In seiner Rede am 3. Dezember 1997 betonte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die Bedeutung von Good Governance für den Erfolg für Entwicklungshilfe, indem er sagte, dass „without good governance, without the rule of law, predictable administration, legitimate power and responsive regulation - no amount of funding, no short-term economic miracle will set the developing world on the path of prosperity“.
Die Erkenntnis, dass die Art und Qualität der Regierungsführung Einfluss darauf hat, wie erfolgreich Entwicklungshilfe ist, hat sich seit gut einem Jahrzehnt in allen Geberorganisationen durchgesetzt. Auch in die Entwicklungspolitik der Europäischen Union hat das Konzept des Good Governance Eingang gefunden. Allerdings existiert eine Fülle von verschiedenen Definitionen von Good Governance; Aussagen über die kausalen Zusammenhänge zwischen Good Governance und Entwicklung sind nur schwer zu treffen und es besteht nicht einmal Einigkeit darüber, ob Good Governance Vorbedingung oder Produkt des Entwicklungsprozesses ist. Good Governance scheint also zu einer Leitidee geworden zu sein, die auf internationaler Ebene diskutiert wird und gerade in Verhandlungen mit Entwicklungsländern eine bedeutende Rolle spielt. Gleichzeitig ist diese Idee aber so wenig spezifiziert, dass sie in den Verhandlungen modifiziert werden muss, um sie als Kondition für Entwicklungshilfe anwenden zu können. Mit diesem Problem musste sich auch die EU auseinandersetzen.
In dieser Arbeit wird nun untersucht, wie sich ein verengtes Verständnis von Good Governance in der Europäischen Union herausgebildet hat, welche Auswirkungen es auf die Entwicklungspolitik hat und wie diese Idee zu einem anwendbaren Konzept gemacht wurde. Die These dabei lautet, dass sich durch den Verhandlungsprozess mit den AKP-Staaten ein spezifisches Verständnis von Good Governance herauskristallisiert hat, das schließlich mit dem Vertrag von Cotonou institutionalisiert werden konnte. Dadurch ist die Idee des Good Governance für die europäische Entwicklungspolitik bedeutsam geworden.
Dazu werde ich in einem ersten Schritt darstellen, inwiefern Normen und Werte überhaupt Einfluss haben auf Akteure und ihre Interessen und wie sie auf Verhandlungen einwirken. Anschließend erkläre ich kurz, was unter Institutionalisierung verstanden wird und anhand welcher Kriterien man den Institutionalisierungsgrad erkennen kann.
Inhaltsverzeichnis
1.) Einleitung
2.) Werte, Normen und Ideen in Verhandlungen
3.) Die Institutionalisierung von Leitideen in Verhandlungen
4.) Good Governance – eine normative Leitidee
4.1. Good Governance im Kontext von Weltbank und OECD
4.2. Die normative Leitidee Good Governance
5.) Institutionalisierung von Good Governance in der europäische Entwicklungspolitik
5.1. Spezifizierung des Konzepts
5.2. Verbindliche Festlegung durch Verhandlungen
5.2.1. Akteur 1: Die Europäische Union
5.2.1.1. Die EU als wichtiger Akteur in der Entwicklungspolitik
5.2.1.2. Interessen und Verhandlungsposition
5.2.2. Akteur 2: Die AKP-Staaten
5.2.2.1. Bedeutendster Partner in der europäischen Entwicklungspolitik
5.2.2.2. Interessen und Verhandlungsposition
5.2.3. Festlegung im Vertragstext
5.3. Durchsetzung von Good Governance im Rahmen politischer Maßnahmen
5.4. Die Bedeutung politischer Maßnahmen
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1.) Einleitung
In seiner Rede am 3. Dezember 1997 betonte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die Bedeutung von Good Governance für den Erfolg für Entwicklungshilfe, indem er sagte, dass „without good governance, without the rule of law, predictable administration, legitimate power and responsive regulation – no amount of funding, no short-term economic miracle will set the developing world on the path of prosperity“.[1]
Die Erkenntnis, dass die Art und Qualität der Regierungsführung Einfluss darauf hat, wie erfolgreich Entwicklungshilfe ist, hat sich seit gut einem Jahrzehnt in allen Geberorganisationen durchgesetzt. Auch in die Entwicklungspolitik der Europäischen Union hat das Konzept des Good Governance Eingang gefunden.
Allerdings existiert eine Fülle von verschiedenen Definitionen von Good Governance; Aussagen über die kausalen Zusammenhänge zwischen Good Governance und Entwicklung sind nur schwer zu treffen und es besteht nicht einmal Einigkeit darüber, ob Good Governance Vorbedingung oder Produkt des Entwicklungsprozesses ist.[2] Good Governance scheint also zu einer Leitidee geworden zu sein, die auf interna-tionaler Ebene diskutiert wird und gerade in Verhandlungen mit Entwicklungsländern eine bedeutende Rolle spielt. Gleichzeitig ist diese Idee aber so wenig spezifiziert, dass sie in den Verhandlungen modifiziert werden muss, um sie als Kondition für Entwicklungshilfe anwenden zu können. Mit diesem Problem musste sich auch die EU auseinandersetzen.
In dieser Arbeit wird nun untersucht, wie sich ein verengtes Verständnis von Good Governance in der Europäischen Union herausgebildet hat, welche Auswirkungen es auf die Entwicklungspolitik hat und wie diese Idee zu einem anwendbaren Konzept gemacht wurde. Die These dabei lautet, dass sich durch den Verhandlungsprozess mit den AKP-Staaten ein spezifisches Verständnis von Good Governance herauskristallisiert hat, das schließlich mit dem Vertrag von Cotonou institutionalisiert werden konnte. Dadurch ist die Idee des Good Governance für die europäische Entwicklungspolitik bedeutsam geworden.
