Im deutschsprachigen Raum gibt es bisher wenige Untersuchungen, welche die Partnerschaftszufriedenheit bei Vergleichen von Verheirateten und Alleinerziehenden berücksichtigen. In Bezug auf die Entwicklung von Verhaltensstörungen bei Kindern fand dieser Faktor ebenfalls kaum Beachtung. Ziel dieser Untersuchung war es, einen Beitrag zu der Beantwortung der Forschungsfragen zu leisten, die sich aus dem Einfluss der Elternbeziehung auf die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern von Alleinerziehenden und Verheirateten ergeben.
An einer großen epidemiologischen Stichprobe von alleinerziehenden und verheirateten Müttern (N = 1124) wurden durch Selbstauskünfte mittels Fragebögen die Partnerschaftszufriedenheit und soziodemographische Faktoren erhoben. Die Alleinerziehenden wurden zusätzlich zur Trennungssituation befragt, insbesondere zu Konflikten im Jahr vor der Trennung. Es wurde untersucht, ob diese Variablen im Zusammenhang mit den ebenfalls an beiden Stichproben erhobenen Daten zu Verhaltenauffälligkeiten der Kinder stehen. Außerdem wurde geprüft, ob sich das Verhalten der Kinder von Verheirateten und Alleinerziehenden unterscheidet.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Partnerschaftsqualität der Eltern und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, unabhängig von den soziodemographischen Variablen Alter und Bildung der Mutter. Je geringer die Partnerschaftsqualität war, desto mehr Verhaltensauffälligkeiten der Kinder wurden berichtet. Auch die eigenen Scheidungserfahrungen, welche die Mütter bei ihren Eltern gemacht hatten, standen damit nicht in Zusammenhang. Die Beziehungsqualität war im Vergleich zu den Verheirateten bei den Alleinerziehenden deutlich geringer, jedoch nur in der Beziehung zum leiblichen Vater der Kinder. Dieser Unterschied zeigte sich nicht bei der Partnerschaftszufriedenheit der Alleinerziehenden in Bezug auf einen neuen Partner. Alleinerziehende schätzten ihre Kinder als verhaltensauffälliger ein. Dies gilt insbesondere für die Jungen und bei diesen vor allem im Bereich externalisierender Auffälligkeiten. Für die Alleinerziehenden konnte der Zusammenhang zwischen elterlichen Konflikten und dem Verhalten der Kinder nachgewiesen werden. Hier waren auch die Konfliktthemen von Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
1. Zusammenfassung
2. Theoretischer Ausgangspunkt: Partnerschaftskonflikte als Risikofaktoren für Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
2.1 Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
2.1.1 Definition, Erscheinungsformen und Auftretenshäufigkeiten
2.1.2 Altersunterschiede
2.1.3 Geschlechtsunterschiede
2.1.4 Verlaufsmuster
2.1.5 Komorbidität
2.1.6 Erklärungsmodelle
2.2 Partnerschaftszufriedenheit
2.2.1 Stress und Belastungen
2.2.1.1 Stress: Auswirkungen und Bewältigung
2.2.1.2 Übergang zur Elternschaft
2.2.2 Erklärungsmodelle
2.2.3 Auswirkungen auf die Kinder
2.2.4 Zufriedenheit in der Partnerschaft
2.3 Konflikte zwischen den Eltern
2.3.1 Art der Konflikte
2.3.2 Inhalte von Konflikten
2.3.3 Auffälligkeiten der Kinder
2.3.3.1 Geschlechtsunterschiede
2.3.3.2 Alter der Kinder
2.3.4 Vermittelnde Faktoren zwischen Elternkonflikten und dem
Verhalten von Kindern
2.3.4.1 Theorien und Modelle
2.3.4.2 Erziehungsverhalten
2.3.4.3 Eltern-Kind-Beziehungen
2.3.4.4 Emotionale Sicherheit
2.3.4.5 Konflikte und Trennung
2.4 Scheidung
2.4.1 Scheidungsrisiken
2.4.2 Auswirkungen auf die Kinder
2.5. Alleinerziehende und ihre Kinder
3. Forschungsfragen
4. Methode
4.1 Stichprobenbeschreibung, Untersuchungsdurchführung
4.2 Versuchsplan
4.2.1 Prädiktorvariablen
4.2.2 Kriteriumsvariable
4.2.3 Hypothesen
4.3 Instrument
4.3.1 Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ)
4.3.2 Zufriedenheit in Paarbeziehungen (ZIP)
4.3.3 Sozialfragebogen
4.3.4 Trennungsfragebogen (T-FB)
4.4 Statistische Auswertungstechniken (Inferenzstatistik)
5. Ergebnisse
5.1 Deskriptive Statistik zu soziodemographischen Variablen
5.2 Hypothesengeleitete inferenzstatistische Analysen
5.2.1 Hypothese 1: Partnerschaftsqualität
5.2.2 Hypothese 2: Verhaltensauffälligkeiten
5.2.3 Hypothese 3: Geschlecht des Kindes
5.2.4 Hypothese 4: Konfliktpotential
5.2.5 Hypothese 5: Trennungszeitpunkt
5.2.6 Hypothese 6: Konfliktlösung
6. Diskussion
6.1 Deskriptive Statistik
6.2 Hypothese 1: Partnerschaftsqualität
6.3 Hypothese 2: Verhaltensauffälligkeiten
6.4 Hypothese 3: Geschlechtsunterschiede
6.5 Hypothese 4: Konfliktpotential
6.6 Hypothese 5: Trennungszeitpunkt
6.7 Hypothese 6: Konfliktlösung
6.8 Zusammenfassung
7. Literatur
8. Anhang
1. Zusammenfassung
Im deutschsprachigen Raum gibt es bisher wenige Untersuchungen, welche die Partnerschaftszufriedenheit bei Vergleichen von Verheirateten und Alleinerziehenden berücksichtigen. In Bezug auf die Entwicklung von Verhaltensstörungen bei Kindern fand dieser Faktor ebenfalls kaum Beachtung. Ziel dieser Untersuchung war es, einen Beitrag zu der Beantwortung der Forschungsfragen zu leisten, die sich aus dem Einfluss der Elternbeziehung auf die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern von Alleinerziehenden und Verheirateten ergeben.
An einer großen epidemiologischen Stichprobe von alleinerziehenden und verheirateten Müttern (N = 1124) wurden durch Selbstauskünfte mittels Fragebögen die Partnerschaftszufriedenheit und soziodemographische Faktoren erhoben. Die Alleinerziehenden wurden zusätzlich zur Trennungssituation befragt, insbesondere zu Konflikten im Jahr vor der Trennung. Es wurde untersucht, ob diese Variablen im Zusammenhang mit den ebenfalls an beiden Stichproben erhobenen Daten zu Verhaltenauffälligkeiten der Kinder stehen. Außerdem wurde geprüft, ob sich das Verhalten der Kinder von Verheirateten und Alleinerziehenden unterscheidet.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Partnerschaftsqualität der Eltern und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, unabhängig von den soziodemographischen Variablen Alter und Bildung der Mutter. Je geringer die Partnerschaftsqualität war, desto mehr Verhaltensauffälligkeiten der Kinder wurden berichtet. Auch die eigenen Scheidungserfahrungen, welche die Mütter bei ihren Eltern gemacht hatten, standen damit nicht in Zusammenhang. Die Beziehungsqualität war im Vergleich zu den Verheirateten bei den Alleinerziehenden deutlich geringer, jedoch nur in der Beziehung zum leiblichen Vater der Kinder. Dieser Unterschied zeigte sich nicht bei der Partnerschaftszufriedenheit der Alleinerziehenden in Bezug auf einen neuen Partner. Alleinerziehende schätzten ihre Kinder als verhaltensauffälliger ein. Dies gilt insbesondere für die Jungen und bei diesen vor allem im Bereich externalisierender Auffälligkeiten. Für die Alleinerziehenden konnte der Zusammenhang zwischen elterlichen Konflikten und dem Verhalten der Kinder nachgewiesen werden. Hier waren auch die Konfliktthemen von Bedeutung.
