Um die Geschichtsschreibung eines jeden Historikers verstehen und vor allem deuten zu können, bedarf es zuerst einmal eines grundlegenden Verständnisses des jeweiligen Weltbildes und des daraus resultierenden Geschichtsbildes. Die hochmittelalterlichen Geschichtsschreiber waren vor allem durch Stand und Religion geprägt, wobei dies insoweit zu vernachlässigen ist, da keine wirkliche Vielfalt innerhalb der Historiographie dieser Zeit besteht. Die Zentren des Wissens und des Schrifttums beschränkten sich auf Ordenshäuser wie Klöster und Stifte und somit rekrutierte sich auch die größte Zahl der Gelehrten aus den Reihen des geistlichen Adels. Der um 1112 in Klosterneuburg bei Wien geborene Bischof Otto von Freising, verfasste mit seiner „Chronik oder die Geschichte der zwei Reiche“ ein Standardwerk der mittelalterlichen Geschichtsschreibung. Ottos Lebenslauf ist für einen hochmittelalterlichen Kirchenfürsten relativ typisch. Geboren als Sohn des Markgrafen Leopold III. von Österreich und der Tochter des Kaisers Heinrich IV. war er zugleich Onkel von Friedrich Barbarossa, dessen Geschichte er 1157 in „Die Taten Friedrichs“(unvollendet) niederschrieb. Er studierte Theologie in Paris, wo ihn vor allem die Lehren der frühscholastischen Denker, wie Hugo von Sankt Viktor, prägten. Die Auffassung eines theologischen Geschichtsbildes, nach welchem aus vergangenen Ereignissen das Wirken Gottes und ein dem zu Grunde liegender Heilsplan erkenntlich seien, war maßgebend. Neben der Natur und der Anthropologie sollte nun auch die Geschichte in Einklang mit den kirchlichen Lehren gebracht werden, was vor allem das Interesse und den Ehrgeiz des jungen Otto weckte. Der Investiturstreit und die darin gipfelnden Kompetenzstreitigkeiten zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt, finden sich natürlich auch in Ottos historischem Hauptwerk wieder. Welche Stellung dieser Mann einnahm, dessen Leben sich auf Grund seiner Herkunft und seines Werdegangs in beiden Welten abspielte, soll diese Arbeit versuchen zu klären. Spezielles Augenmerk soll hierbei seiner Betrachtung der Konstantinischen Schenkung zukommen, da sie die Legitimationsgrundlage kirchlicher Ansprüche auf weltlichen Besitz und Herrschaft bildete. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zwei Reiche, Zwei Schwerter
3. Die Sichtweise des Otto von Freising
4. Die konstantinische Schenkung im Denken Ottos
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Um die Geschichtsschreibung eines jeden Historikers verstehen und vor allem deuten zu können, bedarf es zuerst einmal eines grundlegenden Verständnisses des jeweiligen Weltbildes und des daraus resultierenden Geschichtsbildes. Die hochmittelalterlichen Geschichtsschreiber waren vor allem durch Stand und Religion geprägt, wobei dies insoweit zu vernachlässigen ist, da keine wirkliche Vielfalt innerhalb der Historiographie dieser Zeit besteht. Die Zentren des Wissens und des Schrifttums beschränkten sich auf Ordenshäuser wie Klöster und Stifte und somit rekrutierte sich auch die größte Zahl der Gelehrten aus den Reihen des geistlichen Adels.
Der um 1112 in Klosterneuburg bei Wien geborene Bischof Otto von Freising, verfasste mit seiner „Chronik oder die Geschichte der zwei Reiche“ ein Standardwerk der mittelalterlichen Geschichtsschreibung. Ottos Lebenslauf ist für einen hochmittelalterlichen Kirchenfürsten relativ typisch. Geboren als Sohn des Markgrafen Leopold III. von Österreich und der Tochter des Kaisers Heinrich IV. war er zugleich Onkel von Friedrich Barbarossa, dessen Geschichte er 1157 in „Die Taten Friedrichs“(unvollendet) niederschrieb.
Er studierte Theologie in Paris, wo ihn vor allem die Lehren der frühscholastischen Denker, wie Hugo von Sankt Viktor, prägten.
