Seit Beginn des 20. Jahrhunderts vollzog der Rezipient eine Veränderung in seiner Medienzuwendung und seinem Medienverständnis. Das Aufkommen der Neuen Medien hat das Publikumsverhalten der Zuschauer nachdrücklich gewandelt und gesellschaftlich geprägt. Die Rolle, welche dabei dem Rezipienten zukommt, hat sich in dieser Zeit grundlegend verändert. Günther Anders und Hans Magnus Enzensberger haben sich beide neben anderen Arbeiten den Medientheorien zugewandt. Beide setzten sich mit der Wirkung der Neuen Medien auf den Menschen und seine Sozialisierung auseinander. Ziel dieser Arbeit ist es, das Rezipientenbild und sein Wandel bei beiden Autoren herauszuarbeiten und produktiv gegenüber zu stellen. Zunächst werde ich mich mit der Schrift ‚Die Antiquiertheit des Menschen I’ von Günther Anders auseinander setzten, um seine Ansicht über Technik und Scham darzustellen. Ich werde über den hörigen und unfreien Rezipienten und seinem Wandel mit der Einführung der Neuen Medien erörtern. Der Sprachverlust und die Bedürfnisherausbildung werden im Unterkapitel 2.3 und 2.4 beleuchtet. Im Abschnitt 2.5 werde ich mich mit dem Rückzug des Rezipienten in sein eigenes Heim beschäftigen und anschließend in 2.6 die Konsequenzen der Anders`schen Theorie zusammenfassen. Im Kapitel drei werde ich den Aufsatz von Hans Magnus Enzensbergers „Das Nullmedium oder Warum alle Klagen über das Fernsehen gegenstandlos sind“ aus ‚Mittelmaß und Wahn’ untersuchen, um das Publikumsbild aus seiner Sicht zu erläutern. Hierbei wird postmodernes Gedankengut einfließen und der Prozess der Entstehung des Nullmediums verfolgt. Mit Manipulation und Wirklichkeit wird sich Abschnitt 3.2 befassen. Anschließend werde ich in einem Vergleich in Kapitel 4 die wichtigsten Punkte gegenüberstellen um folgend mit einem kurzen Fazit zu schließen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellung
1.2. Aufbau der Arbeit
2. Günther Anders und sein Rezipientenbild
2.1. Prometheische Scham
2.2. Der unfreie und hörige Rezipient
2.3. Der Sprachverlust des Rezipienten
2.4. Die vorgegebene Bedürfniswelt
2.5. Der Rezipient als individueller und solistischer Konsument
2.6. Zusammenfassung und Konsequenzen
3. Hans Magnus Enzensberger und sein Rezipientenbild
3.1. Postmodernes Gedankengut und die Nullstellung
3.2. Manipulation und Wirklichkeit
3.3. Medien als sozialisierte Produktionsmittel
4. Zusammenfassender Vergleich
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellung
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts vollzog der Rezipient eine Veränderung in seiner Medienzuwendung und seinem Medienverständnis. Das Aufkommen der Neuen Medien hat das Publikumsverhalten der Zuschauer nachdrücklich gewandelt und gesellschaftlich geprägt. Die Rolle, welche dabei dem Rezipienten zukommt, hat sich in dieser Zeit grundlegend verändert.
Günther Anders und Hans Magnus Enzensberger haben sich beide neben anderen Arbeiten den Medientheorien zugewandt. Beide setzten sich mit der Wirkung der Neuen Medien auf den Menschen und seine Sozialisierung auseinander. Ziel dieser Arbeit ist es, das Rezipientenbild und sein Wandel bei beiden Autoren herauszuarbeiten und produktiv gegenüber zu stellen.