Aus den Ergebnissen lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Elternbeziehung und den Verhaltensauffälligkeiten der Kinder ableiten. In Bezug auf zukünftige Untersuchungen ergibt sich die Notwendigkeit, diese Variable stärker im Kontext der Scheidungsforschung, aber auch in Bezug auf Zweielternfamilien zu berücksichtigen, um weitere Erkenntnisse zur Entstehung und Prävention von Verhaltensstörungen bei Kindern zu gewinnen.
2. Theoretischer Ausgangspunkt: Partnerschaftskonflikte als Risikofaktoren für Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
In der Forschungsliteratur wird seit einigen Jahren der Einfluss der Elternbeziehung auf die Entwicklung der betroffenen Kinder verstärkt diskutiert. Hier soll nun ein Überblick über aktuelle Ergebnisse der vorliegenden Studien gegeben werden.
Zunächst wird über die Erscheinungsformen und Prävalenz von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern berichtet (Kap. 2.1.1). Anschließend werden Alters- und Geschlechtsunterschiede (Kap. 2.1.2 und Kap. 2.1.3), Verlaufsmuster (Kap. 2.1.4), Komorbidität (Kap. 2.1.5) und Erklärungsmodelle (Kap. 2.1.6) dargestellt.
Nachfolgend wird im Kapitel 2.2 ein Überblick über den Forschungsstand zur Partnerschaftszufriedenheit gegeben und im Anschluss daran der Bereich der Konflikte zwischen den Eltern beleuchtet (Kap. 2.3).
Der Zusammenhang zwischen Elternbeziehung und Verhalten der Kinder gewinnt besondere Bedeutung in Trennungs- und Scheidungsfamilien. Deshalb werden zum Schluss in Kap. 2.4 und 2.5 Ergebnisse zur Scheidungsforschung und zur Situation Alleinerziehender und ihrer Kinder dargestellt.
2.1 Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
2.1.1 Definition, Erscheinungsformen und Auftretenshäufigkeiten
Zeigen Kinder von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungsnormen abweichende, maladaptive bzw. dysfunktionale Verhaltensweisen, welche in ihrem Schweregrad die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigen und nicht oder nur unzureichend ohne professionelle Hilfe überwunden werden können, werden sie als verhaltensauffällig bzw. verhaltensgestört im klinischen Sinne bezeichnet (Myschker, 2002).
Die Erscheinungsformen der Verhaltensauffälligkeiten konnten empirisch in zwei Hauptfaktoren, die „Externalisierenden Störungen“ und die „Internalisierenden Störungen“ differenziert werden. Während sich die externalisierenden Symptome eher gegen die Umwelt richten und sich in Form von zum Beispiel Aggressivität, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen zeigen, sind die Verhaltensweisen der internalisierenden Störungen eher nach innen gerichtet und zeigen sich in Symptomen wie Zurückgezogenheit, Ängstlichkeit, Depressivität und psychosomatischen Belastungen (Myschker, 2002; Petermann, Döpfner, Lehmkuhl & Scheithauer, 2002).
Die Prävalenzrate für psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen liegt nach verschiedenen Literaturübersichten zwischen 17% und 27% (Anderson & Werry, 1994; Petermann et al., 2002). Methodische Inkonsistenzen bedingen die Variation der Prävalenzraten (Petermann et al., 2002). In einer aktuellen Literaturübersicht von Ihle und Esser wurden 19 epidemiologische Längsschnittstudien zur Prävalenz psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen einbezogen. Mit repräsentativen Stichproben wurden bei jeder dieser Studien strukturierte Interviews von klinisch erfahrenen Personen an jeweils mindestens Eltern und Kindern bzw. Jugendlichen durchgeführt. Es wurden nur solche Studien ausgewertet, welche bei mindestens zwei Messzeitpunkten eine hohe Wiederteilnahme aufweisen konnten. Nach dieser Literaturübersicht liegen ¾ der Prävalenzraten zwischen 15% und 22% mit einem Mittelwert bei 18% (Ihle & Esser, 2002). In einer Übersichtsarbeit von Roberts, Attkinson & Rosenblatt (1998), in welche 52 Studien der letzten vier Jahrzehnte mit verschiedenen Altersgruppen des Kindes- und Jugendalters einflossen, wird ein Mittelwert von 15,8% bei einem Median von 18% berichtet. Im Vergleich zum Erwachsenenalter sind damit psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen in etwa genauso häufig anzutreffen (Robins & Regier, 1991).
Insgesamt ist innerhalb der letzten Jahrzehnte eine generelle Zunahme psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen über verschiedene Diagnoseebenen, sowohl für Normal- als auch für klinische Stichproben, zu verzeichnen (Petermann et al., 2002).
2.1.2 Altersunterschiede
Für die Altersgruppe der Vorschulkinder, in welche die Altersgruppe der vorliegenden Untersuchung fällt, wurden von Roberts et al. (1998) insgesamt 10 Studien ausgewertet. Die mittlere Prävalenz im Vorschulalter beträgt dabei 10,2%. Eine Auswertung von 37 internationalen Studien zur Prävalenz ergab für das Vorschulalter eine mittlere Prävalenzrate von 15,8% psychischer Auffälligkeiten (Kuschel, 2001). Eine Zunahme der durchschnittlichen Gesamtprävalenzraten von 10,2% (Vorschulalter), über 13,2% (Schulalter) bis zu 16,5% (Jugendalter) berichten Roberts et al. (1998), welche von Ihle &Esser (2002) in ihrer Übersicht ausgewählter Studien allerdings nicht bestätigt werden konnte. Hingegen gehen Petermann et al. (2002) von einer kontinuierlich zunehmenden Störungsbelastung mit steigendem Alter der untersuchten Kinder und Jugendlichen aus. Sie berichten zudem für eine Reihe psychischer Störungen (Depression, Aggression und Delinquenz, Substanzmissbrauch etc.) ein zunehmend früheres Alter bei Erstmanifestation unter Kindern und Jugendlichen.
In Bezug auf spezifische Störungsbilder ergeben sich bei Kindern im Alter von bis zu 13 Jahren durchschnittliche Prävalenzraten von 7% für Angststörungen, 6,5% dissoziale Störungen, 3,5% hyperkinetische Störungen sowie 1,5% depressive Störungen. In dieser Altersspanne sind deutlich niedrigere Raten internalisierender Störungen im Vergleich zu diesen Störungen bei allen Altersstufen des Kindes- und Jugendalters zu finden (Prävalenz der Angststörungen von durchschnittlich 10,4%, der dissozialen Störungen mit 7,5% und der depressiven bzw. hyperkinetischen Störungen mit jeweils 4,4%; Ihle & Esser 2002).
Insgesamt gibt es vergleichsweise wenige epidemiologische Studien mit Kindern im Vorschulalter, obwohl dieser Altersbereich aus entwicklungspsychologischer Sicht besonders bedeutsam ist (Oerter & Montada, 1998).
