Verfolgt man auf einer Landkarte den Verlauf des Rheins von der Quelle bis zur Mündung stößt man, kurz bevor der Fluss das deutsche Staatsgebiet verlässt, auf einen kleinen Punkt namens „Elten“. Seine Bewohner sind stolz auf die mehr als 1000-jährige Geschichte ihres Ortes, die es vor allem dem 83 Meter hohen „Eltenberg“ zu verdanken hat. Auf dieser Erhebung, die einen malerischen aber auch strategisch wichtigen Blick über das Rheintal ermöglicht, standen seit dem 10. Jahrhundert eine Grafenburg, eine Abtei und ein Kloster. Betrachtet man den heutigen deutsch-niederländischen Grenzverlauf an dieser Stelle, erscheint das Gebiet rund um Elten, beinahe wie der abgespreizte Daumen einer flachen Hand. Am 23. April 1949, einem sonnigen Frühlingssamstag - vier Jahre nach den Schrecken des zweiten Weltkrieges und nur einen Monat vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland - amputierten die Niederlande im Zuge der so genannten „Grenzkorrektur“ diesen Daumen vom deutschen Staatsgebiet. Etwas weniger martialisch ausgedrückt: Auf Grundlage der Verhandlungen mit den Alliierten von 1948/49 wurde es dem niederländischen Königreich gestattet, sein Staatsgebiet um insgesamt 69 km² ehemals deutschen Bodens zu vergrößern, darunter auch die Gemeinde Elten mitsamt seinen ca. 3200 Einwohnern. Obwohl die Grenzkorrekturen eigentlich nur einen vorläufigen Charakter hatten, dauerte es 14 Jahre bis das Dorf und seine Bewohner wieder in deutsches Hoheitsgebiet zurückkehrten.
Unter dem Schutz der „Koninklijke Marechaussee“ zog ein großer Tross niederländischer Beamte in den Dorfkern ein und übernahm die Verwaltung des Grenzortes. Aus der „Gemeinde Elten“ wurde das „Drostamt Elten“. Deutsche Briefkästen wurden gegen niederländische ausgetauscht und am Bahnhof fertigten Beamte der „Nederslandse Spoorwegen“ die Züge ab. Sogar die Straßenschilder wurden umgehend ersetzt: Die „Bergstraße“ hieß somit „Bergstraat“. Binnen weniger Wochen war Elten nach außen hin sichtbar zu einem neuen Stück Niederlande geworden. Allerdings existierten auch Bereiche, in denen die „Niederlandisierung“ nicht so schnell voranschritt: So wurde in der katholischen Kirche weiterhin von deutschen Geistlichen in deutscher Sprache gepredigt und in der Volksschule weiterhin von deutschen Lehrkräften nach deutschen Lehrplänen unterrichtet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Makrohistorischer Kontext
2.1. Niederländische Annexionsforderungen
2.2. Vollzug der Grenzkorrekturen trotz öffentlicher Kritik
2.3. Verhandlungen um die Rückgabe
3. Elten zwischen zwei Grenzen
3.1. Der 23. April 1949 - „Als wir bei Holland kamen “
3.2. Politisches Leben in Elten
3.2.1. Eine außergewöhnliche Konstruktion - Das „Drostamt“ Elten
3.2.2. Landdrost Dr. Adriaan Blaauboer - Ein pragmatischer Diktator?
3.2.3. Secretaris Henk Welling und die Verwaltung - im Dienste des Bürgers?
3.2.4. Die „Commissie van Advies“ - Sprachrohr der Bevölkerung?
3.2.5. Wie die „Maiglöckchen“ für Ordnung sorgten
3.3. Wirtschaftsleben
3.3.1. Der Fremdenverkehr - eine „Goldgrube“
3.3.2. Gut Leben an der Grenze? - Die Entwicklung von Handel und Handwerk
3.3.3. Das „Sorgenkind“ Landwirtschaft
3.3.4. Der pendelnde Arbeiter und die ökonomische Lage der Bevölkerung
3.4. Dorfleben
3.4.1. Platzmangel - Die Wohnraumproblematik
3.4.2. Die Volksschule - Ein „deutscher“ Eckpfeiler
3.4.3. Die Katholische Kirche - ein zweiter deutscher Pfeiler?
3.4.4. Eingeschränkte Mobilität - Der Grenzverkehr
3.4.5. Vereine und Feste - Feiern ohne Grenzen
3.5. Der 1. August 1963 - „Die Butternacht“
4. Elten 1946-1963 - Ein Stimmungsbild
4.1. November 1946 bis April 1949 - Angst und Ungewissheit regieren
4.2. April 1949 bis Mitte der 50er Jahre - Die Lage entspannt sich
4.3. Mitte der 50er Jahre bis 1963 - Ein Stimmungswandel?
5. Schlussfolgerungen
6. Verzeichnis der interviewten Zeitzeugen
7. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Verfolgt man auf einer Landkarte den Verlauf des Rheins von der Quelle bis zur Mündung stößt man, kurz bevor der Fluss das deutsche Staatsgebiet verlässt, auf einen kleinen Punkt namens „Elten“. Seine Bewohner sind stolz auf die mehr als 1000-jährige Geschichte ihres Ortes, die es vor allem dem 83 Meter hohen „Eltenberg“ zu verdanken hat. Auf dieser Erhebung, die einen malerischen aber auch strategisch wichtigen Blick über das Rheintal ermöglicht, standen seit dem 10. Jahrhundert eine Grafenburg, eine Abtei und ein Kloster. Betrachtet man den heutigen deutsch-niederländischen Grenzverlauf an dieser Stelle, erscheint das Gebiet rund um Elten, beinahe wie der abgespreizte Daumen einer flachen Hand. Am 23. April 1949, einem sonnigen Frühlingssamstag - vier Jahre nach den Schrecken des zweiten Weltkrieges und nur einen Monat vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland - amputierten die Niederlande im Zuge der so genannten „Grenzkorrektur“ diesen Daumen vom deutschen Staatsgebiet. Etwas weniger martialisch ausgedrückt: Auf Grundlage der Verhandlungen mit den Alliierten von 1948/49 wurde es dem niederländischen Königreich gestattet, sein Staatsgebiet um insgesamt 69 km² ehemals deutschen Bodens zu vergrößern, darunter auch die Gemeinde Elten mitsamt seinen ca. 3200 Einwohnern. Obwohl die Grenzkorrekturen eigentlich nur einen vorläufigen Charakter hatten, dauerte es 14 Jahre bis das Dorf und seine Bewohner wieder in deutsches Hoheitsgebiet zurückkehrten.
Unter dem Schutz der „Koninklijke Marechaussee“ zog ein großer Tross niederländischer Beamte in den Dorfkern ein und übernahm die Verwaltung des Grenzortes. Aus der „Gemeinde Elten“ wurde das „Drostamt Elten“. Deutsche Briefkästen wurden gegen niederländische ausgetauscht und am Bahnhof fertigten Beamte der „Nederslandse Spoorwegen“ die Züge ab. Sogar die Straßenschilder wurden umgehend ersetzt: Die „Bergstraße“ hieß somit „Bergstraat“. Binnen weniger Wochen war Elten nach außen hin sichtbar zu einem neuen Stück Niederlande geworden. Allerdings existierten auch Bereiche, in denen die „Niederlandisierung“ nicht so schnell voranschritt: So wurde in der katholischen Kirche weiterhin von deutschen Geistlichen in deutscher Sprache gepredigt und in der Volksschule weiterhin von deutschen Lehrkräften nach deutschen Lehrplänen unterrichtet. Diese Ambivalenz spiegelte sich auch in den neuen Pässen wieder, die die Einwohner Eltens innerhalb weniger Tage erhielten: Sie sollten künftig zwar „als Nederlander behandeld“ werden, aber trotzdem ihre deutsche Nationalität behalten. 14 Jahre lang spielte sich das Leben der Eltener also „zwischen zwei Grenzen“ ab. 14 Jahre, die den Ort und den Alltag seiner Bewohner tief greifend verändert haben. Wie und in welcher Form sich die Grenzkorrekturen auf das Leben in Elten auswirkten, steht im Fokus der vorliegenden Arbeit.
Dass es sich bei den Grenzkorrekturen um ein ganz besonderes historisches Kapitel handelt, zeigt die umfangreiche wissenschaftliche Bearbeitung der makrohistorischen Ebene.
Der Entstehung der Annexionspläne bzw. der politisch-gesellschaftlichen Debatte auf niederländischer Seite widmen sich u.a. Meliocher D. Bogaarts, in seiner Analyse der Amtsperiode des kabinett-Beel1, und Simone van der Steen in ihrer Arbeit mit dem Titel „Het echec van groots opgezette annexatieplannen“2. Aus deutscher Perspektive geben u.a. Klaus Pabst in seiner Arbeit „14 Jahre holländisch“3 und Wolfgang Woelk in mehreren Aufsätzen4 einen guten Überblick auf die Grenzkorrekturen. Eine präzise Analyse der Verhandlungen zwischen Deutschland und den Niederlanden in der zweiten Hälfte der 50er Jahre, in denen auch die niederländisch verwalteten Gebiete eine wichtige Rolle einnahmen, liefert Peter Helmberger in seinem Aufsatz „Ein Versuch der Generalbereinigung“5. Wenn man sich den deutsch-niederländischen Beziehungen zwischen 1945 und 1963 auf makrohistorischer Ebene nähern will, sind die Arbeiten von Friso Wielenga6 und Horst Lademacher7 unentbehrlich.
Ganz im Gegensatz zur makrohistorischen ist die mikrohistorische Ebene der Grenzkorrekturen in Elten in der bisherigen Forschung der deutsch-niederländischen Beziehungen nach dem zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeachtet geblieben. Sie ist für den Gesamtzusammenhang des Sachverhaltes aber sehr wesentlich. Für den Bereich der ebenfalls unter niederländischer Verwaltung stehenden Gemeinde Tüddern (Selfkant) existiert solch eine historische Aufarbeitung bereits. Simon Hopf hat sich 2002 in einer Magister-Examensarbeit an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn mit dem Titel „Alltag zwischen Mark und Gulden“ diesem Thema gewidmet.8 Auf Grund vieler struktureller Unterschiedlichkeiten zwischen den beiden betroffenen Gebieten lassen sich die Ergebnisse allerdings nur sehr begrenzt auf Elten übertragen. Eine hilfreichere Quelle bietet hingegen eine Examensarbeit der „Vakgroep Nieuwste Geschiedenis“ der Katholieke Universiteit Nijmegen aus dem Jahr 1997. Unter dem Titel „Elten, een grensgeval“ hat Edwin Zweers die niederländische Politik in Sachen Elten zwischen 1949 und 1963 überprüft.9 Er zeichnet in seiner Arbeit allerdings ein zu harmonisches und zu stark verallgemeinerndes Bild der Situation in Elten. Eine weitere interessante Quelle ist außerdem das Heimatbuch „Elten - Die letzten hundert Jahre“ des Verschönerungsvereins Elten10. Auf Grund der Zielsetzung und des Adressatenkreises bleibt eine fundierte wissenschaftliche Analyse zwar aus, aber das Werk bietet einen reichhaltigen Fundus an Abbildungen, die eine Einarbeitung in die Thematik zweifelsohne erleichtern.
