht,
- kein Schüler wird bevorzugt oder benachteiligt,
- es gibt nur wenig Machtkämpfe und Rivalitäten unter Schülergruppen,
- Mitschüler werden nicht diskriminiert, auch nicht versteckt,
- die Schüler achten selbst darauf, dass gemeinsam vereinbarte Regeln eingehalten werden und
- es wird im Unterricht auch einmal gelacht[28].
3.3. Resümee
Untersuchungen haben ergeben, dass ungerechte Lehrer bei den Schülern besonders unbeliebt sind. Positiver eingeschätzt werden außerdem Lehrer, die sich auch um Schüler mit Problemen kümmern. Ebenso bewirkt die Verantwortungsübernahme und ein gesundes Selbstvertrauen der Schüler eine Steigerung des lernförderlichen Klimas in der Klasse. Lehrer, die auch Humor zeigen, kommen mit dem Stress besser klar und sichern damit zudem ihre Unterrichtskompetenz.
Da Lehrer häufig dazu neigen, ihr Verhältnis zu den Schülern als überwiegend positiv zu bewerten, sollte diese Selbsteinschätzung auch immer wieder kritisch hinterfragt und notfalls das Verhalten entsprechend angepasst werden[29].
Wenn die Indikatoren für ein lernförderliches Klima, gegenseitiger Respekt, zuverlässig eingehaltene Regeln, gemeinsame Verantwortung, Gerechtigkeit und Fürsorge geschickt kombiniert werden, fördern sie das Selbstvertrauen und die Leistungsbereitschaft der Schüler und erzeugen eine positive Einstellung zur Schule. Zudem wird dadurch das Sozialverhalten der Schüler ausgebaut und das Interesse für bestimmte Fächer positiv beeinflusst.
Zusammengefasst erhöhen all diese Faktoren dann die Bereitschaft, ein für beide Seiten fruchtbares Arbeitsbündnis einzugehen[30]. Allerdings ist bislang noch nicht nachgewiesen, dass ein positives Unterrichtsklima den kognitiven Lernerfolg der Schüler signifikant erhöht, aber die Schüler können darin ihre Fähigkeiten und Interessen besser entwickeln und erreichen dadurch letztlich auch bessere Leistungen. Außerdem steigert ein positives Klima die Berufszufriedenheit der Lehrer und bringt damit auch Vorteile für die anderen Gütekriterien[31].
Leider kann der Lehrer ein positives Lernklima nicht ohne die Mitwirkung der Schüler alleine erzeugen, er kann es aber z. B. durch Mitspracherechte der Schüler, Verteilung von Klassenämtern, Maßnahmen zur Gewaltvorbeugung und regelmäßiges Schülerfeedback stabilisieren[32].
4. Inhaltliche Klarheit
4.1. Definition
„Inhaltliche Klarheit liegt dann vor, wenn die Aufgabenstellung verständlich, der thematische Gang plausibel und die Ergebnissicherung klar und verbindlich gestaltet worden sind.“[33]
Eine von den Schülern zu lösende Aufgabe durch den Lehrer verständlich zu formulieren, bedeutet eine Kombination von Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen, die stimmig sein muss und auch die Lernvoraussetzungen der Schüler berücksichtigt. Um eine passende Aufgabenstellung zu finden, muss der Lehrer zunächst den Kern der Lernaufgabe analysieren (Lernstrukturanalyse). Zusätzlich muss der Lehrer überprüfen, ob seine Schüler die dazu erforderlichen Kompetenzen, wie notwendige Lernstrategien und Einstellungen, also Neugierde und Interesse, mitbringen (Lernstandsanalyse)[34]. Eine verständliche und von den Schülern zu bewältigende Aufgabenstellung liegt folglich dann vor, wenn dafür eine Lernstrukturanalyse gewissenhaft vorgenommen und dabei gleichzeitig das Ergebnis der Lernstandsanalyse berücksichtigt wurde. Dabei variiert die Lernstruktur je nach Lernaufgabe: die im Deutschunterricht zu erlernenden Fähigkeiten haben eine ganz andere Struktur wie die Aufgabe, in Mathematik die Bruchrechnung zu beherrschen. Der Lehrer muss also für jede Fachaufgabe die Lernstruktur neu erarbeiten[35].
