In seinem aus dem Jahre 1939 stammenden Aufsatz über den aristotelischen Physisbegriff formuliert Martin Heidegger sein Verständnis vom Sein als physis. Er bezieht sich hierbei explizit auf die vorsokratischen Philosophen und somit das "vorsokratisch gedachte Sein"1 als physis, die er mittels seiner bekannten etymologischen Methode mit "Aufgehen", "Hervorkommen ins Offene" übersetzt.
In der vorliegenden Arbeit wird nach einer eingehenden Klärung sowohl der Herkunft als auch der ursprünglichen Bedeutung des Wortes [Sonderschrift] dieses anschließend zu Heideggers Idee vom "Sein-zum-Tode" in Beziehung gesetzt.
Inhalt
Einleitung
1 φύσις: Genese eines Begriffes
1.2 Pflanzliche Besonderheiten
2 Das Wachstumsmoment in der Verbalwurzel φυ-
3 Sein als φύσις
Literaturverzeichnis
Einleitung
In seinem aus dem Jahre 1939 stammenden Aufsatz über den aristotelischen Physisbegriff formuliert Martin Heidegger sein Verständnis vom Sein als physis. Er bezieht sich hierbei explizit auf die vorsokratischen Philosophen und somit das „vorsokratisch gedachte Sein“[1] als physis, die er mittels seiner bekannten etymologischen Methode mit „Aufgehen“, „Hervorkommen ins Offene“ übersetzt.
In folgenden Ausführungen sollen zunächst die Herkunft und ursprüngliche Bedeutung des Wortes φύσις geklärt und dieses anschließend zu Heideggers Idee vom „Sein-zum-Tode“ in Beziehung gesetzt werden.
1 φύσις: Genese eines Begriffes
Den Ausgangspunkt der folgenden begriffsgeschichtlichen Beleuchtung der φύσις bildet die Frage nach der Etymologie des Wortes: Weshalb bezeichneten die Vorsokratiker die Natur als φύσις? Woher stammt dieser Begriff, und aus welchem Grunde wurde er zur Beschreibung der Natur verwendet?
Bei dem Wort φύσις handelt es sich um ein von der Verbalwurzel φυ- abgeleitetes Abstraktum. Um die Bedeutung des Begriffes zu ergründen, ist eine genaue Untersuchung des zur Wurzel φυ- gehörigen Verbs vonnöten, das sowohl in aktiver (φύειν) als auch in medialer (φύεσθαι) Form auftritt.
Die frühesten Hinweise auf den Ursprung des Wortes finden sich bei Homer, der das Verb in beiden Genera im Zusammenhang mit pflanzlichen Entwicklungsprozessen verwendet, wobei es als Aktiv in etwa „hervortreiben“ bedeutet, als Medium hingegen „wachsen“.[2] Diese Beschreibung von auf das Pflanzenreich beschränkten Aktivitäten und Vorgängen erfährt jedoch in sprachlicher Hinsicht eine deutliche Abgrenzung zu Verben, die tierische Entstehungsprozesse bezeichnen: „wie die Wurzel γεν- ursprünglich auf das eigentümlich tierische Hervorbringen oder Hervorgehen (‚gebären’ oder ‚geboren werden’) zurückgeht, so die Wurzel φυ- auf das pflanzliche Hervorbringen oder Hervorgehen.“[3]
Die Pflanze ist dementsprechend der gesuchte ursprüngliche Bereich der Wurzel φυ-, deren Verb in beiden Genera das aktive und passive pflanzliche Wirken versinnbildlicht. Das Hervorbringen und das Wachsen gelten jeweils als Charakteristika des pflanzlichen Seins, die sich schließlich auch in der Bezeichnung der Pflanze als „Gewächs“ (φυτόν) manifestieren.
1.2 Pflanzliche Besonderheiten
Kennzeichnend für die Pflanze an sich ist zunächst ihre Ortsgebundenheit: Sie wurzelt in der Erde und bewegt sich nicht von ihrem ursprünglichen Standort fort. Dennoch ist ihr eine Selbstbewegung zueigen, die keinen örtlichen Wechsel bewirkt, sondern eine aus ihr resultierende und sich an ihr vollziehende Bewegung ist: Die Pflanze wächst.
Der aus der Verbalwurzel φυ- hervor gehende Begriff des Wachsens ist dadurch charakterisiert, dass er eine endliche Bewegung beschreibt: Keine Pflanze wächst ins Unermessliche, ihr Wachstum ist dann beendet, wenn sie ausgewachsen ist.
„Wachsen ist daher auf jeder Stufe immer auch Bildung und am Ende Ausbildung, sein [des Wachsenden] Ziel also ist sein Selbst als ein Ausgeformtes und schlechthin Erfülltes.“[4]
Mit dieser Festlegung des Ziels des Wachsenden auf sich selbst und die eigene Vollendung bewegt das Wachsende sich somit nicht nur „aus sich selbst und an sich selbst, sondern auch zu sich selbst“[5].
[...]
[1] Mikulic, Borislav. Sein, Physis, Aletheia, S. 83.
[2] Vgl. Patzer, Harald. Physis, S. 12.
[3] Ebd., S. 12.
[4] Ebd., S. 15.
[5] Ebd., S. 15.
- Quote paper
- Mag. Petra Vera Rüppel (Author), 2001, Zum Physisbegriff in der Philosophie Martin Heideggers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68767
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