In seinem Buch „Der Glücks-Faktor: Warum Optimisten länger leben“ von 2003 befasst sich Martin E. P. Seligman mit dem menschlichen Glücksempfinden. Martin E. P. Seligman ist als Professor für Psychologie Vertreter der Positiven Psychologie, die sich mit der Erforschung positiver Emotionen und den Bedingungen für Glück beschäftigt. Damit grenzt sie sich ab von der allgemein geläufigen Psychologie und Psychiatrie, bei der es hauptsächlich um die Untersuchung von psychischen Störungen, deren Ursachenforschung und Behandlung bzw. Prävention geht. Die Ausführungen Seligmans sind in drei Teile gegliedert. Zunächst gibt er einen Überblick über die Bedeutung von positiven Emotionen für die Lebenszufriedenheit in Bezug auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Im zweiten Teil stellt er den Zusammenhang zwischen Glück und dem Aufbau von Stärken und Tugenden her, um dann abschließend seine Erkenntnisse auf die alltäglichen Situationen Arbeit, Liebe und Kindererziehung zu transferieren. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
1.2 Aufbau der Arbeit
2. Pädagogische Relevanz im Bezug auf nachhaltiges Glück
2.1 Empirische Glücksforschung
2.1.2 Die Funktion positiver Emotionen und der Glücks-Faktor
2.2 Bedingungen für Glück
2.2.1 Summe der positiven Emotionen / Ende von Erlebnissen
2.2.2 Einsatz von Tugenden und Stärken
2.2.3 Kontrolle
2.2.4 Bindungsqualität
2.3 Erziehung
2.3.1 Drei Erziehungsprinzipien aus der Positiven Psychologie
2.3.2 Acht Techniken, um positive Emotionen aufzubauen
3. Resümee
3.1 Kritik
3.2 Zusammenfassung der Ergebnisse
3.3 Konsequenzen
1. Einleitung
“Die Absicht, dass der Mensch ´glücklich´ sei, ist im Plan der ´Schöpfung´ nicht enthalten.“
(Freud, zitiert nach Bellebaum 2002, S. 13)
1.1 Relevanz des Themas
In seinem Buch „Der Glücks-Faktor: Warum Optimisten länger leben“ von 2003 befasst sich Martin E. P. Seligman mit dem menschlichen Glücksempfinden. Martin E. P. Seligman ist als Professor für Psychologie Vertreter der Positiven Psychologie, die sich mit der Erforschung positiver Emotionen und den Bedingungen für Glück beschäftigt. Damit grenzt sie sich ab von der allgemein geläufigen Psychologie und Psychiatrie, bei der es hauptsächlich um die Untersuchung von psychischen Störungen, deren Ursachenforschung und Behandlung bzw. Prävention geht.
Die Ausführungen Seligmans sind in drei Teile gegliedert. Zunächst gibt er einen Überblick über die Bedeutung von positiven Emotionen für die Lebenszufriedenheit in Bezug auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Im zweiten Teil stellt er den Zusammenhang zwischen Glück und dem Aufbau von Stärken und Tugenden her, um dann abschließend seine Erkenntnisse auf die alltäglichen Situationen Arbeit, Liebe und Kindererziehung zu transferieren.
Die eingangs zitierte Aussage Freuds erlaubt den Schluss, dass der Mensch von Natur aus nicht unbedingt glücklich ist. Das wiederum lässt eine Formbarkeit des menschlichen Glücks annehmen.
In dieser Hausarbeit möchte ich in diesem Zusammenhang herausstellen, ob die Erziehung eine entscheidende Weiche für das spätere Lebensglück darstellt. Die Relevanz des Themas ergibt sich zum einen aus Unterschieden hinsichtlich der für den Educanden gesetzten Ideale: während Erziehungsziele wie Autonomie und Mündigkeit und damit Verantwortungsbewusstsein und Kritikfähigkeit weit verbreitet sind und zu Recht allgemeine Zustimmung finden, existiert vereinzelt daneben auch ein erzieherisches Streben nach dem „happy child“ oder im Sinne von Wolfgang Brezinkas „Erziehung in einer wertunsicheren Gesellschaft“ (Brezinka 1993) ein Streben nach einer positiven gefühlsmäßigen Grundhaltung. Natürlich schließen die ersten Beispiele ein glückliches Dasein nicht aus – vielmehr ist es wünschenswert und wohl auch inbegriffen, dass sich Glück aus beispielsweise einem kritischem Denken ergibt. Jedoch kommt dem Individuum mit einem Erziehungsziel Glück eine weitaus wertschätzendere Bedeutung zu, weil es hierbei in erster Linie nur um das subjektive Wohlbefinden geht, wohingegen bei anderen Erziehungszielen eine Zweckmäßigkeit für das Funktionieren der Gemeinschaft nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb kann es anregend sein zu sehen, inwiefern die Erziehung dieses Ziel erreichen kann.