Ansonsten existieren zwar Versuche, die mikrohistorischen Entwicklungen und die Empfindungen der Betroffenen wissenschaftlich zu erfassen, sie verbleiben aber allesamt auf einer zu allgemeinen Ebene. So klingt ein Zeitschriftenaufsatz von Wolfgang Woelk mit dem sperrigen Titel „Die niederländischen Grenzkorrekturen 1949-1963 in der Politik des Landes Nordrhein-Westfalen und in ihrer Wirkung auf die Bevölkerung der Auftragsverwaltungsgebiete“ zwar äußerst ambitioniert, er belässt es in seiner Analyse jedoch bei einer kurzen und zu abstrakten Darstellung des Sachverhaltes.11 Reinhold Schneider weist in einem kurzen Essay von 1992 auf ein Projekt hin, das sich zum Ziel gesetzt hatte, die Reaktionen der von den Grenzkorrekturen betroffenen Bevölkerungen zumindest im Zeitraum zwischen 1945 und 1949 zu untersuchen.12 Ergebnisse dieses Projektes sind aber offensichtlich nicht publiziert worden. Die kurze Auflistung des Forschungsstandes im Bezug auf die Grenzkorrektur in Elten zeigt, dass ein Bedürfnis nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung sicherlich besteht, aber bisher nicht existiert. Die vorliegende Arbeit soll diese Lücke schließen.
Im Mittelpunkt der Analyse sollen der Alltag der Eltener Bevölkerung in der Zeit der niederländischen Auftragsverwaltung stehen und die Frage danach, welche Veränderungen sich durch die Grenzkorrektur für das dörfliche Zusammenleben ergeben haben. Fragt man allerdings nach Veränderungen, muss man auch die „Nicht-Veränderungen“, sprich Konstanten, im Blick haben. Welche gesellschaftlichen Bereiche blieben also trotz der „Niederlandisierung“ Eltens nahezu unberührt? Ausgehend vom 23. April, dem Tag der Grenzkorrektur, soll so eine Entwicklungslinie des dörflichen Zusammenlebens skizziert werden. An welchen Punkten traten Probleme auf? Wo funktionierte das Zusammenleben? An die Darstellung einer solchen Entwicklung muss sich konsequenterweise eine zweite Fragestellung anschließen: Wie haben sich die Bewohner mit der veränderten Situation arrangiert bzw. wie hat sich die Stimmungslage gegenüber den niederländischen Verwaltern im Laufe der Zeit entwickelt? Auch auf diese nicht ganz einfache Frage wird in der vorliegenden Untersuchung eine Antwort entwickelt.
Zur Beantwortung der Fragestellungen war zunächst einmal die Vergegenwärtigung der makrohistorischen Zusammenhänge wichtig, die die Grundlage für das Prozedere der Grenzkorrekturen bildeten. Um sich der speziellen Situation der Bevölkerung in Elten zu nähern, kam auf Grund des Mangels an Sekundärliteratur nur eine differenzierte Analyse von Primärquellen in Frage. Ein reichhaltiges Potential an Briefen, Aktenvermerken oder Protokollen, die einen Rückschluss auf den Alltag der Eltener in der „niederländischen“ Zeit zuließen, bietet vor allem das Archiv der ehemaligen niederländischen Verwaltung in Elten, das heute zum größten Teil im Stadtarchiv Emmerich untergebracht ist. Auch die Bestände des ehemaligen „Grenzlandreferats“ in der Düsseldorfer Staatskanzlei, die im Landesarchiv NRW lagern, geben wertvolle Informationen über die Zustände im Eltener Raum zwischen 1949 und 1963. Diese Einrichtung stellte eine wichtige Schnittstelle zwischen Teilen der Eltener Bevölkerung und allen politisch relevanten Ebenen der Bundesrepublik Deutschland (Auswärtiges Amt, Landesregierung NRW, Regierungsbezirk Düsseldorf, Landkreis Rees) dar. Verständlicherweise vermitteln diese Archivalien insbesondere eine „deutsche Sichtweise“ auf die Grenzkorrekturen. Bei einer bedächtigen Analyse liefern sie trotzdem wertvolle Informationen über die Situation im Grenzdorf. Auf Grund des geringen quantitativen Umfangs sind Quellen aus dem Archiv des ehemaligen Landkreises Rees, zu dem die Gemeinde Elten vor und nach der niederländischen Periode gehörte, nur in sehr begrenztem Maße in den Text eingeflossen. Sicherlich könnte die Hinzuziehung von Quellen niederländischer Archive eine Bereicherung an bestimmten Punkten darstellen. Dies war auf Grund des zeitlichen und textlichen Umfangs einer Magisterarbeit jedoch nicht zu leisten. Insgesamt kann die Quellenlage als sehr umfangreich charakterisiert werden, allerdings schwankt der qualitative und quantitative Umfang je nach Themenbereich. Die hermeneutische Analyse von Textquellen bot somit die entscheidende methodische Grundlage für diese Arbeit.
Allerdings wäre es verfehlt gewesen, diese Arbeit allein auf Archivquellen zu stützen. Gerade wenn die Erfassung von Emotionen ein Forschungsziel ist, ist es unerlässlich auch Aussagen und Stellungnahmen von Zeitzeugen in die Analyse mit einzubeziehen. Insgesamt sind im Rahmen dieser Arbeit 13 Zeitzeugen interviewt worden, die die Grenzkorrektur und ihre Folgen aus unterschiedlichen persönlichen Lebensumständen wahrgenommen haben (s. Verzeichnis der Zeitzeugen, S.116). Das Ergebnis der Verschriftlichung waren mehr als hundert Seiten, die nicht nur in quantitativer Hinsicht eine gute Forschungsbasis darstellten. Bei der anschließenden Auswertung der biographischen Interviews ist berücksichtigt worden, dass es sich bei den Schilderungen zwangsläufig um subjektive Wahrnehmungen und Empfindungen handelt. Mit den Interviews wird also keine Verallgemeinerung angestrebt. Das Material beansprucht in den meisten Fällen lediglich den „Status der Illustration“13. Die schriftlich wiedergegebenen Zitate orientieren sich möglichst nah an den Originalaussagen aus den Interviews. So bleibt ein Höchstmaß an Authentizität und Individualität jedes einzelnen Zeitzeugen bewahrt. Leider kann auf Grund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit nur ein sehr kleiner Teil der Zeitzeugengespräche Berücksichtigung finden.
Um den Grad der Illustration zu erhöhen, ist in diesem Text zusätzlich auf diverse Abbildungen, wie Landkarten und Fotoaufnahmen, zurückgegriffen worden. Sie erleichtern vor allem einem ortsunkundigen Rezipienten die Einarbeitung in diese lokalgeschichtliche Thematik und gewährleisten so eine noch bessere intersubjektive Nachvollziehbarkeit.
Auf Basis einer differenzierten Analyse der Primärquellen und der Zeitzeugeninterviews war es möglich, der vorliegenden Arbeit eine klare Struktur zu geben. Am Beginn steht ein Kapitel, das kurz in den makrohistorischen Kontext bezüglich der Grenzkorrekturen einführt. Dieser „Überbau“ stellt gerade für den Leser, dem diese Thematik nicht so vertraut ist, eine unentbehrliche Grundlage dar, denn schließlich war das Leben in Elten von den Vorgängen auf höchster politischer Ebene ganz nachhaltig geprägt. Es erschien sinnvoll, die Darstellung zu periodisieren. Auf Grund der bereits umfangreich vorliegenden wissenschaftlichen Literatur zu dieser Thematik, leistet dieses erste Kapitel ganz bewusst nicht mehr als einen groben Überblick.
Das folgende Kapitel „Elten zwischen zwei Grenzen“ nimmt im Rahmen dieser Arbeit den größten Raum ein. In ihm werden die Lebensumstände im Dorf zwischen 1949 und 1963 rekonstruiert. Es genügt allerdings nicht, in der Deskription der Situation zu verharren. Deshalb wird in diesem Kapitel auch überprüft, wie und in welchem Maße die Grenzkorrektur das Leben der Menschen in Elten in verschiedenen Bereichen verändert hat. Wie eine Klammer umschließen der erste und der letzte „niederländische“ Tag Eltens diesen Abschnitt. Diese Vorgehensweise ist angemessen, weil es sich bei diesen beiden Daten um außergewöhnliche Tage handelt, die sich vom sonstigen Alltag im dem Grenzdorf ganz entscheidend, sowohl in historischer als auch in emotionaler Hinsicht, abgehoben haben. Den Einstieg in das Kapitel bildet also eine Darstellung des 23. April 1949. Der Tag, an dem der kleine Ort am Niederrhein vorläufig unter niederländische Verwaltung gestellt worden ist - oder wie die Eltener sagen, der Tag „als wir bei Holland kamen“.
Um im nachfolgenden Teil des Kapitels zu einer strukturierten und intersubjektiv nachvollziehbaren Darstellung der Lebensumstände in Elten zu gelangen, erschien eine Gliederung in die Themenbereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sinnvoll. Der Abschnitt über das „politische Leben“ widmet sich vor allem dem neu etablierten politischen System des „Drostamtes Elten“. Er untersucht das Verhalten der administrativen Persönlichkeiten in diesem System und die politischen Einflussmöglichkeiten der Bevölkerung. Den Schluss bildet ein kurzer Text über das Verhalten der niederländischen Ordnungskräfte in Elten, welches das Niederlande-Bild der Bewohner, wie sich in den Zeitzeugengesprächen gezeigt hat, sehr beeinflusst hat.
