Die Frage nach der Zeit begleitet das abendländische Philosophieren seit seinen Anfängen. Die gefundenen Antworten konnten das Phänomen jedoch nie völlig fassen, so dass die Beschäftigung mit dem Thema „Zeit“ sich durch die Geschichte von Philosophie und Theologie zieht.
Am gegenwärtigsten erscheint das Zeitphänomen wohl in der in der Uhr-Zeit, der kalendarischen Zeit, die durch Heideggers Frage, ob denn der Mensch in dieser Form (der Uhrzeit) über das Sein der Zeit verfügt, oder ob er sich darin selbst meint, oder ob „es am Ende die Zeit selbst [ist], die sich in uns die Uhr anschafft“ direkt in die Mitte der philosophisch-theologischen Thematik führt.
Unter spezifisch theologischem Blickwinkel stellen sich weitere Fragen. Das Verhältnis zwischen Gott, dem traditionell Ewigkeit zugeschrieben wird, und der als zeitlich erlebten Welt wurde Anlass intensiven theologischen und philosophischen Nachdenkens. Kennzeichnend für diese Bemühungen sind die Verbindung von Offenbarungsgut und philosophischer Reflexion.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Zeittheorie des Kirchenvaters Aurelius Augustinus, wie er sie in Buch XI seiner Confessiones dargelegt hat. Sie wird als Teil der Confessiones eingeordnet und ihre Strukturen herausgearbeitet. Auch der Motivation Augustins, die Endlichkeitsproblematik anzugehen (besonders die Todeserfahrung aus Confessiones IV,9), wird Gewicht für die Interpretation zugemessen. Maßgeblich erscheint darüber hinaus das Anliegen, Confessiones XI in den breiten Strom der philosophischen und theologischen Gedankenwelt des Augustinus und der antiken Philosophie und ihrer Zielsetzungen überhaupt einzureihen.
Schließlich wird auch das Weiterwirken des diesbezüglichen Gedankenguts des Bischofs von Hippo in den Zeittheorien Husserls und Heideggers sowie Barths und Pannenbergs behandelt. Hier wird nach einer knappen Darstellung der Grundzügen der jeweiligen Konzeption, die vor allem die Strukturen berücksichtigt, die in Anschluss oder Abgrenzung mit Augustin in Verbindung gesetzt werden können, der jeweilige Bezug zum augustinischen Verständnis zur Sprache kommen. Abschließend erfolgt eine Reflexion aus verschiedenen Perspektiven auf die Zeiterörterung von Confessiones XI, die markante Aspekte des Buches herausstellen soll.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
Teil A Vor- und umfeld des Zeitkonzeptes aus Confessiones XI
A I Zum Verständnis von Confessiones XI im Rahmen des Denkens Augustins und der antiken Philosophie und Theologie
A I.1 Grundzüge der Biographie und der denkerischen Entwicklung Augustins
A I.2 Der Ort der Zeitthematik im Denken Augustins
A II Die Confessiones als Ort der Zeitreflexion
A II.1 Die Confessiones und ihr philosophischer Kontext
A II.2 Buch XI und sein Ort in den Confessiones
A III Zeittheorien im zeitlichen Vorfeld der Confessiones
A III.1 Zeit in der Bibel
A III.2 Voraugustinische Zeittheorien in der christlichen Theologie
A III.3 Voraugustinische Zeittheorien in der Philosophie
A IV Zusammenfassend: Grundstrukturen der Einbettung der Zeiterörterung Augustins
Teil B Augustins Erörterung von Ewigkeit und Zeit in Buch XI der Confessiones
B I Zum Aufbau von Confessiones XI
B II Confessiones XI: Zeit und Ewigkeit
B II.1 Ausgangsposition
B II.2 Philosophische Auslegungen zu Genesis 1,1
Die geschaffene Welt verweist auf den Schöpfer
Der Vollzug des Schöpfungsaktes durch das verbum dei
Die manichäischen Einwände und ihre Beantwortung
Das Gegenüber von Zeit und Ewigkeit
B III.1 Quid est tempus? Die Zeit als unausgedehnte Gegenwart
Die ontologische Tendenz zum Nicht-Sein der alltäglichen Zeit
Die Frage nach der Messung von Zeitdauern
B III.2 Ubi sunt tempora? Die Gegenwart der Zeiten im Geist
B III.3 Zeit und Bewegung
B III.4 Zeit als distentio animi
Die Zeit in der Erstreckung 47-
Die Zeit im Geist
Der Übergang des Zukünftigen zum Vergangenen in der
Gegenwart
B IV Die Ewigkeit und der ewige Gott
Der Weg zur Vollendung
Zeit und Ewigkeit
B V Confessiones XI im Überblick und einige Fragen
seiner Interpretation
Teil C Aspekte des Weiterwirkens der Zeittheorie aus
Confessiones XI im 20. Jahrhundert
C I Aspekte der Aufnahme Augustins in der Zeitphilosophie des 20.Jahrhunderts durch E.Husserl und M.Heidegger
C I 1 Husserl: Die Phänomenologie des inneren Zeit- Bewusstseins und Bezüge zur augustinischen Zeittheorie
C I 2 Heidegger: Die Frage nach der ursprünglichen und vulgären Zeit und Bezüge zur augustinischen Zeittheorie
C II Aspekte der Aufnahme Augustins in theologischen Zeitmodellen des 20.Jahrhunderts durch K.Barth und W.Pannenberg
C II 1 Barth: Zeit als Selbstkundgebung Gottes und Bezüge zur augustinischen Zeittheorie
C II 2 Pannenberg: Die Vermittlung von Zeit und Ewigkeit und ihre Verantwortung vor dem Forum neuzeitlicher Vernunft und Bezüge zur augustinischen Zeittheorie
C III Perspektiven – Augustins Zeitkonzept in
Confessiones XI aus verschiedenen Blickwinkeln
Teil IV Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die hier vorgelegte Zulassungsarbeit zur Theologischen Hauptprüfung hat das Verständnis der Zeit in Buch XI der Confessiones des hl.Augustinus und daran anknüpfend einige Aspekte der theologischen und philosophischen Rezeption der von Augustin in Buch XI vorgelegten Zeittheorie im 20. Jahrhundert zum Thema.
Die Frage nach der Zeit begleitet das abendländische Philosophieren seit seinen Anfängen. Die gefundenen Antworten konnten das Phänomen jedoch nie völlig fassen, so dass die Beschäftigung mit dem Thema „Zeit“ sich durch die Geschichte von Philosophie und Theologie zieht. Auch die neuzeitliche Naturwissenschaft hat sich der Zeitfrage angenommen und es scheint, dass die dort gewonnene Sichtweise der Zeit oft unthematisch dem gegenwärtig vorherrschenden Zeitverständnis zu Grunde liegt. Eine Auseinandersetzung mit dem naturwissenschaftlichen Verständnis wird im weiteren der Arbeit nicht unternommen, da dies das Thema der Arbeit übersteigt, jedoch erscheint es hilfreich, hier sehr kurz auf grundlegendste Aspekte einzugehen, da die Physik das Verständnis vieler Menschen des
20. /21. Jahrhunderts von Raum und Zeit in seinen Grundlagen prägt, selbst wenn dieses Verständnis nicht reflektiert oder stark vereinfachend ist.
Das weithin vorherrschende Bild der Zeit als Konstante, also als unterschiedsloser Abfolge von Jetzt-Punkten entspricht nicht nur einigen philosophischen Ansätzen (vgl. etwa Husserl), sondern auch der Zeitvorstellung der klassischen Mechanik (Newton), ist ihrerseits aber durch die Relativitätstheorie (Einstein) überholt. Die Zeit erscheint bei Einstein als von der Lichtgeschwindigkeit abhängige Größe, was eine Dehnung der Zeit zur Folge hat; eine absolute Gleichzeitigkeit ist unter diesen Voraussetzungen nicht mehr möglich. Zeit und Raum sind als Dimensionen einer einzigen Wirklichkeit zusammengefasst.[1] Bleibt aber im Gesamt der Relativitätstheorie die kontinuierliche Abfolge eines vorher/nachher erhalten, führt die Quantentheorie durch die Möglichkeit einer diskontinuierlichen („tropfenden“) Zeit (vgl. Plank-Zeit) einen neuen Aspekt in die Diskussion ein, der es ebenfalls nicht an einem philosophischen Pedant fehlt (vgl. das diachrone Zeitverständnis). Die Thermodynamik scheint hingegen traditionellen Zeittheorien dadurch entgegenzukommen, dass sie die Irreversibilität und dreifache Differenzierung der Zeit bestätigt.[2] Für unser Thema bedeutungsvoller erscheint im naturphilosophischen Kontext die durch die Zeit ermöglichte Wahrnehmung und Unterscheidung von distinkten Ereignissen und Gegenständen und die damit zusammenhängende Ermöglichung von Alterität. Zeit erscheint hier vor allem als asymmetrische, irreflexive und transitive Ordnungsrelation.[3]
Diese Näherbestimmung findet ihren allgegenwärtigen Niederschlag in der Uhr-Zeit, der kalendarischen Zeit, die durch Heideggers Frage, ob denn der Mensch in dieser Form (der Uhrzeit) über das Sein der Zeit verfügt, oder ob er sich darin selbst meint, oder ob „es am Ende die Zeit selbst [ist], die sich in uns die Uhr anschafft“[4] direkt in die Mitte der philosophisch-theologischen Thematik führt.
Der Blickwinkel der überwiegenden Zahl der Zeitgenossen verbindet das Thema Zeit jedoch weniger abstrakt zumeist mit ihren Inhalten, was sich in der philosophischen Reflexion im Gedanken des „intentionalen Bewusstseins“ wieder findet. Das alltägliche, in Heideggers Terminologie vulgäre Zeitverständnis, das die Zeit als reine Abfolge von Ereignissen fasst, erscheint dabei als unverzichtbarer Ausgangspunkt diverser Reflexionen auf die Zeit in Philosophie und Theologie.[5]
Davon abgesehen wird die Wahrnehmung der Zeit in der Gegenwart maßgeblich von der These der „Beschleunigung der Zeit“ bestimmt, womit in der Regel gemeint ist, dass in kürzeren Zeitabständen immer mehr Eindrücke auf einen Menschen eingehen und seine Reaktion erfordern, die wiederum Handlungen in Gang setzen können.
Die Zeitthematik ist also virulent. Unter spezifisch theologischem Blickwinkel stellen sich weitere Fragen. Das Verhältnis zwischen Gott, dem traditionell Ewigkeit zugeschrieben wird, und der als zeitlich erlebten Welt wurde Anlass intensiven theologischen und philosophischen Nachdenkens.[6] Kennzeichnend für diese Bemühungen sind die Verbindung von Offenbarungsgut und philosophischer Reflexion sowie die jeweilige Bezogenheit auf Termini wie Schöpfer und Geschöpf und damit verbunden Ewigkeit und Zeit, die durch die jeweiligen Gedankengänge zur Zeitthematik eine Näherbestimmung erfahren. Im Horizont jüdisch-christlichem Denkens (der hier thematisch ist) wurden theologische Begriffe immer wieder aufgrund philosophischer Einwände und Anfragen präzisiert und gelangten auf diese Weise zu ihrer endgültigen Gestalt (fides quaerens intellectum). Insofern es christliche Theologie also unternimmt im Rahmen der Gotteslehre auf Gott selber zu reflektieren oder die Welt als seine Schöpfung zu bedenken (was – wie bei Thomas von Aquin – eng verbunden ist), ist zugleich mit der Zeitthematik auch das philosophische Nachdenken über diese von Belang. Trinitätstheologisch spielt die Frage nach Zeit und Ewigkeit eine bedeutende Rolle im Zueinander von heilsökonomischer und immanenter Trinität und damit auch für das Verständnis von Offenbarung.[7] Die Frage nach der Zeit ist aber durchaus auch in der Christologie/Soteriologie (vgl. Christus als die Fülle der Zeiten, Eph 1,10) und der Pneumatologie und Gnadenlehre[8], einschlägig. Offensichtlich ist die Bedeutung der Zeit für die Eschatologie, mit der sie in direktem Zusammenhang steht und in Verbindung mit der Frage nach dem Sinn der Geschichte überhaupt auf die Heilsgeschichte verweist.