1.2. Aufbau der Arbeit
Zunächst werde ich mich mit der Schrift ‚Die Antiquiertheit des Menschen I’ von Günther Anders auseinander setzten, um seine Ansicht über Technik und Scham darzustellen. Ich werde über den hörigen und unfreien Rezipienten und seinem Wandel mit der Einführung der Neuen Medien erörtern. Der Sprachverlust und die Bedürfnisherausbildung werden im Unterkapitel 2.3 und 2.4 beleuchtet. Im Abschnitt 2.5 werde ich mich mit dem Rückzug des Rezipienten in sein eigenes Heim beschäftigen und anschließend in 2.6 die Konsequenzen der Anders`schen Theorie zusammenfassen. Im Kapitel drei werde ich den Aufsatz von Hans Magnus Enzensbergers „Das Nullmedium oder Warum alle Klagen über das Fernsehen gegenstandlos sind“ aus ‚Mittelmaß und Wahn’ untersuchen, um das Publikumsbild aus seiner Sicht zu erläutern. Hierbei wird postmodernes Gedankengut einfließen und der Prozess der Entstehung des Nullmediums verfolgt. Mit Manipulation und Wirklichkeit wird sich Abschnitt 3.2 befassen. Anschließend werde ich in einem Vergleich in Kapitel 4 die wichtigsten Punkte gegenüberstellen um folgend mit einem kurzen Fazit zu schließen.
2. Günther Anders und sein Rezipientenbild
Günther Anders, geboren am 12. Juli 1902 beschreibt in seinem im Kalten Krieg 1956 veröffentlichten Werk „Die Antiquiertheit des Menschen I“, dass die Technik an der Macht ist und welche Gefahren für den Rezipienten sich folglich aufzeigen. Er erläutert wie die Technik selbst zum Handelnden wird und das Produkt über den Menschen herrscht. Seine Kritik an den Neuen Medien und den Menschen seiner Zeit setzt direkt am Produkt an und ist von phänomenologischen Zügen geprägt. Als liturgisches Mittel stößt man auf die oft kritisierte Übertreibung, aber auch auf die Einfachheit der Wortwahl, die Anders charakterisieren.
2.1. Prometheische Scham
„Glaube heute Vormittag einem neuen Pudendum auf die Spur gekommen zu sein, einem Scham-Motiv, das es in der Vergangenheit nicht gegeben hat. Ich nenne es vorerst für mich ‚prometheische Scham’ und verstehe darunter die Scham vor der erschämend hohen Qualität der selbst gemachten Dinge“
(Günther Anders Tagebuchnotiz 11.03.1942 in Schubert 1992, S.51)
Ausgangspunkt der Kritik von Günther Anders an der Zivilisation Mitte des 20. Jahrhunderts ist der Widerspruch zwischen der Unvollkommenheit des Menschen und der immer größer werdenden Perfektion der Maschinen (Liessmann 2002). Diesen Widerstand benennt Anders als prometheisches Gefälle und meint damit die Schamröte, die dem Menschen angesichts der eigenen Unzugänglichkeit gegenüber seinen technischen Geschöpfen ins Gesicht steigt (ebd.). Diese Scham entdecken vermag nur das Gerät selbst. Der Maschine ist der Scham jedoch verweigert.
Die Schwierigkeit des Menschen ist die Sturheit seines Leibes: „Die Sturheit seines Leibes macht den Menschen zum Saboteur seiner eigenen Leistung“ (Anders, 1956, S.31). Um dieser Schwierigkeit zu umgehen, passt der Rezipient sich den Geräten an.
2.2. Der unfreie und h ö rige Rezipient
Charakterisierend für die zweite industrielle Revolution ist die menschliche Instrumentalisierung. Als Produzent und hauptsächlich als Konsument ist der Mensch reduziert auf seinen funktionalen Status (Lohmann 1996, S. 231). Die Maschine macht den Rezipienten nahezu überflüssig und unfrei. Sie übernehmen für ihn die Vermittlungsfähigkeiten bei der Beschaffung und Bearbeitung von gewünschten Objekten und Informationen (Lohmann 1996, S. 232).
Die Mondlandung, erste ins Bild gebrachte Nachrichten und die ‚ins Haus gelieferte Welt’ - sollte den Menschen weiterbringen, informieren und zu neuen Wissen verhelfen. Anders sieht in den Neuen Medien für den Rezipienten diesbezüglich einen Schritt zurück. Die Menge der übertragenen Bilder wandeln sich zum Nachteil. Er umschreibt diesen Prozess mit dem Begriff der Bilderflut. Ähnlich beschrieben es Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufklärung1: Etwas Gutes schlägt bei Übergewichtung ins Gegenteil (Horkheimer 1969).