Der Abschnitt, der sich mit dem „wirtschaftlichen Leben“ innerhalb Eltens beschäftigt, beginnt mit der Darstellung des Fremdenverkehrs, der sich nach den Grenzkorrekturen als einer der wesentlichen wirtschaftlichen Faktoren herausstellte und so den Wohlstand und das Selbstbewusstsein innerhalb der Eltener Bevölkerung enorm steigerte. Anschließend wird die Entwicklung der verschiedenen ortsansässigen Wirtschaftssektoren nebeneinander gestellt, um so eine gute Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Im Mittelpunkt steht immer die Frage, wie die unterschiedlichen Sektoren von der Grenzkorrektur und ihren Folgen beeinflusst worden sind.
Der Textteil über das „dörfliche Leben“ widmet sich der Entwicklung einiger ausgewählter gesellschaftlicher Bereiche, die den Alltag in Elten maßgeblich mitgeprägt haben. An erster Stelle steht das größte Problem zur damaligen Zeit: Der Mangel an Wohnraum. Ob bzw. wie es die niederländische Verwaltung geschafft hat, diese Problematik einer Lösung zu zuführen, war von großer Bedeutung für das Zusammenleben. Die folgenden beiden Abschnitte befassen sich mit der katholischen Volksschule und der Pfarrgemeinde St. Martinus. Dabei handelt es sich um zwei Bereiche, die trotz der niederländischen Verwaltung maßgeblich von deutscher Seite geprägt wurden. An diesen beiden Bereichen lässt sich zeigen, wie und in welchem Maße die Bundesrepublik weiterhin das Leben in Elten beeinflusst hat. Am neuen Grenzübergang Elten- Hüthum manifestierte sich für viele Einwohner Eltens die veränderte Situation. Deshalb befasst sich ein eigener Textteil mit der Wirkung dieses neuartigen Hindernisses zwischen Elten und Deutschland. Für das Zusammenleben in einem Dorf wie Elten ist das Fest- und Vereinswesen ganz entscheidend. Deshalb ist diesem Zusammenhang ebenfalls ein eigener Unterpunkt gewidmet. Auch wenn dieser Schwerpunkt auf Grund der dürftigen Quellenlage keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, zeigt er dennoch, ob und wie sich die Ausübung von Traditionen und Gebräuchen in der Zeit der niederländischen Auftragsverwaltung in Elten entwickelte. Dieses dreigeteilte Kapitel, das den Eltener Alltag „zwischen zwei Grenzen“ rekonstruiert, gewährleistet einen guten Überblick und bietet so für die Beantwortung der zweiten Fragestellung eine wichtige Grundlage.
In dem Kapitel „Elten - Ein Stimmungsbild“ werden die allgemeine Stimmung im Ort und die Haltung der Bewohner gegenüber der niederländischen Auftragsverwaltung in ihrer Entwicklung abgebildet. Im Gegensatz zum ersten Teil ist der Umfang dieses Kapitels eher begrenzt: Das ist darauf zurückzuführen, dass die Quellenlage nur sehr unzureichende Auskünfte über die emotionalen Befindlichkeiten der Bewohner zulässt. An dem Punkt muss vor allem auf die Aussagen der Zeitzeugen zurückgegriffen werden. Das erschwert die Abstraktion. Nach den Beobachtungen und Auswertungen der Quellen erschien es auch hier sinnvoll, eine Periodisierung vorzunehmen. Der erste abgegrenzte Zeitraum beginnt ganz bewusst nicht erst am Datum der Grenzkorrektur, sondern schon einige Jahre früher. Wenn man die Emotionen im Ort untersuchen will, ist das notwendig, denn die „Annexion“ traf die Bewohner Eltens nicht wie ein Schlag, sondern Gebietsforderungen von niederländischer Seite waren schon seit 1946 Gegenstand der öffentlichen Diskussionen. Die anderen beiden Abschnitte setzen an Punkten an, an denen ein Wandel in der Stimmung und in der Haltung gegenüber der niederländischen Auftragsverwaltung zu konstatieren ist.
2. Makrohistorischer Kontext
Noch bevor die Kapitulationsurkunde des Deutschen Reiches unterzeichnet worden war, formulierte man in den Niederlanden die ersten Forderungen nach deutschen Gebieten als Kompensation für die entstandenen Kriegsschäden. Im Nachfolgenden werden die daraus resultierenden politischen Gegebenheiten überblicksartig und periodisiert dargestellt.14
2.1. Niederländische Annexionsforderungen
Am 5. November 1946 legte die niederländische Regierung den alliierten Mächten ein Memorandum vor, in dem sie 1750 km² deutschen Bodens als Wiedergutmachung für die im Krieg erlittenen Schäden forderte. „Die dort vorgeschlagenen Grenzkorrekturen umfaßten ein Gebiet […] mit 119.000 Einwohnern. So sollten die Insel Borkum, die Emsmündung, das Bourtanger Moor, die Bentheimer Bucht und Teile des Kreises Kleve, insbesondere der Grenzort Elten an die Niederlande übergehen.“15 Dieses Dokument bildete den politischen Ausdruck einer Diskussion, die die niederländische Öffentlichkeit im ersten Nachkriegsjahr sehr bewegt hatte: Sollten zur Kompensation der erlittenen Schäden im Zweiten Weltkrieg große deutsche Gebiete einfach annektiert werden? Und in welchem Ausmaß sollte das geschehen?
Den Ausgangspunkt dieser Debatte bildete ein Aufsatz des Außenministers der niederländischen Exilregierung in London, Eelco van Kleffens, aus dem Jahr 1944 mit dem Titel „If the nazis flood Holland“. In der angesehenen amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs“ verlangte er, als einzig angemessene Entschädigung für die im Laufe des deutschen Rückzuges zu befürchtenden strategischen Überflutungen ein entsprechendes Stück deutschen Areals.16 Noch während der deutschen Besatzungszeit wurde diese Annexionsidee durch die Untergrundpresse dankbar aufgegriffen und diskutiert. Nach der Befreiung und der damit verbundenen Neuetablierung einer freien Presse fand sie sehr schnell den Weg in die Öffentlichkeit. Die Debatte trug den Emotionen der niederländischen Bevölkerung Rechnung. Im Zusammenhang mit dem ehemaligen Besatzer beherrschten Motive, wie „Wiedergutmachung und eine Schwächung Deutschlands, aber auch dessen Bestrafung für das Holland zugefügte Unrecht […]“17 das Bild. Vor allem an der niederländischen Ostgrenze bildeten sich zahlreiche, meist privat organisierte, „Annexionskomitees“, die sich zum Teil mit eigenen Plänen „kreativ“ an der Debatte beteiligten.18
In dem öffentlichen Diskurs spielte auch die Haager Regierung unter Premierminister Schermenhorst und Außenminister van Kleffens eine aktive Rolle. „Die Kabinettsvertreter haben […] offensichtlich dafür gesorgt, dass sich diese ohnehin schon mit viel Emphase behandelte Frage in der Öffentlichkeit nicht totlief. Dafür dienten Presseinterviews.“19 Um die intensive öffentliche Diskussion politisch handhabbar zu machen, setzte die Regierung drei Monate nach der Befreiung eine Staatskommission ein, dessen einzige Aufgabe darin bestand, die Durchführbarkeit der Annexionsforderungen in moralischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zu überprüfen. In einem vorläufigen Bericht, den die Kommission bereits zwei Monate nach ihrer Installierung präsentierte, zeigte sich allerdings, dass eine Mehrheit der Staatskommission einer großräumigen Annexion deutscher Gebiete, wie sie das Kabinett im September 1945 gefordert hatte20, ablehnend gegenüber stand. Ausschlaggebender Faktor für diese Entscheidung war vor allem die kaum lösbare Frage, wie mit der großen Zahl von deutschen Einwohnern in den zu annektierenden Gebieten zu verfahren sei. Allerdings machten die Kommissionsmitglieder in ihrer Erklärung auch klar, dass sie kleinere „Grenzkorrekturen“, mit einem geringeren räumlichen Ausmaß, für durchführbar und auch für unabdingbar hielten. „Door deze grenscorrecties zal onder anderen worden bereikt dat tenminste enige schade wordt vergoed door de aanwezigheid van bodemschatten.“21
Im Mai 1946 legte die Staatskommission ihr endgültiges Gutachten vor. Der abschließende Tenor blieb, im Vergleich zum ersten Bericht, jedoch unverändert: Für große Annexionen sprach sich nur eine Minderheit aus, für kleinere Grenzkorrekturen, deren erster Zweck, laut Bericht, nicht die Vergrößerung des Grundgebietes wäre, sprach man sich hingegen einstimmig aus.22
Dieser Bericht diente der niederländischen Regierung als Verhandlungsgrundlage für die Gespräche mit den alliierten Mächten, die das Schicksal Deutschlands in der Hand hielten. Von den ursprünglich sehr ambitionierten Annexions-Plänen nahm der Ministerrat in Den Haag Abstand und einigte sich auf die Sprachregelung der Grenzkorrekturen, deren Ausmaß in dem oben erwähnten Memorandum festgelegt wurde.