Eine Anthropologie im Horizont christlicher Theologie wird das Selbstbewusstsein des Menschen zu berücksichtigen haben, welches durch seine Zeitlichkeit entscheidend geprägt wird.[9] In der politischen Theologie (z.B. J.B.Metz) tritt der diachrone Charakter der Zeit, v.a. angesichts des nicht einzuholenden Datums von Auschwitz, besonders gegenüber dem in der Theologie vorherrschenden synchronen Zeitdenken hervor und damit auch der ethische Anspruch einer diachron verstandenen Zeit.[10]
Was in dieser Arbeit geleistet werden kann, nimmt sich angesichts der Bedeutung und Komplexität der Thematik und der Fülle der Fragen (und Antworten) bescheiden aus. Gegenstand ist die Zeittheorie des Kirchenvaters Aurelius Augustinus, wie er sie in Buch XI seiner Confessiones dargelegt hat.[11] Diese soll möglichst adäquat herausgearbeitet werden, die verschiedenen (z.T. aporetisch konzipierten) Argumentationsstränge sollen erfasst und die Ergebnisse festgehalten werden. Dabei wird Buch XI auch als Teil des Gesamten der Confessiones gesehen. Es soll besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, die Zeittheorie aus Confessiones XI unter Berücksichtigung der Absichten zu verstehen, die Augustin mit den Confessiones insgesamt verband. Auch der Motivation Augustins, die Endlichkeitsproblematik anzugehen (besonders die Todeserfahrung aus Confessiones IV,9), wird Gewicht für die Interpretation zugemessen. Maßgeblich erscheint darüber hinaus das Anliegen, Confessiones XI in den breiten Strom der philosophischen und theologischen Gedankenwelt des Augustinus und der antiken Philosophie und ihrer Zielsetzungen überhaupt einzureihen.[12] Das Vorgehen bezüglich des XI. Buches selbst ist so angelegt, dass der Zeittraktat im engeren Sinn – der unterschiedlich abgegrenzt wird – nicht scharf von den vorherigen und folgenden Kapiteln des Buches XI getrennt wird, da sich dies als nicht sachgemäß erwiesen hat.
Schließlich bedarf es einer Ergebnissicherung, bevor das Weiterwirken des diesbezüglichen Gedankenguts des Bischofs von Hippo in den Zeittheorien Husserls und Heideggers sowie Barths und Pannenbergs behandelt werden soll. Hier soll nach einer knappen Darstellung der Grundzügen der jeweiligen Konzeption, die vor allem die Strukturen berücksichtigt, die in Anschluss oder Abgrenzung mit Augustin in Verbindung gesetzt werden können, der jeweilige Bezug zum augustinischen Verständnis zur Sprache kommen.
Abschließend soll eine Reflexion aus verschiedenen Perspektiven auf die Zeiterörterung von Confessiones XI erfolgen, die markante Aspekte des Buches herausstellen soll.
TEIL A Das Vor- und Umfeld des Zeitkonzeptes aus Confessiones XI
A I Zum Verständnis von Confessiones XI im Rahmen des Denkens Augustins und der antiken Philosophie und Theologie
A I.1 Grundzüge der Biographie und denkerischen Entwicklung Augustins
Aurelius Augustinus wurde am 13.11.354 als Sohn eines römischen Beamten in Thagaste (heute Algerien) geboren und starb am 28.8.430 als Bischof von Hippo während der Belagerung seiner Bischofsstadt durch die Vandalen.[13] Sein Lebenslauf ist durch die Bekenntnisse, seine Briefe und die Biographie des Possidius gut belegt. Während seines Rhetorik-Studiums in Karthago (ab 370) wird Augustinus Manichäer;[14] die Hochschätzung der Vernunft in dieser religiösen Gruppe sagt ihm zu. So schließt er sich auch der manichäischen Kritik am AT und vor allem am Schöpfungsbericht an und teilt das dualistische Weltbild der Manichäer.[15]
Eine prägende Erfahrung wird für ihn der Tod eines Jugendfreundes im Jahr 376. Augustin wird mit der Vergänglichkeit und Flüchtigkeit der menschlichen Existenz derart konfrontiert, dass ihm nur noch bleibt das Leben zu hassen und den Tod zu fürchten, er wird sich selbst zum großen Rätsel, die scheinbare Gewissheit äußerer Freude ist zerbrochen.[16] Die Frage nach der Zeit in Buch XI darf nicht unter Ausschluss der intensiven Erfahrungen Augustins mit der Endlichkeit des Lebens bei seiner Suche nach Glückseligkeit gesehen werden.[17] Nach einem kurzen Aufenthalt in Rom (383) kommt Augustin 384 an den Kaiserhof nach Mailand. In diese Zeit fällt eine skeptizistische Phase, die durch die Bekanntschaft mit dem christlichem Neuplatonismus und Bischof Ambrosius von Mailand in eine endgültige Hinwendung zum Christentum überführt wird.[18] 387 wird Augustin getauft, auf der im selben Jahr folgenden Rückreise nach Afrika stirbt Augustins Mutter, Monnica,[19] mit der Augustin ein enges Verhältnis verband. Ab 388 widmet sich Augustinus einem klösterlichen Leben in Gebet und Studium. 389 stirbt sein Sohn Adeodatus.[20] 391 empfängt Augustin die Priesterweihe in Hippo, 395 wird er dort Auxiliarbischof, 396 Diözesanbischof. In seinem an Wendungen, Höhen und Tiefen reichen Leben bleibt Augustin die Sehnsucht nach einem gesammelten Leben, dem b°ov qewrjt°kov erhalten.[21] In seiner Bischofszeit entstehen seine großen, meist durch dogmatische und kirchenpolitische Streitigkeiten (etwas pauschal seien die Donatisten, Pelagianer und Arianer genannt) animierten Werke.[22] Nach 426 verfasst Augustin die Retractationes, eine kritische Rückschau auf sein literarisches Werk.[23]
Es lassen sich einige Grundzüge augustinischen Denkens herausstellen. Der Kirchenvater sieht den Menschen durch sein unruhiges, aber nach Ruhe strebendes Herz charakterisiert,[24] das - letztlich von Unruhe befreit - lieben und geliebt werden will. Der Weg, den Augustin auf dieser Suche vorschlägt, hat im berühmten Diktum aus De vera religione 72 seinen Niederschlag gefunden: Noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore homine veritas, et si tuam naturam mutabilem inveneris, transcende et te ipsum.[25] Die erste naturhaft vorgegebene Stufe ist die Suche im Äußeren, die zweite führt nach Innen, befreit aber noch nicht von der inneren Unruhe, die dritte, Ruhe verschaffende, schließlich ist Geschenk der Gnade. Die richtungweisende Motivation für die Suche nach absoluter Gewissheit und Wendung nach innen (und dann über sich hinaus!) liegt in der schon besprochenen Endlichkeitserfahrung.[26]
In Augustins Denken verbinden sich Theologie und Philosophie, Manichäismus, Skepsis, stoische Logik und katholisches Christentum, werden verwandelt und neu formuliert.[27] Augustin selbst neigt dazu, die Philosophie theologisch zu überdecken,[28] wobei sich in der Antike Theologie und Philosophie nicht sauber trennen lassen; als eigentlich Unterscheidendes gegenüber der Philosophie erscheint aber die Lehre vom Christus humilis, einflussreich wurde auch die Gnadenlehre.[29] Festzuhalten ist ebenfalls, dass Augustins Metaphysik maßgeblich „von unten“ kommt, Fischer bezeichnet sie als eine von der Todeserfahrung geschärfte Phänomenologie des Bewusstseins,[30] das Augustin nicht-zeitlich denkt.[31] Der Mensch wird somit als ein die weltliche Wirklichkeit transzendierender gesehen, der sich in Wahrheitssuche und Vollzug des freien Willens in der endlichen Zeit bestimmt,[32] und auf den ewigen Sabbat ausgerichtet ist.[33] Die äußere Welt als solche hat für den vom Neuplatonismus beeinflussten Kirchenvater vor allem Verweischarakter auf das Jenseitige.[34]
Wirkungsgeschichtlich relevant wurden neben der erwähnten Gnadenlehre, vor allem die Systematisierung und Tradierung der paulinischen Rechtfertigungslehre[35] und Augustins neue christliche Anthropologie, in deren Zusammenhang auch die Confessiones zu sehen sind.[36]
A I.2 Der Ort der Zeitproblematik im Denken Augustins
Zuerst soll vorausgestellt werden, dass das Denken Augustins nicht von seinem Leben getrennt werden kann, wie überhaupt jede Theorie ihren – reflektierten oder unreflektierten – Ort in einer wie auch immer gearteten Praxis hat, ohne dass die Theorie deswegen in einem einseitigen Dependenzverhältnis zur Praxis stünde. Die Verbindung von Denken und (Er-) Leben Augustins wird daher auch im Folgenden eine Rolle spielen.
Wohl nicht zuletzt aufgrund der persönlichen Konfrontation mit dem Tod und der menschlichen Endlichkeit[37] sieht Augustin den Menschen vor allem durch die Sterblichkeit und Vergänglichkeit bestimmt,[38] doch ist er trotzdem auf das Beständige ausgerichtet und fragt, wie er sein Leben als in dieser Weise Suchender vollziehen soll. Augustins anthropologische Perspektive zeigt sich in seinem Anliegen: Welches Ziel kann der zeitliche Mensch seinem zeitlichen Handeln geben?[39] Augustins Antwort: Er muss Gott aufrichtig suchen und sich dann (gnadenhaft) selbst übersteigen.[40] Dies geschieht einerseits im Erstreben der Wahrheit und im Vollzug des guten Willens,[41] wobei beides, aufgrund der zeitlichen, sündhaften Verfasstheit des Menschen, sich vor allem als ein Bekennen der eigenen Willensschwäche und mangelnden Erkenntnis manifestiert. Augustins Anthropologie ist pessimistisch,[42] doch grade in seiner Ohnmacht findet der Mensch vor Gott zu sich selbst, denn trotz der Differenz ist Gott dem Menschen gegenwärtig.[43] In seiner Schwäche und Trennung von Gott erkennt der Mensch den Grund seiner zeitlichen Unruhe[44] - das Verlangen nach Beständigkeit - und findet doch Hoffnung, trotz steter Bedrängung in der Zeit.[45] Das endliche, zeitliche Leben wird so nicht zum Ort unendlicher Wirklichkeit, sondern der Ort individueller Bestimmtheit des endlichen Vernunftwesens,[46] dessen großes Ärgernis der Tod bleibt.[47] Aber nicht das vergängliche Leben ist nichtig, sondern seine Vergänglichkeit.[48] Auch wenn der Tod unwiderruflich von der bisherigen Liebe und Geborgenheit trennt, erlaubt doch erst die Grenze des Daseins die Bestimmtheit der Existenz.[49]
Im Zentrum der Frage nach der Zeit bei Augustin steht der Mensch und sein endliches Leben.[50] Ihn treibt die Frage um, wie die für ihn – gegebenenfalls unbewusste – Ausrichtung des Menschen auf den ewigen Gott sich zum Sein des Menschen in der Zeit verhält und wie sich der so konstituierte Mensch in seinem zeitlichen Sein zu verhalten hat. Gleichermaßen stellt sich ihm die Frage, wie der ewige Gott sich zum zeitlichen Sein des Menschen stellt.[51] Die Annahme einer uneingeholten Wirklichkeit, des Glaubens, verleiht dem Menschen Stand in seiner Wahrheitssuche, bei der er sowohl in, als auch über der Zeit steht. Auch bezüglich seines (freien) Willens steht der Mensch zwischen lex aeterna und naturhaften Begierden und Abläufen.[52] Als für seine Handlungsvollzüge verantwortliches Wesen verwirklicht sich der Mensch in seiner unverwechselbaren Identität in der Zeit, bis der Tod ihm Ganzheit verleiht. Eine ewige Wiederkehr, im Sinne eines zyklischen Zeitverständnisses, empfände Augustin hingegen als unerträglich (vgl. De civitate XII).
Wie sich die angeführten Themen in Confessiones XI niederschlagen, wird Teil der textbezogenen Arbeit sein. Herausgestellt werden soll aber am Ende dieses Abschnittes, dass das Thema „Zeit“ für Augustin nicht in erster Linie Frage abstrakter Spekulation oder Theologie ist, sondern seine Lebensfragen es ihm aufgaben, über Zeit und Vergänglichkeit, auch über Ewigkeit nachzudenken. Vom Vorangestellten erschließt sich auch, dass die Zeitthematik für Augustin nicht völlig isoliert von der Frage nach Gott und der Ewigkeit behandelt werden kann, da der Mensch in der Anthropologie des Augustin stets ein Gott Suchender ist – was sich gerade in seinem Leben und damit in der Zeit manifestiert.
