Rousseau verfasste
neben seinem Erziehungsroman ´´Emile oder über die Erziehung´´, das er verschiedentlich als sein eigentliches Hauptwerk bezeichnet hat, zahlreiche weitere Werke, welche alle das stringente Prinzip eint, dass die Natur den Menschen glücklich und gut, die Gesellschaft ihn jedoch verdirbt und schlecht macht. Im ´´Emile´´ wird entgegen der Gattungsbezogenheit nun individuell gezeigt, wie der Mensch von seiner ursprünglichen Güte durch persönliche Widerstände - die erziehungsbedingtes Ergebnis der Wechselwirkung von Individuum und Gesellschaft sind – zur Lasterhaftigkeit übergeht. In Anlehnung hieran möchte ich aus dem Blickwinkel der Erziehung Rousseaus gesellschaftskritisches Werk betrachten und dabei der Frage nachgehen, ob und inwiefern es durch Erziehung möglich ist, individueller Entfremdung zu entgehen und gesellschaftlichem Verfall entgegenzuwirken.
Zu Anfang werde ich die Schlüsselbegriffe ´´individuelle Selbstentfremdung´´ und ´´gesellschaftlicher Verfall´´ in ihrem Kontext erläutern und daran anknüpfend auf die Ausführungen zum Natur- und Gesellschaftsbegriff eingehen. Anschließend möchte ich auf die These der Vervollkommnungsfähigkeit zu sprechen kommen, welcher, anlehnend an den Naturbegriff als Grundlage Rousseaus positiver Anthropologie, nun innerhalb meines Argumentationsstranges eine außerordentliche Relevanz zukommt in Bezug auf Legitimation und Notwendigkeit von Erziehung. Mittel zum Zweck scheint dabei die Moralität, was ich darauf aufbauend erläutern möchte. Des Weiteren soll die Korrelation derselben zur Religiosität verdeutlicht, sowie die Ausrichtung Rousseaus eudämonistisch begründeter Ethiktheorie an Freiheit und Glück betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
3. Theorie der Vervollkommnungsfähigkeit
4. Moralbegriff
5. Erziehung
6. Glück und Freiheit
7. Religion
8. Resümee
9. Kritische Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In Anlehnung an die Vorlesung ´´Theorien zur Kindheit´´ möchte ich mich im Rahmen meiner Hausarbeit mit der Thematik Rousseau beschäftigen.
Dieser verfasste neben seinem Erziehungsroman ´´Emile oder über die Erziehung´´, das er verschiedentlich als sein eigentliches Hauptwerk bezeichnet hat, zahlreiche weitere Werke, welche alle das stringente Prinzip eint, dass die Natur den Menschen glücklich und gut, die Gesellschaft ihn jedoch verdirbt und schlecht macht. Im ´´Emile´´ wird entgegen der Gattungsbezogenheit nun individuell gezeigt, wie der Mensch von seiner ursprünglichen Güte durch persönliche Widerstände - die erziehungsbedingtes Ergebnis der Wechselwirkung von Individuum und Gesellschaft sind – zur Lasterhaftigkeit übergeht. In Anlehnung hieran möchte ich aus dem Blickwinkel der Erziehung Rousseaus gesellschaftskritisches Werk betrachten und dabei der Frage nachgehen, ob und inwiefern es durch Erziehung möglich ist, individueller Entfremdung zu entgehen und gesellschaftlichem Verfall entgegenzuwirken.
Zu Anfang scheint es mir wichtig die Schlüsselbegriffe ´´individuelle Selbstentfremdung´´ und ´´gesellschaftlicher Verfall´´ in ihrem Kontext zu erläutern und daran anknüpfend auf die Ausführungen zum Natur- und Gesellschaftsbegriff einzugehen. Anschließend möchte ich auf die These der Vervollkommnungsfähigkeit zu sprechen kommen, welcher, anlehnend an den Naturbegriff als Grundlage Rousseaus positiver Anthropologie, nun innerhalb meines Argumentationsstranges eine außerordentliche Relevanz zukommt in Bezug auf Legitimation und Notwendigkeit von Erziehung. Mittel zum Zweck scheint dabei die Moralität, was ich darauf aufbauend erläutern möchte. Des Weiteren soll die Korrelation derselben zur Religiosität verdeutlicht, sowie die Ausrichtung Rousseaus eudämonistisch begründeter Ethiktheorie an Freiheit und Glück betrachtet werden.
