„Le football est une superimage pour l’union du peuple“.
Diese Aussage des französischen Kommentators Thierry Roland im Spiel Deutschland gegen Argentinien beschreibt die integrative Kraft des Fußballs. Selten stand die deutsche Bevölkerung so hinter ihrer Nationalmannschaft, respektive zu ihrem Land wie während der gerade zu Ende gegangenen Fußballweltmeisterschaft.
Die vorliegende Arbeit wird sich anhand zweier Fußballübertragungen mit der Frage beschäftigen, inwieweit sich das Deutschlandbild im Ausland, aber auch das Bild, das die Deutschen von sich selbst haben, geändert haben könnte. Dies erscheint nach einer Weltmeisterschaft in Deutschland sinnvoll, bei der sich „die Welt zu Gast bei Freunden“ durchaus wohl fühlte und der Gastgeber in ungewohnt gelöster Weise sich und seine Gäste feierte. Darüber hinaus beschäftigt sich diese Arbeit mit stereotyper Wahrnehmung der Nachbarländer, bezüglich charakterlicher Eigenschaften und Spielweise. Obwohl die kulturelle und gesellschaftliche Wirkung von massenmedialen Sportgroßereignissen nicht von der Hand zu weisen ist, gibt es hierzu in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation kaum Arbeiten. Eine Ausnahme bildet die Arbeit von Jochen Müller, die die Fremdwahrnehmung Deutschlands und Frankreichs anhand der Sportberichterstattung in Printmedien und Fernsehen zur WM 1998 analysiert. Die vorliegende Arbeit orientiert sich vor allem im Theorieteil an der Müllers. Auf Grundlage eines theoretischen Teils mit einem Kapitel über die Fremdwahrnehmung, wo erläutert werden soll wie diese entsteht, und inwieweit Fremdwahrnehmung immer auch stereotype Wahrnehmung ist, und einem Kapitel über die nationale Identität, worin anhand von Fußball erklärt werden soll, woher die Identifikation mit der eigenen Nation kommt, werden schließlich die Fernsehübertragungen eines Spiels der französischen Équipe und eines der deutschen Nationalmannschaft analysiert und verglichen. Die Spiele wurden über Kreuz betrachtet, d.h. das deutsche Spiel wurde beim französischen Privatsender M6 aufgezeichnet, während umgekehrt das Spiel der Franzosen dem deutschen öffentlichrechtlichen Sender ARD entnommen wurde. Dadurch sollen allgemeine Unterschiede in der Art ein Fußballspiel zu übertragen gefunden und analysiert sowie festgestellt werden ob man zwischen beiden Nationen von Mentalitätsunterschiede sprechen kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Fremdwahrnehmung als stereotype Wahrnehmung?
3. Fußball als Symbol nationaler Identität
4. Analyse der Spiele
4.1. Korpus
4.2. Allgemeine Unterschiede der beiden Direktübertragungen – Seriosität vs. Show?.
4.3. Von kompakten Franzosen und willensstarken Deutschen – Aussagen zu Charaktereigenschaft und Spielweise
4.4. Die Welt zu Gast bei Freunden – Deutschland als Gastgeber
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Le football est une superimage pour l’union du peuple“[1].
Diese Aussage des französischen Kommentators Thierry Roland im Spiel Deutschland gegen Argentinien beschreibt die integrative Kraft des Fußballs. Selten stand die deutsche Bevölkerung so hinter ihrer Nationalmannschaft, respektive zu ihrem Land wie während der gerade zu Ende gegangenen Fußballweltmeisterschaft.
Die vorliegende Arbeit wird sich anhand zweier Fußballübertragungen[2] mit der Frage beschäftigen, inwieweit sich das Deutschlandbild im Ausland, aber auch das Bild, das die Deutschen von sich selbst haben, geändert haben könnte. Dies erscheint nach einer Weltmeisterschaft in Deutschland sinnvoll, bei der sich „die Welt zu Gast bei Freunden“[3] durchaus wohl fühlte und der Gastgeber in ungewohnt gelöster Weise sich und seine Gäste feierte. Darüber hinaus beschäftigt sich diese Arbeit mit stereotyper Wahrnehmung der Nachbarländer, bezüglich charakterlicher Eigenschaften und Spielweise.