A II. Die Confessiones als Ort der Zeitreflexion
II.1 Die Confessiones und ihr philosophischer Kontext
Die um das Jahr 400 verfassten Confessiones stellen das wahrscheinlich populärste Werk des hl.Augustinus dar.[53] Die formale Einheit der Confessiones erscheint gesichert.[54] Der Titel Confessiones ist mehrdeutig, er kann vom gläubigen, über reumütiges bis zum lobenden Bekennen verschieden akzentuiert und interpretiert werden.[55]
Augustin spricht in den Confessiones zu Gott, zum Leser und zu sich selbst.[56] Dabei blickt er auf seinen Lebensweg zurück, thematisiert paradigmatisch seinen Gegenwartsvollzug und schließlich seine Zukunftserwartung.[57]
Ziel der in 13 Bücher gegliederten Confessiones ist nach I,1-2 das Lob Gottes, der dem Menschen trotz seiner Verfallenheit an die Sünde aus Gnade ermöglicht, ihn zu loben.[58]
Eine Gliederung kann erfolgen in die Bücher I-IX (Lebensbeschreibung bis zur Taufe und dem zeitlich kurz darauf folgendem Tod der Mutter), Buch X (Augustins innere Situation zur Zeit der Abfassung der Confessiones mit dem Höhepunkt der Analyse der memoria) und die Bücher XI-XIII (Auslegung der Schöpfungsgeschichte, methodische Reflexionen).[59]
Grundfrage der Confessiones ist die Frage nach dem Glück des Menschen und dem Weg dorthin. In diesem Zusammenhang behandelt Augustin auch anthropologische und metaphysische Fragen,[60] Denkentwürfe, die dem kirchlichen Glauben entgegenstehen, werden abgewiesen.[61] Augustins Gedankengang konkretisiert sich in Fragen wie denen nach den wahren und falschen Gütern, dem Ursprung der Laster, ihrer Bekämpfung und der Förderung der Tugend. Im grundsätzlichen Ziel der Abwendung vom Vergänglichen und der Hinwendung zum Unvergänglichen ist sich Augustin einig mit Plotin (204-270), einem maßgeblichen Vertreter der neuplatonischen Schule, zu dem sich erhebliche Verbindungslinien ergeben.[62] Die Vorgehensweise ist die, dass Augustin von seiner eigenen Biographie ausgehend weit reichende Betrachtungen zu einzelnen Themen anführt.[63] Die Bücher XI-XIII werden von Augustin selbst als Dankopfer bezeichnet.[64] Sie sind integraler Bestandteil des Werkes und enthalten Grundzüge der gesamten christlichen Lehre.[65]
Mit seinem Thema, dem Weg zur Glückseligkeit, steht Augustin im philosophischen Kontext der Antike nicht allein. Die hellenistische Philosophie[66] war praktisch ausgerichtet und suchte in ihrer Ethik nach dem höchsten Gut, dessen Erlangung dem Menschen vollkommenes Glück versprach. Verortete man das höchste Gut auch (vor dem Neuplatonismus) diesseitig, so kamen doch nur Güter in Frage, die der Mensch nicht verlieren kann. Voraussetzung für die Erlangung des höchsten Gutes war die richtige Lebensführung. Eine Trennung von Glück und Tugend – wie die Neuzeit sie insbesondere bei und seit Kant kennt – ist der antiken Ethik fremd.[67] An die – unterschiedlich beantwortete – Frage, was das höchste Gut sei, schloss sich die Thematisierung des Weges dorthin an. Die Philosophie übernahm dabei „seelsorgliche“ Aufgaben und war gemäß ihrer Erkenntnis bemüht, den Menschen im Durchschauen seiner (als Krankheit charakterisierten) Situation des Verharrens in Irrtum und Übeln durch Umkehr und Bekehrung den Weg zum vollkommenen Glück zu weisen.[68]
Einerseits steht das Anliegen der Confessiones also deutlich im Strom der hellenistischen Philosophie, doch unterscheidet sich das Anliegen Augustins auch davon. Augustin sieht im Christentum den geeigneten Weg des Menschen zum Glück, das Heilmittel für die Krankheit der Menschen ist das Evangelium.[69] Der fundamentale Unterschied ist jedoch darin zu sehen, dass Augustin eine „Selbsttherapie“ des Menschen für unmöglich hält. Gott ist gleichermaßen Ziel des Menschen, als auch der, der ihn durch die Gnade zum Ziel führt. Der Mensch kann seine Gespaltenheit nicht selbst überwinden.[70]
In besonderer Nähe stand Augustin zum Neuplatonismus.[71] Dieser sah das summum bonum im Sein des Menschen bei Gott durch geistige Schau oder Einswerdung mit ihm durch die Tugend, während das irdische Leben mit unaufhebbaren Übeln belastet ist.[72]
Die Gottesvorstellung Plotins (s.o.) kennt drei göttliche Wesenheiten: e3n, nou==v und yuxh&. Während das e3n unaussprechlich ist und allem vorausliegt, geht der nou==v aus ihm durch Emanation hervor, in ihm herrscht schon eine gewisse Zweiheit von Denken und Gedachtem. Die Weltseele (yuxh&) ist schließlich das Bild des nou==v und im Zusammenhang der Zeit-auffassung Plotins von Bedeutung.[73]
Die Seele des Menschen hat mit ihren rationalen Anteilen Teil am nou==v. Sie ist so immer schon auf die intelligible Welt ausgerichtet, aber de facto doch auf das Materielle hin orientiert (Plotin kennt eine Art Sündenfall). Voraussetzung, um sich aus diesem Zustand herauszuarbeiten, ist die Wendung nach innen, die Tugend hilft dem Menschen zu werden, was er gewissermaßen schon ist, denn um Gott zu schauen, muss der Mensch gottähnlich, also durch Tugend von der Ausrichtung auf das Materielle befreit sein.[74] Im Anschluss an Porphyrios sieht Augustin im e3n das Sein selbst und in der Weltseele eine vermittelnde Instanz zwischen e3n und nou==v. Der neuplatonische Monismus wird bei Augustinus zum Monotheismus, außerdem zieht er die Schöpfung der Emanation vor.[75] Für den Weg des Menschen zum Glück gilt auch in diesem Zusammenhang, dass er des Glaubens und der Gnade bedarf.[76]
Die Confessiones lehnen sich thematisch (und strukturell) an das Schema des Abfalls der Seele von Gott und der Rückkehr zu ihm an. Geht Augustinus auch von der eigenen Biographie aus, so ist doch der Mensch im allgemeinen Thema, der nach endgültiger Ruhe in Gott strebt, die er aber erst im Jenseits erlangen kann. Bei aller sonstigen Ähnlichkeit geht es Augustin um eine Weisheit, die über die meist diesseitig orientierte Philosophie der Antike hinausgeht.[77] Die Bücher I-IX geben gewissermaßen stilisiert das Suchen, Auffinden, Erfassen und Umsetzen des summum bonum im menschlichen Leben wieder. Diese Grundidee hat Augustin mit Neuplatonismus und Hellenismus gemein.[78] Seine Aufwertung des menschlichen Willens, der das Streben des Menschen zum als Herrn anerkannten Gott führen soll,[79] führt auch zu einem größeren Gewicht der Ethik gegenüber der Metaphysik. Da aber dennoch die zu einem seligen Leben nötige Selbstkontrolle unerreichbar (wie auch Buch XI zeigt) und das Schicksal unkontrollierbar ist, bleibt das glückselige Leben auf der Erde nur antizipierbar.[80]
II.2 Buch XI und sein Ort in den Confessiones
Für die Bücher XI-XIII formuliert Augustin sein Erkenntnisinteresse in XI,5. Ging es bisher (I-IX) vor allem um das Bekenntnis der eigenen Schwäche und Gottes Barmherzigkeit, bringt Augustin nun überwiegend sein Wissen und auch Nicht-Wissen vor Gott. Das auf die Schöpfung gelenkte Interesse sieht diese als Werk Gottes und richtet sich auch wieder auf die göttliche Wahrheit.[81] Die Erschaffung der Welt in Christus, dem gleichewigem Wort,[82] führt zur Frage nach der Seinsweise dieser Welt als Zeitliche im Gegenüber zur göttlichen Seinsweise der Ewigkeit. Die Thematisierung der göttlichen Gnade, zuerst in Bezug auf Augustins Leben, dann in Bezug auf die ganze Schöpfung, ist eine gemeinsame Perspektive der Confessiones.[83] Gottes Güte wird offenbar in der Berufung des Menschen (I-IX) und in der Erschaffung der Welt (XI-XIII).[84] Dem entspricht, dass die Bücher I-IX vor allem die (exemplarisch verstandene) Suche Augustins nach Gott thematisieren, während sich in XI-XIII die Blickrichtung ändert und stärker die Suche Gottes nach den Menschen betont wird.[85] Deutlich anders akzentuiert Flasch. Nach seiner Darstellung erreicht Augustin in Buch IX die Einsicht, alles Zeitliche zu vergessen und will diesen Gedanken in XI-XIII als Weg für alle Menschen aufzeigen.[86] Das wirft die Frage auf, ob nicht schon in der Vergänglichkeits- und Endlichkeitserfahrung in IV,9-15 Augustins kritische Einstellung gegenüber dem Wandelbaren grundgelegt wird und ob Augustinus daraus tatsächlich den Schluss zieht, dass „wir das Zeitliche vergessen sollen“[87] oder ob es nicht vornehmlich um eine Entflüchtigung des Zeitlichen geht.[88]
Thematisch spannen die Confessiones den Bogen vom ruhelosen Herzen[89] bis zur Ruhe des Menschen in Gott und Gottes im Menschen am ewigen Sabbat.[90] Buch XI reflektiert gemäß diesen Vorzeichen das in der Zeit gegebene Verhältnis der beiden Größen des Zeitlichen, Ruhelosen und der Ewigkeit.[91] Die in XI herausgearbeitete dreifache Zeitstruktur kann auch mit dem Aufbau der Confessiones in Erzählung vergangener Zeit (Buch I-IX), der Gegenwart (Buch X) und der Zukunft (Buch XI-XIII) in Verbindung gesetzt werden.[92]
Der nähere Ort der Zeitabhandlung ist die Auslegung des Schöpfungsberichtes Gen 1-3, wobei sich Augustin in Buch XI auf die Auslegung von Gen 1,1 beschränkt.[93] Die Zeitthematik ist aber eine Perspektive, die XI-XIII durchzieht.[94] In ihr nimmt der Kirchenvater nicht nur den Beginn der Schöpfung, sondern auch ihr Ziel und Ende in den Blick (Offb 21,2).[95]
Augustin fragt in der Schriftauslegung nicht nach einem streng historischen, ursprünglichen Sinn des Textes. Man könnte seine Schriftauslegung als kontextuelle Auslegung in der Umgebung des Neuplatonismus und der christlichen Philosophie des 4.Jahrhunderts bezeichnen.[96] Als Leitlinien seiner Schrifthermeneutik benennt Augustin Wahrheit und Liebe.[97]
kienzler, der die letzten vier Bücher im Kern in der Vision von Ostia angelegt sieht,[98] schlägt für den Aufbau der Bücher XI-XIII eine trinitarische Struktur vor: Buch X befasse sich mit den Themen Gott und Ewigkeit, die Bücher XI und XII mit Jesus Christus als Wahrheit und Weisheit und schließlich Buch XIII mit dem Hl.Geist,[99] worin er eine Analogie zu den drei Ekstasen des siebten Buches sieht, die ebenfalls einen trinitarischen Aufbau aufweisen (VII,16 / VII,23 / VII,26).[100] Deutlich ist in jedem Fall, dass der Genesisbericht vor dem Hintergrund der Person Jesu Christi ausgelegt wird.[101] Aus Buch VII wirkt sich der Grundsatz aus, dass die Philosophie auf die vernünftige Betrachtung des Ewigen und seiner Prinzipien beschränkt ist, während der Glaube die geschichtlichen, offenbarten Wahrheiten umfasst.[102] Daher ist Augustinus überzeugt, weder über die innergöttliche Wahrheit, noch über Gottes Verhältnis zur Welt philosophische Aussagen machen zu können. Augustin sieht die Kraft der Vernunft kritisch, auch seine philosophische Gedankenführung hält sich stets in der Nähe zur allgemein-menschlichen Erfahrung.[103]
Der Zusammenhang von Buch X und XI wird unterschiedlich eng gesehen. Einerseits nimmt Augustin in seiner Argumentation keine direkten Bezüge auf Buch X,[104] andererseits scheint die Frage nach dem wahren Mittler am Ende von Buch X zu Buch XI hinzuführen.[105] Der Themenwechsel in XI,2 (Ende der Lebenserzählung und Hinwendung zur Auslegung der Hl.Schrift) erscheint allerdings doch plötzlich; dies auch, weil zwischen Buch IX und Buch X zehn Jahre in der Vita Augustins fehlen und der Leser weder etwas über Priester- und Bischofsweihe Augustins erfährt, noch über seine theologische Entwicklung in dieser Zeit.[106] Die Zitation von Ps 47,2: magnus dominus et laudabilis valde, der auch in I,1; II,1; X,1 bei Eröffnung eines neuen Themas verwendet wird,[107] verstärkt den Eindruck des Neuanfangs, so dass festgehalten werden kann, dass der Akzent nicht auf einer kontinuierlichen Weiterführung von Buch X liegt.