Grundsätzlich ist zu beachten, dass Verhaltensauffälligkeiten nie rein deskriptiv zu erfassen sind, weil soziale Einstellungen und kulturelle Präferenzen eine bedeutende Rolle spielen und in standardisierte Erhebungsinstrumente, wie zum Beispiel den SDQ (Strengths and Difficulties Questionnaire) mit einfließen (Dickey & Blumberg, 2004). Zudem beruhen die Prävalenzschätzungen auf unterschiedlichen Informationsquellen und es existiert keine einheitliche Operationalisierung von Beeinträchtigungen, Schweregradeinstufung von Störungen bzw. Behandlungsbedürftigkeit. Dennoch betonen Ihle und Esser, dass methodisch hochwertige, sorgfältig geplante Studien mit klinisch erfahrenen Beurteilern weltweit zu vergleichbaren Schätzungen der Gesamtprävalenz kommen (Ihle & Esser, 2002).
2.1.3 Geschlechtsunterschiede
Hinsichtlich der Geschlechtsverteilung werden Jungen häufiger als verhaltensauffällig eingeschätzt als Mädchen. In Bezug auf Störungen mit Beginn in der Kindheit, welche nach dem DSM-IV klassifiziert wurden, stellten Hartung und Widinger (1998, siehe Tabelle 1) eindeutige Geschlechtsunterschiede zu Ungunsten der Jungen fest. Im frühen Kindesalter weisen Jungen ein höheres Risiko für fast die gesamte Bandbreite an Entwicklungsstörungen auf (Jacklin, 1989).
Aggressive und delinquente Verhaltenweisen, die bei Jungen weitaus häufiger gefunden werden als bei Mädchen, fallen auch durch ihren Bedrohungsgehalt eher auf, als gegen sich selbst gerichtete Verhaltensweisen wie Depressionen, Ess- und Angststörungen, welche häufiger bei Mädchen auftreten (Erne & Kavanaugh, 1995; Döpfner, Plück & Lehmkuhl, 1996; Lehmkuhl, Döpfner, Plück, Berner, Fegert, Huss, Lenz, Schmeck, Lehmkuhl & Proustka, 1998; Petermann et al., 2002; Ihle & Esser 2002).
Tabelle 1: Geschlechtsunterschiede im Auftreten von Entwicklungs- und anderen psychischen Störungen (Hartung & Widiger, 1998; Steinhausen, 1992)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Crijnen, Achenbach & Verhulst (1997) berichten eine große Konsistenz in der Einschätzung der Eltern auf der Grundlage von 12 Studien in verschiedenen Staaten und Kulturen, die Jungen häufiger als externalisierend und Mädchen häufiger als internalisierend auffällig beurteilen.
Während des Kleinkindalters werden nur wenige Geschlechtsunterschiede im Auftreten von Verhaltensstörungen ermittelt (Keenan & Shaw, 1997; Shaw & Winslow, 1997). Unterschiede im aggressiven und hyperaktiven Verhalten stellen sich erst nach dem zweiten Lebensjahr ein (Fagot & O´Brien, 1994) und verstärken sich nach dem vierten Lebensjahr, insbesondere mit Eintritt ins Schulalter deutlich zu Ungunsten der Jungen (Rose, Rose & Feldman, 1989). Während depressive Störungen im Jugendalter und frühen Erwachsenenalter mindesten doppelt so häufig beim weiblichen Geschlecht vorkommen, sind bei Kindern vor der Pubertät keine signifikanten Geschlechtsunterschiede zu finden. Zudem sind sie im Vorschulalter mit einer Prävalenz von weniger als 1% kaum anzutreffen und im Schulalter mit einer Prävalenz von 2 % auch eher gering ausgeprägt (Essau, 2000; Essau & Petermann, 1995).
2.1.4 Verlaufsmuster
Berücksichtigt man die konsistent hohen Persistenzraten über alle Altersstufen des Kindes- und Jugendalters von in der Regel über 50%, wird das Ausmaß der Problematik von Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen besonders deutlich. Ihle und Esser gehen von einer Rate von 10% chronisch kranker Kinder aus (Ihle & Esser, 2002). Unterschiede hinsichtlich internalisierender und externalisierender Störungen zeigen sich auch bezüglich der Verlaufsmuster (Kontinuität versus Diskontinuität). Besonders ungünstige Verläufe zeigen sich vor allem für dissoziale und hyperkinetische Störungen, die zudem eine große Bedeutung als Vorläufer von Störungen durch Substanzmissbrauch haben (Esser, Ihle, Schmidt & Bilanz, 2000). Allerdings fanden Esser et al. (2000), dass die Persistenz emotionaler Störungen im Jugendalter sowie im Übergang zum Erwachsenenalter zunimmt.
In Untersuchungen zeigt sich auch, dass sowohl Kinder und Jugendliche mit ausgeprägten delinquenten Verhaltensweisen, als auch Heranwachsende mit Anzeichen ernsthafter depressiver Symptome durchschnittlich schlechtere Schulleistungen als andere Gleichaltrige erzielen (Bandura, Barbaranelli, Caprara & Pastorelli, 1996; Birmaher, Ryan, Williamson, Brent & Kaufman, 1996; Hodapp & Mißler, 1996) und ihre Schullaufbahn überdurchschnittlich häufig vorzeitig abbrechen (Henggeler, 1991). Auch Schröder und Wittrock (2002) berichten von häufiger Kovariation zwischen Lern- und Verhaltensstörungen. Caspi, Moffitt, Wright & Silva (1998) zeigen darüber hinaus, dass Delinquenz und Depressivität sich auch auf den späteren Einstieg ins Erwerbsleben negativ auswirkt. Insgesamt weisen externalisierende Störungen bei Jungen und internalisierende Störungen bei Mädchen höhere Persistenzraten auf (Esser, Schmidt, Blanz, Fätkenheuer, Fritz, Köppe, Laucht, Rensch & Rothenberger, 1992; Mc Gee, Fechan, Williams, Partridge, Silva & Kelly,1990).
2.1.5 Komorbidität
Zur Komorbidität psychischer Störungen und Auffälligkeiten im Kindesalter sollen hier die Ergebnisse einiger Studien berichtet werden, in welchen die Child Behaviour Checklist (CBCL; Achenbach, 1991; deutsche Version von Döpfner, Schmeck & Berner, 1994) verwendet wurde. In diesem standardisierten Elternfragbogen zur Erhebung von Kompetenzen und Verhaltensauffälligkeiten von Kindern sind die übergeordneten Skalen „Internalisierende Störungen“ und „Externalisierende Störungen“ enthalten. Döpfner, Plück, Berner, Fegert, Huss, Lenz, Schmeck, Lehmkuhl, Poustka & Lehmkuhl (2002) haben im Rahmen der „Studie über psychische Auffälligkeiten und Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (PAK-KID-Studie; Döpfner, Plück, Berner, Fegert, Huss, Lenz, Schmeck, Lehmkuhl, Poustka & Lehmkuhl, 1997; Lehmkuhl et al., 1998) die Komorbidität psychischer Auffälligkeiten bei 1760 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 4 und 18 Jahren untersucht. 15,9% der Kinder und Jugendlichen erreichen auf mindestens zwei Syndromskalen der CBCL auffällige Skalenwerte. Insgesamt liegen die bidirektionalen Komorbiditätsraten zwischen 7,3% und 34,3%.
Die Ergebnisse einer Metaanalyse von McConaughy und Achenbach (1994) zur Komorbidität psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen, in der vier Studien an US-repräsentativen Stichproben zusammenfassend analysiert wurden, zeigen vergleichbare bidirektionale Komorbiditätsraten der Syndromskalenpaare der CBCL von 10,5% bis 30,2%. Hohe unidirektionale Komorbiditätsraten werden zwischen Depressiven Störungen und Angststörungen (44%) sowie Störung des Sozialverhaltens (48%) berichtet. Ebenfalls hohe Raten wurden zwischen Hyperkinetischen Störungen und Störung des Sozialverhaltens (50%) gefunden. Bei Vorliegen einer Störung des Sozialverhaltens wurde am häufigsten eine Hyperkinetische Störung gefunden (31%), bei Angststörungen mit 27% eine Störung des Sozialverhaltens.
