Die deutsche Handelsflotte erfährt seit Jahren einen ungemindert starken Wachstumsschub und ist derzeit die drittgrößte Flotte der Welt. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) erreichte die Handelsflotte im August 2006 einen neuen Höchststand: Die insgesamt 380 deutschen Schifffahrtsgesellschaften bereederten 2.945 Handelsschiffe mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von 56,1 Mio. (2006, S.1). Neben einem rasanten Anstieg des weltweiten Gütertauschs und günstigen Marktbedingung in der deutschen Seeschifffahrt, wurde die Entwicklung der Handelsflotte maßgeblich durch die staatlichen Förderungsmaßnahmen begünstigt, die Ende der 90er Jahre neu definiert wurden.
Mit der Neubestimmung der Schifffahrtspolitik im Jahr 1997 vollzog die Bundesregierung eine notwendige Anpassung wesentlicher Standortbedingungen an internationale Wettbewerbsstandards. Zwar hat die Neuausrichtung der Schifffahrtspolitik einen positiven Beitrag zur Entwicklung der deutschen Seeschifffahrt geleistet, der internationale Wettbewerbsdruck auf den Schifffahrtsstandort Deutschland und auf die deutsche Handelsflotte ist jedoch nach wie vor erheblich. Dabei wirken sich günstige steuerliche Rahmenbedingungen und Schiffsbetriebskostenvorteile im Ausland intensivierend auf den Wettbewerb aus und stellen daher zwei wesentliche Faktoren für die Ausflaggung deutscher Handelsschiffe dar. Bereits in den 80er Jahren hatte eine Zunahme der Ausflaggung deutscher Schiffe in „Billig-Flaggen-Länder“ zu einer Krise in der deutschen Seeschifffahrt geführt, die mit den damaligen Förderungsmaßnahmen nicht gelöst werden konnte und notwendigerweise eine Reformierung der deutschen Schifffahrtspolitik erforderte.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aktueller Entwicklungsstand der deutschen Handelsflotte
2.1 Begriff der deutschen Handelsflotte
2.2 Aktueller Entwicklungsstand
3. Hintergründe der staatlichen Förderungsmaßnahmen
3.1 Problematik der Ausflaggung in den 80er Jahren
3.2 Ökonomische Aspekte der Ausflaggung
3.3 Entwicklung der schifffahrtspolitischen Zielsetzungen
4. Ausgestaltung der Förderungsmaßnahmen
4.1 Ansatzpunkte der staatlichen Förderung
4.2 Die Tonnagesteuer und der Lohnsteuereinbehalt
4.3 Das internationale Seeschifffahrtsregister
4.4 Erfolg der Förderungsmaßnahmen
5. Fazit und Ausblick
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Übersicht der deutschen Handelsflotte 2006
Abb. 2: Schiffstypen der deutschen Handelsflotte
Abb. 3: Handelsschiffe deutscher Schifffahrtsgesellschaften, 1988 - 2006
Abb. 4: Die größten Containerschiffsflotten nach Reedereisitz
Abb. 5: Handelsschiffe in Disposition deutscher Reedereien, 1980 bis 1990
Abb. 6: Deutsches Bordpersonal auf Handelsschiffen in deutschen Registern
Abb. 7: Beispiel zur Berechnung der Tonnagesteuer
Abb. 8: Handelsschiffsbestand in Disposition deutscher Reeder, 1999 - 2006
Abb. 9: Landbeschäftigte in deutschen Schifffahrtsgesellschaften, 1999 - 2005
1. Einleitung
