Nach dem zweiten Weltkrieg kamen in Deutschland infolge der wirtschaftlichen
Stabilisierung und als Reaktion auf die überschwenglichen Formen von
Expressionismus und Futurismus verschiedene realistische Tendenzen auf. Ein kühles,
unbeteiligtes Sehen sollte den Zuschauern eine neue, realistische, von alten Ängsten
und utopischen Fantasien befreite Weltsicht liefern. Gusatv Hartlaub, der den Begriff der
Neuen Sachlichkeit prägte, teilte den neuen Realismus in zwei Grundströmungen: eine
rechte romantische und eine linke mit "sozialistischem Beigeschmack". Im folgenden
sollen die Merkmale des neuen Realismus in seinen unteschiedlichen Ausformungen
exemplarisch an vier Filmen erläutert werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Symphonie einer Großstadt (1927; R.: Walther Ruttmann)
- Menschen am Sonntag (1929; R.: Robert Siodmak)
- Tagebuch einer Verlorenen (1929; R.: G. W. Pabst)
- Mutter Krausens Fahrt ins Glück (1929; R.: Piel Jutzi)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Merkmale des neuen Realismus in der Weimarer Republik, insbesondere im Kontext der Neuen Sachlichkeit. Es werden exemplarisch vier Filme analysiert, um die ästhetischen und ideologischen Strömungen dieser filmischen Bewegung zu beleuchten.
- Der Einsatz der Kamera als Werkzeug der Objektivität und des „technisierten Sehens“
- Die Darstellung von Alltagsrealität und deren Bedeutung für die filmische Aussage
- Die Rolle der Montage im Aufbau von narrativer Konsistenz und der Vermittlung von abstrakten Begriffen
- Die Ambivalenz der Neuen Sachlichkeit zwischen politischer Neutralität und sozialer Kritik
- Der Einfluss russischer Filmtheorie und -praxis auf die deutsche Filmlandschaft der 1920er Jahre
Zusammenfassung der Kapitel
Symphonie einer Großstadt
Der Film zeichnet sich durch seine dokumentarische Ästhetik aus, wobei der Einsatz der Kamera im Vordergrund steht. Durch die Montage von Alltagsbildern entsteht ein abstraktes Kunstwerk, das den Rhythmus und die Komposition des städtischen Lebens betont. Ruttmanns Film spiegelt die Technisierung des Films als Ausdruck einer technisierten Gesellschaft wider und zeigt die Faszination der Kamera für das Einfangen der Realität.
Menschen am Sonntag
Der Film kombiniert dokumentarische Aufnahmen von Berlin mit einer fiktiven Geschichte von vier jungen Menschen. Die Handlung ist nicht linear, sondern assoziativ, und die Kamera schweift frei durch die Stadt, ohne die Notwendigkeit, eine bestimmte Geschichte zu erzählen. Die Eifersüchteleien der Protagonisten dienen der Identifikation und der Vermittlung von menschlichen Emotionen, während die dokumentarischen Sequenzen den Film als „zufälligen“ Einblick in die Realität erscheinen lassen.
Tagebuch einer Verlorenen
G.W. Pabst ist ein herausragender Vertreter des Neuen Realismus, der in seinen Filmen zeitgenössische Themen aufgreift und mit einer kühlen Sachlichkeit darstellt. „Tagebuch einer Verlorenen“ wird als Beispiel für Pabsts ambivalente Herangehensweise an die Darstellung von sozialer Wirklichkeit betrachtet. Die Arbeit geht nicht weiter ins Detail, um keine Spoiler zu enthüllen.
Schlüsselwörter
Neue Sachlichkeit, Filmrealismus, Weimarer Republik, Montage, Kamera, Dokumentarfilm, Stadtbild, Alltagsrealität, Technisierung, voyeuristisches Sehen, menschliche Emotionen, sozialer Kontext, russische Filmtheorie, Eisenstein, Pudowkin.
- Quote paper
- Anna Purath (Author), 2000, Kino in der Weimarer Republik - Filme der Neuen Sachlichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6858