Die Zeitthematik erscheint explizit erst in Buch XI. Zu beachten ist jedoch, dass die Bücher I-IX fast durchgehend erzählerischen Charakter besitzen und Augustins Leben zur Grundlage haben. Dadurch besteht auch eine Beziehung zwischen den Büchern I-IX, die den Zeitaspekt unthematisch beinhalten, und Buch XI, dass über dieses Thema reflektiert.[108] Die Problematik der Endlichkeit und Zeitlichkeit war schon besonders in IV,15 aufgebrochen, wo der Tod eines Freundes Augustin vor die Sinnfrage stellt. Schon hier tut sich Augustin schwer, sich mit der Flüchtigkeit des Zeitlichen zufrieden zu geben und fordert die Ausrichtung auf das Ewige (IV,14).[109] Über Buch X, wo das Glück im Augenblick – also ebenfalls schon in der Entflüchtigung – gesucht wird,[110] kommt es schließlich in der Meditation des Schöpfungswortes zur ausdrücklichen Besprechung der Zeitlichkeit alles Seienden,[111] die sowohl durch den Gedanken eines des Zeitlichen überhobenen und unbedürftigen Gottes[112], wie im Duktus des XI.Buches durch die Fangfrage der Manichäer in XI,12 hervorgerufen wird.
A III. Zeittheorien im zeitlichen Vorfeld der Confessiones
III.1 Zeit in der Bibel
Augustinus argumentiert in der Zeitthematik nicht direkt biblisch, dennoch ist das Zeugnis der hl.Schrift jederzeit präsent (vgl. die vielfältigen Schriftzitate) und gibt mit seinen Eckpunkten den Erkenntnishorizont Augustins ab. In diesem Zusammenhang sollen einige Grundzüge biblischen Zeitdenkens skizziert werden.
Das Alte Testament mit seinem Interesse für das Konkrete hat Zeit ganz überwiegend nicht als vom jeweiligen Geschehen losgelöstes Abstraktum gesehen, erst nach dem babylonischen Exil zeigen sich im priesterlichen Schrifttum und im Prediger Tendenzen dieser Art.[113] Auch der Gegenbegriff Ewigkeit ist nicht fixiert, er kann von Gott, aber auch von Bergen, Sonne und Mond ausgesagt werden,[114] hat aber wohl seine letzte Quelle in Gott. Die Ewigkeit Gottes zeigt sich als Zeitfülle und Vollmacht. De facto bestanden kultische (eher zyklische[115]) und eschatologisch-chronologische (besonders durch die prophetische Verkündigung repräsentierte) Zeitauffassungen nebeneinander.[116] Die Zeit zeigt sich im AT besonders als Ort der Offenbarung Gottes und zunehmend (in der Apokalyptik) auch als etwas auf ein Ziel außerhalb der Geschichte Ausgerichtetes, was ihr eschatologische Dynamik verleiht. Bis zur Vollendung ist die Zeit ein von Jahwe in schöpferischer Wirksamkeit eingerichteter Ort der Entscheidung, der für Umkehr und Heil offen ist[117] (wie die Propheten verkünden), was die inhaltliche Bestimmung der Zeit besonders bezüglich ihrer Zukünftigkeit hervortreten lässt. Dem zur Seite steht die eher statische, die Gegenwart von der Vergangenheit her interpretierende Sicht des Priestertums. Beide Perspektiven spielen bei wechselseitigen Akzentverschiebungen und zeitweiligen Dominanzen zusammen.[118]
Das Neue Testament sieht Christus als die Mitte und Fülle der Zeit[119] und unterscheidet demnach in auf Christus zulaufende und von ihm herkommende Zeit, in der der Gekreuzigte aber präsent und gegenwärtig bleibt (was in der johanneischen Literatur betont wird). Die eschatologische Vollendung wird schon in der Zeit antizipiert (wie Paulus herausstellt). Wie im AT wird Zeit überwiegend vom Geschehen her qualifiziert, sie ist für den Menschen Zeit der Entscheidung. Im Einzelnen nuancieren die neutestamentlichen Schriften recht unterschiedlich.[120] Während im Markusevangelium die Gegenwart durch die schon begonnene Realisierung des Gottesreiches eschatologisch bestimmt wird verbinden sich bei Matthäus stärker Eschatologie und Ekklesiologie, göttliches Heilshandeln und Zeit menschlicher Entscheidung greifen ineinander. In der heilsgeschichtlich orientierten lukanischen Auffassung verschiebt sich der Schwerpunkt von der Eschatologie zur Chronologie, der die Heilsereignisse erinnernde Aspekt dominiert. Bei Johannes erscheint die zukünftige, eschatologische Erfüllung als individuelle Zueignung des Heils, schon in der Gegenwart, nicht nach der zeitlichen Zukunft. Die Gegenwart wird so aufgewertet und die Ewigkeit als von der Zeit (besonders von der Zukunft) qualitativ unterschieden, was ihr aber erlaubt in die Zeit einzubrechen und sie zu verwandeln.[121] Der Apostel Paulus sieht die christliche Existenz vom Gekommensein Christi („als die Zeit erfüllt war“ Gal 4,4) her eschatologisch ausgerichtet und bestimmt. Durch die Taufe ist der Christ mit Christus gestorben und erwartet nun die Auferstehung in Christus.[122] Hier zeigt sich die für Paulus typische Spannung von ‚schon’ und ‚noch-nicht’.[123]
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich weder AT noch NT einer Wesenbestimmung von Zeit oder Ewigkeit annehmen. Ihr Zeitverständnis ist ausgesprochen plural. Zeit wird in der Bibel vor allem als gefüllte, besonders im NT auch als eschatologisch ausgerichtete Zeit gesehen, von der sich die Ewigkeit qualitativ unterscheidet.[124]
III.2 Voraugustinische Zeittheorien in der christlichen Theologie
Die Botschaft des NT macht deutlich, dass es ein die Zeit umwälzendes Ereignis gegeben hat (die Inkarnation des Gottessohnes) und dass die Zeit auf ein Eschaton hinsteuert.[125][126] Die Einmaligkeit des Heilsgeschehens und des Geschichtsverlaufs wurde schon vor Augustin im Horizont des göttlichen Heilsplans für die zeitliche Welt vertreten.
Schon Justin der Märtyrer reflektiert über die oi0konomi&a, die sich in der Geschichte der Menschheit erfüllt. Ihn interessieren vor allem terminus a quo und ad quem der Heilsgeschichte um die Einheit derselben aufzuweisen und um zu zeigen, dass die zeitliche Entwicklung eschatologisch auf die Wiederherstellung des Anfangszustandes zuläuft.[127] Dieser Gedanke wird vom hl.Irenäus durch die Aufnahme der Adam-Christus-Typologie aus Röm 5 vertieft. Die Mitte der Zeit wird die Norm für das Heilsgeschehen am Anfang und am Ende. Der Heilsplan ist ganz von Gott gesetzt und durchgeführt, er handelt souverän als Herr der Zeit, nicht nur am Anfang und am Ende, sondern stets. Der Mensch ist aufgerufen in Freiheit dem göttlichen Wirken zuzustimmen, wobei die Zeit deutlich eher als Heilszeit denn als Zeit der Entscheidung gesehen wird. Freiheit meint bei Irenäus gehorsames einstimmen in die teleologische Geschichtsführung Gottes.[128]
Tertullian schließlich verbindet die Zeit der Natur und den Heilsplan. Beide sind verknüpft, denn der Heilsplan Gottes hat sich in der Zeit verleiblicht. Die Schöpfung soll durch Christus zur ursprünglichen Schönheit zurückgeführt werden, Christus wird konsequent als in die Weltzeit hinabgestiegen gedacht.[129]
In der Auseinandersetzung mit den Gnostikern verteidigten die Vorgenannten sowohl die Freiheit des Menschen als auch den Wert der einmaligen Zeit im Heilsplan.[130] Augustin wird demgegenüber den Einzelnen und seine Handlungsfreiheit ins Zentrum rücken, die Betonung der Entwicklung des Ganzen im Heilsplan tritt zugunsten frei gewirkter Geschichte zurück, was für die abendländische Theologie maßgeblich wurde.[131]
A III.3 Voraugustinische Zeittheorien in der Philosophie
Augustinus bezieht sich in Buch XI namentlich auf keinen anderen Autor. Dennoch steht er im Strom der antiken Philosophie und setzt deren geläufige Zeittheorien voraus.
platon bespricht das Zeitthema maßgeblich im Timaios. Dort geht er auf den Mythos ein, der die Zeit durch die Gestirne begründet (Timaios 38c-39d)[132]. Er selbst sieht Zeit als vom Schöpfergott gemachtes, veränderliches, aber unvergängliches Bild der Ewigkeit,[133] das zahlmäßig geordnet vorrückt. Die Zeit geht demnach aus der Ewigkeit hervor, Ewigkeit ist Urbild der Zeit,[134] die als zyklische, im Kreis laufende Zeit gedacht wird.[135]
Die zahlenmäßige Ordnung stellt die Verbindung zwischen Zeit auf der einen und Seele und Vernunft auf der anderen Seite her, die die Ordnung der Zeit erkennen kann. Dies geschieht durch die Tätigkeit der Weltseele, die die zahlenmäßige Ordnung in die physische Welt einführt (durch die von ihr geführten Bewegungen der Gestirne) und derart physikalische und erlebte Zeit verbindet.[136]
aristoteles behandelt die Thematik im Buch IV der Physikalischen Vorlesungen. Hier definiert er die Zeit als die Zahl der Bewegung in Bezug auf das Früher oder Später.[137] Früher oder später werden von einander abgegrenzt durch das stetige Jetzt.[138] Ohne Bewegung ist keine Zeit denkbar,[139] Zeit ist aber auch nicht Bewegung,[140] sondern ein Attribut an dieser. Um das Früher oder Später zu zählen bedarf es der Seele. Es würde zwar auch ohne Seele existieren, aber nur durch die Zähltätigkeit der Seele wird das früher oder später zur Zeit.[141] Entgegen gelegentlich vorgebrachten Deutungen war Aristoteles nicht eindeutig der Ansicht, die Zeit bestehe aus Jetzt-Punkten.[142]
plotin legt seine Zeitauffassung in Enneade III 7 vor. Er schließt sich an Platon an und denkt Zeit wiederum im Verhältnis des Abbilds zum Urbild der Ewigkeit.[143] Ewigkeit ist das zeitlose Ereignis des sich selbst denkenden Seins, das Sein zeitloser Gegenwart.[144] Die Zeit erscheint als Entfaltung der Ewigkeit.[145] Die Wirklichkeit der Zeit besteht in der Überführung der Zukunft in die Vergangenheit durch das Jetzt, das die Grenze der Zeit darstellt.[146] Als solche ist die Zeit das Leben der Seele, die von einer Lebensphase in die Andere übergeht.[147] Weltzeit und Zeit der Seele sind identisch, sie werden durch die Weltseele vermittelt, in der auch die Zeit der Einzelseele gründet.[148] Um der zeitlichen Zerstreuung zu entgehen, soll sich der Mensch vom Äußeren abwenden und sich auf das Intelligible ausrichten.[149]
Augustin setzte sich auch mit den skeptikern der neuen akademie auseinander.[150] Die Skeptiker akzeptieren die Zeit zwar als Phänomen, billigen ihr aber kein Sein zu. Vor allem legen sie den Akzent auf die Problematik der Zeitmessung, indem sie auf die Ausdehnungslosigkeit der Zeit und den fehlenden Maßstab zur Zeitmessung verweisen. Zudem machen sie auf die Aporie einer Zeit vor der Zeit aufmerksam, wenn die Zeit einen Anfang hätte.[151]
Die stoa entwickelte ebenfalls eine Zeitauffassung. seneca unterteilt das Leben in de brevitate vitae in drei Zeiten.[152] Er sieht die (unkörperliche[153]) Zeit besonders unter dem ethischen Aspekt und warnt vor ihrer Verschwendung.[154] Wer seine Hinfälligkeit als Mensch erkennt, wird sich bemühen seine Zeit zu beherrschen. Das Ziel dieser Umkehr ist die Ruhe.[155] Diese wird durch die dem menschlichen Willen mögliche Entflüchtigung[156] und Erwartungslosigkeit erreicht[157].