In den USA und in Großbritannien riefen die niederländischen Forderungen vor allem Skepsis hervor23, denn sie standen eindeutig im Widerspruch zu ihrer „neuen“ Deutschlandpolitik, die nicht mehr die Bestrafung, sondern den wirtschaftlichen Wideraufbau des ehemaligen Kriegsgegners vorsah. Besondere Irritationen dürfte die Tatsache hervorgerufen haben, dass die Niederlande diesem deutschlandpolitischen Kurs, der auf die Wahrung der wirtschaftlichen Kapazität des ehemaligen Feindes abzielte, eigentlich zustimmten. LADEMACHER zeigt in seiner Analyse ebenfalls diesen groben Fehler in der außenpolitischen Konzeption auf. „Es muß grundsätzlich festgestellt werden, dass die Kabinettsmitglieder […] die Widersprüchlichkeit nicht begriffen haben, die sich aus der gleichzeitigen Forderung nach gesundem wirtschaftlichem Wiederaufbau und Gebietsabtretungen dann ergeben konnte, wenn territoriale Ansprüche vielerseits erhoben wurden, auch wenn diese nicht sehr umfassend waren.“24
Im Laufe der Verhandlungen zeigte sich, dass die niederländischen Unterhändler in der Frage der Grenzkorrekturen eine große Verhandlungsbereitschaft zeigen mussten. Denn Großbritannien - als „Verwalter“ der geforderten Gebiete - lehnte jede Grenzkorrektur ab, die die wirtschaftliche Rehabilitation des westlichen Deutschlands behinderte. Im Rahmen einer niederländisch-britischen Grenzkommission, die als Zeichen des britischen „Good Will“ im Frühjahr 1947 eingerichtet worden war, zeigte sich, dass Großbritannien - wenn überhaupt - nur zu kleinen, sehr beschränkten Gebietsabtretungen an die Niederlande bereit war. 25
Die Londoner Sechsmächtekonferenz über die Zukunft Deutschlands im Frühjahr 1948, an der nach dem Bruch mit der Sowjetunion Vertreter der drei BENELUX-Staaten teilnahmen, war sowohl Kumulationspunkt als auch Lösungspunkt der Grenzkorrekturproblematik. Auf dem Treffen standen sich die amerikanisch-britischen und die niederländischen Interessen diametral gegenüber. Der äußerst begrenzte niederländische Einfluss konnte nicht verhindern, dass im Abschlusskommuniqué alle größeren Grenzveränderungen bis zum Abschluss eines allgemeinen Friedensvertrages zurückgestellt wurden. Allerdings ließ das Dokument - auf Drängen Frankreichs - „gewisse geringfügige, vorläufige Berichtigungen der Westgrenzen Deutschlands“26 zu und setzte zu diesem Zweck eigens einen Ausschuss ein. „So wurden […] die ambitionierten Annexionspläne endgültig auf Grenzkorrekturen minimalen Umfangs reduziert.“27 Das Ergebnis ihrer Beratungen über mögliche Grenzveränderungen fixierten die Alliierten gemeinsam mit den BENELUX-Staaten im „Pariser Protokoll“ vom 22. März 1949:
Gerade mal noch 69 km² des deutschen Staatsgebietes wurden den Niederlanden in diesem Dokument zugestanden.28 Das größte Areal machte der „Hals von Sittard und Tüddern“ im Selfkant aus (41,34 km² mit 5000 Einwohnern). In und um Elten waren eine Fläche von 19,54 km² und mehr als 3000 Einwohner betroffen. Nennenswert war auch der Grenzort Suderwick bei Bocholt. In dem Gebiet kamen rund 350 Personen mit dem Beschluss unter niederländische Verwaltung.29 (s.Abb.1)
Abbildung 1 - Größere niederländische Grenzkorrekturen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: HStA Düsseldorf, NW 397-237 [eigene Bearbeitung]
2.2. Vollzug der Grenzkorrekturen trotz öffentlicher Kritik
Es verwundert nicht, dass die Grenzkorrekturen in der deutschen Politik und in der Öffentlichkeit auf große Kritik stießen. Diverse Protestaktionen, Zeitungsartikel und Briefe zeugen davon.30 Etwas überraschender erscheint hingegen die Tatsache, dass sich auch in den Niederlanden der Enthusiasmus nach der Festlegung der Gebietserweiterung in Grenzen hielt. Angesichts der Reduzierung der niederländischen Annexionswünsche von 1750 km² auf gerade mal noch 69 km² und der immens hohen Kosten, die für den Wiederaufbau der Gebiete investiert werden mussten (geschätzte 17 Mio. Gulden), sprachen verschiedene Zeitungen von einem „Pyrrhus-Sieg“, den die Haager Regierung errungen habe.31 In der anschließenden Debatte im niederländischen Parlament über einen Gesetzesvorschlag, der die rechtliche Grundlage für die „neuen“ Gebiete bilden sollte, bezeichneten verschiedene Abgeordnete die Korrekturen als „onnozel achtertuintje“ und appellierten an die Regierung, auf diese Form der Gebietserweiterung zu verzichten.32 Sogar innerhalb des Kabinetts gab es Widerstände gegen die Grenzkorrekturen. So zählte beispielsweise der Außenminister Stikker schon seit dem Aufkommen der Idee „Kompensation durch Annexion“ zu den ärgsten Kritikern solcher Gedankenspiele. Warum er und auch die übrigen Kabinettsmitglieder trotz allem an der Realisierung der Grenzkorrekturen festhielten, kann aus heutiger Sicht nur spekuliert werden. WIELENGA führt dafür mögliche Gründe an33, die im Rahmen dieser Arbeit aber keine weitere Bedeutung haben sollen.
Fakt ist jedenfalls, dass die Niederlande trotz vielfältiger Kritik die Grenzkorrekturen am 23. April 1949 in die Tat umsetzten. Auf dieses Datum und den präzisen Ablauf der Gebietserweiterung hatten sich die drei Westmächte gemeinsam mit den drei BENELUX- Staaten bereits einen Monat zuvor geeinigt, wie das Protokoll des „Comitee of Western German Frontiers“ belegt. „Um 6 Uhr morgens treffen sich ein Vertreter der betreffenden Besatzungsmacht und ein Vertreter des Nachfolgestaates […] an einem vorher vereinbarten Punkt. Die zwei Abgesandten werden die vorläufige Grenzlinie mit Fähnchen markieren. […] Spätestens um 12 Uhr mittags […] werden die deutschen Zoll- und Verwaltungsposten auf die neue Linie zurückgezogen und die Zoll- und Verwaltungsstellen des Nachfolgestaates rücken demgemäß nach.“34
Abbildung 2 - Grenzkorrektur in Elten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Athmer: Het drostambt Elten, S.72 [eigene Bearbeitung]
Exakt diesem Schema folgend vollzog sich die Übernahme der Verwaltung in dem bewohnten Gebiet rund um Elten. Mit diesem Zeitpunkt unterstand die ehemalige deutsche Gemeinde vorläufig dem niederländischen Hoheitsgebiet. Der einzig offensichtliche Vorteil dieser Grenzverschiebung lag in der Verkürzung der niederländischen Landesgrenze von 20 auf nur noch drei Kilometer. Mit der Verwaltungsübernahme verlor logischerweise das deutsche Recht mit sofortiger Wirkung seine Gültigkeit und das niederländische fand seine Anwendung. Allerdings garantierte das oben erwähnte Protokoll den Bewohnern der Gebiete den Erhalt ihrer Nationalität: „Es soll […] keiner gezwungen werden, die Staatsangehörigkeit des Landes anzunehmen, das das Gebiet übernimmt. Personen, die nicht wünschen die Staatsangehörigkeit der interessierten Länder anzunehmen, behalten die deutsche Staatsangehörigkeit und können entweder nach Deutschland zurückkehren oder weiterhin in dem Gebiet wohnen bleiben.“35 Um diese beiden gegensätzlich erscheinenden Regelungen in Einklang zu bringen, versahen die niederländischen Behörden die deutschen Pässe per Stempel mit dem Zusatz „Wordt als Nederlander behandeld“.
Um in den „korrigierten“ Arealen überhaupt handlungsfähig zu sein, hatte sich das niederländische Parlament zwischen März und April auf den so genannten „grenscorrectiebesluit“ verständigt. Er wurde erst nach langen und zähen Verhandlungen, insbesondere in der ersten Kammer, am 22. April 1949 im „Staatsblad“ veröffentlicht und konnte somit Anwendung finden.36 In diesem Beschluss wurde unter anderem die politische Struktur in den „neuen Gebieten“ festgelegt. In Elten und Tüddern wurden so genannte „Drostämter“ eingesetzt, die dem Innenministerium direkt unterstellt waren und an dessen Spitze ein Landdrost mit weitgehenden Kompetenzen stand. Die ehemaligen deutschen Staatsbürger der betroffenen Gebiete wurden durch den „grenscorrectiebesluit“ in zwei Punkten massiv in ihren Rechten bzw. Pflichten als Bürger beeinträchtigt. Zum einen wurde ihnen in Abschnitt III, §46 die Teilnahme an Wahlen auf deutscher aber auch auf niederländischer Seite verwehrt. Zum anderen verhinderte Abschnitt V, §49 die Heranziehung der ehemaligen deutschen Staatsangehörigen zum niederländischen Militärdienst.37
Der „grenscorrectiebesluit“ wurde ab 1952 durch das „grenscorrectiewet“ ersetzt. Für den Alltag in den beiden Drostämtern war diese Neufassung sehr unbedeutend, denn die wesentlichsten Bestimmungen blieben unverändert.
2.3. Verhandlungen um die Rückgabe
Noch bevor Elten und die anderen Gebiete endgültig unter niederländische Verwaltungshoheit gestellt worden waren, machte die deutsche Seite klar, dass sie diese Veränderung der Grenzziehung nur als vorläufig betrachten würde. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Karl Arnold brachte diese deutsche Haltung, die für das folgende Jahrzehnt kennzeichnend sein sollte, in seiner Rede vor dem Landtag am 21. April 1949 auf den Punkt: „Die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen sieht keine Veranlassung, den deutschen Landsleuten, deren Heimat nunmehr einer fremden Verwaltung unterstellt wird, ein Wort des Abschieds zuzurufen.“38
Die deutsche Position hinsichtlich der Grenzkorrekturen kann nicht überraschen. Hingegen verdient die niederländische Haltung in der ersten Hälfte der 50er Jahre eine etwas genauere Betrachtung. WIELENGA zeigt, dass auch die Den Haager Regierung, unter dem annexionsskeptischen Ministerpräsidenten Willem Drees, schon Ende 1949 nur noch wenig Interesse an einer dauerhaften Einbindung der annektierten Gebiete hatte. Grund dafür waren vor allem die geringe wirtschaftliche Relevanz der „neuen“ Areale und die immens hohen Kosten für den Wiederaufbau in Elten und den anderen Orten. Bereits 1951 deuteten die Niederländer deshalb ihre Verhandlungsbereitschaft an. Allerdings knüpften sie die Rückgabe der betroffenen Gebiete an die Forderung nach deutschen Zugeständnissen im Ems-Dollart- Gebiet39. Diese Koppelung der beiden Grenzfragen war für die deutsche Gegenseite jedoch nicht verhandelbar.
Erschwerend hinzu kam das schwierige bilaterale Verhältnis zwischen den beiden Nachbarländern zu Beginn der 50er Jahre. Immer wieder behinderten „Hypotheken der Vergangenheit“40, wie die niederländischen Forderungen nach Wiedergutmachungszahlungen für die im Krieg erlittenen Schäden oder das deutsche Verlangen nach einer Rückgabe der von niederländischer Seite eingezogenen Traktatländereien41 eine Normalisierung des Verhältnisses und eine dauerhafte Lösung für die annektierten Areale.