Die Quelle meiner Hausarbeit stellt zuallererst Rousseaus Erziehungsroman ´´Emile´´ selbst dar; daneben beziehe ich mich weiterhin auf diverse Fachliteratur 2. und 3. Ordnung.
Im Rahmen meiner Recherche zur Quellen- und Fachliteratur schien es aufgrund der Literaturvielfalt nötig zu differenzieren, eine Vorauswahl zu treffen und diese dann anschließend sequentiell zu analysieren. Dabei war augenmerklich, dass die Ausgangslektüre scheinbar ein breites Interpretationsspektrum besitzt und somit auch meine Thematik aus differenten Perspektiven beleuchtete, welche es wiederum zu beurteilen galt.
2. Natur- und Gesellschaftsbegriff
Zu Anfang scheint es mir sinnvoll die Rousseausche Bedeutung von individueller Entfremdung und gesellschaftlichem Verfall zu betrachten und dabei auf dessen Gesellschaftskritik, als auch auf den Naturbegriff einzugehen, welcher wiederum Grundlage des ersteren darstellt.
Die Basis der Argumentation bildet wie bereits erwähnt die These von der ursprünglichen Güte des Menschen, welche gattungsbezogen, im Gegensatz zum konkreten Säuglingszustand, lediglich ein fiktiver Begriff darstellt und Rousseau als heuristische Maßstabsgröße dient, um so von einem harmonischen Ausgangspunkt die Fragwürdigkeit des gesellschaftlichen Fortschritts klarer erscheinen zu lassen. Denn ´´alles, was aus den Händen des Schöpfers kommt, ist gut; alles entartet unter den Händen des Menschen (...)´´1
In diesem Naturzustand ruht der Mensch als friedliche Menschennatur in einem vormoralischen Zustand homöostatisch in sich selbst, wird gefühlsmäßig bestimmt durch die Selbstliebe sowie des Mitleids und bedarf ausschließlich der natürlichen Bedürfnisbefriedigung.
Individuelle Entfremdung bedeutet insofern, den jedem Wesen eigenen, harmonischen Seinszustand der wahren Natur zu verlassen, preiszugeben, für ein lasterhaftes, illusorisches Leben im Glanz der äußeren Fassade.
Gesellschaftlicher Verfall ist dabei in seiner phylogenetischen Form fassbar und verbunden mit Attributen der Äußerlichkeit, der Lasterhaftigkeit und nach Rousseau mit sittlicher Dekadenz verknüpft, womit die gekünstelte Zivilisation seiner Zeit, die verlogenen Verhältnisse der Rokokogesellschaft, sowie die Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit der Aufklärungszeit kritisiert werden. Die Vorstellung von gesellschaftlichem Verfall steht daher in Resonanz zur vermeintlichen Fortschrittlichkeit der Zeit und deutet nach Rousseau somit auf einen moralischen Verfall und eine daraus resultierende Unfreiheit im Handeln.
´´Je mehr Licht über unserem Gesichtskreise aufging, desto mehr entfernte sich die Tugend.´´2
Diese prinzipielle Antithese Rousseaus von Natur und gesellschaftlicher Entartung ist jedoch keine kategorische, insofern, als sie nicht unausweichliches Schicksal eines Lebens in Gesellschaft darstellt, ´´denn entarten kann nur das, was bereits eine Art besitzt, nicht aber, was erst seine Art gewinnen soll´´3, womit ich dann auf die ursprüngliche Anlage des Menschen zur Vervollkommnung zu sprechen kommen möchte, die eine entscheidende Rolle spielt im Hinblick auf die Entfremdung.
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1 Rousseau, J.-J. (2001): Emile oder über die Erziehung. 13. Auflage. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, S.9.
2 Bockow, Joerg (1984): Erziehung zur Sittlichkeit. Frankfurt am Main: Verlag Peter Lang, S.42.
3 Rang, Martin (1965): Rousseaus Lehre vom Menschen. Göttingen: Vandenhoeck/Ruprecht, S.136.
- Quote paper
- Bettina Nicole Dorscheid (Author), 2004, Erziehung als Mittel gegen Selbstentfremdung und gesellschaftlichen Verfall? In Anlehnung an Rousseau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69425
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