Die Bezüge zwischen den genannten Zeitauffassungen und Confessiones XI sollen, insofern sie das Verständnis des augustinischen Zeittraktates erhellen, bei dessen Behandlung berücksichtigt werden. Festgehalten werden soll aber schon hier, dass Platon und Aristoteles mit ihren Zeitanschauungen zwar präsent sind, aber nicht direkt im Zentrum stehen. Zum Zuge kommen eher die Konzepte und Anfragen der spätantiken Philosophenschulen,[158] die den Argumentationsgang des XI.Buches deutlich mitbestimmen, wie zum Beispiel die Thematisierung des Verhältnisses von Zeit und Seele (vgl. Neuplatonismus), die Auseinandersetzung mit den Anfragen der Neuen Akademie an das Sein der Zeit und die nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit Senecas praktischer Ausrichtung auf das rechte Leben und die Ruhe.
A IV Zusammenfassend: Grundstrukturen der Einbettung der Zeiterörterung Augustins
Dem Verlauf der Confessiones folgend, kann der Tod des Jugendfreundes (IV,9) als paradigmatische Endlichkeitserfahrung herausgestellt werden, die Augustin über den Sinn des Lebens überhaupt, speziell aber über Endlichkeit und Zeit nachdenken lässt. Seine Sehnsucht nach dem philosophischen Leben tut ihr übriges, ihm die Problematik zeitlichen, veränderlichen Daseins vor Augen zuführen.
Unter theologischen Prämissen wird die Dringlichkeit der Thematik verschärft, in dem der Abstand zwischen dem ewigen Gott und dem zeitlichen Mensch virulent und ins Wort gebracht wird, was im Zuge der Confessiones als einer Betrachtung des Menschen geschieht. Augustin bindet seine Zeitbetrachtung deutlich in seine Erörterung der Schöpfung ein, nicht aber ohne die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen im Blick zu haben.
Aus philosophischem Blickwinkel reihen sich die Confessiones zum einen in die Bemühungen der Philosophie ein, dem Menschen den Weg zum Glück zu weisen; sie sind jedoch auch durch einen markanten und keinesfalls zu vernachlässigenden Bruch mit der philosophischen Tradition gekennzeichnet, wenn der Kirchenvater darauf insistiert, dass der Mensch das glückselige Leben nicht aus sich, sondern nur durch die Gnade Gottes erreichen kann und zwar in der eschatologischen Vollendung, wenngleich er diese vorher bruchstückhaft antizipieren mag.
Am deutlichsten dürfte in Buch XI dabei der Einfluss des Neuplatonismus, nicht zu unterschätzen aber auch der der Stoa sein, die Augustin bezüglich der ethischen Betrachtungsweise der Zeit nahe steht. Die Einwände der Skeptiker werden zwar ernst genommen, erweisen sich aber als nicht zielführend. Platon und Aristoteles sind präsent, wenn auch im Hintergrund. Die biblischen Bezüge Augustins erscheinen einerseits (mindestens auf die zeittheoretische Argumentation bezogen) eher rhetorisch, andererseits wird sich zeigen, dass sein Zeitverständnis dem biblischen letztlich nicht unähnlich ist.
Unter diesen Prämissen wird die Zeiterörterung Augustins im folgenden Teil B bedacht.
TEIL B Augustins Erörterung von Ewigkeit und Zeit in Buch XI der Confessiones
B I Zum Aufbau von Confessiones XI
Der Versuch in Confessiones XI eine Struktur aufzufinden, wird sich maßgeblich inhaltlich orientieren müssen, da eine explizite Strukturierung durch Augustin nicht erfolgt. Ein vielschichtiges Werk wie die Confessiones lässt verschiedene Gliederungen zu. Um den Gedankengang nachzuzeichnen, soll hier folgende Gliederung vorgenommen werden:
I. Zeit und Ewigkeit (1-16)
Einleitung (1-4)
Schöpfung, Zeit und Ewigkeit (5-16)
II. Sein und Wesen der Zeit (17-38)
Die dingliche Zeitauffassung (17-22)
Der Ort der Zeiten (23-28)
Zeit und Bewegung (29-32)
Zeit als Erstreckung des Geistes (33-38)
III. Rückkehr zur Ausgangsfrage und Schlussreflexion (39-41)[159]
Die Einteilung beruht auf den behandelten Themen und erkenntnisleitenden Fragen, die allerdings untereinander reich an Bezügen sind und sich auch überschneiden.
Der Zeittraktat ist gerahmt von der Fragestellung des Verhältnisses von Zeit und Ewigkeit und der Rückkehr zu diesen Themen in den letzten Abschnitten. Während die Zeiterörterung in ihren Argumentationsgängen nicht theologisch argumentiert, stehen Teil I und III deutlich unter der Vorstellung des jüdisch-christlichen Gottes- und v.a. Schöpfungsverständnisses. Teil II kann als eigenständige Abhandlung gelesen werden.[160] Es stellt sich aber dennoch die Frage, ob der Text adäquat erfasst werden kann, wenn er nicht gemäß der Intention des Autors in seiner literarischen Einbettung durch den Kontrast von Zeit und Ewigkeit gelesen[161] und mit der ihn umgebenden philosophischen Reflexion der Schöpfungsgeschichte – eines Eckpfeilers christlicher Lehre – in Verbindung gebracht wird.[162] Deswegen ist diese Arbeit bemüht, Buch XI in seinem Kontext und Erkenntniszusammenhang wahrzunehmen.
Augustin legt seine Vorgehensweise in XI,5 im Wunsch: audiam et intellegam dar. So entwickelt er seine Argumentation durchgehend in einer Verknüpfung von der Bitte darum, dass Gott ihm verstehen zukommen lässt (audiam) und im Bemühen um intellektuelle Durchdringung (intellegam) seiner Alltagserfahrung und der ihm bekannten philosophischen und theologischen Positionen zum Themenkomplex Zeit und Schöpfung.
Die folgende Thematisierung der Zeiterörterung verläuft weitgehend am Ablauf des Textes des Kirchenvaters orientiert. Eine schematische Gliederung um Begriffe oder einzelne inhaltliche Gesichtspunkte liefe Gefahr, den Charakter des Textes als Suchbewegung und Dialog zwischen Augustin und Gott sowie der Seele zu gering zu gewichten.
B II Confessiones XI: Zeit und Ewigkeit
B II.1 Ausgangsposition
Augustin beginnt Buch XI mit der bedrängenden Frage, ob der ewige Gott die endlichen Dinge und damit auch das bisher von Augustinus Vorgetragene überhaupt zur Kenntnis nimmt.[163] Eine negative Antwort würde die Confessiones, größtenteils Erzählung zeitlicher Ereignisse, ihres Sinnes berauben, denn zum einen wäre der Adressat an ihnen nicht interessiert, zum anderen gäbe es keinen Grund mehr, das Trachten und Sinnen Augustins und seiner Leser auf Gott zu lenken, wenn dieser ohne Beziehung zum Zeitlichen und zu den Zeitlichen wäre. Eine derartige Auffassung wird bei Platon (ablehnend) thematisiert, Aristoteles scheint ihr zumindest nahe zu stehen.[164] Aber schon dass Augustin sein Werk durch die Liebe zur Liebe Gottes angestoßen sieht[165] weist in eine andere Richtung, denn Liebe setzt Beziehung voraus.[166] Die Ewigkeit Gottes steht nicht zur Diskussion, sie ist Augustin sicher,[167] ebenso auch seine eigene Erfahrung der Zeitlichkeit der Welt.[168] Er fragt allerdings, ob Gottes Ewigkeit eine bloße Negation der Zeitlichkeit ist – die dann eine Beziehung zwischen Ewigem und Zeitlichem ausschließen würde – oder ob die Ewigkeit die Zeit überbietet und in der Lage ist, diese in sich aufzunehmen.[169]
Gewissermaßen zeigt sich schon an dieser sehr frühen Stelle des Buches XI die sich über weite Strecken durchhaltende Dialektik von Augustin einerseits sicher scheinendem Erfahrungswissen und andererseits den Anfragen der ratio, die diese an seine Überzeugungen stellt. Obwohl der Bischof von Hippo die Frage aufwirft, ob Gott sich überhaupt zum Zeitlichen in Beziehung setzt, bekennt[170] er diesem unmittelbar danach sein Elend und seine Hoffnung, von ihm beseligt zu werden.[171]
Bemerkenswert scheint darüber hinaus, dass die Beseligung (mindestens auch) ganz welt- und zeitzugewandte Folgen erbringen soll, was ein erstes Indiz dafür sein kann, dass Augustin Zeit und Zeitliches durchaus als etwas Bedeutungsvolles und Wichtiges ansieht.[172] In diese Richtung weist auch die Bemerkung über die kostbare Zeit,[173] die der Kirchenvater im Folgenden damit verbringen will über die Weisung Gottes nachzusinnen[174] und sein Wissen und Unwissen über diese Weisung zu bekennen.[175] Er erwartet aber offenbar erst eschatologisch ganz von Gott erleuchtet zu werden, was durch eine „beständige Kraft“ (a fortitudine) geschehen soll, die die infirmitas des Zeitlichen vertilgt.[176]
In diesem Zusammenhang erfahren wir auch, dass Augustin – durch Verpflichtungen als Bischof und bedeutender Theologe häufig gebunden – seine Zeit als knapp erlebte.[177] Diese, dem Menschen des 21.Jahrhunderts oft geläufige Situation, kann als Teil des praktischen Erkenntnishorizontes gesehen werden, vor dem der Heilige seine Zeiterörterung betreibt. Sie erhält zusätzliches Gewicht durch den Ansatz Augustins, der seine Reflexionen in der Regel bei Alltagserfahrungen beginnen lässt.
Das nun anstehende Unternehmen der Schriftauslegung leitet Augustinus mit einem längeren, an biblischen Wendungen reichen Gebet ein.[178] Die Exegese der hl.Schrift ist Augustinus ein dringendes Verlangen (desiderium), dass er nicht selbstsüchtig, sondern im Geist der c aritas fraterna durchführen möchte. Diese Mühe soll ein Opfer für Gott sein, doch Augustin kann es nur darbringen, wenn Gott es ihm zuvor aus Gnade schenkt.[179] Hier wird einiges von der Geisteshaltung Augustins bei der Abfassung der Bücher XI-XIII deutlich. Die vom Kirchenvater gelegentlich eingefügten längeren Gebete stehen im Zusammenhang seiner oben mit dem Zitat audiam et intellegam bezeichneten Vorgehensweise. Um hören zu können, was Gott ihm sagen will (andere Metapher: illuminatio), bedarf es immer wieder des Gebetes, das Ziel menschlichen Wahrheitssuchens kann sich nur von Gottes Seite her zeigen (die Suche antreten zu wollen steht jedoch in der Verantwortung des Menschen).[180] Argumentative Fortführungen des Bisherigen ereignen sich in den Gebeten in der Regel nicht, allerdings deuten sie oft einen gedanklichen Fortschritt an.[181]
Flasch betont allerdings, dass die Confessionen einen monologischen Charakter besitzen und die Gebetsform stilisiert ist.[182] Dem kann aber nur bedingt zugestimmt werden. Was den Gebetscharakter der einschlägigen Passagen betrifft[183] so ist nicht zu sehen, warum es sich nicht um tatsächlich als Gebet gemeinte Äußerungen Augustins handeln soll. Allerdings stellt sich daran anschließend die Frage, warum Augustinus dieselben in den Text der Confessiones eingefügt hat. Den Grund kann man darin sehen, dass die Confessionen sich an Gott richten und der Kirchenvater die Leser an dieser Intention teilhaben lassen will. So kann er ihnen auch auf diese Weise ein Beispiel anhand seiner eigenen Person geben.[184] Die argumentativen Teile monologisch zu qualifizieren ist soweit richtig, als das Augustin die Confessionen selbst konzipiert hat und die Gegenmeinungen dort zum Zuge kommen, wo er als Verfasser dies für angebracht hält.[185]
Das Zitat aus Ps 73,16[186] preist Gott als Herrn der wechselnden Zeit, was Augustin noch dahingehend präzisiert, dass Gott auch der ist, der den Wechsel der Zeiten steuert.[187] Ein Zeitverständnis, dass die Zeit rein auf das Subjekt reduziert, hat diese Passage gegen sich, da sie die Zeithaftigkeit des Geschaffenen als von der Ewigkeit gesetzt aussagt.[188]
Das Unterfangen der Schriftauslegung soll die gesamte Zeit der Schöpfung umfassen, von der Erschaffung der Welt bis zur himmlischen Stadt.[189] Dabei hat Augustin besonders das Staunenerregende im Blick.[190] Platon verstand das Staunen als Anfang der Philosophie.[191] Aus dieser Perspektive kann das Zeugnis der hl.Schrift als Staunenswertes zum Ausgangspunkt für die folgenden Reflexionen werden,[192] für die Augustinus die Hilfe Gottes erbittet, der in Jesus Christus auch die Wahrheit und Erkenntnis ist.[193]
Kurz bevor Augustinus mit der Schriftauslegung beginnt, thematisiert sein an Gott-Vater gerichtetes Gebet den „Mittler“ Jesus Christus. In diesem Kontext macht der Kirchenvater zwei bedeutsame Aussagen, die sein Verständnis Jesu Christi im konkreten Fragehorizont des Buches XI beleuchten können. Zum einen nennt er Jesus Christus (indem er ein Zitat aus Ps 79,18 auf ihn bezieht) Mittler zwischen Gott und den Menschen.[194] Auch wenn der Kontext der Aussage deutlich soteriologisch bestimmt ist, ergibt sich unter der Fragestellung der schon aufgebrochenen Zeit- und Ewigkeitsthematik, dass Jesus Christus damit auch als Mittler zwischen der göttlichen Ewigkeit und der menschlichen Zeitlichkeit gesehen wird.[195]
Ebenso wird Jesus Christus – das Wort Gottes – hier als das Ziel der Suche des Menschen gepriesen, durch das der Vater alles geschaffen hat.[196] Augustin verbindet hier die Suche nach dem Ziel des menschlichen Lebens (Jesus Christus) mit dem Schöpfungsakt, am Beginn von Zeit und Welt (ohne ein weiteres Wirken Gottes im Sinne der creatio continua auszuschließen, er sieht in Jesus Christus auch seinen eigenen Schöpfer). So verweist diese Stelle den Gott suchenden Menschen zum einen an die vom Schöpfer durch Jesus Christus geschaffene Welt,[197] zum anderen aber auch zurück an den Schöpfungsakt. Der Weg der Gottsuche ist für Augustin auch ein Weg der Rückkehr zu dem, der (Ur-)Grund der Zeit und Schöpfung ist, was damit auch seine Verschiedenheit von ihr aussagt.[198] Hinwendung zum Geschaffenen und dessen Übersteigen hin zum Schöpfer spielen hier zusammen. Der enge Zusammenhang zwischen der eher soteriologisch gefärbten Thematisierung der Mittlerschaft Christi und seiner Schöpfungsmittlerschaft zeigen zudem auf, dass beide Themenkomplexe in Jesus Christus zusammenfallen und aufeinander bezogen sind. Die Schöpfungslehre und die Erlösungslehre können nicht getrennt werden.