Der Zeitfaktor arbeitete im Verlauf des ersten Nachkriegsjahrzehnts eindeutig für die Belange der Bundesrepublik Deutschland: Seit Beginn der 50er Jahre hatte sich ihre außenpolitische Lage stetig verbessert. Diese Entwicklung fand seinen Niederschlag in den Pariser Verträgen von 1955, in denen der Bundesrepublik ihre Souveränität von den Westmächten fast vollständig zurückgegeben wurde. Nur einen Tag nach In-Kraft-Treten des Vertragswerkes wurde der westliche Teil Deutschlands auch Mitglied von WEU und NATO und war damit fest im Westen integriert. Diesem internationalen Bedeutungszuwachs des großen Nachbarn mussten schließlich auch die Niederländer Rechnung tragen und erklärten sich Anfang 1957 zu offiziellen Verhandlungen bereit. Allerdings zielten ihre Absichten auf eine „Generalbereinigung“ des bilateralen Verhältnisses ab, in der alle offenen Fragen gelöst werden sollten. Das bedeutete zugleich, „dass Den Haag keineswegs an eine mehr oder minder bedingungslose Rückgabe der Grenzgebiete dachte“.42
Die „Ausgleichsverhandlungen“ begannen mit dem Besuch von Außenminister Luns in Bonn im März 1957. Zu den Delegationsleitern wurden Prof. Erich Kaufmann, ein deutscher Jude, der während des zweiten Weltkrieges in den Niederlanden untergetaucht war, und der frühere niederländische Außenminister Dr. Jan Willem Beyen bestimmt. Schnell zeigte sich aber, dass mit einer zügigen Einigung nicht zu rechnen war. Dafür lassen sich in der Analyse diverse Faktoren ausmachen: Zuerst muss konstatiert werden, dass allein der hohe Anspruch eines allumfassenden Vertrages die Verhandlungen enorm erschwerte, denn eine Meinungsdifferenz konnte ausreichen, um das ganze Projekt scheitern zu lassen. Hinzu kam das „Problem der vielen Köche“: Durch die Einsetzung diverser Kommissionen, Ausschüsse und Expertenrunden entstand ein undurchschaubares und in hohem Maße ineffizientes Verhandlungsdickicht.43 Außerdem beeinträchtigte das schlechte persönliche Verhältnis zwischen den beiden Delegationsleitern den Verlauf negativ. Vor allem das Auftreten Kaufmanns, das Beyen als „aggressiv und autoritär“44 beschrieb, rief auf niederländischer Seite heftige Irritationen hervor.
Auch der Austausch der Delegationsleitungen im Frühjahr und Sommer 195845 und die stärkere Konzentration der Gespräche auf Ministerebene konnten die Verhandlungen nicht entscheidend beschleunigen. Eine neue Vorbedingung der Niederländer wirkte wie ein Hemmschuh: Luns machte im Juni 1958 eine zufrieden stellende Regelung der Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus - vor allem in finanzieller Hinsicht - zur conditio sine qua non für das Zustandekommen einer Generalbereinigung.46 Die deutsche Seite hingegen hatte an einer solchen separaten Lösung in der Frage der Wiedergutmachung gar kein Interesse, denn sie hätte einen Präzedenzfall geschaffen, an dem sich andere europäische Staaten mit ihren Forderungen hätten orientieren könnten. Diese Konstellation bedeutete, dass nach dem jahrelangen Tauziehen um die Grenze (Ems-Dollart-Gebiet, Grenzkorrekturgebiete, Traktatländereien) nun zuerst ums Geld gefeilscht werden musste.
Den Durchbruch in den komplizierten Verhandlungen brachte schließlich ein Vorschlag der niederländischen Seite im Januar 1959: Die exakte Höhe der Entschädigungszahlungen sollte innerhalb einer, am Ende der Gesamtverhandlungen zu fixierenden, Globalsumme kaschiert bzw. „versteckt“ werden.47 Damit zeigten sich auch die Deutschen einverstanden. Ein Abschluss der Verhandlungen rückte also in greifbare Nähe. Nach der weitgehenden Erfüllung der niederländischen Grundvoraussetzung für das Zustandkommen einer „Generalbereinigung“ lag das Heft des Handelns in deutscher Hand. In Punkto Grenzkorrekturgebiete wollte sich die Delegation um Rudolf Lahr auf keine Kompromisse einlassen. „Konkret bedeutete dies, dass Lahr rasch deutlich machte, dass für Deutschland die Rückgabe aller bewohnten Grenzkorrekturgebiete eine absolute Voraussetzung war.“48 Der deutsche Verhandlungsleiter sprach im Juni 1959 sogar offen von der Möglichkeit des Scheiterns der Gespräche bei Nicht- Erfüllung der Forderung.49 Dieses Druckmittel ließ der Haager Regierung keine andere Alternative, als die Rückgabe von 94% der betroffenen Gebiete50 - unter anderem auch Elten - anzubieten. Die Investitionen, die die Niederlande in den Verwaltungsgebieten im Verlauf der zehn Jahre getätigt hatten, wurden auf ca. 20 Mio. DM geschätzt. Auch sie wurden als Bestandteil der Globalsumme im endgültigen Vertragswerk von Deutschland „zurückgezahlt“.
Nach der Beseitigung der zwei größten und vieler kleinerer Barrieren wurde schließlich am 8. April 1960 - drei Jahre nach Beginn konkreter Verhandlungen - der Ausgleichsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande unterzeichnet. Dieser Rechtstext bildete den Mantelvertrag für drei Einzelverträge und zwei Abkommen. Für den Zusammenhang dieser Arbeit ist lediglich der „Grenzvertrag“ bedeutsam51: Er regelte vor allem, dass Elten und die anderen Grenzkorrekturgebiete nach mehr als zehn Jahren unter niederländischer Verwaltung wieder an Deutschland fielen. Doch die Struktur eines solchen bilateralen Vertrages bedingte es, dass nicht nur eine Unterzeichnung, sondern auch eine Ratifizierung durch die Volksvertreter nötig war. Während sich die Behandlung in der Bundesrepublik in „bemerkenswert geschäftsmäßiger Weise und ohne Überraschungen“52 vollzog, kam es in der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments zu Verzögerungen. Viele Parlamentarier fühlten sich bzw. ihr Land als Verlierer des Vertragswerkes. Erst am 21. Februar 1963 und nach etlichen politischen Interventionen stimmte die Zweite Kammer, und drei Monate später auch die Erste Kammer, dem Vertragswerk zu.
„18 Jahre nach Kriegsende, 12 Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen und über 6 Jahre nach dem Beginn offizieller Verhandlungen“53 kehrte Elten am 1. August 1963 damit endgültig zurück in „deutsche Obhut“. Eine für die Gemeinde „etwas komische Zeit“54, wie Bürgermeister Walter Hövelmann bei den Feierlichkeiten zum 10-jährigen Gedenken an die Rückgabe im Sommer 1973 bemerkte, fand ihr Ende.
„Wie zwei Zahnräder greifen Deutschland und Holland zwischen Kleve und Elten ineinander“ schrieb die RHEINISCHE POST in einem Artikel vom April 1949. Wenn man dieses Bild weiterdenkt, sorgten erst der Abschluss des Ausgleichsvertrages und die darin implizierte Rücknahme der Grenzkorrektur dafür, dass das deutsch-niederländische Uhrwerk wieder funktionstüchtig wurde.55
3. Elten zwischen zwei Grenzen
Wie in der Einleitung schon kurz dargestellt, nahm Elten auf Grund seiner geografischen Lage schon immer einen besonderen Platz an der Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden ein. Von drei Seiten wurde das Territorium vor dem Vollzug der Grenzkorrektur von niederländischem Hoheitsgebiet umschlossen. Nicht zu unrecht bezeichnete ein Korrespondent des TAGESSPIEGEL den Ort vor der niederländischen Auftragsverwaltung als eine „deutsche Halbinsel, die in die Niederlande hineinragte“.56
Diese geografische Situation blieb nicht ohne Konsequenzen. Als Niederländisch am 23. April 1949 zur Amtssprache in Elten erklärt wurde, stellte das beispielsweise für die meisten Einwohner kein Hindernis dar. „Die unmittelbare deutsche Grenzbevölkerung spricht überwiegend ein Umgangsholländisch. […] Außerdem ist das Platt der Grenzgemeinden des Landkreises Rees dem Holländischen sehr ähnlich. Die Zweisprachigkeit der Grenzbevölkerung allgemein entsteht ebenso sehr aus der Nachbarschaft wie aus der Tatsache, dass sehr viele verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen über die Grenze reichen.“57
Dieses Zitat deutet noch eine weitere Besonderheit im Bezug auf die demografische Struktur des Grenzortes an: Am 23. April 1949 zählte Elten insgesamt 3225 Einwohner, von denen allerdings rund 600 einen niederländischen Pass (18,5%) besaßen.58 Diese hohe Zahl mag verwundern, aber es handelte sich dabei in der Mehrzahl um Familien, die schon seit mehreren Generationen in dem Ort ansässig waren. Diese niederländische Gruppe war in einem derart hohen Maße in die Dorfgemeinschaft integriert, dass sie von den „deutschen“ Eltenern nicht mehr zu unterscheiden waren. ELISABETH MEISTER, die als junges Mädchen mit vielen anderen Kindern Kontakt hatte, erinnert sich:
„Wir wussten ja auch gar nicht, wer niederländisch war. Wenn die hier wohnten, dann haben die auch deutsch gesprochen. Und unter Kindern wusste man auf gar keinen Fall, wer einen niederländischen Pass hatte.“59
Andere Zeitzeugen sprechen über diese Gruppe als „Papier-Holländer“ oder sogar als „Deutsche mit niederländischem Pass“, die man nach Vollzug der Grenzkorrektur nur daran unterscheiden konnte, dass die jungen Männer zum niederländischen Militärdienst eingezogen wurden - im Gegensatz zu denjenigen jungen Männern deutscher Nationalität, die nur „als Niederländer behandelt“ wurden.
Zwar blieb die absolute Einwohnerzahl in den 14 Jahren unter niederländischer Auftragsverwaltung nahezu konstant, aber der Anteil der niederländischen Bevölkerungsgruppe erhöhte sich durch den Zuzug von niederländischen Beamten und ihrer Familien auf rund 30% im Jahr 1957.60 In den 14 Jahren niederländischer Auftragsverwaltung schwankte die Zahl der „echten Niederländer“ zwischen 300 und 400 Personen und machte damit rund 10% der Gesamtbevölkerung aus. Verschiedene Aussagen der Zeitzeugen deuten darauf hin, dass viele dieser Personen hoch angesehen und außerdem recht gut in das Eltener Dorfleben integriert waren. Im Zusammenhang dieser Arbeit spielen sie aber nur in soweit eine Rolle, dass sie in der deutschen Bevölkerung das Bild der Niederlande positiv beeinflusst haben.