Die deutsche Handelsflotte erfährt seit Jahren einen ungemindert starken Wachstumsschub und ist derzeit die drittgrößte Flotte der Welt. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) erreichte die Handelsflotte im August 2006 einen neuen Höchststand: Die insgesamt 380 deutschen Schifffahrtsgesellschaften bereederten 2.945 Handelsschiffe mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von 56,1 Mio. (2006, S.1). Neben einem rasanten Anstieg des weltweiten Gütertauschs und günstigen Marktbedingung in der deutschen Seeschifffahrt, wurde die Entwicklung der Handelsflotte maßgeblich durch die staatlichen Förderungsmaßnahmen begünstigt, die Ende der 90er Jahre neu definiert wurden. Mit der Neubestimmung der Schifffahrtspolitik im Jahr 1997 vollzog die Bundesregierung eine notwendige Anpassung wesentlicher Standortbedingungen an internationale Wettbewerbsstandards. Zwar hat die Neuausrichtung der Schifffahrtspolitik einen positiven Beitrag zur Entwicklung der deutschen Seeschifffahrt geleistet, der internationale Wettbewerbsdruck auf den Schifffahrtsstandort Deutschland und auf die deutsche Handelsflotte ist jedoch nach wie vor erheblich. Dabei wirken sich günstige steuerliche Rahmenbedingungen und Schiffsbetriebskostenvorteile im Ausland intensivierend auf den Wettbewerb aus und stellen daher zwei wesentliche Faktoren für die Ausflaggung deutscher Handelsschiffe dar. Bereits in den 80er Jahren hatte eine Zunahme der Ausflaggung deutscher Schiffe in „Billig-Flaggen-Länder“ zu einer Krise in der deutschen Seeschifffahrt geführt, die mit den damaligen Förderungsmaßnahmen nicht gelöst werden konnte und notwendigerweise eine Reformierung der deutschen Schifffahrtspolitik erforderte.
Im Verlauf dieser Arbeit soll daher eine Darstellung der aktuellen Förderungsmaßnahmen erfolgen und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der deutschen Handelsflotte erörtert werden. Dabei sollen auch die Hintergründe der staatlichen Förderungspolitik dargestellt werden. Im zweiten Abschnitt dieser Arbeit werden zunächst der Begriff und die aktuelle Entwicklung der deutschen Handelsflotte expliziert. Im dritten Kapitel erfolgt dann ein Bezug auf die Hintergründe der staatlichen Förderungsmaßnahmen, in dem die Problematik der Ausflaggung in den 80er Jahren, die ökonomischen Auswirkungen, sowie die Entwicklung der schifffahrtspolitischen Zielsetzungen, betrachtet werden. Im Verlauf des vierten Abschnitts sollen sowohl die einzelnen Aspekte der aktuellen Förderungspolitik als auch ihre wesentlichen Kernelemente dargestellt werden. Eine ausführlichere Betrachtung wird anschließend dem Erfolg der staatlichen Förderungsmaßnahmen gewidmet. Im Fazit werden die Ergebnisse der vorherigen Abschnitte zusammengefasst und zur Bewertung der staatlichen Förderungsmaßnahmen, in Bezug auf die aktuelle Entwicklung der deutschen Handelsflotte, herangezogen. Abschließend erfolgt ein kurzer Ausblick.
2. Aktueller Entwicklungsstand der deutschen Handelsflotte
Die Entwicklung der deutschen Handelsflotte erreichte in den 80er Jahren einen Tiefpunkt, der auch mit einem Rückgang des Gesamtbestandes der deutschen Handelsflotte verbunden war. Diese Entwicklung nahm im Mitte der 90er Jahre eine deutliche Kehrwende. Seit Jahresbeginn 2000 ist die deutsche Handelsflotte jahresdurchschnittlich um rund 16 Prozent gewachsen. Im internationalen Vergleich ist das die höchste Wachstumsrate. Diese positive Entwicklung der deutschen Handelsflotte soll folgend, nach einer begrifflichen Darstellung, näher betrachtet werden.