Die Technik beginnt nicht mehr dem Wesen der Menschen zu entsprechen. Der Rezipient kann sich nicht mehr weiterentwickeln. In der ‚Antiquiertheit des Menschen II’ erörtert Anders, die Technik sei zum Subjekt der Geschichte geworden (Anders 1980). Der Mensch ist nur noch mitgeschichtlich, überholt, ‘antiquiert’. „Der Gegenwärtige und auch der Zukünftige sind gekennzeichnet durch die Diskrepanz zwischen der noch immer wachsenden Kapazität der Technik und dem Unvermögen der Phantasie, sich die katastrophalen Folgen der Technik vorzustellen“ (Anders 1980). Diese Ausgeliefertheit des Zuschauers könnte aufgrund des Verlustes des Zweckbegriffes entstanden sein. Wozu mache ich das alles? Die Funktion der Technik als Organersatz, -verstärkung, -entlastung und -überbietung wird in die Funktionalisierung des Menschen umgewandelt. „Die Überlegenheit der Dinge wird anerkannt, und die Menschen werden in die Produktionswelt integriert als Elemente, die nicht nur als Gerät neben Geräten, sondern [..] als Gerät für Geräte fungieren“ (Anders 1992).
Die Neuen Medien rauben dem Zuschauer laut Anders auch die Freiheit des Hörnerves: „Die Dimension des Akustischen ist die Dimension der Unfreiheit. Als Hörende sind wir unfrei. Fortzuhören ist schwieriger als fortzublicken“ (Anders 1980). Radio in Kaufhäusern, Musik während der Arbeit und das Dasein der Medien als Hintergrundgestaltung erzwingen beim Rezipienten ein Weghören. Die Freiheit, dem Hintergrund kein Gehör zu schenken haben die wenigsten. Die Geräte besetzen die den Menschen zugeschriebenen Handlungen. So ist der Rezipient der Mensch „der, da selbst nicht mehr spricht, nichts mehr zu sagen hat; und der, weil er nur hört und zwar immerfort, ein ‚Höriger’ ist.“ (Anders 1987, S.109)
2.3. Der Sprachverlust des Rezipienten
„Da die Geräte uns das Sprechen abnehmen, verwandeln sie uns in Unmündige und Hörige“ (Anders 1987, S.107)
Die Rezipienten der Medien mussten nicht mehr miteinander reden, da Ihnen diese das Sprechen und Miteinandersprechen abnahmen. So wird uns Rezipienten „unsere Ausdrucksfähigkeit, unsere Sprachgelegenheit, ja unsere Sprachlust“ geraubt (Anders 1987, S.107). Mathias Schönberg folgert eine ausdruckslose und weniger vielfältige Sprache. Standardisierungen, Floskeln und eine weniger umfangreiche Sprache werden beim Rezipienten eintreten.
Anders tritt für eine einfache, verständliche Sprache ein. „Mit meinen Lehrern hat es zu tun, dass ich wirklich präzise Phänomene beschreiben kann und die sprachliche Formulierung für mich als Aufgabe viel bewusster ist, als bei den meisten. Mein Widerwillen gegen die Künstlichkeit der Sprache von Heidegger war so groß, dass das Verhältnis der Sprache zu den heutigen Phänomenen für mich eine große Rolle gespielt hat, und der Kampf um eine der heutigen Welt angemessenen Sprache“ (Liessmann 1993).
2.4. Die vorgegebene Bed ü rfniswelt
„Lerne dasjenige zu bedürfen, was dir angeboten wird! Denn die Angebote sind die Gebote von heute.“ (Anders 1987, S.172)
Wenn das Verhältnis von Mensch und Produkt sich umkehrt und nicht mehr der Mensch das Produkt sondern dieses ihn prägt, so nennt Anders dies die “invertierte“ Prägung (Liessmann 1993). Durch die öffentliche Meinung werde der einzelne gezwungen, „das jenige zu wünschen, was er erhalten soll“ (Anders 1987). So richten sich die Bedürfnisse des Rezipienten nach den Konsumprodukten und dem Angebot. Anders dagegen legt uns die Befürchtung nahe, dass die Übernahme der Subjekt charakterisierenden Bedürfniswahl durch die Technik ersetzt wird.
[...]
1 In der Dialektik der Aufklärung gelangen Horkheimer und Adorno zu der Erkenntnis, dass Menschen, anstatt in einem wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinken (Horkheimer, Adorno 1969).
- Citation du texte
- Franziska Thöne (Auteur), 2005, Das Rezipientenbild bei Anders und Enzensberger - Ein Vergleich zur Bewertung des Zuschauers und Menschen in der Zeit der Neuen Medien nach Günther Anders und Hans M. Enzensberger , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69141
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