Die Schöpfung kommt zu diesem Zeitpunkt allerdings nur in logischer und realer Hinsicht in einem einseitigen Dependenzverhältnis als von Gott geschaffene zur Sprache.[199]
In diesem ersten Abschnitt von Confessiones XI ruft Augustin Gott als den Herrn der Zeit an, bittet ihn um Einsicht und vertraut sich seiner Autorität an. Er will in das Innere der hl.Schrift eindringen um ihre Weisheit und ihr Wissen zu erforschen,[200] um zu verstehen wie sich die Ewigkeit ganz von der Zeit unterscheiden, aber doch ihr Ursprung sein[201] und in ihr wirken kann.
II.2 Philosophische Ausdeutungen zu Gen 1,1
Augustin beginnt mit dem Zitat des Verses aus der Genesis[202], der Anlass der Reflexionen des Buches XI ist. Im Zusammenhang mit Mose, dem die Genesiserzählung zugeschrieben wurde, schließt der Kirchenvater einige erkenntnistheoretische Gedankengänge zur Erkenntnis der Wahrheit an.[203] Die Wahrheit – so Augustinus – spricht innen, im Menschen zu ihm.[204] Diese Wahrheit erscheint im Gegensatz zu durch Sprache vermittelten Inhalten unbedingt gewiss, bedarf aber offenbar als Bezugspunkt einer äußeren Kommunikation. Für die nötige Auslegung des Verses der hl.Schrift bittet Augustin wiederum um Einsicht, diesmal besonders, weil der Verfasser der Genesis (Mose) ihm seine Schrift nicht erklären kann und weil Augustinus befürchtet, seine Sünden könnten seine Erkenntnis beeinträchtigen.[205] Die Abwesenheit des Mose wird mit seiner Heimkehr zu Gott begründet,[206] das neuplatonische Exitus-Reditus-Schema klingt an, das – in der Form die Augustinus ihm gibt - ein leitendes Thema des Buches XI ist.[207] Die Befürchtung, die Augustin wegen der Folgen seiner Sünden hegt, zeigt, dass er davon ausgeht, dass Gott die Guten belohnt und die Bösen (z.B. durch die Verweigerung von Erkenntnissen) bestraft.[208] Schon in XI,3 wurde deutlich, dass guter Wille Voraussetzung für Erkenntnis ist.
Unter diesen Vorzeichen widmet sich der Kirchenvater der philosophischen Auslegung von Gen 1,1,[209] die bei aller philosophischen Stringenz unter theologischen Prämissen steht.[210] Hierbei geht es ihm besonders um das Heben der verborgenen Schätze des Bibeltextes und ihre rationale Durchdringung, auch und gerade anlässlich ihrer rationalen Kritik und Bestreitung.[211] Vor den Confessiones bedachte Augustinus das Schöpfungsthema bereits zweimal, in den Schriften De Genesi contra Manichaeos und De Genesi liber imperfectus.[212]
Die geschaffene Welt verweist auf ihren Schöpfer
Augustin wendet sich im weiteren Himmel und Erde zu, wie er sie vorfindet,[213] nämlich als sich ändernde und wandelbare.[214] So meint Augustinus vom so beschaffenen Himmel und der Erde den Ruf zu vernehmen, dass sie geschaffen sind. Ungeschaffenes nämlich enthält nichts was nicht schon immer war, es ändert und wandelt sich nicht.[215] Das Veränderliche muss einen Beginn haben, eine Ursache; und da keine Wirkung ihre eigene Ursache sein kann, bedarf die Schöpfung einer Ursache von außen, nämlich des Schöpfers. In der ausdrücklichen Aussage der Dinge, dass sie nicht waren, bevor sie geschaffen wurden, kann man die creatio ex nihilo ausgedrückt sehen,[216] wenngleich jede Art von Schöpfung einen Anfang markiert, der etwas neues hervorbringt, was vorher nicht war. Das das Nicht-Sein vor der Schöpfung aber eigens angesprochen wird, weist darauf hin, dass die creatio ex nihilo schon an dieser Stelle mindestens im Hintergrund gegeben ist, bevor sie in XI,7 deutlich hervortritt.
Dem Kirchenvater erscheint seine Argumentation an dieser Stelle als ipsa evidentia. Er geht aber noch weiter und postuliert, dass sein Gott, also der dreieinige christliche Gott, von den Geschöpfen als ihr Schöpfer ausgerufen wird und bedient sich im Folgenden des neuplatonischen Partizipationsschemas um das Verhältnis zwischen Gott und Schöpfung zu beschreiben.[217] Gott kommen dabei die jeweiligen Eigenschaften auf mit den Geschöpfen unvergleichbare Weise zu.[218] Der Text nährt sich Gott hier dialektisch zum einen auf der via affirmationis und der via negativa.[219] An dieser Stelle zeigt sich, wie Augustinus Philosophie und Theologie verknüpft. Er verwendet der Spätantike geläufige Vorstellungen, so das Geschaffen-Sein der Welt durch eine Gottheit, die analogia entis und die aus dem
(Neu-)Platonismus bekannte Partizipation des Endlichen am Sein der Gottheit[220] um diese – wenn nötig in abgewandelter Form[221] – auf den christlichen Gott zu beziehen. Er hat bei diesem Vorgehen allerdings ein Vorbild im Apostel Paulus, der im Römerbrief ebenfalls Gott aufgrund seiner Schöpfungswerke für mit der Vernunft erkennbar hält.[222] Mit dieser Reflexion ist für Augustinus klar, dass die Welt durch Gott geschaffen wurde, das Zeugnis der Offenbarung erscheint als philosophisch abgesichert. Im Weiteren lautet die Fragestellung, auf welche Weise Gott den Schöpfungsakt vollzogen hat.[223]
Der Vollzug des Schöpfungsaktes durch das verbum dei
Augustinus ist bemüht die Schöpfung der Welt durch Gott deutlich von anthropomorphen Assoziationen fern zu halten.[224] In der Beschreibung des Vollzugs einer menschlichen Tätigkeit in XI,7 (der Geist fasst ein Vorhaben und führt dieses durch die Sinne am Stoff aus, die dem Geist die Ausführung mitteilen, der diese der Bewertung durch die innere Wahrheit unterzieht) nimmt Augustin schon wesentliche Elemente des am Ende des (im engen Sinn verstandenen) Zeittraktats sich findenden Liedbeispiels vorweg. Hier wie dort zeigt sich eine im Grunde phänomenologische Zugangsweise.[225]
Gott jedoch hat nicht einem vorhandenen Stoff oder einer vorhandenen Materie eine Form gegeben, die fortan sein Sein bestimmt hätte (wie in der aristotelischen Anschauung des Hylemorphismus). Der Schöpfungsakt Gottes steht jenseits von Kategorien wie Stoff und Form. Während der Mensch in seinem Schaffen in jeder Hinsicht auf die Schöpfung Gottes angewiesen ist – bis hin zu seinen von Gott geschenkten Fähigkeiten – bringt Gottes Schaffen diese Dinge allererst hervor. Er erschafft aus nichts (creatio de nihilo) und es gibt auch keinen Ort[226] und kein Werkzeug der Schöpfung, denn diese Dinge gehören zum Geschaffenen. Gott hat vielmehr durch sein Wort geschaffen und der Grund der Schöpfung liegt in Gott selbst.[227] Der Schöpfungsakt vollzieht sich im Sprechen des Wortes.[228] Augustin sieht in Gott die Antwort auf die Frage nach dem Woher der Schöpfung, die Offenbarung ist ihm Antwort auf das Wie (durch das Sprechen des ewigen Wortes). Einen regressus ad infinitum schließt der Kirchenvater so zugunsten der creatio de nihilo aus.[229] Gottes Schöpfungswort ist das erste Zeitliche und dennoch vor allem Zeitlichen.[230]
Damit ist aber noch nicht die Weise geklärt, auf die Gott das existenzsetzende gleichewige Schöpfungswort spricht.[231] Augustinus verfolgt aber die von ihm eingeschlagene Argumentationsrichtung weiter, indem er in Anlehnung an Jesaja 40,8 auf die Ewigkeit des Wortes Gottes (Augustin meint damit Jesus Christus) verweist.[232] Im Kontrast dazu steht das zeitliche Wort menschlicher Sprache, bei dem es sich um eine Bewegung von Geschaffenem handelt.[233] Dieses vergängliche Wort stuft Augustinus weit unter dem es vernehmenden Geist ein, er bestreitet ihm aufgrund seiner Vergänglichkeit das Sein überhaupt.[234] Hierin liegt eine Parallele zur klassischen griechischen Philosophie, in der Sein im eigentlichen Sinn nur dem Unveränderlichem zukommt,[235] wie der Kirchenvater auch an anderer Stelle in den Confessiones ausdrücklich festhält.[236]
Das unvergängliche, im Inneren erklingende Wort Gottes hingegen steht – aufgrund seiner Ewigkeit und Unwandelbarkeit - über dem Geist, dem in dieser Konzeption offenbar eine Mittlerstellung zukommt. Hier scheint Augustin von Plotin beeinflusst, in dessen Philosophie sich in der Seele des Menschen (die nicht von der Weltseele getrennt werden kann) das Ewige und Zeitliche treffen.[237] Die näheren Auswirkungen der zweifachen Ausrichtung des Geistes – zur bleibenden Ewigkeit und zur vergänglichen Zeitlichkeit – wird Augustin in den Ausführungen, in denen er die Zeit direkt thematisiert, ansprechen.[238]
Augustin betont die Andersartigkeit des inneren und des äußeren Wortes.[239] Die Kontrastierung nimmt schon einen Großteil der späteren Problematik des Zeittraktates vorweg, da das zeitliche Wort als durch Klingen und Verklingen (Anfang und Ende) geprägt, der Veränderung unterliegend und somit flüchtig erscheint. Diese Prädikationen werden in der Zeiterörterung wieder begegnen.
Wiederum ist der magister interior die entscheidende Instanz der Wahrheitssuche für Augustin, er stellt den fundamentalen Unterschied zwischen zeitlichem und ewigem Wort fest. Damit der einsichtige Geist diese Aufgabe erfüllen kann, muss er sein inneres Ohr auf das ewige Wort Gottes ausrichten.[240] Wessen Geist also nicht auf das Ewige, das ist das Göttliche, ausgerichtet ist, ist nach Augustinus nicht der Einsicht fähig, es ist notwendig sich auf sein geistiges Inneres zu konzentrieren.[241] Einsicht ist für ihn mit dem Vernehmen des göttlichen Wortes im Menschen verbunden und dieses ewige, im inneren des Menschen „erklingende“ Wort ist dem Bischof von Hippo zu Folge auch das Wort, mit dem die Schöpfung „gesprochen“ (also geschaffen) wurde.