2.1 Begriff der deutschen Handelsflotte
Laut Artikel 27 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland bilden alle deutschen „Kauffahrteischiffe“ eine einheitliche Handelsflotte. „Kauffahrteischiffe“ sind Schiffe, die erwerbwirtschaftliche Zwecke in der Seeschifffahrt zum Güter- und Personentransport eingesetzt werden (Bunde 1991, S. 6). Die deutsche Handelsflotte kann in drei Gruppen von Schiffsarten abgegrenzt werden: Trockenfrachtschiffe (z.B. Massengutfrachter, Ro/Ro- und Containerschiffe), Tankschiffe (z.B. Mineralöl- und Gastanker) und Schiffe zur Personenbeförderung (z.B. Fähren). In dem Segment der größten Schiffe, Öltanker und Massengutfrachter, sind deutsche Reedereien und Schifffahrtsgesellschaften nur in geringer Zahl (44 Schiffe unter deutscher Flagge, 265 Schiffe unter fremder Flagge) vertreten. Den größten Anteil in der deutschen Handelsflotte haben Trockenfrachtschiffe (447 Schiffe unter deutscher Flagge, 1.849 Schiffe unter fremder Flagge), insbesondere Containerschiffe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Übersicht der deutschen Handelsflotte 2006
Quelle: Eigene Darstellung nach Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie 2006
Insgesamt betrachtet haben Containerschiffe einen Flottenanteil von rund 87 Prozent der Schiffe unter deutscher Flagge. Die Bruttoraumzahl der Containerflotte erreicht derzeit ein Tonnagevolumen von 11,5 Mio. Im Vergleich zur Tankschiffsflotte unter deutscher Flagge, mit einem Tonnagevolumen von 502.000 BRZ, erreicht die Containerflotte die höchste Kapazität. Containerschiffe bilden daher nicht nur den größten, sondern auch den wichtigsten Teil der deutschen Handelsflotte, wie es die folgende Grafik darstellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Schiffstypen der deutschen Handelsflotte
Quelle: Verband Deutscher Reeder, Jahresbericht 2005
Anhand dieser grafischen Darstellung wird auch deutlich, dass die Bereederung der Handelschiffe in verschiedenen Formen erfolgt. An dem Beispiel der Containerschiffe zeigt die Grafik, dass der überwiegende Anteil der Schiffe unter ausländischer Flagge fährt. Die Flotte deutscher Reederein setzt aus insgesamt drei Segmenten zusammen, die vom deutschen Standort aus bereedert werden. Zum ersten Sektor zählen Schiffe, die in deutschen Seeschiffsregistern eingetragen sind und unter deutscher Flagge fahren. Ein Großteil der Schiffe ist in internationalen Gewässern eingesetzt und daher zusätzlich im Internationalen Seeschifffahrtsregister (ISR) eingetragen. Das zweite Segment umfasst Schiffe, die in deutschen Seeschiffsregistern eingetragen sind und mit Genehmigung der Bundesregierung befristet auf ein bis zwei Jahre eine ausländische Flagge führen (Bareboat-Charter). Die befristete Ausflaggung bedeutet, dass ein Schiff im deutschen Register verbleibt und zusätzlich in das Register eines ausländischen Flaggenstaates eingetragen wird (Dualregistration). Den dritten Sektor bilden Schiffe, die in ausländischen Seeschiffsregistern eingetragen sind und eine ausländische Flagge führen.
2.2 Aktueller Entwicklungsstand
Die Handelsflotte der Bundesrepublik Deutschland zählt weltweit zu den Größten und liegt nach Griechenland und Japan in der Weltrangliste derzeit auf dem dritten Platz. Im März 2006 wurde die historische Marke von 50 Mio. BRZ überschritten (Nöll 2006, S.2). Die von deutschen Reedereien kontrollierte Handelsflotte umfasste im ersten Quartal 2006 rund 2.945 Schiffe mit einer BRZ von rund 56 Mio. Im Vorjahresquartal zählten 2.647 Schiffe zur deutschen Handelsflotte mit einer Tonnage von rund 43 Mio. BRZ. An der weltweiten Seetransportkapazität von 41.110 Handelsschiffen waren deutsche Reedereien im Jahr 2006 mit 6,9 Prozent und einem Transporttonnageanteil von 7 Prozent beteiligt. Unter deutscher Flagge fährt jedoch ein Flottenanteil von nur 1,4 Prozent (Flottenkommando 2006, S. 50).