Angold, Costello & Erkanli (1999) führten eine Meta-Analyse zur Komorbidität psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter (8-18-jährige) durch. Sie werteten insgesamt 21 Feldstudien aus, in denen strukturierte klinische Interviews eingesetzt wurden. Eine hohe Komorbidität weisen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen und Störungen des Sozialverhaltens (46,9%), Depressive Störungen und Angststörungen (38,9%) sowie Depressive Störungen und Störungen des Sozialverhaltens auf (24,7%). Niedrige Komorbiditätsraten wurden für Angststörungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (4,7%), Störungen des Sozialverhaltens und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (8,3%) sowie Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen und Depressive Störungen berechnet (9,1%).
Insgesamt werden übereinstimmend hohe Komorbiditätsraten sowohl innerhalb internalisierender als auch innerhalb externalisierender Störungen gefunden. Die Komorbiditätsraten liegen deutlich über den Prävalenzraten, d.h. bei Vorliegen einer Störung ist das Risiko einer zweiten Störung deutlich erhöht.
2.1.6 Erklärungsmodelle
Die Entwicklung eines Kindes ist von den Entwicklungsbedingungen und Entwicklungen seines sozioökonomischen Kontextes nicht abzutrennen (Petzold, 1996).
Für die Ätiologie von Verhaltensauffälligkeiten ist von einem multifaktoriellen Bedingungsgefüge auszugehen. Nach dem mehrdimensionalen Risikomodell von Greenberg tragen verschiedene Risikobedingungen (unsichere Bindung, ineffektives Elternverhalten, Stressfaktoren in der Familie, atypische Eigenschaften des Kindes) zur Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten bei. Diese wirken kumulativ und interaktiv (Greenberg, Speltz und DeKlyen, 1993; Greenberg, 1999). Im interpersonellen Modell von Cummings und Davies (1994) werden die Wechselwirkungen zwischen familienbezogenen Faktoren und der Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten von Kindern beschrieben (s. Abb. 1). Die Eigenschaften der Kinder werden durch die Eigenschaften der Eltern, die Eltern-Kind-Beziehung und Ehekonflikte beeinflusst, wobei diese Faktoren auch untereinander in beide Richtungen wechselwirken und so die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten der Kinder verursachen können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Modell für den Zusammenhang von Risikofaktoren bei der Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten von Kindern (modifiziert nach Cummings & Davies , 1994)
Soziodemographische Faktoren wirken auf das gesamte System, wobei auch hier die Beziehung bidirektional ist, und tragen so zum problematischen Verhalten der Kinder bei. Dieser Einfluss gilt als gesichert. Armut, Arbeitslosigkeit oder schlechte Wohnverhältnisse zählen zu den besonders ungünstigen Bedingungen (z.B. Voydanoff und Donnelly 1998).
Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle , dass bei diesem und ähnlichen Modellen das Wirkungsgefüge unklar bleibt, da sehr viele Faktoren miteinander wechselwirken und eine differenziertere Beschreibung notwendig wäre, um z.B. Kriterium und Prädiktor genauer herauszuarbeiten.
Nach Auswertung von Forschungsergebnissen der letzten 30 Jahre zur Geneseforschung psychischer und körperlicher Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen kommen Egle, Hardt, Nickel, Kappis. & Hoffmann (2002) zu einer Auflistung folgender Risikofaktoren:
- Verlust- und Trennungserlebnisse, insbesondere der Tod der Mutter, Scheidung der Eltern oder längere Trennungsphasen
- psychische Störungen oder schwere körperliche Erkrankungen der Eltern oder Geschwister
- ungünstige Familiensituation wie Kriminalität oder Dissozialität eines Elternteils, chronische Disharmonie, Berufstätigkeit der Mutter im ersten Lebensjahr, allein erziehende Mutter oder autoritärer Vater
- Bindungsunsicherheit und häufig wechselnde frühe Beziehungen
- sexueller Missbrauch oder körperliche Misshandlung
- ungünstige psychosoziale Faktoren wie niedriger sozioökonomischer Status, schlechte Schulbildung, Arbeitslosigkeit und beengte Wohnverhältnisse.
Hierbei sind nicht alle Risikofaktoren gleich gravierend und die meisten psychisch Erkrankten weisen eine Vielzahl solcher Faktoren auf.
In zahlreichen Studien haben sich folgende familiäre Risikovariablen für Problemverhalten bei Kindern herauskristallisiert: inkonsistentes und bestrafendes Erziehungsverhalten, negative familiäre Kommunikationsmuster, Ehekonflikte und Scheidung sowie psychische Störungen der Eltern, insbesondere Depressivität der Mutter (Erel & Burman, 1995; Grych & Fincham, 1990; Spence, 1998).
Es fehlen bislang ausreichende Erkenntnisse darüber, welche Faktoren in welcher Kombination und Ausprägung spezifische Verhaltensstörungen generieren. Forschung diesbezüglich gestaltet sich wegen des anzunehmenden multifaktoriellen Bedingungsgefüges und nicht zuletzt wegen der methodischen Inkonsistenzen aufwändig und schwierig. So ist z.B. nach Reicher (1999) bislang weitgehend unerforscht, welche Risikokonstellationen konkret zur Entwicklung einer depressiven Symptomatik, aggressiver Verhaltenweisen oder einer gemischten komorbiden Symptomatik führen. Erschwerend kommen Befunde aus der Entwicklungspathologie hinzu, nach denen der gleiche Risikofaktor zu verschiedenen Störungen führen kann, und unterschiedliche Ausgangsbedingungen in die gleiche Störung münden können (Äquifinalität und Äquikausalität; Sroufe & Rutter 1984). Trotzdem sind etliche Erkenntnisse zu Risikovariablen – wie z.B. Elternbeziehung, Konflikte in der Familie und Trennung bzw. Scheidung – in Bezug auf Verhaltensstörungen bei Kindern zusammengetragen worden, welche im Überblick in den folgenden Kapiteln referiert werden sollen.
In diesem Zusammenhang gewinnen auch protektive Faktoren Bedeutung, die an dieser Stelle kurz ergänzt werden sollen. Nach Werner (1989) lassen sich prinzipiell drei Gruppen zusammenfassen:
1. individuelle Faktoren (z.B. Intelligenz, internale Kontrollüberzeugungen)
2. emotional stabile und einfühlsame Beziehungen (Eltern, Geschwister, Freunde)
3. unterstützende Systeme von außen (Schule, Institutionen).
Auch bei diesen Faktoren zeigen sich Geschlechtsunterschiede: persönliche Eigenschaften wie internale Kontrollüberzeugungen und Problemlösefertigkeiten wirken sich besonders bei Mädchen positiv aus, während für Jungen eher die Unterstützung durch andere Personen Bedeutung gewinnt (Werner, 1993). Im Bereich der Bindungsforschung sind in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse zur Entwicklungspsychologie gewonnen worden Eine sichere Bindung stellt demnach einen bedeutsamen Faktor dar, der die individuelle Bewältigung von Belastungen durch eine effektive Verhaltens- und Emotionsregulation unterstützen kann und somit protektive Wirkung entfaltet (Spangler & Zimmermann, 1999).