Diese kurze Betrachtung der demografischen und sprachlichen Gegebenheiten bietet eine gute Grundlage für den folgenden Teil, in dem das Alltagsleben in Elten während der niederländischen Auftragsverwaltung dargestellt und analysiert wird.
3.1. Der 23. April 1949 - „Als wir bei Holland kamen …“
„Es ist als ob der Frühling das harte Geschehen abmildern wollte. Strahlend blauer Himmel wölbt sich über dem Land am Niederrhein. Einer der schönsten Tage des jungen Jahres ist angebrochen, doch die blühende Pracht rings umher kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es zugleich der schwärzeste für die Bewohner des Eltener Zipfels ist.“61
Zwei Tage nach dem 23. April 1949 blickt die RHEINISCHE POST in ihrer Montagsausgabe auf ein bewegtes Wochenende für die Eltener Bevölkerung zurück. Nur 48 Stunden zuvor war die ehemalige deutsche Gemeinde Elten vorläufig dem niederländischen Staatsgebiet zugeschlagen worden.
Die Grenzkorrektur mit dem offiziellen Titel „Grenscorrectie II-A-9“62 spielte sich in Elten beinahe exakt nach dem vorher im alliierten Protokoll (s.S.13) festgelegten Muster ab. Die Berichterstattung der RHEINISCHEN POST auf deutscher Seite und der niederländischen Tageszeitung DE GRAAFSCHAPS-BODE bestätigen das.63 Einzig und allein der Unterschied zwischen den in beiden Ländern gültigen Sommer- und Winterzeiten sorgte für kleinere Verwirrung. Die Niederländer überschritten zwar wie geplant, pünktlich um 12 Uhr die Grenze, allerdings nach ihrer Zeitrechnung. Indiz dafür ist unter anderem die Berichterstattung in den Medien: Während die RHEINISCHE POST von „mittags 13 Uhr“64 als Übernahmezeitpunkt schreibt, berichtet DE GRAAFSCHAPS-BODE: „Om 12 uur werd […] door de verschillende Nederlandse instanties het burgerlijk bestuur overgenomen.“65
In Begleitung von Jeeps und Lastwagen der „Koninklijke Marechaussee“, deren Kräfte mit leichten Maschinengewehren bewaffnet waren, überquerte Dr. Adriaan Blaauboer, der zukünftige niederländische Kopf der Gemeinde Elten, zu Fuß den Grenzübergang Elten- Babberich. Dahinter schloss sich ein Bus an, vollbesetzt mit niederländischen Journalisten von Presse, Funk und Fernsehen.66 Diese Tatsache dokumentiert das enorme Interesse der niederländischen Öffentlichkeit an den Grenzkorrekturen trotz oder gerade wegen der großen Kritiken an dieser Maßnahme. Dem Journalistentross folgten ungefähr 100 Zollbeamte auf Fahrrädern, die die neuen Grenzposten besetzen sollten. Um jedes Risiko zu vermeiden, hatte die niederländische Regierung direkt hinter dem Grenzübergang eine beträchtliche Zahl bewaffneter Marechaussees inklusive einiger Panzerwagen vom Typ „Otter“ zusammengezogen. Dies geht sowohl aus einem Bericht des Innenministeriums67 als auch aus den Erinnerungen eines ehemaligen Marechaussees hervor68. GERHARD NEERINCX, damals Auszubildender in der Eltener Gemeindeverwaltung, war verwundert über diese Vorgehensweise:
„Ich hab’ mich nachher so oft mit Dr. Blaauboer darüber unterhalten: Die wussten ja auch nicht, was auf sie zukam. Wie ist die Stimmung der Bevölkerung? Das kannten die ja alle gar nicht!“69
Noch im Verlauf des Einzuges in Elten übernahm die Marechaussee mit dem Postamt und dem Bahnhof bereits die Kontrolle über die zentralen Infrastruktureinrichtungen, die einige Tage später an die entsprechenden niederländischen Institutionen übergeben werden sollten. Wenige Minuten nach dem Grenzübertritt erreichte die Kolonne schließlich den Ortskern. Hier hatte sich zu der Zeit bereits eine große Menschenmenge versammelt. Viele Eltener wollten beim Vollzug der Grenzkorrektur hautnah dabei sein. GERHARD NEERINCX erinnert sich:
„Ganz Elten stand an der Straße, auf den Bürgersteigen und hat das Schauspiel einfach über sich ergehen lassen und sogar über gewisse Dinge geschmunzelt. Das war ja keine Besetzung, wie man sie aus dem Krieg her kannte. Das war ja eine sehr friedliche Besetzung. Da hat sich keiner aufgeregt, da war keine Hektik, oder so.“70
Eine große Ruhe und Zurückhaltung unter der Bevölkerung beschreiben auch die anderen Zeitzeugen. GERD DÖRNING spricht sogar von einer zu beobachtenden „Teilnahmslosigkeit“, mit der die Eltener den ganzen Vorgang „hingenommen“ hätten71. Einzig und allein ein Zwischenfall ist belegt, bei dem offener Protest gegen die Grenzverschiebung zum Ausdruck gekommen ist. Die Marechaussee verhaftete noch während des Einmarsches einen Mann auf dem Marktplatz, der im betrunkenen Zustand lauthals die erste Strophe des Deutschlandliedes angestimmt hatte.
Aus dieser Ruhe und Zurückhaltung aber auf eine wohlwollende Haltung der Eltener gegenüber den Niederländern zu schließen, wäre sicherlich falsch. Die Erinnerungen von Zeitzeugen machen deutlich, dass sich vor allem die mittlere und ältere Generation mit dieser neuen Gegebenheit nur schwer abfinden konnten. Dem damals jungen Mädchen ELISABETH MEISTER ist eine Gegebenheit besonders im Gedächtnis geblieben:
„Der erste Tag an dem die Holländer hier einmarschierten, da kann ich mich erinnern, fuhr ein gestandener Mann, ich meine es wäre ein Landwirt aus dem Ort gewesen, auf seinem Fahrrad vor den einmarschierenden Holländern her. Dabei liefen ihm die Tränen über die Backen. Ich habe das als Kind als sehr faszinierend empfunden, dass ein Mann so heulen konnte. Er rief dann immer auf Platt: ‚Ik kann et mij niet begrippen! Ik kann et mij niet begrippen!’“72
Auch bei GERD DÖRNING zu Hause herrschte eine schlechte Stimmung:
„Mein Vater war ein echter Preuße. Ich erinnere mich noch als die Holländer einzogen, saß er in der Küche und heulte. Er war damals 54 Jahre alt, hatte den ersten Weltkrieg mitgemacht, im zweiten Weltkrieg UK-Gestell bei der Feuerwehr und hat gesagt: ‚Dafür sind unsere Jungs gefallen. Jetzt kommen wir bei Holland.’“73
Die Verwaltungsübernahme vollzog sich um 12.15 Uhr, niederländischer Zeit, im Sitzungssaal des Rathauses. Insgesamt wohnten der offiziellen Unterzeichnung der Papiere, die die Unterstellung Eltens unter niederländische Verwaltung regeln sollten, nur sechs verantwortliche Personen bei74: Von britischer Seite J.S. Collings, „Kreis Resident Officer of Rees“, und sein Assistent der Offizier John Payce. Die Niederländer waren durch den zukünftigen Landdrost Dr. Adriaan Blaauboer und durch A.G. Maris, Direktor der „Rijkswaterstaat“ vertreten. Die ehemalige Gemeinde- und Amtsverwaltung Eltens repräsentierten der ehemalige Bürgermeister, Baron Lochner von Hüttenbach, und der ehemalige Amtsdirektor Bernhard Wemmer. BLAAUBOER schilderte später in einem Artikel für die Wochenzeitschrift „De Gemeentestem“ die äußerst kurz gehaltene Übergabe: „De Kreis Regional Officer droeg het bestuur over. […] De Ehrenbürgermeister zegde de volledige medewerking van het gemeentepersoneel toe. De Landdrost verklaarde het bestuur op zich te nemen. Hiermede was de bijeenkomst te einde.“75
Darüber hinaus kam bei der kurzen Zusammenkunft auch das Problem der zahlreichen Eltener Arbeitnehmer, die jeden Tag nach Emmerich mussten, auf den Tisch. Entgegen den ursprünglichen Plänen, die Grenze nach Deutschland vorläufig hermetisch abzuriegeln, einigten sich Landdrost Blaauboer und Resident Officer Collings auf die Ausgabe von vorläufigen Grenzpässen.76
Die Darstellung der offiziellen Übergabe zeigt zwei Dinge. Erstens: Die Funktion während der Übernahme der deutschen Vertreter war lediglich auf die des geduldeten Zuschauers beschränkt. Denn die eigentliche Macht wechselte vom Briten Collings in die Hände des Niederländers Blaauboer. Zum zweiten belegt dieser Auszug aber auch recht deutlich die sehr dezente und unspektakuläre Art und Weise der Übergabe. Man verzichtete von niederländischer Seite auf große Siegesgesten, wie es bei Besetzungen von „Feindesland“ noch zu Kriegszeiten üblich gewesen wäre. Ein entscheidendes Motiv dafür dürfte sicherlich gewesen sein, den angenommenen Unmut der Bevölkerung nicht noch weiter zu steigern. Diese Methode der Behutsamkeit lässt sich als ein Kontinuum für die komplette niederländische Periode Eltens beobachten.
Nach dem offiziellen Akt der Übergabe führte der Landdrost die Presse erstmals durch das neue Stückchen Niederlande. In der Zwischenzeit vollzogen sich weitere sichtbare Zeichen der „Niederlandisierung“ Eltens: Die deutschen Straßenschilder und Briefkästen wurden durch niederländische ersetzt und auch die provisorisch installierten rot-weißen Grenzmarkierungen wurden durch orangefarbige ausgetauscht. „Die neue niederländische Grenze um Elten verkürzte sich […] auf insgesamt nur noch drei Kilometer. Das Flüsschen Wild wurde die neue natürliche Grenze zu Deutschland.“77
Die ersten Arbeitsschritte stellten sich dem neuen Oberhaupt von Elten beinahe von selber, wie BLAAUBOER selbst in der Fortsetzung des oben genannten Zeitschriftenaufsatzes bestätigt.78 So ließ er als eine seiner ersten Amtshandlungen eine Proklamation des niederländischen Innenministeriums an diversen Stellen im Ort großflächig aushängen, die in deutscher und niederländischer Sprache darüber informierte, dass das Gebiet um Elten vorläufig den Niederlanden angegliedert werde. „In diesem Gebiet üben die deutschen Behörden keine Befugnisse mehr aus. […] Grundsätzlich findet das niederländische Recht Anwendung.“79 Ebenso ließ er noch am gleichen Tag eine eigene zweisprachige Bekanntmachung ähnlich plakativ publizieren, die in elf Punkten eine gewisse Ordnung in das Dorfleben bringen sollen. (s. Abb. 1) Punkt 1 der Bekanntmachung („Die Rechtslage […] des angegliederten Gebietes […] ist vorläufig […] geregelt“) zeigt dabei, dass sich der Begriff der „Vorläufigkeit“ nicht unbedingt auf die Dauer der Angliederung, sondern lediglich auf die Frage des rechtlichen Status Eltens bezieht.