Die Auffassung eines theologischen Geschichtsbildes, nach welchem aus vergangenen Ereignissen das Wirken Gottes und ein dem zu Grunde liegender Heilsplan erkenntlich seien, war maßgebend. Neben der Natur und der Anthropologie sollte nun auch die Geschichte in Einklang mit den kirchlichen Lehren gebracht werden, was vor allem das Interesse und den Ehrgeiz des jungen Otto weckte. Der Investiturstreit und die darin gipfelnden Kompetenzstreitigkeiten zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt, finden sich natürlich auch in Ottos historischem Hauptwerk wieder. Welche Stellung dieser Mann einnahm, dessen Leben sich auf Grund seiner Herkunft und seines Werdegangs in beiden Welten abspielte, soll diese Arbeit versuchen zu klären. Spezielles Augenmerk soll hierbei seiner Betrachtung der Konstantinischen Schenkung zukommen, da sie die Legitimationsgrundlage kirchlicher Ansprüche auf weltlichen Besitz und Herrschaft bildete.
2. Zwei Reiche, zwei Schwerter
Die genaue Konzeption der Theorie der zwei Reiche soll nicht Thema dieser Arbeit sein, muss aber vorhergehend wenigstens grob erörtert werden, da sie natürlich direkt mit der Einstellung Ottos zu den Machtverhältnissen zwischen Kirche und weltlichen Herrschern verknüpft ist.
Nach Ottos Interpretation existieren seit Anbeginn der Menschheit bis zu ihrem Untergang zwei „Staaten“, die „civitas dei“ und die „civitas terrena“. „Denn es gibt ja zwei Staaten, einen zeitlichen und einen ewigen, einen irdischen und einen himmlischen, einen des Teufels und einen Christi, …“[1]
Die geschichtsphilosophische Grundlage bildet hier der dualistische Ansatz des Augustinus, welcher die Geschichte als „unablässigen Kampf“ sah „zwischen Gut und Böse, zwischen jenen, die dem Himmel angehörten, und denen, welche sich nur selbst verwirklichten und damit den satanischen Mächten dienten.“[2]
Sehr vereinfachend ausgedrückt betrachtet Otto die Christenheit und die Kirche als den Staat Gottes (regnum suum, quod est ecclesia), welcher auch im Diesseitigen offenbar ist. Auf der anderen Seite steht für Otto der Weltstaat, dessen Entwicklung sich nach dem Schema der vier Weltmonarchien und somit nach der Deutung des Buches Daniel durch Hieronymus, vollzieht.[3]
Unser Geschichtsschreiber sieht in seiner zeitgeschichtlichen Deutung eine Koexistenz der beiden Staaten, seit der Erhöhung der Christlichen Kirche durch Kaiser Konstantin und ihr damit verbundenes heraustreten aus dem Verborgenen.
In einem Brief an den Kaiser des Oströmischen Reiches Anastasios I., spricht Papst Gelasius I. im Jahre 494 erstmals von der Theorie der zwei Schwerter. Ihr zu Folge wurden Kaiser und Papst vom Herrn ein weltliches und ein geistliches Schwert übergeben, zur Herrschaft und Verwaltung der jeweiligen Belange. Diese Theorie, eigentlich als Versuch des Ausgleichs der Machtverhältnisse zwischen Kirche und Staat gedacht, sollte zum Symbol für die späteren Auseinandersetzungen werden.[4] Zwei unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten, die Kurialistische und die Imperiale Theorie erklären die gegenseitigen Standpunkte. Nach Erstgenannter, wurden beide Schwerter dem Papst übergeben, welcher das weltliche (gladius materialis) an den Kaiser weiterreicht und ihm dieses auch wieder nehmen kann. Die Kirche hat demnach Vorrang über den Staat und der Papst richtet über den Kaiser, dessen weltliche Macht als Lehen von Gottes Gnaden zu verstehen ist.
Nach der Imperialen Theorie sollen beide Gewalten gleichrangig zusammen wirken und es besteht keine geistliche Oberhoheit über die weltlichen Herrscher.[5]
[...]
[1] Freising, Otto von, Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten , Erstes Buch, Vorwort. S.1.
[2] Goez, Werner, Lebensbilder aus dem Mittelalter-Die Zeit der Ottonen, Salier und Staufer, 2., überarb. und erw. Aufl., Darmstadt 1998, S.285.
[3] Lammers, Walter in Freising, Otto von, Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten, Berlin 1961, Vorwort, S.LII.
[4] Vgl., rode.zimmermann-stock.de/ Zwei _ schwerter.pdf
[5] Vgl., http://www.histosem.uni-kiel.de/legitimation/glossar/zweigewaltenlehre.html
- Quote paper
- Steffen Recknagel (Author), 2006, Otto von Freisings Diskurs über das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69957
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