Betrachtet man nun das Wachstum der Handelsflotte nach den drei Sektoren, so hat die Zahl der unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe im Jahr 2006 einen Höchststand erreicht. Insgesamt waren 582 Handelsschiffe unter deutscher Flagge registriert, die Tonnage erreichte einen neuen Höchststand von 11,1 BRZ. Im zweiten Segment fuhren
2.109 Handelschiffe mit befristeter Auslandsflagge. Im dritten Sektor fuhren 254 Schiffe in ausländischen Registern. Dieses Verhältnis zeigt, dass der größte Anteil der Handelsflotte unter ausländischer Flagge fährt. Im Vergleich zu den anderen Flottensegmenten sind im Bareboat-Charter die höchsten Wachstumsraten nach Schiffsbestand seit 2000 zu verzeichnen. Hier erhöhte sich die Anzahl der Handelschiffe bis 2006 um 1.228 Registrierungen. Die Tonnage erhöhte sich in diesem Zeitraum um 29,8 Mio. BRZ (VDR 2006, S.1).
Betrachtet man die Entwicklung des Verhältnisses vom ersten Sektor zum zweiten und dritten Sektor, so zeigt sich, dass der Anteil der Handelsschiffe unter deutscher Flagge deutlich geringer ist und vergleichsweise geringere Wachstumsraten verzeichnet. Seit Anfang der 90er Jahre ist der Flottenanteil der unter ausländischer Flagge fahrenden Schiffe auf rund 79 Prozent gestiegen. Im Jahr 1998 entsprach dieser Anteil noch 64,8 Prozent (Flottenkommando 2006, S. 47).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Handelsschiffe deutscher Schifffahrtsgesellschaften, 1988 - 2006
Quelle: Eigene Darstellung nach Verband Deutscher Reeder, Daten der deutschen Seeschifffahrt 2006
Im Gegensatz zu anderen Flaggenstaaten, bilden Containerschiffe den größten Anteil der deutschen Handelsflotte. Mit einem Anteil von 33 Prozent an der weltweiten Containerschiffsflotte sind die deutschen Reedereien derzeit führend. Danach folgen Japan mit 8,1 Prozent der Kapazität und Dänemark mit 6,7 Prozent (Hamburger Abendblatt, 2006, S. 1). Im Jahr 2006 waren insgesamt 1.157 Containerschiffe im Besitz deutscher Reedereien und Schifffahrtsgesellschaften. Danach folgen Japan mit 235 Schiffen und Dänemark mit 142 Schiffen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Die größten Containerschiffsflotten nach Reedereisitz
Quelle: Eigene Darstellung nach Flottenkommando, Fakten und Zahlen 2006
Im Vergleich nach Flaggenstaaten liegt Deutschland mit derzeit 266 Schiffen hinter Panama mit 636 Schiffen und Liberia mit 425 (VDR 2006, S. 4). Diese Verteilung ist darauf zurückzuführen, dass der Großteil der Containerflotte (890 Schiffe) von deutschen Reedereien unter ausländischer Flagge geführt wird. Unter den weltgrößten Containerreedereien ist die Hapag-Lloyd Container Linie mit 127 Schiffen derzeit an vierter Stelle. Die Reederei Hamburg Süd ist mit aktuell 73 Containerschiffen auf dem 15. Platz in der Weltrangliste (Flottenkommando 2006, S. 36).
3. Hintergründe der staatlichen Förderungsmaßnahmen
Mit der Neuausrichtung der deutschen Schifffahrtspolitik nahm die Entwicklung der deutschen Handelsflotte Ende der 90er Jahre eine positive Wende. Hintergrund der schiffspolitischen Neubestimmung war die Ausflaggungskrise in der deutschen Seeschifffahrt Mitte der 80er Jahre. Die Ausflaggung deutscher Schiffe und der zunehmende globale Wettbewerbdruck auf die deutsche Seeschifffahrt waren wesentliche Faktoren für die negative Standortentwicklung in Deutschland und stellten die bisherigen Zielvorstellungen der deutschen Schifffahrtspolitik zunehmend in Frage. In den folgenden drei Abschnitten sollen die Hintergründe und Zielvorstellungen der deutschen Seeschifffahrtspolitik dargestellt werden, die für die Ausgestaltung der aktuellen Förderungspolitik von grundlegender Bedeutung waren.
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- Citation du texte
- Felix Bellinger (Auteur), 2006, Staatliche Förderungsmaßnahmen der deutschen Handelsflotte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69475
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