2.2 Partnerschaftszufriedenheit
Repräsentative Daten wurden hauptsächlich zur Stabilität bzw. Instabilität von Ehen erhoben, weniger zur Zufriedenheit der Partner. Diese ist im Partnerschaftsverlauf häufig erheblichen Schwankungen unterworfen (Fooken & Lind, 1996). Olson, Russel, McCubbin, Barnes, Larson, Muxen & Wilson (1989) untersuchten die Zufriedenheit in der Partnerschaft über den Lebenszyklus der Familie und fanden geschlechtsspezifische Unterschiede, die für eine höhere Zufriedenheit seitens der Männer sprechen. In einer repräsentativen Umfrage gaben Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren zu 10% an, dass sie mit ihrer Partnerschaft unglücklich sind, weitere 25% waren „eher unglücklich“ (Döring, Baur, Frank, Freudl & Sottong, 1986). In einer Normierungsstichprobe (N=1580) im Altersbereich von 18 bis 50 Jahren zum Partnerschaftsfragebogen von Hahlweg (PFB), gaben 23,6% der Frauen und 18,7% der Männer an, sehr unglücklich in ihrer Beziehung zu sein. Als sehr glücklich beschrieben sich 4,5% der Frauen und 3,4% der Männer. Das Item („Wie glücklich würden Sie ihre Partnerschaft einschätzen?“) wurde auf einer sechsstufigen Skala erhoben (1 = sehr glücklich, 6 = sehr unglücklich). Die meisten Befragten schätzten sich mit 63,1% der Männer und 66,6% der Frauen als eher unglücklich ein (Summe Stufe 5 und 6), der Mittelwert betrug 4,65 (Hinz, Stöbel-Richter & Brähler, 2001).
2.2.1. Stress und Belastungen
2.2.1.1 Stress: Auswirkungen und Bewältigung
Stress wirkt sich negativ auf die Partnerschaftsqualität aus, insbesondere der Alltagsstress korreliert negativ mit der Beziehungszufriedenheit (Bodenmann, 2000), wobei sich direkte Einflüsse vor allem durch die mangelnde Zeit füreinander (Repetti & Wood, 1997) und indirekte Einflüsse hauptsächlich durch eine Verschlechterung der Kommunikation unter Stress sowie durch gesundheitliche Beeinträchtigungen ergeben (Bodenman, 1995; Bodenmann, Perrez & Gottman, 1996; Bodenmann, 2000; Gottman, 1994; Burman & Margolin, 1992).
Das Kommunikations- und Interaktionsverhalten, vor allem in Konfliktsituationen, zählt zu den wichtigsten Einflüssen auf die Beziehungsqualität. Hier haben sich das Beklagen und Kritisieren, Herabwürdigen, sich Verteidigen und Abwehren als besonders ungünstige Verhaltensweisen herausgestellt (Gottman, 1994). Als bester Prädiktor für die Qualität, den Verlauf und die Stabilität der Paarbeziehung innerhalb der verschiedenen Formen der Stressbewältigung hat sich das dyadische Coping herauskristallisiert. Je besser beide Partner gemeinsam mit Belastungen umgehen (gemeinsames dyadisches Coping), sich bei der Bewältigung von Belastung unterstützen (supportives dyadisches Coping) und sich in Situationen der Überforderung Aufgaben und Tätigkeiten abtreten können (delegiertes dyadisches Coping), desto besser ist die Prognose einer Partnerschaft (Bodenmann, 2000).
2.2.1.2 Übergang zur Elternschaft
Besonders die Phase des Übergangs zur Elternschaft stellt eine Zeit erhöhter Belastung für die Partnerschaft dar. Die Qualität der Ehepartnerbeziehung ist hier eine wesentliche Einflussvariable, welche die Auswirkungen der Anforderungen dieser veränderungsintensiven Zeit moderiert (Wicki, Messerli & Zehnder, 1995). Eine positive Grundhaltung dem Partner gegenüber und eine realistische Einschätzung der Ehe reduziert das Ausmaß der Belastungen und führt seltener zum Auftreten von Geburtskomplikationen (Lukesch, 1975).
Die zumindest vorübergehend in den Hintergrund tretende Sexualität bestimmt besonders nachhaltig die Zufriedenheit der Väter in der Partnerschaft (Reichle, 1994; Werneck, 1997). Es wurde beobachtet, dass die Beziehung des Vaters zum Kind durch Unzufriedenheit in der Ehe beeinträchtigt ist und die Tendenz besteht, sich von Frau und Kind zurückzuziehen (Cummings & O´Reilly, 1997). Belsky, Youngblade, Rovine &Volling (1991) wiesen systematische Zusammenhänge zwischen der Veränderung der Elternbeziehung im Verlaufe der ersten drei Jahre nach der Geburt des Kindes und der Eltern-Kind Interaktion nach. Das Absinken der Zufriedenheit in der Partnerschaft war verbunden mit einer Zunahme negativen Vaterverhaltens und problematischem Verhalten des Kindes. Untersuchungen weisen darauf hin, dass es bei Frauen in der Phase des Übergangs zur Elternschaft eine wesentlich stärkere Abnahme der Ehezufriedenheit gibt, sowie eine größere erlebte Belastung in der Arbeitsteilung, aber auch eine größere Rollenklarheit als bei ihren Partnern (Werneck & Rollett, 1999).
Ein interessantes Ergebnis von Werneck (1998) legt einen bedeutenden Einfluss der Einstellung der Väter auf die Temperamententwicklung ihrer Kinder nahe: Bei Kindern, welche später durch ihre Mütter als „schwierige Babys“ eingeschätzt wurden, erlebten deren Väter diese schon vor der Geburt hochsignifikant als Belastung. Auch sagen bei intakten Partnerschaften die Güte der Ehequalität und Konflikte schon vor der Geburt die elterliche Einschätzung von Auffälligkeiten der Kinder drei bis fünf Jahre später voraus (Howes & Markman, 1989).
Insgesamt wurde ein Absinken der Zufriedenheit mit der Partnerbeziehung in vielen Studien nachgewiesen, und zwar vor allem in den ersten 3 Monaten nach der Geburt, teilweise auch anhaltend über ein bis zwei Jahre oder sogar fünf Jahre fortdauernd (Mc Hale & Houston, 1985; Nickel, Quaiser-Pohl, Rollet, Vetter & Werneck, 1995; Gloger-Tippelt, Rapkowitz, Freudenberg & Maier 1995; Schneider & Rost, 1996; Jurgan, Gloger-Tippelt & Ruge, 1995). Auch bei kinderlosen Paaren sinkt die Zufriedenheit in den ersten Ehejahren (in diesem Zeitraum werden die meisten Kinder geboren). El-Giamal (1997) kommt bei einer Übersicht über verschiedene Kontrollgruppenstudien allerdings zu dem Schluss, dass das Absinken der Zufriedenheit sowie die Zunahme von Konflikten bei Ersteltern höher ausfällt als bei kinderlosen Paaren.
2.2.2 Erklärungsmodelle
In dem Resilienz-Modell der Paarbeziehung von Lösel & Bender (1998) wird versucht, verschiedene theoretische Perspektiven zu integrieren (s. Abb. 2). Verschiedene Risiken, denen eine Paarbeziehung lang- oder kurzfristig ausgesetzt sein kann, wie zum Beispiel eigene Scheidungserfahrung als Kind, Armut, berufliche Probleme oder Probleme mit den Kindern, wirken sich auf die Interaktion und damit auf die Zufriedenheit mit der Beziehung und damit deren Stabilität ungünstig aus (Hullen, 1998; Laux & Schütz, 1996). Es kann sich aber daraus auch eine Stabilisierung der Beziehung ergeben, wenn die Bewältigung mittels persönlicher und/oder sozialer Ressourcen gelingt, wie zum Beispiel sozialer Kompetenzen (z.B. Fähigkeit zu Empathie und Ausdruck von Gefühlen) oder positiver Rollenvorbilder. Ein sicherer Bindungsstil kann Risikofaktoren in ihrer ungünstigen Wirkung abmildern, wohingegen eine unsichere Bindung diese, zum Beispiel durch negative Interpretation des Partnerverhaltens, Misstrauen, Eifersucht und Angst vor Ablehnung, noch potenzieren kann (Read & Collins, 1992).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Resilienz-Modell der Paarbeziehung adaptiert nach Lösel & Bender (1998)
Eine protektive Funktion haben auch gemeinsame bzw. wechselseitig unterstützte Ziele, Werte und Einstellungen (Grau & Bierhoff, 1998). Positive selbstbezogene Kognitionen können eine Bedingung für eine gelungene Partnerbeziehung sein (Finchham, 1994). Rollenvorbilder und Verhaltensmodelle des sozialen Umfelds können als Leitbilder dienen und sowohl positive als auch negative Auswirkung auf die Beziehungsgestaltung haben (Baucom, Epstein, Rankin & Burnett, 1996). Kommunikations-, Interaktions- und Bewältigungsmuster haben sich als valide Prädiktoren der Beziehungsqualität erwiesen (Karney & Bradbury, 1995; Bodenmann, 2000).