Zum anderen halte ich die Sichtweise der Positiven Psychologie für erwähnenswert, weil sie einen ressourcenorientierten Blickwinkel auf menschliche Verhaltensweisen fördert. In diesem Zusammenhang ist die Glücksforschung im Speziellen auch dazu fähig, Aufschluss über Heilung und Prävention von psychischen Störungen zu geben, indem sie Bedingungen für das Glück nennt.
1.2 Aufbau der Arbeit
Ich habe den Hauptteil meiner Arbeit in drei Unterpunkte gegliedert, um der Frage nachzugehen, wie nachhaltiges Glück erreicht werden kann und ob die Erziehung dabei eine Rolle spielt.
Um in das Thema Glück und Glücksforschung einzuleiten, möchte ich zunächst einen Überblick über die aktuelle empirische Glücksforschung geben und dabei die Ergebnisse zur Funktion von Glücksgefühlen sowie die Formel zur Berechnung des möglich erreichbaren Glücks nach Seligman vorstellen.
Anhand Seligmans Äußerungen ergeben sich bestimmte Merkmale, die Glück, Zufriedenheit und Optimismus bedingen. Diese Bedingungen werde ich im zweiten Teil erörtern und danach auf die konkreten Erziehungsvorschläge Seligmans beziehen.
Abschließen möchte ich die Arbeit mit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema sowie einer Zusammenfassung der Ergebnisse aus dem Hauptteil und Konsequenzen, die sich aus Kritik und Zusammenfassung ergeben.
2. Pädagogische Relevanz im Bezug auf nachhaltiges Glück
2.1 Empirische Glücksforschung
In seinem Einleitungstext „Positives Gefühl und positiver Charakter“ (Seligman 2003, S.19ff) beschreibt Seligman sechs aktuelle Studien, die in unterschiedlicher Weise das Thema Glück beleuchten.
Zwei der von Seligman vorgestellten Untersuchungen stellen den Zusammenhang zwischen Glück und Langlebigkeit her.
Bei der einen Untersuchung von Danner, Snowdon und Friesen aus dem Jahr 2001 (s. S. 421) wurden die Noviziatsaufsätze von 180 Ordensschwestern in einer unabhängigen wissenschaftlichen Analyse in vier Gruppen - „unfröhlichste Gruppe“ bis „fröhlichste Gruppe“ (S. 21) eingeteilt, wobei für die Zuordnung das jeweilige Ausmaß an positiven Äußerungen entscheidend war. Da die Lebensberichte aus den 30er Jahren stammten (s. S. 19), konnten sie mit der Lebensdauer der Ordensschwestern in Verbindung gebracht werden und es ergab sich, dass „aus der fröhlichsten Gruppe im Alter von 85 Jahren noch 90 Prozent der Nonnen am Leben waren, aus der unfröhlichsten Gruppe jedoch nur 34 Prozent.“ (S.21). Im Gegensatz zu anderen Untersuchungen hinsichtlich den Bedingungen für die Lebensdauer weist die hier untersuchte Gruppe eine hohe Homogenität hinsichtlich Lebensführung, Ernährung, sozialer Schicht und gesundheitlicher Versorgung auf und gilt damit als äußerst aufschlussreich für die Erklärung von Unterschieden hinsichtlich der Lebenserwartung. Außerdem wurden außer der Summe der geäußerten positiven Empfindungen alle anderen Faktoren ausgeschlossen (s. S. 21), was den Faktor Glück als Ursache für Langlebigkeit beweisen soll.
Die andere Untersuchung stellt eine Langzeitstudie dar und wurde in einem Zeitraum von 30 Jahren erstellt und im Jahr 2000 von Maruta u.a. (s. S. 423) veröffentlicht. Anhand eines Aufnahmetests der Mayo-Klinik in Minnesota wurde zu Anfang der Studie bei 839 Patienten die Ausprägung ihres Optimismus gemessen und im Jahr 2000 in Beziehung zur Sterberate gesetzt. Dabei stellte sich heraus, dass die als optimistisch eingestuften Patienten ihre prognostizierte Lebenserwartung durchschnittlich und verglichen mit Pessimisten um 19 Prozent überschreiten (s. S. 30), was im Einklang mit der Ordensschwestern-Studie steht.