Die Registrierung aller 3225 Eltener Bürger war ein weiterer Arbeitsschritt, den der Landdrost so schnell wie möglich nach der Verwaltungsübernahme fertig bringen musste. Nur so war ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Verwaltung überhaupt möglich. Der Grund für diese Totalerfassung aller Einwohner war nicht das Verschwinden der deutschen Akten, sondern vor allem das mangelnde Vertrauen in das deutsche Meldewesen. „Naar Nederlandse ervaringen tijdens de bezetting mocht op de staat van het Duitse bevolkingsregister niet worden vertrouwd.“80 Schon einige Monate vor der Grenzkorrektur hatten deshalb Experten gemeinsam mit den beiden Landdrosten für Elten und Tüddern einen Plan für die Registrierung der Bevölkerung entwickelt. „Een ploeg van zestig ambtenaren“ schaffte es so, innerhalb der vorgesehenen zwei Tage die gesamte Eltener Bevölkerung zu registrieren.81
Abbildung 3 - Bekanntmachung des Landdrost vom 23. April 1949
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: StA Emmerich, Archiv Elten, Fb 104
3.2. Politisches Leben in Elten
Wenn am Ende dieser Arbeit ein Stimmungsbild der Eltener Bevölkerung in den Jahren unter niederländischer Auftragsverwaltung entstehen soll, ist es entscheidend, dass der politische Alltag auf dieser untersten politischen Ebene dargestellt und genauer untersucht wird. Ohnedem wäre eine emotionale Bilanz nicht möglich. Denn für ein Leben in einem Ort ist es ganz wesentlich, wie sein politischer Korpus agiert und interagiert. In den nachfolgenden Passagen wird deshalb mehreren Fragen im Zusammenhang mit dem politischen Leben in Elten zwischen 1949 und 1963 nachgegangen: Wie sah die politische Struktur überhaupt aus? Wie funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den politischen Kräften, der Verwaltung und der Bevölkerung?
3.2.1. Eine au ß ergew ö hnliche Konstruktion - Das „ Drostamt “ Elten
Die größte Problematik bestand für den Gesetzgeber darin, dass die neuen Gebiete in Elten und auch in Tüddern auf Grund der Vorläufigkeit ihres Status nicht wie normale niederländische Gemeinden behandelt werden konnten. So war es also auch nicht möglich, das übliche kommunalpolitische System einfach „überzustülpen“. Die Entscheidungsträger behalfen sich nach langen Überlegungen mit dem Modell des „Drostamtes“, das schon seit Ende der 40er Jahre im Noordoostpolder Anwendung fand. Wichtigstes Charakteristikum dieses Systems war, dass es sich bei den Drostämtern nicht um Gebietskörperschaften handelte, die Bestandteil einer Provinz waren und damit auch von den entsprechenden Gremien dieser Ebene ihre Weisungen erhielten, sondern direkt der Regierung des Königreiches unterstellt waren.
Mit dem „Grenscorrectiebesluit“ vom 22. April 194982 fanden diese Pläne ihren rechtlichen Niederschlag. In der offiziellen deutschen Übersetzung dieses Beschlusses heißt es: „Für den Teil des angegliederten Gebietes südöstlich der Gemeinde Zevenaar wird das Drostamt Elten eingesetzt.“83 Die Kompetenzen, die in einer niederländischen Gemeinde eigentlich von Gemeinderat, Bürgermeister und dem „College van burgermeesters en wethouders“84 in strikter Trennung ausgeübt wurden, vereinigte dieser Beschluss auf eine Person: Den Landdrost. In Elten füllte dieses Amt Dr. Adriaan Blaauboer, Mitglied der PvdA85, aus. Durch die gesetzlichen Bestimmungen waren ihm große Machtbefugnisse an die Hand gegeben. Wie oben schon angedeutet, war er lediglich der Regierung verantwortlich. Sein direkter Vorgesetzter war der Innenminister des Königreiches. Somit war eine „Politik des kurzen Weges“ schon in der politischen Struktur des Drostamtes impliziert.
Als Kopf der Verwaltung wurde der Posten eines „Secretaris“ eingerichtet. Er sollte der Exekutive des Drostamtes vorstehen, sie leiten und ständig vor Ort sein. Damit avancierte dieses Amt zu einem wichtigen Bindeglied zwischen der Verwaltung und dem Landdrost. Im Falle der Abwesenheit des Landdrostes konnte der „Secretaris“ theoretisch zumindest über dessen weit reichende Kompetenzen verfügen. In den ersten Monaten nach der Übernahme übte F.J. Vos de Wael in Elten dieses Amt aus. Ihm folgte ab Oktober 1949 Henk Welling, der diesen Posten bis zum 1. August 1963 ausfüllte. Um eine effektive Arbeit innerhalb der Verwaltung zu gewährleisten waren die Beamten im Drostamt Elten auf fünf verschiedenen Abteilung aufgeteilt: „Algemene Zaken“, „Financien“, „Bevolking“, „Sociale Zaken“ und „Gemeentelijke Werken“.86
Wie schon aus den Kompetenzen des Landdrostes ersichtlich wird, war die Partizipation der Bevölkerung wenig bis gar nicht im „grenscorrectiebesluit“ impliziert. Das veranschaulicht auch noch mal die Darstellung des politischen Systems in Elten (s. Abb.4, S.27). Der Beschluss sah lediglich vor, dass eine „Commissie van Advies“, also ein rein beratendes Organ eingesetzt werden konnte.87 Ein solches Gremium nahm in der beinahe identischen Zusammensetzung des ehemaligen Gemeinderates schon ab dem Herbst 1949 seine Arbeit auf. Ihre Funktion beschränkte sich aber, wie der Name schon besagt, auf eine Beratungstätigkeit für den Landdrost. Lediglich einmal in den gesamten 14 Jahren wurde die „Commissie van advies“ von der Eltener Bevölkerung neu gewählt.
Zusätzlich zu dieser sehr abgeschwächten Form der direkten Partizipation an der Kommunalpolitik bestanden noch drei weitere Kommissionen, an denen die Bürgerschaft beteiligt war. Die „Wohnungskommission“ beriet den Landdrost bei der Vergabe von Wohnraum, die „Soziale Kommission“ tat das in sozialen Fragen und die „Marsweidecommissie“ verwaltete die so genannte Marsweide, eine gemeinschaftliche Weidefläche.
Abbildung 4 - Das politische System in Elten 1949-1963*
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
[...]
1 Vgl. Bogaarts, Melchior D.: Parlementaire geschiedenis van Nederland na 1945. De periode van het kabinett-Beel, Bd. A, Nijmegen 1989.
2 Vgl. Van der Steen, Simone: Das Fiasko großer Annexionspläne. Eine Untersuchung der misslungenen niederländischen Wünsche zur Annexion deutschen Territoriums, speziell des Selfkantgebietes (Doctoraal-Scriptie Economische en Sociale Geschiedenis, Katholieke Universiteit Nijmegen, 1992), hg. in deutscher Übersetzung von der Gemeinde Selfkant, 1995.
3 Vgl. Pabst, Klaus: Holländisch für 14 Jahre, in: Först, Walter: Entscheidungen im Westen. Beiträge zur neueren Landesgeschichte des Rheinlandes und Westfalens, Bd. 7, Köln 1979, S.147-170.
4 Vgl. u.a.: Woelk, Wolfgang: Das Grenzland von Nordrhein-Westfalen, die Traktatländereien und die niederländischen Grenzkorrekturen 1949 bis 1963, in: Zentrum für Niederlandestudien: Jahrbuch 5/6, Münster 1995, S.85-104.
5 Vgl. Helmberger, Peter: Der Versuch einer Generalbereinigung. Die Verhandlungen zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik um den Ausgleichsvertrag vom 8. April 1960, in: Zentrum für Niederlande-Studien: Jahrbuch 4, Münster 1993, S.71-99.
6 Vgl. u.a. Wielenga, Friso: Vom Feind zum Partner. Die Niederlande und Deutschland seit 1945. Münster 2000 und Wielenga, Friso: West-Duitsland: Partner uit noodzaak. Nederland en de Bondsrepublik 1949-1955. Utrecht 1989.
7 Vgl. u.a. Lademacher, Horst: (1983): Die Niederlande und Deutschland 1945-1949. Wirtschaftsfragen und territoriale Korrekturen, in: Ehbrecht, Wilfried u. Schilling, Heinz: Niederlande und Nordwestdeutschland. Studien zu Regional- und Stadtgeschichte Nordwestkontinentaleuropas im Mittelalter und in der Neuzeit. Münster 1983, S.457-511.
8 Vgl. Hopf, Simon: Alltag zwischen Mark und Gulden. Der Selfkant unter niederländischer Auftragsverwaltung 1949 bis 1963, in: Geschichte im Westen, Jg.18, Heft 2, Köln 2003, S.136-154. [Zusammenfassung der wesentlichsten Forschungsergebnisse]
9 Vgl. Zweers, Edwin: Elten, een grensgeval. Het Nederlandse beleid inzake het drostambt Elten van 1949 tot 1963 (doctoraal-scriptie, Vakgroep Nieuwste Geschiedenis, Katholieke Universiteit Nijmegen) 1997
10 Vgl. Axmacher, Walter: Elten - Die letzten hundert Jahre 1897-1997. Emmerich 1997.
11 Vgl. Woelk, Wolfgang: Die niederländischen Grenzkorrekturen 1949-1963 in der Politik des Landes Nordrhein-Westfalen und in ihrer Wirkung auf die Bevölkerung der Auftragsverwaltungsgebiete, in: Geschichte im Westen, Jg. 9, Heft 1, Köln 1994, S.32-51
12 Vgl. Schneider, Reinhold: Deutschland - Niederlande. Einige Vorbemerkungen zu einer Monographie über das Problem des deutsch-niederländischen Grenzstreits 1945-1949, in: Jahrbuch des Zentrums für Niederlande-Studien, Bd.3, Münster 1992, S.137-145.