Die Forderung nach inhaltlicher Klarheit bezieht sich nicht nur auf die Aufgabenstellung zum Beginn der Stunde, sie zieht sich durch die gesamte Unterrichtsstunde. HILPERT MEYER nennt das den thematischen Gang, der je nach Struktur der Lernaufgabe und der Zugänglichkeit des Themas für die Schüler aus den entwickelten thematischen Rhythmen ausgewählt werden muss, wie z. B. linearer, sachlogischer Gang, aus verschiedenen Ecken kommender, vernetzter Gang mit Zusammenführung oder Spiralcurriculum (ein und dasselbe Thema wird wiederholt und auf jeweils höherem Niveau durchgenommen)[36].
Eine klare und verbindliche Ergebnissicherung schließlich bedeutet, dass der Lehrer mit der Klasse festlegt, was aus der Unterrichtstunde alle Schüler wissen und können müssen. Darauf muss auch in den folgenden Unterrichtsstunden wieder zurückgegriffen werden können und das muss auch Prüfungsinhalt sein dürfen. Für eine klare Ergebnissicherung sind unter Anderem Wiederholungen und Zusammenfassungen sowie saubere Tafel- und Heftarbeit unumgänglich. Und für die Verbindlichkeit des gemeinsamen Wissens und Könnens sind bindende Mitteilungen des Lehrers und schriftlich festgehaltene Absprachen zwischen Lehrer und Schülern erforderlich. Besonders wichtig ist eine verbindliche Ergebnissicherung für leistungsschwächere Schüler[37].
4.2. Indikatoren
Zeichen einer inhaltlichen Klarheit im Unterricht sind informierende Einstiege zu Unterrichtsbeginn, Konzentration auf das Thema ohne Abschweifungen, saubere Mitschriften an der Tafel und in den Heften, Weiterentwicklung der Vorkenntnisse der Schüler, der Einsatz passender Medien sowie das Arbeiten mit geeigneten Modellen und Veranschaulichungen. Wichtig ist außerdem, dass die Schüler das erarbeitete Wissen regelmäßig wiederholen und zusammenfassen[38].
Wenn all diese oben genannten Faktoren vorliegen, entspricht der Unterricht dem Lehrplan und das Wissen der Schüler wird systematisch aufgebaut. Die Schüler können die neuen Kenntnisse auch auf andere Wissensgebiete und bereits Gelerntes anwenden, sie haben durch Beherrschung des Unterrichtsstoffes auch entsprechende Erfolgserlebnisse.
[...]
[1] vgl. MEYER, 2004, S. 7
[2] vgl. MEYER, 2004, S. 11 ff.
[3] MEYER 2004, S. 13
[4] vgl. MEYER, 2004, S. 13 f.
[5] vgl. MEYER 2004, S. 25 f.
[6] MEYER, 2004, S. 26
[7] vgl. MEYER, 2004, S. 26
[8] vgl. MEYER, 2004, S. 27
[9] vgl. MEYER, 2004, S. 28 f.
[10] vgl. MEYER, 2004, S. 31
[11] vgl. MEYER, 2004, S. 32 f.
[12] vgl. MEYER, 2004, S. 34
[13] vgl. MEYER, 2004, S. 35
[14] vgl. MEYER, 2004, S. 36 f.
[15] MEYER, 2004, S. 39
[16] „Nebenzeiten“ können z.B. Organisationstätigkeiten, Zeitverluste durch mangelhafte Vorbereitung, Abschweifungen des Lehrers, Disziplinierungsmaßnahmen oder auch Zeitaufwand für Tests sein.
[17] vgl. MEYER, 2004, S. 40
[18] vgl. MEYER, 2004, S. 40
[19] JOHN B. CARROLL, 1963, zitiert von MEYER, 2004, S. 41
[20] vgl. MEYER, 2004, S. 41 f.
[21] vgl. MEYER, 2004, S. 42 f.
[22] vgl. MEYER, 2004, S. 43
[23] vgl. MEYER, 2004, S. 45
[24] vgl. MEYER, 2004, S. 46
[25] vgl. MEYER, 2004, S. 47 f.
[26] vgl. MEYER, 2004, S. 48
[27] vgl. MEYER, 2004, S. 48
[28] vgl. MEYER, 2004, S. 49
[29] vgl. MEYER, 2004, S. 49 f.
[30] vgl. MEYER, 2004, S. 52
[31] vgl. MEYER, 2004, S. 53
[32] vgl. MEYER, 2004, S. 53 f.
[33] MEYER, 2004, S. 55
[34] vgl. MEYER, 2004, S. 55
[35] vgl. MEYER, 2004, S. 56
[36] vgl. MEYER, 2004, S. 57 f.
[37] vgl. MEYER, 2004, S. 58 f.
[38] vgl. MEYER, 2004, S. 59
- Citar trabajo
- Thorsten Legath (Autor), 2006, Was ist guter Unterricht?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69986
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