Obwohl die kulturelle und gesellschaftliche Wirkung von massenmedialen Sportgroßereignissen nicht von der Hand zu weisen ist, gibt es hierzu in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation kaum Arbeiten. Eine Ausnahme bildet die Arbeit von Jochen Müller[4], die die Fremdwahrnehmung Deutschlands und Frankreichs anhand der Sportberichterstattung in Printmedien und Fernsehen zur WM 1998 analysiert. Die vorliegende Arbeit orientiert sich vor allem im Theorieteil an der Müllers.
Auf Grundlage eines theoretischen Teils mit einem Kapitel über die Fremdwahrnehmung, wo erläutert werden soll wie diese entsteht, und inwieweit Fremdwahrnehmung immer auch stereotype Wahrnehmung ist, und einem Kapitel über die nationale Identität, worin anhand von Fußball erklärt werden soll, woher die Identifikation mit der eigenen Nation kommt, werden schließlich die Fernsehübertragungen eines Spiels der französischen Équipe[5] und eines der deutschen Nationalmannschaft[6] analysiert und verglichen. Die Spiele wurden über Kreuz betrachtet, d.h. das deutsche Spiel wurde beim französischen Privatsender M6 aufgezeichnet, während umgekehrt das Spiel der Franzosen dem deutschen öffentlich-rechtlichen Sender ARD entnommen wurde. Dadurch sollen allgemeine Unterschiede in der Art ein Fußballspiel zu übertragen gefunden und analysiert sowie festgestellt werden ob man zwischen beiden Nationen von Mentalitätsunterschiede sprechen kann.
Es sollen aber auch Rückschlüsse über die jeweilige Fremdwahrnehmung und im Besonderen über das etwaige neue Deutschlandbild gezogen werden.
2. Fremdwahrnehmung als stereotype Wahrnehmung?
Mit der Fremdwahrnehmung beschäftigen sich zahlreiche geisteswissenschaftlichen Disziplinen[7]. Allen ist der Ansatz gemein, dass der menschliche Verstand in der Fremdwahrnehmung versucht, die Realität bestmöglich nachzubilden, da diese im eigentlichen Sinne zu komplex erscheint. Dem Mensch also gelingt es nicht, alles Wahrgenommene aufzunehmen und in adäquater Weise zu verarbeiten.[8] Daher wird die Realität auf ein solches Maß reduziert, das es dem Menschen erlaubt sie zu bewältigen.[9]
Ein wichtiger Parameter ist hierbei die Sozialisation, die das Maß der Vereinfachung bestimmt, sozusagen als Filter fungiert. Die Sozialisation ist die Summe der lebenslangen Lernprozesse auf individueller, aber auch auf kollektiver Ebene.[10] Die Sozialisation könnte also als das Gedächtnis des Einzelnen und zugleich als eine Art Gedächtnis der Gesellschaft gesehen werden, in dem Kriegserfahrungen, dramatische Notlagen, aber auch kulturelle Hochzeiten fest verankert sind. Sozialisation als kollektiver Vorgang erklärt daher die Entstehung von Werten und Normen, die Merkmale und Ansichten, die einem Volk gemein sind.[11] Die Sozialisation als bestimmender Parameter für die Fremdwahrnehmung zwischen zwei Völkern findet auf zwei Wegen statt: Einerseits auf direktem Wege, durch selbstgemachte Erfahrungen, die sogenannte Primärerfahrung.[12] Andererseits wird die Sozialisation – also die Summe der Lernprozesse – aber auch durch verschiedene Instanzen wie Schule, Ausbildung, Sportverein, Freundeskreis, Familie, und vor allem Medien, beeinflusst. Dies wird als Sekundärerfahrung bezeichnet.[13] Zwar kam und kommt es vor allem zwischen den hier zu behandelnden Nationen im Zuge der Deutsch- französischen Freundschaft vermehrt zu Primärkontakten, wie durch Schüleraustausch, Partnerstädte oder supranationale Projekten (z.B. Arte), doch erfassen diese nach wie vor nur einen kleinen Teil der Bevölkerung oder sind durch Sekundärerfahrungen bereits vorgeprägt.[14] D.h. also, dass die Fremdwahrnehmung zwischen Nationen zu großen Teilen auf einer durch die Massenmedien vermittelte Sekundärerfahrung beruht.