Bisher konnte also gesichert werden, dass Gott die Welt aus dem Nichts durch das zeitlose Sprechen seines Wortes erschaffen hat und ihr Anteil an seinem Sein gibt. Das kann der Mensch durch den Verweis über die geschaffenen Dinge in seinem auf das ewige, innere Wort ausgerichteten Geist erkennen. Seine Erkenntnis belegt ihm, dass das ewige Wort zeit- und ortlos in der Ewigkeit gesprochen wurde, da sowohl Zeit als auch Ort erst durch das Wort geschaffen wurden.[242] Augustin versteht die ganze Schöpfung vom Wort, also Jesus Christus, her.[243] Festgehalten werden muss darüber hinaus, dass es der Hinwendung des Geistes zu Gott bedarf, um das zeitliche und ewige Wort richtig einzustufen, was für Augustin an dieser Stelle heißt, das ewige Wort dem Zeitlichen überzuordnen.[244]
[...]
[1] Vgl. Pannenberg 1962, 52.
[2] Vgl. Mühling 2005, 168-169.
[3] A.a.O. 168f.
[4] Heidegger (1924), 10.
[5] Einem breiten Publikum werden Fragen aus dem Bereich der Zeitthematik durch die bekannte TV-Serie „Star Trek“ nahe gebracht. Der Horizont der – wenn auch implizit - anvisierten Problemstellungen reicht vom Verhältnis der Zeit (und des Raumes) zum Denken (Folge: Der Reisende), über die Frage der Folgen einer möglichen Kontrolle von Raum und Zeit (was mit Gott-Sein assoziiert wird, Folge: Rikers Versuchung – man beachte den religiösen Terminus) bis hin zu den Gefahren (und Vorzügen) von durch Menschen erschaffener Welten und Zeiten und wiederum der Frage nach dem Verhältnis von menschlicher Existenz, menschlichem Geist und Welt.
[6] Vgl. Augustinus, Confessiones, XI,1,1.
[7] Vgl. Freyer 1993, 470f.
[8] Vgl. Pfingstsequenz „veni sancte spiritus“, der durchgehend die Gaben, das Licht und das Wehen des Geistes für das zeitliche Leben erbittet, das im Erblicken des exitus salutis vollendet werden und zum gaudium perennis geführt werden soll.
[9] Vgl. Freyer 1993, 461.
[10] A.a.O. 466f.
[11] Ich beschränke mich auf Confessiones XI, es geht also nicht um „die“ Zeittheorie der Schriften Augustins in ihren Wandlungen, was Bezugnahmen aber nicht ausschließt.
[12] Fischer 1987, 152.
[13] Fischer 2000, XVI.
[14] Augustinus, Confessiones, iii,10. Wird im weiteren ohne Verfasser- und Werkangabe, nur nach dem Muster „Römische Zahl – Komma - Arabische Zahl“ zitiert, handelt es sich um einen Verweis auf die Bekenntnisse Augustins unter Angabe des Buches und des jeweiligen Paragraphen. Die Kapiteleinteilung wird – in Anlehnung an Fischer 2000 – nicht benutzt, die die kleinräumigere Paragrapheneinteilung zweckmäßiger erscheint.
[15] Fischer 2000, XVIII.
[16] Vgl. IV,8-14.
[17] Die Motivation philosophischen Fragens durch eine Todeserfahrung erinnert an die Bedeutung des Todes des Sokrates für Platon, vgl. fischer 1987, 153.
[18] Fischer 2000, XX.
[19] Vgl. IX,24.
[20] Fischer 2000, XXI.
[21] A.a.O. XXII.
[22] A.a.O. XXIII.
[23] Brachtendorf 2005, 11.
[24] Fischer 1991, 91. Vgl. hierzu I,1.
[25] Der erste Halbsatz findet sich bei Plotin in En I,6,8-9.
[26] S.o., vgl. IV,8-14, Fischer 1987, 20.
[27] Geerlings 2002, 148.
[28] Fischer 1987, 9.
[29] Geerlings 2002, 148f.
[30] Fischer 1987,22.
[31] Fischer 1987, 309.
[32] A.a.O., 310.
[33] Vgl. XIII,50.
[34] A.a.O., 150.
[35] A.a.O., 151.
[36] A.a.O., 162.
[37] V.a. in IV,8, aber auch Monnica, Adeodatus und Nebridius starben vor Augustin.
[38] Vgl. I,1: homo circumferens mortalitatem suam.
[39] Fischer 1991, 102f.
[40] A.a.O. 109.
[41] Vgl. De libero arbitrio 1. Die Freiheit des Willens erlaubt es, den guten Willen hervorzubringen. Dieser kann nicht entrissen werden, vgl. fischer 1991, 102f.
[42] Geerlings 2002, 153.
[43] Fischer 1991, 109.
[44] Fischer 1991, 112.
[45] A.a.O. 113.
[46] Fischer 1987, 20.
[47] A.a.O., 159.
[48] A.a.O., 164.
[49] A.a.O., 171, vgl. Heideggers Sicht der Ganzheit des Daseins im Tod.
[50] Vgl. XI,28, Fischer 1987, 309.
[51] Vgl. XI,1.
[52] Vgl. Fischer 1987, 314-316.
[53] Vgl. Mayer 2003, 124.
[54] Vgl. Feldmann 1998/2004, 31. Literarisch deutet besonders der Gebrauch von Schriftzitaten in diese Richtung, vgl. Kienzler 1998, 235.
[55] Vgl. Mayer 2003, 125.
[56] Vgl. Fischer 2000, XXVII.
[57] Vgl. Haeffner 1988, 570.
[58] Vgl. Mayer 2003,125; Vgl. auch Retractationes 2,6,1: Die Confessiones sollen Gott loben und Geist und Sinn des Menschen auf Gott hin lenken, vgl. Fischer 2000, XXIX.
[59] Vgl. Mayer 2003, 125f. Augustin selbst teilt die Confessiones in den Retractationes (II,6) in zwei Teile: Die Bücher I-X, die von ihm selbst handeln und die Bücher XI-XIII, die von der hl.Schrift handeln, vgl. Brachtendorf 2005, 11.
[60] Vgl. Brachtendorf 2005, 13.
[61] Vgl. Feldmann 1998/2004, 36.
[62] Vgl. Brachtendorf 2005, 13-15.
[63] A.a.O., 15f.
[64] XI,3.
[65] Vgl. Haeffner 1988, 569.
[66] Hier vor allem verstanden als Epikureismus, Stoa und Neue Akademie.
[67] Vgl. Brachtendorf 2005, 17-19.
[68] A.a.O., 20-23.
[69] Vgl. II,27.
[70] A.a.O., 24.
[71] Vgl. Feldmann 1998/2004, 11.
[72] Vgl. Brachtendorf 2005, 29f.
[73] A.a.O., 29-31.
[74] Vgl. Brachtendorf 2005, 33-37.
[75] Insofern kann man Kienzler 1998, 274, zustimmen, wenn er die Neuplatoniker bezüglich des Schöpfungsthemas als für Augustin nicht sehr hilfreich hält.
[76] Vgl. Brachtendorf 2005, 37-39.
[77] A.a.O., 290-292.
[78] A.a.O., 296.
[79] Vgl. Feldmann 1998/2004, 37.
[80] Vgl. Brachtendorf 2005, 302f.
[81] Vgl. Schulte-Klöcker 2006, 9.
[82] Vgl. XIII,6; Schwienhorst-schönberger, 182. Augustin deutet die Schöpfung trinitarisch.
[83] Vgl. Schulte-Klöcker 2006, 10.
[84] A.a.O., 11.
[85] Vgl. Fischer 2000, XXXVII.
[86] Vgl. Flasch 1993, 91.
[87] Ebd.
[88] Vgl. Fischer 1998/2004, 506.
[89] Inquietum est cor nostrum, donec resquiescat in te, X,1.
[90] Sabbato vitae aeternae requiescamus in te. Etiam tunc enim sic requiescas in nobis, XIII 51/52.
[91] Vgl. Fischer 1998/2004, 501.
[92] A.a.O., 507.
[93] Vgl. XI,1.
[94] Vgl. Schulte-klöcker 2006, 17.
[95] Vgl. Kienzler 1998, 249; XI,3.
[96] Vgl. Schwienhorst-Schönberger 2006, 178.
[97] A.a.O., 179.
[98] Vgl. Kienzler 1998, 242.
[99] A.a.O., 240.
[100] A.a.O., 238f.
[101] A.a.O., 248.
[102] Vgl. Brachtendorf 2005, 237.
[103] Vgl. Fischer 1998/2004, 493.
[104] Vgl. Flasch 1993, 293.
[105] Vgl. Kienzler 1998, 247.
[106] Vgl. Flasch 1993, 86.
[107] A.a.O., 294.
[108] Vgl. Fischer 1998/2004, 507.
[109] Vgl. Fischer 2000, LIXf.
[110] Vgl. X,40.
[111] Vgl. Fischer 2000, LXI.
[112] Vgl. XI,1; Fischer 1998/2004, 502.
[113] Die Terminologie ist vielfältig. Sie reicht von mAy, das einen Zeitpunkt (Tag ), auch den Zeitpunkt eines besonderen Eingreifens Jahwes (Neh 8,9) und den „Tag des Herrn“ (z.B. Ez 13,5) bezeichnen kann, über das v.a. im priesterlichen Schrifttum auftretende j[;m., das die die geschichtlichen Taten Jahwes bezeugenden Festtage näher bestimmt bis hin zu mliii;[o, das für die Zeitüberlegenheit Jahwes steht und die Bedeutung von sehr alt, vorzeitlich, immerwährend hat. t[e wird in der LXX mit kairÒj übersetzt und bezeichnet oft den von Gott bestimmten Zeitpunkt, kann aber auch eine Zeitspanne bezeichnen, vgl. Cho 2000, 11-18.
[114] Vgl. Jackelen 2002, 88, führt an: Ps 76,5; Dtn 33,15; Ps 89,37f.
[115] Vgl. den Festtagskalender, der, ursprünglich agrarischer Natur, immer mehr der Vergegenwärtigung der Heilstaten Gottes dient, vgl. jackelen 2002, 90.
[116] Besonders deutlich in Gen 8/9, wo der Jahwist den Neuanfang als zyklische Verheißung darstellt (Gen 8,22), während die Priesterschrift das historische Ereignis (Bundesschluss/Regenbogen) herausstellt (Gen 9,1-17). Die hier exemplarisch aufgeführte Quellenlage legt nahe, dass das lineare Zeitverständnis sich aus dem zyklischen entwickelte, vgl. jackelen 2002, 93-95.
[117] Cho 2000, 18.
[118] Vgl. Jackelen 2002, 97-99.
[119] Mk 1,15; Gal 4,4.
[120] Auch die Verwendung der Begriffe variiert. Aièn kann im Sinn von Ewigkeit verwendet werden (vgl. 1.Petr 1,25), bezeichnet aber auch Epochen der Heilsgeschichte (1.Kor 10,11). Der Zeitpunkt, gerade auch als Zeitpunkt der Glaubensentscheidung ist der kairÒj, der mit dem Kommen Jesu angebrochen ist (Mk 1,15; Röm 5,11). Mehr abstrakt wird crÒnoj verwendet, eine strikte terminologische Trennung zwischen kairÒj und crÒnoj findet aber nicht statt. Besonders im johanneischen Schrifttum bezeichnet éra die Fixierung christologischer Heilsereignisse (Joh 5,25; 12,23 u.a.), vgl. Cho 2000, 19-29.
[121] Vgl. Jackelen 2002, 109-110; Joh 5,24.
[122] Vgl. Röm 6,3f.
[123] Vgl. Jackelen 2002, 110-112.
[124] A.a.O., 112-113.
[125] Hier sollen nur kurz zur Darstellung des denkerischen Hintergrundes, auf dem Augustin aufbaut, einige Positionen nach Otto 1960 angeführt werden.
[126] A.a.O., 74.
[127] A.a.O., 75f.
[128] A.a.O., 76-79.
[129] A.a.O., 82-84.
[130] A.a.O., 84.
[131] Vgl. Otto 1960, 88-89.
[132] Vgl. XI,29-31.
[133] E„kë d epenÒei kinhtÒn tina a„înoj poiÁsai, Platon, Timaios, 37d.
[134] Vgl. Platon, Timaios, 37d.
[135] A.a.O., 38a.
[136] Vgl. Flasch 1993, 113 - 115.
[137] Toàto g£r ™stin Ð crÒnoj, ¢riqmÕj kin»sewj kat¦ prÒteron kaˆ Ûsteron, Aristoteles, physik, 219b 2.
