Wilhelm von Humboldt – Wie ist der Zusammenhang von Sprache, Denken und Wirklichkeit?
Was für Wilhelm von Humboldt Sprache war, das läßt sich nicht in wenigen Sätzen erklären, und es läßt sich auch nicht in eine Definition pressen. Seine Auffassungen von Sprache, seine Ansichten über alles, was damit zusammenhängt, sind so komplex, das es ein ganzes Buch brauchte, um sie darzulegen.
In unserer Zeit tun wir uns oft schwer, uns mit Dingen näher zu beschäftigen, die nicht sofort greifbar und klar werden. Wilhelm von Humboldts sprachphilosophische Schriften sind solch ein Ding. Doch wenn es gelingt, unsere Vorstellungen davon, was heutige Wissenschaft sein soll, einmal beiseite zu legen und möglichst vorurteilsfrei einen Text von Wilhelm von Humboldt zu lesen, dann tritt man in eine Welt ein, die fasziniert durch ihre Vielfalt, ihren Reichtum an Ideen, durch ihre Komplexität und nicht zuletzt durch ihre Logik. Nur schwer kann man sich dem Banne eines Wilhelm von Humboldt entziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Wilhelm von Humboldt und seine Zeit
2. Grundzüge der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts
2.1 Das Wechselwirkungsprinzip der Sprache
2.2 Sprache erschafft Wirklichkeit
2.3 Sprache als Energeia
3. Schlußbemerkungen
4. Literaturliste
1. Wilhelm von Humboldt und seine Zeit
Wilhelm von Humboldt, geboren am 22. Juni 1767 in Potsdam, gestorben 68 Jahre später am 8. April 1835 in Tegel, war einer der großen Denker seiner Zeit. Ohne weiteres läßt sich sein Name neben solche Größen stellen wie Goethe, Schiller, Schlegel, usw. Das von ihm entworfene und zweifellos auch gelebte humanistische Bildungsideal hat an seiner Aktualität in zweihundert Jahren nichts verloren. Er war 22 als die Französische Revolution ausbrach. Als Vertreter seiner Zeit war er vertraut mit dem damals aktuellen Wissenstand und trug durch sein Wirken wesentlich dazu bei, diesen zu erweitern.
Wilhelm von Humboldt lebte die Idealvorstellung eines Sprachforschers, da er gründliche Kenntnisse einzelner Sprachen mit einem umfassenden Sprachdenken verband und in Einklang brachte und somit erstmals Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie vereinte. Seine sprachwissenschaftlichen Studien erstreckten sich auf zahlreiche Sprachen (darunter Baskisch, Ungarisch, verschiedene amerikanische Sprachen, Sanskrit, Chinesisch, Japanisch, Tatarisch, Birmanisch sowie Ägyptisch und andere semitische Sprachen).[1] Er selbst sprach fließend Griechisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und natürlich Deutsch, seine Muttersprache. Seine „Sprachstudien sind gekennzeichnet durch die enge Verknüpfung von empirischer Sprachforschung und philosophischer Reflexion.“[2] Er war einer der großen Denker seiner Zeit und war „sein Leben lang im Sinne eines lebendigen Humanitätsideals bestrebt und tätig [...], seine Individualität zu formen nach der Form, die in ihr lag, und alle ihre Anlagen gleichmäßig auszubilden, [...] getreu dem Sinn und dem Gesetz des einzelnen, dem Zweck der Menschheit und ihrer geschichtlichen Idee zu dienen [...]. [D]as macht seine menschliche und wissenschaftliche Größe aus [...].“[3]
Dies wurde nicht zuletzt durch die Möglichkeiten begünstigt, die ihm ein wohlbegütertes und adeliges Elternhaus schaffen konnte.
Auch die Kontakte zu anderen berühmten Größen seiner Zeit, wie zum Beispiel Goethe und Schiller trugen stets dazu bei, seine Ideen zu bereichern und zu reflektieren. So fanden sich bereits im ersten Jahrgang von Schillers „Horen“ (1795) Aufsätze von Wilhelm von Humboldt.[4]
Durch die Wiederentdeckung des Sanskrit erlebte die Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts einen enormen Auftrieb. „Die ersten dreißig Jahre nach Friedrich Schlegels Aufruf zum Sprachstudium sind das eigentliche Entdecker- und Pionierzeitalter der Sprachwissenschaft und als solche die fruchtbarsten und großartigsten ihrer ganzen Geschichte.“[5] 1808 forderte Schlegel in seiner Schrift „Über die Sprache und Weisheit der Inder“ zu vergleichender und historischer Sprachforschung auf und teilte gleichzeitig die Sprachen in zwei Hauptgattungen, die flektierenden und die nicht-flektierenden.[6] Auf diesem Boden des allgemeinen Interesses für Sprachen, für Sprache schlechthin, fand nicht zuletzt Wilhelm von Humboldt den idealen Ausgangspunkt für seine Sprachstudien.