Dass Beziehungsqualität nicht zwangsläufig mit Beziehungsstabilität einhergehen muss, ist zunächst nicht augenscheinlich. Jedoch unterscheiden sich Partnerschaften bzw. die Personen in Beziehungen hinsichtlich ihrer Toleranz für Unzufriedenheit erheblich. Gründe dafür sind z.B. intrinsische und extrinsische Investitionen, die psychischen sozialen und materiellen Kosten einer Trennung und die Verfügbarkeit und Bewertung eventueller Alternativen auf dem Partnermarkt (Rusbult, 1983). Inwiefern an dieser Stelle Vorbildwirkungen in den Massenmedien Einfluss haben, ist noch nicht ausreichend erforscht, aber als eine gesellschaftliche Rahmenbedingung nicht zu unterschätzen.
2.2.3 Auswirkungen auf die Kinder
Es gilt als gut untersucht, dass sowohl globale Partnerschaftsunzufriedenheit in der Ehe als auch offene Konflikte zwischen den Partnern mit negativen Auswirkungen auf die Kinder verbunden sind (Jouriles, Pfiffner & O´Leary, 1988; Mann & Mac Kenzie, 1996). Chronische Disharmonie zwischen den Eltern gilt als einer der Risikofaktoren für die spätere Entwicklung der Kinder (Werner & Smith, 1992; Sadowski, Ugarte, Kolvin, Kaplan & Barnesal, 1999; Amato & Booth, 2001). In einer Studie zum Kindheitsglück, in der eine Salzburger Stichprobe mit N=1319 Kindern nach ihrer subjektiven Einschätzung befragt wurde (Bucher, 2001) erklärte der Faktor „Gutes Familienklima, Anerkennung, Lob“, in den auch die Frage nach der Einschätzung der Elternbeziehung einging, doppelt soviel Varianz wie neun soziodemographische Variablen zusammen.
In einer neueren Studie (Cummings, Keller & Davies, 2005) wurde der Zusammenhang von Eheproblemen und Depression der Eltern untersucht. Eheprobleme werden hier als mögliche Reaktion auf die depressive Symptomatik der Eltern zurückgeführt. Umgekehrt gehören Eheprobleme zu den häufigsten kritischen Lebensereignissen vor Ausbruch einer depressiven Erkrankung (Paykel & Cooper, 1992). Das Risiko für den Ausbruch einer schweren depressiven Episode ist für unglücklich verheiratete Frauen annähernd 25 mal so groß wie für glücklich verheiratete (Halford & Bouma, 1997). Insbesondere nach einer Trennung findet man bei Müttern eine erhöhte Depressivität, welche als Risikofaktor für eine problematische Entwicklung der Kinder gilt (Franz & Lensche, 2003; Herwig, 2004).
Auch in anderen Studien wurden Korrelationen zwischen einer depressiven Symptomatik bzw. anderen psychischen Störungen (z.B. Alkoholismus) und niedriger Partnerschaftszufriedenheit gefunden (Assh & Byers, 1996; Halford & Bourma, 1997). In einer aktuellen Studie wurden insgesamt 436 Mütter mit ihren Kindern mittels Fragebogen befragt, welche an einer Mutter-Kind Maßnahme teilnahmen. Da die gesundheitliche Situation dieser Frauen gekennzeichnet war durch Erschöpfungszustände und Depressivität (60% wiesen klinisch relevante Depressionswerte auf, 20% erfüllten die Kriterien einer affektiven Störung), können deren Kinder als eine Risikogruppe für die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten gelten. Entgegen der ursprünglichen Annahme eines gleichen Einflusses der vier mütterlichen Faktoren Depressivität, Partnerschaftszufriedenheit, soziale Unterstützung und Erziehungsverhalten, zeigte sich ein direkter Zusammenhang mit internalen und externalen Auffälligkeiten nur für die mütterliche Partnerschaftszufriedenheit und das Erziehungsverhalten. Die Depressivität und die wahrgenommene soziale Unterstützung erwiesen sich als indirekte Prädiktoren (Herwig, Wirtz & Bengel, 2004).
Kinder von Eltern, die in einer guten Ehebeziehung leben, haben eher eine sichere Bindung zu ihren Eltern (Belsky, 1996) und wachsen in einer unterstützenderen häuslichen Umwelt auf (Baharudin & Luster, 1998; Voydanoff & Donelly, 1998). Ehezufriedenheit geht mit elterlicher Kompetenz einher (Webster-Stratton, 1989). Wenn die Ehequalität hoch ist, werden häufig ähnliche Einstellungen der Eltern bezüglich Erziehung und Disziplin, positive Eltern-Kind-Beziehungen, bessere Einstellungen zu Kindern und der Elternrolle, kooperativere Kinderbetreuung, emotionale Sicherheit des Kindes und hohe soziale Kompetenzen beobachtet (Cummings & O´Reilly, 1997).
Bei dem Zusammenhang zwischen Ehezufriedenheit und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder konnten Grych & Fincham (1990) keine Geschlechtsunterschiede feststellen. In einer Studie von Mahoney, Jouriles & Scavone (1997) korrelierten die Einschätzungen der Väter bezüglich ihrer Ehezufriedenheit signifikant mit externalisierenden und internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten vor allem bei Kindern im Vorschulalter. Nach Creasey und Jarvis (1994) hatten zweijährige Kinder von Müttern, die stärkeren Stress im Bereich elterlicher Zufriedenheit angaben (z.B. Partnerbeziehung, soziale Isolation, Gesundheit), in der Verhaltensbeobachtung mehr externalisierende Auffälligkeiten und insgesamt mehr Verhaltensprobleme.
2.2.4 Zufriedenheit in der Partnerschaft
Bei einer Vielzahl von Problemen der Kinder sind Konflikte zwischen den Eltern ein besserer Prädiktor als globale Ehezufriedenheit (Jouriles, Murphy, Farris, Smith, Richters & Waters, 1991), wobei eine hohe Partnerschaftszufriedenheit einen protektiven Einfluss in Bezug auf die Auswirkungen der Konflikte zwischen den Eltern auf die Kinder hat (Davies, Harold, Goeke-Morey, Cummings, Shelton & Rasi, 2002). Der Zusammenhang zwischen Ehekonflikten und kindlicher Psychopathologie bleibt auch nach der statistischen Kontrolle globaler Ehezufriedenheit deutlich bestehen (Jenkins & Smith, 1991; Jouriles, Murphy & O´Leary, 1989). Zusätzlich sind offene Ehekonflikte mit kindlichen Verhaltensproblemen stärker und direkter verbunden als Ehezufriedenheit, obwohl beide negativ mit Erziehungsverhalten zusammenhängen (Cowan, Cowan, Heming & Miller, 1991; Porter & O´Leary, 1980).