Da die Fremdwahrnehmung wiederum, wie oben festgestellt, nur die vereinfachte Wirklichkeit darstellt, und jeglicher Komplexität entsagt, finden sich Bilder und Ideen mit immergleichen Erklärungsmustern und Kausalbehauptungen. Diese vereinfachten Bilder, auch Stereotype genannt – entstanden durch „dramatische Ereignisse der Beziehungsgeschichte[...]“[15] zwischen zwei Völkern – schaffen „tiefstrukturell wirksame Eindrücke, [sowie] langfristige Einstellungen und Erwartungen“[16]. In der deutsch-französischen Beziehung gab es zahlreiche dieser dramatischen Ereignisse, die vor allem im Fußball eine gewisse Rivalität schufen:[17] Der deutsch-französische Krieg, der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, mit einer zunächst vernichtenden Niederlage für Frankreich 1940, aber auch sportliche Dramen wie das Halbfinale der WM ’82 in Spanien[18], das noch heute in der französischen Öffentlichkeit diskutiert wird. Ereignisse wie diese schufen also Bilder vom Nachbarn[19], denen ob ihrer starken Verkrustung nur schwer beizukommen war und ist, und die, trotz ihrer vereinfachenden Darstellung als allgemeingültige Aussagen betrachtet werden, obgleich sie sich teilweise sogar widersprechen können.[20] Diese „rigid shorthand description of a complex outside world“[21] zeigt, dass die Fremdwahrnehmung respektive die gegenseitige Wahrnehmung zweier Nationen – in unserem Fall zwischen Frankreich und Deutschland - letztlich also immer auch „eine stereotype Wahrnehmung bedeutet“[22].
Stereotype Bilder über fremde Nationen spielen gerade in der Sportberichterstattung eine nicht zu unterschätzende Rolle, so sind nämlich „nationale Images [...] feste Bestandteile der Sportberichterstattung“[23], da sie „trotz ihrer Reduktion und Banalität ein wunderbares Mittel [sind, um Zuschauer und] Leser für Themen zu interessieren“[24].
Die Bilder und Ideen über das Fremde dienen „in ihrer Funktion der Bekräftigung des eigenen (nationalen) Standpunktes und Imagebildes.“[25] Doch woher kommt dieser nationale Standpunkt? Woher kommt das Gefühl der Bevölkerung dieser einen Nation anzugehören, sich mit dieser zu identifizieren? Und warum wird der eigenen National mannschaft bei einer Weltmeisterschaft zugejubelt, und deren Sieg für einen Moment als wichtiger erachtet als das eigene Leben? Was sind also die Kriterien für nationale Identität? Dies soll im folgenden Kapitel erläutert werden.
3. Fußball als Symbol nationaler Identität
Nach Berting und Villain-Gandossi[26] beruht nationale Identität auf vier grundlegenden Kriterien, die sich am Beispiel des Fußballs erläutern lassen, da „le football est devenu l’un des rares symbols fédérateurs –véritables générateurs d’identité nationale“[27].
1. Die Abgrenzung gegenüber anderen Nationen, im Wissen um die Unterschiedlichkeit zwischen der eigenen Nation und allem Fremden.
2. Das Gefühl zur eigenen Nation dazuzugehören und das Zeigen einer gewissen Solidarität zu dieser. Die Stärke des Zugehörigkeitsempfindens und der Solidarität ändert sich von Volk zu Volk und kann von Generation zu Generation stark differieren.
3. Die Vorstellung von der Nation, als eine alle Unterschiede innerhalb der Gesellschaft aufhebende Kraft. Sie kann so weit gehen, dass der Einzelne innerhalb dieser nationalen Gemeinschaft überzeugt davon ist, dass das eigene Leben, die Chancen, die Möglichkeiten von den Leistungen der Nation in ihrer Ganzheit bestimmt wird.
[...]
[1] Kassette 1 fortan: K1, 00:18:30.