Selbstverständlich beschäftigte sich Wilhelm von Humboldt nicht ausschließlich mit Sprachen. Ganz wie es sich für einen universellen Denker gehörte, ist er auch auf anderen Gebieten wirksam geworden, seine Forschungen erstreckten sich auf Geschichte und Geschichtsphilosophie, Politik, Anthropologie und Ästhetik. Er gilt als „der eigentliche philos[ophische] Begründer des klassisch-idealistischen Humanismus (Neuhumanismus).“[7] Zahlreiche Anregungen brachte ihm sicher auch stets die enge Verbindung zu seinem Bruder Alexander von Humboldt, dem berühmten Naturforscher.
Im folgenden wird Wilhelm von Humboldts Sprachphilosophie näher beleuchtet, speziell unter dem Gesichtspunkt, daß Sprache verschiedene Weltbilder schaffen kann. Es wird gezeigt, wie Wilhelm von Humboldt diese These begründete und was genau sie für ihn bedeutete. Weiterhin werden Gegenmodelle zu dieser Anschauung erläutert, um ihre Ungewöhnlichkeit und Neuartigkeit für die damaligen Verhältnisse der Sprachwissenschaft herauszuarbeiten.
2. Grundzüge der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts
Was für Wilhelm von Humboldt Sprache war, das läßt sich nicht in wenigen Sätzen erklären, und es läßt sich auch nicht in eine Definition pressen. Seine Auffassungen von Sprache, seine Ansichten über alles, was damit zusammenhängt, sind so komplex, das es ein ganzes Buch brauchte, um sie darzulegen.
In unserer Zeit tun wir uns oft schwer, uns mit Dingen näher zu beschäftigen, die nicht sofort greifbar und klar werden. Wilhelm von Humboldts sprachphilosophische Schriften sind solch ein Ding. Doch wenn es gelingt, unsere Vorstellungen davon, was heutige Wissenschaft sein soll, einmal beiseite zu legen und möglichst vorurteilsfrei einen Text von Wilhelm von Humboldt zu lesen, dann tritt man in eine Welt ein, die fasziniert durch ihre Vielfalt, ihren Reichtum an Ideen, durch ihre Komplexität und nicht zuletzt durch ihre Logik. Nur schwer kann man sich dem Banne eines Wilhelm von Humboldt entziehen.
„Die Sprache muß [...] meiner vollesten Ueberzeugung nach, als unmittelbar in den Menschen gelegt angesehen werden; [...]. Es hilft nicht, zu ihrer Erfindung Jahrtausende und abermals Jahrtausende einzuräumen. Die Sprache liesse sich nicht erfinden, wenn nicht ihr Typus schon in dem menschlichen Verstande vorhanden wäre. Damit der Mensch nur ein einziges Wort [...] verstehe, muss schon die Sprache ganz und im Zusammenhange in ihm liegen. Es giebt nichts Einzelnes in der Sprache, jedes ihrer Elemente kündigt sich nur als Theil eines Ganzen an. So natürlich die Annahme allmählicher Ausbildung der Sprachen ist, so konnte die Erfindung nur mit Einem Schlage geschehen.“[8]
Diese Sätze zeigen deutlich, daß Wilhelm von Humboldt in Bezug auf die Sprachursprungsfrage einen eher anthropologischen Standpunkt vertritt. Für ihn ist Sprache dem Menschen immanent. Und weil Sprache „ihren Ursprung in der Natur des Menschen [hat,] [...] weist [sie] deshalb selbst Charakteristika eines Organismus auf.“[9] Die Sprache als einen Organismus zu verstehen ist eine der Grundlagen, von denen Wilhelm von Humboldt bei seinen Sprachbetrachtungen ausgeht. Die Verknüpfung beider genannten Standpunkte zeigt sich auch in folgendem Zitat:
[...]
[1] (1989) Brockhaus-Enzyklopädie. in vierundzwanzig Bänden. Zehnter Band. 19Mannheim: F.A. Brockhaus. S. 299.
[2] Dascal, Marcelo u. a. (Hrsg.) (1992/1996): Sprachphilosophie. Philosophy of language. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 2 Bände. Berlin, New York: de Gruyter (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 7). S. 362.
[3] Arens, Hans (1969): Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart. 2Freiburg, München: Alber. S. 170.
[4] Humboldt, Wilhelm (1994): Über die Sprache. Reden vor der Akademie. Hrsg. und kommentiert von Jürgen Trabant. Tübingen, Basel: Francke (= UTB 1783) S. 205.
[5] Arens, Hans (1969): Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart. 2Freiburg, München: Alber. S. 170.
[6] Dr. Klemm, Michael, persönliche Mitteilung.
[7] Hügli, Anton / Lübcke, Poul (Hrsg.) (1995): Philosophie Lexikon. Personen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. S. 263.
[8] Humboldt, Wilhelm von (1996): Werke. In fünf Bänden. Band III. Schriften zur Sprachphilosophie. Hrsgg. von Andreas Flitner und Klaus Giel. 8Stuttgart: J. G. Cotta`sche Buchhandlung. S. 10 – 11.
[9] Dascal, Marcelo u. a. (Hrsg.) (1992/1996): Sprachphilosophie. Philosophy of language. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 2 Bände. Berlin, New York: de Gruyter (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 7). S. 376.
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- Anja Elstner (Autor:in), 2000, Wilhelm von Humboldt - Wie ist der Zusammenhang von Sprache, Denken und Wirklichkeit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69178
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