In einer weiteren Längsschnittsstudie von Harker und Keltner aus dem Jahr 2001 (s. S. 421) wird die Art des Lächelns als Hinweis auf das Glücklichsein der Versuchspersonen betrachtet. Dabei wurden im Jahr 1960 141 Fotos von College – Absolventinnen auf das darauf gezeigte Lächeln hin untersucht und in zwei Kategorien eingeteilt: Das sogenannte „ Duchenne-Lächeln “ (S. 22) wird als das echte Lächeln angesehen, weil es sozusagen ohne Einflussnahme geschieht und bestimmte Attribute wie nach oben weisende Mundwinkel und Fältchen um die Augen zeigt. Das andere Lächeln, „ Pan-American-Smile “ (S. 22), zeigt keine derartigen Attribute, findet willentlich statt und gilt daher als unecht. Die Versuchspersonen wurden dann in Abständen von fünf, 21 und 30 Jahren zu ihrer Lebenszufriedenheit befragt, wobei die Ehe als Indikator zur Messung des Glücks ausgewählt wurde. Diejenigen Frauen, die den Duchenne-Lächlerinnen angehörten, zeigten in den späteren Befragungen durchschnittlich eine größere Zufriedenheit und waren zudem häufiger und länger verheiratet (s. S. 22f). Gutes Aussehen als Erklärung für dieses Ergebnis wurde in einer erneuten kritischen Untersuchung ausgeschlossen.
Der Test von Kahnemann 1996 steht im Zusammenhang mit den Bedingungen, die für die Entstehung von Glück verantwortlich sind. 682 Patienten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und einer Koloskopie unterzogen, wobei die erste Gruppe die Untersuchung routinemäßig durchlief. Die Untersuchungen der zweiten Gruppe dagegen dauerten eine Minute länger, jedoch ohne dass das Koloskop bewegt wurde. Es zeigte sich, dass die zweite Gruppe die unangenehme Untersuchung im Vergleich zu ersten positiver in Erinnerung behielt.
Die zwei Langzeitstudien, die als letztes von Seligman vorgestellt wurden, existieren seit 1939. Die Versuchspersonen der ersten Studie sind Harvard-Absolventen, die der zweiten Männer aus der Innenstadt Bostons, wobei alle Versuchpersonen jetzt bereits über 80 Jahre alt sind.
Aus diesen Studien wurde eine Eigenschaft abgeleitet, die neben einem hohem Einkommen und Lebenskraft auch Lebensfreude anzeigt. Diese Eigenschaft wurde in der 2000 von Vaillant veröffentlichen Arbeit als „reife Abwehr“ (S. 30) bezeichnet. Operationalisiert wird diese „reife Abwehr“ in Altruismus und Humor. Außerdem ist sie dann vorhanden, wenn Belohnungen hinausgeschoben werden können und eine Zukunftsorientierung gezeigt wird (s. S. 30).
2.1.2 Die Funktion positiver Emotionen und der Glücks-Faktor
Die eben vorgestellten Studien haben ergeben, dass glückliche Menschen offenbar nicht nur länger leben, sondern auch gesünder sowie erfolgreicher im zwischenmenschlichen und beruflichen Bereich sind. Glücklichsein hat also offenbar eine Funktion, womit der einleitenden Auffassung Freuds vom „Plan der Schöpfung“, nach welchem ein glückliches Dasein keinen Sinn hat, widersprochen werden kann. Die Theorie von dem Zweck positiver Emotionen hat Fredrickson 1998 aufgestellt (s. Seligman 2003, S. 70: „Sie vergrößern unsere angeborenen geistigen körperlichen und zwischenmenschlichen Ressourcen. (...) Freundschaften, Liebesbeziehungen und Koalitionen werden mit größerer Wahrscheinlichkeit gefestigt. (...) weitet sich (...) unser geistiger Horizont, wir sind tolerant und kreativ.“).
Doch wie kommt es dazu, dass Menschen in unterschiedlichem Maße glücklich sind?
Seligman führt in diesem Zusammenhang eine mathematische Gleichung an: G = V + L + W (Seligman 2003, S. 85: „Glück ist gleich Vererbung plus Lebensumstände plus Wille.“). Es gibt nach dieser Formel also eine natürliche Grenze für das erreichbare Glücksniveau und diese Grenze ist genetisch festgelegt. Darüber hinaus entscheiden die Lebensumstände Geld, Ehe, geselliges Leben, Menge der negativen Emotionen, Alter, Gesundheit, Ausbildung, Rasse, Geschlecht und Religion über das mögliche Maß an Glück (s. S. 92ff). Jedoch kann ein Mensch „auch dann glücklich sein, wenn er oder sie von Natur aus nicht sehr viele positive Emotionen mitbekommen hat“ (S. 69), was der letzte Teil der Gleichung Wille besagt. Zufriedenheit, Optimismus und Glück sind also letztendlich auch von uns selbst beeinflussbar.
2.2 Bedingungen für Glück
Aus Seligmans Äußerungen kann man verschiedene Bedingungen herausstellen, die ebenfalls die Unterschiede zwischen glücklichen Menschen einerseits und unglücklichen Menschen andererseits erklären können. Diese Voraussetzungen für Optimismus und Zufriedenheit, welche ich im Folgenden erläutern werde, sind die Summe der positiven Emotionen und das Ende von Erlebnissen, der Einsatz von Tugenden und Stärken, Kontrolle und eine sichere Bindung.
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- Citation du texte
- Anne-Christin Hummelt (Auteur), 2004, Glück und Glücksforschung. Gibt es eine Erziehung zum Glück?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68519
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