Jouriles et al. (1988) erfassten globale Ehezufriedenheit von Müttern sowie offene Ehekonflikte z.B. über Themen der Kindererziehung und Verhaltensprobleme zweijähriger Kinder. Dabei standen Ehekonflikte mit den Beobachtungen kindlicher Verhaltensabweichungen und Berichten der Mütter über Verhaltensprobleme stärker im Zusammenhang als mit Ehezufriedenheit. Studien von Block, Block & Morrison (1981) sowie Snyder, Klein, Gdowski, Faulstich & LaCombe (1988) zeigten zudem, dass es eher ein spezifischer Faktor der Eltern, wie z. B. Diskrepanzen bei der Kindererziehung, als eine globale Ehezufriedenheit ist, der kindliche Probleme vorhersagt.
Befunde aus der Bindungsforschung beschreiben einen Generationen übergreifenden Effekt der Bindungsgeschichte der Eltern auf die Partnerschaftsbeziehung ihrer Kinder: Berichteten die Eltern über eine sichere Bindungsrepräsentation in ihrer Kindheit, war ein Einfluss auf die Partnerschaftsrepräsentation ihrer Kinder 13 bzw. 15 Jahre später zu verzeichnen (Stöcker, Selchert & Grossmann, 2001). Somit bietet die Bindungstheorie einen Erklärungsrahmen für die Qualität der Partnerbeziehung, indem sie die Dynamiken des Bindungsprozesses aus den Erfahrungen mit früheren Interaktionspartnern zu erklären versucht.
2.3 Konflikte zwischen den Eltern
Konflikte und Unstimmigkeiten sind ein normaler Teil des Familienlebens, wobei die Partnerschaften in den Jahren der Kindererziehung am konfliktreichsten sind (Glenn, 1990). Nach Behrens und Sanders (1994) besteht bei nahezu jedem verheirateten Paar zu einer bestimmten Zeit das Risiko für Ehekonflikte, Trennung und Scheidung, verbunden mit Belastungen für sie selbst und die Kinder. Viele Untersuchungen belegen direkte oder indirekte negative Auswirkungen von Ehekonflikten auf die Schwere oder Häufigkeit von Verhaltensproblemen der Kinder (Cummings & Davis, 1994; Emery & O´Leary, 1982; O´Leary & Emery, 1982).
Allerdings ist auch die Wechselseitigkeit des Zusammenhangs zu beachten: kindliche Verhaltensprobleme können zu elterlichen Konflikten beitragen (z.B. Jenkins, Simpson, Dunn, Rasbash & O’Connor, 2005).
2.3.1 Art der Konflikte
Von den Kindern, die starke Feindseligkeit wie Gewalt zwischen den Eltern erleben, haben etwa 40% bis 50% deutliche Verhaltensprobleme (Cummings & Davies, 1994). Kinder haben mehr psychische Probleme, wenn häufige und intensive Konflikte der Eltern in offenem Ärger vor den Kindern ausgetragen werden, Uneinigkeiten über die Erziehung beinhalten, langandauernd sind und ungelöst bleiben (Katz & Woodin, 2002; Cummings, Goeke-Morey & Papp, 2004; Cummings & Davies, 1994; Grych & Finchham, 1990). Kinder reagieren auch auf nonverbalen Ärgerausdruck und berichten von gestressten oder ärgerlichen Reaktionen, die in ihrer Stärke mit den Reaktionen auf verbalen Ärgerausdruck vergleichbar sind (Cummings, Ballard & El-Sheik, 1991). Anders als bei offenen Konflikten, wird bei einem verdeckten Konfliktstil feindseliges Verhalten in passiv-aggressiver Weise zwischen den Eltern ausgetragen. Diese unausgesprochenen Spannungen können bei den Kindern Gefühle der Konfusion und Angst hervorrufen. Außerdem erleben die Kinder modellhaft, Gefühle nicht auszudrücken. Zudem wird hier eine Lösung der Konflikte weniger wahrscheinlich. Nach Buehler, Krishnakumar, Stone, Anthony, Pemberton, Gerard & Barber (1998) haben die Kinder von Eltern mit verdecktem Konfliktstil ein erhöhtes Risiko für internalisierende Störungen. Werden Konflikte gelöst, haben diese weniger gravierende Auswirkungen auf die Kinder als ungelöste Konflikte (Cummings & Davies, 1994; Davies, Myers & Cummings, 1996). Eine explizite verbale Lösung ist nicht erforderlich, um die emotionale Unsicherheit der Kinder zu reduzieren, da diese auf die emotionalen Konsequenzen bei den Eltern reagieren. Feindselige Konfliktausgänge führen dagegen zu dem Versuch, den Eltern zu helfen und mit einem Elternteil gegen den anderen eine Koalition einzugehen (Davies et al., 1996).
In einer Metaanalyse von Buehler, Anthony, Krishnakumar, Stone, Gerard & Pemberton (1997) zur Bedeutung von Elternkonflikten für Anpassungsschwierigkeiten bei den betroffenen Kindern wurde eine Effektstärke von .32 festgestellt, ein Wert zwischen einem kleinen (.20) und einem mittleren (.50) Effekt nach Cohen (1977). Es resultierten unterschiedliche Effektgrössen je nach Art der Konfliktäusserung: Bei offenen Konflikten, also direkter Äußerung von feindseligem Verhalten, wurden größere Effekte (.35) gefunden als bei Studien, die indirekte Äußerungen (.28), Rückzug vom Konflikt (.27) oder die Häufigkeit der Konflikte (.19) untersuchten. Dies weist darauf hin, dass es nicht die Konflikte an sich sind, die negative Folgen für die Kinder haben, sondern der Umgang mit ihnen.
2.3.2 Inhalte von Konflikten
Der größte Teil der Konfliktforschung hat sich darauf konzentriert, wie Ehepartner mit Konflikten umgehen, und nicht, worüber ein Konflikt besteht. Dabei wurde vor allem davon ausgegangen, dass nicht so sehr der Konfliktinhalt, sondern der Umgang damit für Stress in der Ehe entscheidend ist (Ridley, Mari & Surra, 2001).
Anders als andere Konflikte, die eher in Zusammenhang mit externalisierenden Störungen stehen, sind Konflikte über die Erziehung auch mit internalisierender Symptomatik verbunden und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Kinder besonders kritisch (Davies & Lindsay, 2004; Jouriles et al., 1991; Snyder et al., 1988; Grych, Fincham, Jouriles & McDonald, 2000). Kinder reagieren auf kindbezogene Konflikte mit stärkerer Scham, Selbstbeschuldigung und Furcht, in die Auseinandersetzung mit hineingezogen zu werden, als auf nicht kindbezogene Auseinandersetzungen (Jouriles et al., 1991).
2.3.3 Auffälligkeiten der Kinder
Kinder von Eltern mit häufigen Konflikten zeigen sowohl mehr externalisierende als auch internalisierende Verhaltensauffälligkeiten als Kinder aus weniger konfliktreichen Partnerschaften (Carlson, Tamm & Hogan, 1999; Davies & Cummings, 1994; Grych & Finchham, 1990).