[138] Vgl. Aristoteles, Physik, 219b 17-18.
[139] A.a.O., 218b 33f; die Zeit umfasst auch die Ruhe, vgl. A.a.O., 221B 16f.
[140] A.a.O., 218B 18.
[141] Vgl. Brachtendorf 2005, 253. Heidegger 1930, 3, sieht die Bedeutung der aristotelischen Abhandlung vor allem darin, dass diese die alltägliche Zeiterfahrung einer phänomenologischen Interpretation unterzieht und begrifflich durchdringt.
[142] Vgl. Aristoteles, Physik, 219a8: crÒnoj oÙ doke‹ sugke‹sqei ™k tîn merîn; Aristoteles, Physik, 219a6: nàn oÙ mšroj. Vgl. Fischer 2000, 89.
[143] Vgl. Beierwaltes 1967, 9.
[144] Vgl. Plotin, Enneade VII,3, 34-38, Vgl. Beierwaltes 1967, 42.
[145] Vgl. Plotin, Enneade VII,3, 11,18, Vgl. Beierwaltes 1967, 63.
[146] Vgl. Plotin, Enneade VII, 3, 12,3.
[147] YucÁj ™n kin»sei metabatikÍ ™x ¥llou e„j ¥llon b…on zw», Plotin, enneade VII, 3, 11,44.
[148] Vgl. Beierwaltes 1967, 70.
[149] Vgl. Plotin, Enneade IV,8,1,1, Vgl. Beierwaltes 1967, 76.
[150] Vor allem in XI,17-33.
[151] Vgl. Flasch 1993, 127-130.
[152] In tria tempora vita dividitur; quod fuit, quod est, quod futurum est. Ex his quod agimus breve est, quod acturi sumus dubium, quod egimus certum. seneca, de brevitate vitae X,2.
[153] Vgl. Seneca, De brevitate vitae VIII,1.
[154] A.a.O. II,2; vgl. Flasch 1993, 150.
[155] A.a.O. XI,2.
[156] A.a.O. X,5.
[157] A.a.O. VII,9.
[158] Wenngleich diese auch wesentlich Gedanken der klassischen griechischen Philosophie transportierten und weiterführten.
[159] Vgl. Fischer 2000, LIII-LV (dort sind allerdings die Schlussabschnitte etwas anders geordnet) und Brachtendorf 2005, 257.
[160] Vgl. Flasch 1993, 78; Weiss 1984, 18.
[161] Vgl. Corti 2006, 31.
[162] Vgl. Kienzler 1998, 287.
[163] Vgl. XI,1, Übersetzung vgl. Fischer 2000, 3.
[164] Hierzu vgl. Fischer 2000, 61f.
[165] Vgl. XI,1; II,1; 1.Joh 4,19.
[166] Die Frage wird in XIII,52 endgültig positiv beantwortet, obwohl Gott der Welt unbedürftig ist, vgl. XIII,5.
[167] Vgl. VIII,1: de vita tua aeterna certus sum.
[168] Vgl. XI,17.
[169] Vgl. Fischer 2000, 62.
[170] Die vielfältigen Weisen, in denen Augustinus in den Bekenntnissen das Wort confiteri verwendet, kann hier nicht näher behandelt werden. An dieser Stelle beinhaltet confiteri aber sowohl den Sinn einer confessio miserae und confessio fidei, vgl. Fischer 2000,62.
[171] Zu beachten ist das Passiv: beatificemur, das implizit auf die gnadentheologischen Auffassungen Augustins verweist, vgl. Fischer 2000, 65.
[172] Vgl. die an die Bergpredigt, besonders Mt 5,3-9, angelehnte Aufzählung in XI,1. die Bergpredigt wird im Gebet XI,4 erneut aufgenommen (dort Mt 6,33).
[173] XI,2: caro mihi valent stillae temporum.
[174] Vgl. Psalm 1.
[175] Bekennen hier als confessio scientiae et confessio imperitiae, vgl. Fischer 2000, 66.
[176] Vgl. Fischer 2000, 67.
[177] Vgl. XI,2 (Schluss).
[178] Vgl. XI,3. Gott wird im Fortgang des Gebets als sich um den Menschen sorgend, dennoch aber als sorgenfrei (securus curam) bezeichnet. Dies wie Fischer 2000, 68, mit der Prägung des Menschen durch die Sorge bei Heidegger in Verbindung zu bringen erscheint allerdings – da die Bemerkung eher beiläufig fällt und an sich gar nicht vom Menschen spricht – wohl etwas gewollt. Nach Meijering 1979, 11, handelt es sich bei der Erwähnung der Sorglosigkeit Gottes um eine antiepikureische Spitze.
[179] Vgl. XI,3.
[180] Vgl. X,37; vgl. Fischer 2000,67.
[181] Vgl. Haeffner 1988, 571.
[182] Vgl. Flasch 1993,200.
[183] Vgl. XI,3-4; XI,11.
[184] Es versteht sich, dass bei einem Gebet immer nur die menschliche Seite der Kommunikation mit Gott im eigentlichen Sinn ins Wort gebracht werden kann. Formal kann die Verschriftlichung eines Gebetes also nur „monologisch“ sein.
[185] Ob man dieses Vorgehen – trotz des Eingehens auf die Gegenpositionen und Probleme – als monologisch zu bezeichnen hat, kann dahingestellt bleiben.
[186] Tuus est dies et tua est nox, vgl. XI,3.
[187] Ad nutum tuum momenta transvolant, vgl. A.a.O.
[188] Vgl. Fischer 2000, 68f; Schulte-Klöcker 2006, 13.
[189] XI,3: Considerem … ab usque principio, in quo fecisti caelum et terram, usque ad regnum tecum perpetuum sanctae civitatis tuae. Ob Augustin tatsächlich – wie Flasch 1993, 86, annimmt hier eine Exegese der gesamten Bibel anstrebt, bleibt offen. Die beiden angesprochenen Punkte (Schöpfung und Vollendung) werden in XI und XIII thematisiert.
[190] XI,3: mirabilia de lege tua, vgl. Ps 118,18.
[191] Hierzu: Fischer 2000, 70.
[192] Vgl. V,1.
[193] Vgl. Joh 1,9 und Kol 2,3.
[194] … per dominum nostrum Iesum Christum filium tuum …, quem confirmasti tibi mediatorem tuum et nostrum, XI,4.
[195] Wie es auch die Lehre von den zwei Naturen Christi, die in ihm zu einer einzigen Hypostase vereinigt sind, nahe legen kann.
[196] Ut quaeremus te, verbum tuum, per quod fecisti omnia, in quibus et me, unicum tuum, XI,4. Gloy 1988, 76, merkt an, dass allein die Schöpfung einer zeitlichen Welt Gott noch nicht das Prädikat der Ewigkeit verleiht.
[197] Deren Schönheit aber – gemäß dem Zitat aus Mt 6,33 in XI,4 – aufgrund ihrer Vergänglichkeit ein abgeleiteter Wert ist, vgl. Fischer 2000, 72. Das Augustin die Welt in XI,4 - wie Flasch 1993, 215 vertritt - einseitig negativ als Welt des Truges und der diesem erliegenden libido wertet, erscheint angesichts der ebenfalls in XI,4 thematisierten Schöpfereigenschaft Gottes und der Schöpfung durch das Wort Gottes fraglich.
[198] Vgl. Kreuzer 1995, 119.
[199] Vgl. Gloy 1988, 75.
[200] Vgl. Fischer 1998/2004, 509f.
[201] Vgl. Kreuzer 1995, 120.
[202] Das programmatische audiam et intellegem (XI,5) wurde bereits oben behandelt.
[203] Unde scirem, an verum diceret ?, XI,5.
[204] Intus … mihi, intus in domicilio cogitationis, XI,5; ähnlich mag.41: intus est discipulus veritatis,
zitiert nach Fischer 2000, 74.
[205] Vgl. XI,5.
[206] Transiit hinc a te ad te, XI,5.
[207] Vgl. Fischer 2000, 74.
[208] Ebd.
[209] Flasch 1993, 208, betont mit Recht, dass der durch Verbindung der augustinischen Zeittheorie mit der Genesisauslegung bestehende Weltbezug der Zeit nicht einer zugunsten einer existenzialistischen Deutung zurückgestellt werden darf. Schwienhorst-schönberger 2006, 176, weist darauf hin, dass Augustin Gen 1,1 nicht wie die heutige Exegese als Überschrift, sondern als ersten Schöpfungsakt versteht.
[210] Vgl. Schulte-Klöcker 2006, 12.
[211] Vgl. Flasch 1993, 84.
[212] Vgl. Kienzler 1998, 275.
[213] Ecce sunt caelum et terra, XI,6.
[214] Mutantur atque variantur, XI,6.
[215] XI,6.
[216] Vgl. Fischer 2000, 75.
[217] Die platonische Teilhabe der zeitlichen Dinge durch ihre Zeitlichkeit an der Ewigkeit fehlt allerdings, was Augustins Auffassung des Kontrastes zwischen Zeit und Ewigkeit entspricht, vgl. Flasch 1993, 213.
[218] Nec ita pulchra sunt nec ita bona sunt nec ita sunt, sicut tu conditor eorum, quo comparato nec pulchra sunt nec bona sunt nec sunt, XI,6. Das das Verursachte in seinem Wesen geringer ist als die Ursache war eine in der antiken Philosophie gängige Annahme, vgl. Meijering 1979, 23.
[219] Vgl. Fischer, 75.
[220] Vgl. Platon, Politeia, 505a-509b, vgl. Fischer 2000,75.
[221] So sieht der Neuplatonismus die Partizipation des Endlichen durch die Emanation begründet, die Augustin jedoch durch die gemäß der christlichen Offenbarung und der altkirchlichen Theologie verstandene Schöpfung ersetzt.
[222] Röm 1,20.
[223] Vgl. XI,7.
[224] Vgl. Schulte-Klöcker 2006,13.
[225] Vgl. Fischer 2000, 76. Anders hingegen Flasch 1993, 317, der die Zeiterfahrung durch Augustin aufgrund dessen Ewigkeitsverständnisses beurteilt und konzeptionalisiert sieht.
[226] Vgl. X,37.
[227] Nach Fischer 2000, 77, ist im letzterem eine Referenz an Platon, Politeia 509b zu sehen. Platon sieht das Sein des Erkennbaren im Guten gegründet, dass selbst transzendent bleibt.
[228] Vgl. Joh 1,3.
[229] Vgl. Fischer 2000, 77.
[230] Vgl. Gloy 1988, 81.
[231] Vgl. Schulte-Klöcker 2006,11.
[232] Verbum autem dei … manet in aeternum, XI,8.
[233] Das gilt auch, wenn Gott sich zeitlicher Worte bedient (vgl. Mt 3,17), da dies für sie konstitutiv ist.
[234] Fischer 2000, 78, macht mit Recht darauf aufmerksam, dass der Text an dieser Stelle noch die Suchbewegung aufzeigt, nicht die endgültige Antwort. Fischers dort geäußerte Kritik an Flasch, 1993, 319, ist insofern nicht falsch, als Flasch dort XI,8 wie das Ergebnis der Erörterung Augustins behandelt (und damit ihren Ort in der Einleitung des Zeittraktates nicht berücksichtigt), allerdings ist Flasch zuzustimmen, wenn er im Text eine Höherwertigkeit der Ewigkeit in Bezug auf die Zeitlichkeit gegeben sieht, die auch in der späteren Zeitabhandlung nicht einfach verschwindet.
[235] Vgl. Flasch 1993, 226.
[236] Id enim vere est, quod incommutabiliter manet, VII,17.
[237] Vgl. Beierwaltes, 1967, 52.
[238] Dort wird auch eine über das bisher gesagte hinausgehende Begründung der Überordnung der Ewigkeit über die Zeit geliefert, die gewissermaßen Zielpunkt der Führung des Lesers durch Augustin ist, vgl. XI,39.
[239] Aliud est longe, longe aliud est, XI,8.
[240] Cuius auris interior posita est ad aeternum verbum tuum, XI,8.
[241] Vgl. Flasch 1993, 213.
[242] Diese Feststellung wird im Weiteren noch im Zusammenhang der Beantwortung des manichäisch geprägten Einwands aus XI,12 virulent.
[243] Vgl. Kienzler 1998, 276.
[244] Eine gewisse Prävalenz der Ewigkeit gegenüber der Zeit verbindet Augustin mit der antiken Philosophie, vgl. Flasch 1993, 226.
- Citar trabajo
- Karsten Junk (Autor), 2006, Das Zeitverständnis des hl. Augustinus im XI. Buch der Confessiones und Aspekte seiner theologisch-philosophischen Rezeption im 20. Jahrhundert, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69802
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