[2] Das WM- Viertelfinale Deutschland gegen Argentinien auf dem französischen Sender M6 (K1) und das WM- Finale Frankreich gegen Italien auf ARD (K2).
[3] So das offizielle Motto dieser Weltmeisterschaft.
[4] Müller, Jochen, Von Kampfmaschinen und Ballkünstlern. Fremdwahrnehmung und Sportberichterstattung im deutsch-französischen Kontext. Eine Presse und Fernsehanalyse, St. Ingbert 2004.
[5] K2
[6] K1
[7] Zur Fremdwahrnehmung findet man und anderem Arbeiten in der Psychologie, der Soziologie und der Politik- sowie Wirtschaftswissenschaften. Vgl.: Müller, Kampfmaschinen, S. 31.
[8] Vgl.: Ebenda.
[9] Vgl.: Ebenda
[10] Vgl.: Ders., S. 32.
[11] Vgl.: Ebenda
[12] Ebenda.
[13] Ebenda.
[14] Vgl.: Müller, Kampfmaschinen, S. 33.
[15] Quandt, Sigfried, Zur Wahrnehmung der Deutschen im Ausland. Images als Produkt und Faktor der Geschichte, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Völker und Nationen im Spiegel der Medien, Bonn, 1989, S. 36.Zitiert nach ders. S.35.
[16] Ebenda.
[17] Der Co- Kommentator Franc le Boeuf beispielsweise wünscht sich ein Finale zwischen Deutschland und Frankreich, das „doit nous faire oublier tous les mouvais souvenirs“ (K1, 03:10:22).
[18] Frankreich verlor damals in einem dramatischen Spiel erst im Elfmeterschießen, nachdem das Team um Platini noch in der Verlängerung mit zwei Toren geführt hatte. Besonderen Anstoß nahm die französische Bevölkerung am Verhalten des deutschen Torwarts Toni Schumacher, der nach einem grob unsportlichen Foul, weder vom Felde verwiesen wurde noch eine Verwarnung erhielt. Seine Bemerkungen nach dem Spiel ließen auf kein Reuebekenntnis schließen. Auch in der behandelten Übertragung des Viertel-Finales Deutschland gegen Argentinien findet das Spiel mehrfach Erwähnung (K1, 00:08:30/01:25:10/03:10:22)
[19] Auf die Geschichte der gegenseitigen Wahrnehmung Deutschlands und Frankreich soll hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Vgl. hierzu das Kapitel 2.7. bei Müller, Kampfmaschinen, S. 78 – 108. Müller schreibt hier zur Entwicklung der Fremdbilder im Fußball; Vgl. hierzu auch: Sonntag, Albrecht, Traumfußball und Fußballtrauma. Deutsch-französisches Gipfeltreffen der anderen Art, in: Dokumente 2/1998, S. 240 – 247. sowie: Wahl, Alfred, Fußball und Nation in Frankreich und Deutschland, in: Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich; 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995, S. 343ff.
[20] Vgl.: Schmitz, Christian, Zwischen Mythos und Aufklärung, Frankfurt a. M. 1990, S.8f.
[21] Berting, Jan/Villain- Gandossi, Christiane, The Role and significance of national stereotypes in international relations: an interdisciplinary approach, in: Walas, Teresa (Hrsg.): Stereotypes and Nations, Krakau 1995, S. 22.
[22] Müller, Kampfmaschinen, S. 37.
[23] Gleich, Uli, Sport und Medien – ein Forschungsüberblick. Merkmale und Funktion von Sportbericherstattung, in: Media Perspektiven 11/2000, S. 513.
[24] Preisinger, Irene, Zwischen Faszination und Vorbehalt. Facettenreiche Frankreichberichte in deutschen Printmedien, in: Dokumente, 2/1999, S. 138.;zitiert nach: Müller, Kampfmaschinen S. 48.
[25] Gleich, Sport, S. 513.
[26] Vgl.: Berting/Villain- Gandossi, Role, S. 20f. Vgl. auch : Müller, Kampfmaschinen, S. 42ff.
[27] Sonntag, Sport, S. 68.
- Citar trabajo
- Jochen Brandt (Autor), 2006, Die Welt zu Gast bei Freunden - Das neue Deutschlandbild im deutsch-französischen Kontext im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69820
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