Besonders ausgeprägt sind hier jedoch die externalisierenden Störungen mit Aggression, Vandalismus, Delinquenz und fehlender Compliance (Loeber & Dishion 1984). In Studien an Familien mit einem hyperaktiven Kind wurde eine geringere intrafamiliäre Kohäsion und eine höhere Konfliktneigung festgestellt (Biederman, Milberger, Faraone, Kiely, Guite, Mick, Ablon, Warburton, Reed & Davies, 1995). In einer Beobachtungsstudie von Dadds, Sanders, Morrison & Rebgertz (1992) war das Ausmaß an konflikthaften familiären Interaktionen bei Kindern mit einer internalisierenden Störung geringer als bei denen mit einer externalisierenden Störung. Das Risiko, dysfunktionale Beziehungen zu Gleichaltrigen sowie mangelhafte soziale Fähigkeiten zu entwickeln, steigt bei starken Ehekonflikten der Eltern (Grych & Finchham, 1990). Auch kommt es dann zu schlechteren Schulleistungen, und Lehrer berichten von geringeren interpersonellen Fähigkeiten und sozialer Kompetenz im schulischen Kontext (Cummings & Davies, 1994).
2.3.3.1 Geschlechtsunterschiede
Bei Untersuchungen an Familien mit Kindern in klinischer Behandlung werden häufiger Geschlechtsunterschiede bezüglich des Zusammenhangs mit Elternkonflikten festgestellt als bei Stichproben, welche nicht aus solchen Familien gewonnen werden. Hier werden häufiger externalisierende Verhaltensauffälligkeiten gefunden, vor allem bei Jungen (Purcell und Kaslow, 1994). Die größere Wahrscheinlichkeit, dass diese Probleme zu klinischen Behandlungen führen, weil sie durch ihren störenden Charakter eher wahrgenommen werden, bedingt wahrscheinlich die gefundenen Unterschiede.
Bei Jungen und Mädchen besteht eine große Überschneidung bezüglich der entwickelten Störungsbilder sowie eine hohe Variabilität innerhalb der Geschlechter. Unterschiede zeigen sich zudem weniger in der Stärke der entwickelten Störung, als in der Art ihres Ausdrucks. Jungen reagieren aggressiver und impulsiver als Mädchen, welche häufiger Depressionen, Ängstlichkeit und sozialen Rückzug zeigen oder sich sehr angepasst verhalten (Cummings & Davies, 1994). Jungen und Mädchen scheinen Konflikte der Eltern gleich häufig mitzuerleben und wahrzunehmen (Emery & O´Leary, 1982).
2.3.3.2 Alter der Kinder
Auf Kinder aller Altersgruppen haben starke Konflikte zwischen den Eltern negative Auswirkungen (Cummings & Davies, 1994; Grych & Fincham, 1990). Schon im Alter von sechs Monaten sind Kleinkinder in der Lage, aggressive von anderen Emotionen in ihrem Umfeld zu unterscheiden (Shred, McDonnell, Church & Rowan, 1991; Banerjee, 1997).
Kinder verschiedenen Alters unterscheiden sich in ihren Bewältigungsmöglichkeiten und ihrem Bewusstein für die Ursachen und Konsequenzen der Konflikte. Hier sind jüngere Kinder deutlich benachteiligt (Davies & Cummings, 1994; Grych & Cardoza-Fernandes, 2001). Im Vergleich zu Vorschulkindern haben Schulkinder durch die Erfahrungen in der Schule die Möglichkeit, andere Modelle für den Umgang mit Konflikten zu erleben. Andererseits sind sie insgesamt länger den Konflikten der Eltern ausgesetzt gewesen.
Kleinkinder werden selten direkt in die elterlichen Dispute einbezogen, deutlich häufiger aber ab dem Schulalter mit einem Höhepunkt in der mittleren Adoleszenz (Cummings et al., 1991).
2.3.4 Vermittelnde Faktoren zwischen Elternkonflikten und dem Verhalten von Kindern
Wie kann man den Zusammenhang von konflikthaften Elternbeziehungen und der Entwicklung problematischen Verhaltens bei Kindern erklären? In den folgenden Abschnitten werden Theorien vorgestellt und die Bedeutung von Erziehungsverhalten, Eltern-Kind-Beziehung und emotionaler Sicherheit in diesem Zusammenhang beschrieben.
2.3.4.1 Theorien und Modelle
In einer Übersicht beschreiben Margolin, Oliver und Medina (2001) sechs verschiedene theoretische Modelle zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Elternkonflikten und dem Verhalten von Kindern:
1. Die Familiensystemtheorie versteht die Psychopathologie des Kindes als ein Resultat dysfunktionaler familiärer Prozesse. So können zum Beispiel Auffälligkeiten der Kinder den Fokus der Eltern von ihren Konflikten auf das Kind verlagern (Patterson, 1982). Dieses Problemverhalten wird von den Kindern weitergeführt, um das Streitverhalten der Eltern zu reduzieren. Eine andere mögliche Folge von Konflikten besteht in der kompensatorischen Koalitionsbildung eines Elternteils mit dem Kind, welches wegen der Überforderung durch die Rollenvermischung (Kind als Partnerersatz) problematisches Verhalten entwickelt. Diese dysfunktionale und für die betroffenen Kinder stark belastende Funktion wurde vielfach unter der Bezeichnung „Parentifizierung“ auch im Zusammenhang mit Scheidung untersucht, worauf in späteren Abschnitten Bezug genommen wird. Robinson (1999) berichtet von Parentifizierung durch Elternteile, welche z.B. durch die Alkohol- oder Arbeitssucht des Partners eine belastete Paarbeziehung erleben. Besonders Kinder aus hoch konflikthaften Elternbeziehungen sind von Parentifizierung betroffen (Cummings, Zahn-Waxler & Radke-Yarrow, 1984).
2. Die Theorie des sozialen Lernens hingegen schreibt problematisches Verhalten dem Modellernen und der Verstärkung von Verhalten in einem sozialen Kontext zu. Kinder neigen dazu, ihre Eltern zu imitieren (Bandura, 1973). So werden zum Beispiel aggressive Verhaltensweisen als mögliche Konfliktlösungsstrategien gelernt, wobei die Eltern als Modelle für die Kinder dienen. Beobachten Kinder effektive Konfliktlösungen der Eltern, lernen sie andererseits wichtige Fertigkeiten für die Lösung von Differenzen mit Gleichaltrigen oder Geschwistern (Cummings & Davies, 1994). Internalisierende Störungen der Kinder haben dagegen Ängstlichkeit und passives Verhalten mit einem verdeckten Konfliktstil gemeinsam. Kinder, die diesen Konfliktstil bei ihren Eltern beobachten, werden eher ängstlich, konfus sowie hilflos und neigen dazu, diese Gefühle zu internalisieren Dies kann zu Rückzug, Depression und somatischen Beschwerden führen. Während eines Elternkonflikts beobachten Jungen und Mädchen verschiedene Verhaltensweisen des jeweils gleichgeschlechtlichen Elternteils. Es wird angenommen, dass Jungen häufiger aggressives Verhalten der Väter während der Konflikte imitieren und Mädchen eher ängstliche Reaktionen der Mütter (Emery, 1982).
3. Die Emotionsübertragung (Spillover) von einem Subsystem (z.B. Ehepaar) in ein anderes (Eltern-Kind) ist eine weitere Theorie zur Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten durch Elternkonflikte. Emotionen und Spannungen während negativer Partnerinteraktionen werden auf die Eltern-Kind-Interaktionen übertragen (Engfer, 1988).
4. Eine weitere Richtung befasst sich mit der genetischen Übertragung. Dabei geht man davon aus, dass Kinder aufgrund genetischer Ähnlichkeiten mit den Eltern und der genetisch bedingten Vulnerabilität einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Zudem sind Auswirkungen von Ehekonflikten bei vulnerableren Kinder möglicherweise einschneidender.
[...]
- Citar trabajo
- Diplom-Psychologin Gabriele Guth (Autor), 2005, Untersuchung des Zusammenhangs von Elternbeziehung und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern von alleinerziehenden und verheirateten Müttern, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69248
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.