13 Vgl. Helfferich, Cornelia: Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. 2.Aufl., Wiesbaden 2005, S.152
14 Zur Vertiefung des historischen Kontextes wird die auf den nachfolgenden Seiten angegebene Literatur empfohlen.
15 Vgl. Schneider: Deutschland - Niederlande, S.138
16 Vgl. Pabst: Holländisch für 14 Jahre, S. 148
17 Vgl. ebd. S.149
18 So erschienen im Umkreis dieser Komitees rund 60 Broschüren zu der Annexions-Thematik, von denen nur ca. 20% Kritisches zur Gebietserweiterung enthielten.
19 Vgl. Lademacher: Niederlande und Nordwestdeutschland, S.483
20 Nach einem Vorschlag von van Kleffens sollten 10.000 km² mit anderthalb Millionen deutschen Einwohnern annektiert werden. Das hätte das niederländische Staatsgebiet um ein Drittel vergrößert. (Vgl. Wielenga: Vom Feind zum Partner, S.39)
21 Vorläufiger Bericht der Staatskommission vom 24. September 1945 [abgedruckt in: Lademacher: Niederlande und Nordwestdeutschland, S.508-510]
22 Vgl. Lademacher: Niederlande und Nordwestdeutschland, S.487
23 Nur Frankreich sagte den Niederländern in Person von Außenminister Georges Bidault seine volle Unterstützung für die Forderungen aus dem Memorandum zu. [Vgl. Pabst, Holländisch für 14 Jahre, S.157]
24 Vgl. Lademacher: Niederlande und Nordwestdeutschland, S.491
25 Vgl. ebd. S.496
26 Zit. n. Pabst: Holländisch für 14 Jahre, S.159
27 Vgl. Wielenga: Vom Feind zum Partner, S.41
28 Vgl. Boogarts: Parlementaire geschiedenis, S.512
29 Vgl. van der Steen: Das Fiasko großer Annexionspläne, S.24
30 Auf den Widerstand der deutscher Seite soll an dieser Stelle auf Grund des begrenzten Raumes nicht näher eingegangen werden. Zur Vertiefung dieses Kontexts siehe u.a.: Lademacher („Niederlande und Nordwestdeutschland“) oder Woelk („Grenzkorrekturen in der Politik des Landes Nordrhein-Westfalen“)
31 Vgl. Wielenga: West-Duitsland: Partner uit noodzaak, S.394
32 Vgl. Bogaarts: Parlementaire geschiedenis van Nederland na 1945, S.513
33 Vgl. Wielenga: West-Duitsland: partner uit noodzaak, S.396
34 Vgl. Protokoll des „Committee of Western German Frontiers“ vom 22.3.1949 (HStA Düsseldorf, NW 53-572, S.1)
35 Vgl. ebd., S.5
36 Vgl. Bogaarts: Parlementaire Geschiedenis van Nederland na 1945, S.514
37 Vgl. Staatsblad van het Koninkrijk der Nederlanden, No. J181 vom 22.4.1949
38 Zit. n. Pabst: Holländisch für 14 Jahre, S.170
39 Dieser Grenzkonflikt um die Emsmündung schwelte schon seit vielen Jahren zwischen Deutschland und den Niederlanden. Nach Ansicht der Deutschen verlief nämlich die Grenze hier direkt an der niederländischen Küste. Damit hätte die komplette Wasserstraße unter deutscher Verwaltung gestanden. Auf niederländischer Seite lehnte man diesen Standpunkt ab und beharrte stattdessen auf dem so genannten „Talwegprinzip“, das die Grenzziehung in der Flussmitte vorgesehen hätte. Das hätte in der Konsequenz erhebliche wasserwirtschaftliche Vorteile für die Niederlande bedeutet.
40 Vgl. Helmberger, P.: Der Versuch einer Generalbereinigung. Die Verhandlungen zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik um den Ausgleichsvertrag vom 8. April 1960.
41 Bei den Traktatl ä ndereien handelte es sich um ca. 2500 ha landwirtschaftlicher Flächen im niederländischen Grenzgebiet, die bis 1945 von deutschen Landwirten bestellt worden sind. Im Rahmen ihrer Entschädigungsansprüche hatten die Niederlande die Flächen beschlagnahmt und begann 1949/50 damit sie an niederländische Bauern zu verkaufen.
42 Vgl. Helmberger: Versuch einer Generalbereinigung, S.78/79
43 Vgl. ebd. S.79
44 Vgl. Wielenga: Vom Feind zum Partner, S.249
45 Kaufmann wurde im September 1958 durch Außenminister Brentano abberufen und durch den erfahrenen Botschafter Rudolf Lahr ersetzt. Beyen war bereits im Januar 1958 als Botschafter nach Paris gewechselt.
46 Vgl. Wielenga: Vom Feind zum Partner, S.254
47 Vgl. Helmberger: Versuch einer Generalbereinigung, S.87
48 Vgl. Wielenga: Vom Feind zum Partner, S.257
49 Helmberger: Versuch einer Generalbereinigung, S.87
50 Bei den restlichen 6% des ehemals deutschen Areals handelte es sich fast ausschließlich um unbewohntes Gebiet an der deutsch-niederländischen Grenze.
51 Für genauere Studien der Vertragsstruktur und des Inhaltes sei auf die ausführliche Beschreibung in „Wielenga: Vom Feind zum Partner, S.261-269“ verwiesen.
52 Vgl. Helmberger: Versuch einer Generalbereinigung, S.94
53 Vgl. ebd. S.97
54 Vgl. Rede W. Hövelmann zu „10 Jahre Rückgabe“ (StA Emmerich, Ordner: „Elten I, 1946-1952“)
55 Vgl. „Freundschaft? Ja! Annexion? Nein!“ in: Rheinische Post vom 18.4.1949 (StA Emmerich, Ordner: „Elten I, 1946-1952“)
56 Vgl. „Wenn man Grenzen korrigiert“, in: Tagesspiegel vom 8.1.1950 (StA Emmerich, Ordner: „Elten I - 1941-1951“)
57 Brief GR an das Sprachwissenschaftliche Institut in Bonn vom 24.1.1958 (HStA Düsseldorf, NW 154- 1163)
58 Vgl. Athmer: Het drostambt Elten, S.27
59 Gespräch mit Elisabeth Meister am 9. Januar 2006
60 Vgl. Jahresansprache Dr. Adriaan Blaauboer im Januar 1958 (StA Emmerich, G 021-10)
61 Vgl. „Schwarzer Tag für Elten“ in Rheinische Post vom 25.4.1949
62 Vgl. Zweers: Elten een grensgeval, S.6
63 Vgl. Fn. 61 und „De grenscorrectie verliepen zonder enig incident“ in de Graafschaps-Bode vom 25. April 1949, S.1
64 Vgl. Fn. 61
65 Vgl. „De grenscorrectie verliepen zonder enig incident“ in de Graafschaps-Bode vom 25.4.1949, S.1
66 W. Axmacher: Elten - die letzten hundert Jahre, S.466
67 Vgl. Rapport Koninklijke Marechaussee inzake verloop grenscorrecties, 25 april 1949 (BiZa, Archief Drostamt Elten, doos 6) [in: Zweers: Elten - een grensgeval. S.6]
68 G.P. Middelkoop: De Politiebrigade Koninklijke Marechaussee in Elten. 1949-1953. Brochure Nr. 14 van het Marechausseemuseum, Maastricht 1999, S.12
69 Gespräch mit Gerhard Neerincx am 23. Januar 2006
70 Vgl. ebd.
71 Gespräch mit Gerd Dörning am 09. Januar 2006
72 Gespräch mit Elisabeth Meister am 9. Januar 2006
73 Gespräch mit Gerd Dörning am 9. Januar 2006
74 Ganz exakt waren sogar sieben Personen zugegen. Denn auch der Marechaussee J.N. Caro wurde Zeuge der Übergabe, weil er zum persönlichen Schutz von Dr. Adriaan Blaauboer abgeordnet war. Er nahm aber keine verantwortliche Funktion war und wird deshalb auch nicht weiter berücksichtigt.
75 A. Blaaboer: Uit de practijk van een landdrost, in : De Gemeente-Stem vom 8.10.1949 (Nr. 5035, Jahrgang 99), S.1
76 Vgl. „De grenscorrecties verliepen zonder enig incident“ in: De Graafschaps-Bode vom 25.4.1949, S.1
77 Vgl. W. Axmacher: Elten - die letzten hundert Jahre, S.469
78 Vgl. Fn 75
79 Vgl. W. Axmacher: Elten - die letzten hundert Jahre, S.468
80 Vgl. Blaauboer: Uit de praktijk van een landdrost
81 Vgl. ebd.
82 Vgl. Staatsblad van het Koninkrijk der Nederlanden, No. J181 vom 22.4.1949
83 Vgl. „Duitse tekst van het koninklijk besluit van 22 april 1949“, S.2 (StA Emmerich, Fb 4)
84 Dieses Gremium gleicht beinahe einer Regierung der Gemeinde. Aus dem Kreise der Gemeinderatsmitglieder werden die „wethouders“ gewählt, die meistens einen eigenen Tätigkeitsbereich innerhalb des „Colleges“ innehaben. Der Bürgermeister ist gleichberechtigtes Mitglied dieser Instituion und ihr Vorsitzender.
85 Das andere Drostamt in Tüddern wurde gemäß dem Parteienproporz mit einem KVP-Mann besetzt. Hier übte Hubert Dassen, Mitglied der zweiten Kammer, das Amt des Landdrostes aus.
86 Vgl. Zweers: Elten - een grensgeval. S.23
87 Vgl. „Duitse tekst van het koninklijk besluit van 22 april 1949“, S.12 (StA Emmerich, Fb 4) [In der deutschen Übersetzung ist fälschlicherweise von einer „Gutachten-kommission“ die Rede. Dieser Begriff beschreibt die eingegrenzte Zuständigkeit dieses Gremiums allerdings nur sehr unzureichend.]
- Citation du texte
- Tim Terhorst (Auteur), 2006, Leben zwischen zwei Grenzen - Elten unter niederländischer Auftragsverwaltung 1949-1963, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69307
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