Dazu werde ich in einem ersten Schritt darstellen, inwiefern Normen und Werte über-haupt Einfluss haben auf Akteure und ihre Interessen und wie sie auf Verhandlungen einwirken. Anschließend erkläre ich kurz, was unter Institutionalisierung verstanden wird und anhand welcher Kriterien man den Institutionalisierungsgrad erkennen kann. Dann gehe ich auf Verhandlungsarten ein, die zur Institutionalisierung von Leitideen beitragen. Im vierten Kapitel zeige ich, welche Fülle von Interpretationen des Konzeptes es gibt und welche Bedeutung das Konzept als normative Leitidee hat. Danach betrachte ich genauer, welche Interessen und Positionen die beiden Verhandlungsakteure – EU und AKP-Staaten – eingenommen haben, um dann erläutern zu können, wie das Konzept in der EU modifiziert wurde und durch die Verankerung im Cotonou-Abkommen vollständig institutionalisiert wurde.
2.) Werte, Normen und Ideen in Verhandlungen
Prämisse der Untersuchung in dieser Hausarbeit ist die Annahme, dass Akteure durch Werte, Normen und Ideen beeinflusst werden. Der Konstruktivismus nimmt an, dass Akteure, die sowohl staatlich als auch nichtstaatlich sein können, nicht nur rational eigennützig ihre Interessen verfolgen, sondern ihr Handeln an Werten und Normen ausrichten.[3] Werte werden dabei verstanden als. „die dauerhafte Orientierung [...] in bezug auf das sozial Wünschenswerte“[4]. Sie sind die Grundlage von Normen, die per Definition Regeln sind, an denen sich das Handeln von Akteuren ausrichtet und beurteilt wird.[5]
Im Gegensatz zum Realismus wird also nicht unterstellt, dass Akteure nur rational ihre Eigeninteressen verfolgen und in Verhandlungen den größtmöglichen Nutzen für sich erzielen wollen.[6] Vielmehr wird ein Einfluss von Ideen auf politisches Handeln unterstellt, da sie den Blickwinkel von Akteuren bestimmen und sich somit auch auf die Ausrichtung von Interessen auswirken. Besonders bedeutsame Auswirkungen haben Ideen dann, wenn sie institutionalisiert werden, d.h. sich in Regeln und Normen niederschlagen.[7]
Weitere Grundaussage des Konstruktivismus ist die Behauptung, dass Strukturen und Akteure sich wechselseitig beeinflussen. Dabei sind Normen das entscheidende Bindeglied, da sie den Akteuren Handlungs- und Wahlmöglichkeiten verleihen.[8]
Wenn also Ideen, Normen und Werte die Interessen der Akteure und ihre Handlungsmuster beeinflussen, dann wirken sie auch auf die Verhandlungspositionen ein. Diese Annahme führt dazu, dass die Interessen der Akteure hinsichtlich der Implementierung von Good Governance im Lichte der Werte und Ideen betrachtet werden müssen, die hinter dem Konzept stehen.
3.) Die Institutionalisierung von Leitideen in Verhandlungen
Institutionen sind dauerhafte Strukturen, die die Komplexität von Sachverhalten reduzieren, Interpretationsstrukturen schaffen und damit die „denkbaren“ Handlungsalternativen begrenzen. Es handelt sich also um „allgemein geteilte Regeln, Praktiken, Symbole, Bedeutungen und Normen“. Sie schaffen Interpretationsstrukturen mit gemeinsamen Normen und Identitäten und grenzen die Vielfalt möglicher Handlungsalternativen ein.[9] Das bedeutet, dass Institutionen das Verhalten der Akteure bestimmen und es berechenbar machen. Institutionen werden in dieser Arbeit aber auch als Ergebnisse von Verhandlungen verstanden, als „in einem längeren Prozess auskristallisierte, geteilte Leitideen, die als Grundlage der Interaktion dienen und in der Interaktion weiter verfestigt werden“.[10]
Institutionalisierung ist also der Prozess, in dem durch Interaktion Akteure ihre Handlungsperspektiven aufeinander abstimmen und gemeinsame Sinnzusammenhänge schaffen. Durch die Interaktion werden geteilte Problemsichten hergestellt und Handlungsmöglichkeiten ausgebildet. So entstehen gemeinsame Deutungen und Ansichten.[11] Institutionalisierung kann das Herausbilden von Regeln oder Entscheidungsverfahren bedeuten, ebenso aber auch die Herausbildung von Normen und Prinzipien.[12]
Der Institutionalisierungsprozess von Leitideen ist gekennzeichnet durch drei Merkmale. Zuerst müssen Rationalisierungskriterien ausgebildet werden, die die Leitidee spezifizieren und genauer eingrenzen. In einem nächsten Schritt muss die Leitidee Legitimität und Verbindlichkeit erlangen, indem sie in offizielle Dokumente übernommen wird und so Handlungsorientierungen bietet. Zur vollständigen Institutionalisierung muss die Leitidee schließlich noch in praktische politische Maßnahmen umgesetzt werden, um so Geltungskraft auszubilden. Dies können beispielsweise mit der Leitidee verbundene Sanktionen sein.[13]
Interaktion ist also konstituierend für die Institutionalisierung von Leitideen. Das bedeutet, dass Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Verhandlungen sind eine „Form der Kommunikation über Normen, die sowohl individuelle als auch gemeinsame Interessen der beteiligten Akteure berücksichtigt.“[14] Voraussetzung für Verhandlungen ist die Überzeugung der Akteure, dass dadurch gemeinsame Gewinne erzielt werden können. Erfolgreich sind Verhandlungen nur, wenn Übereinstimmung erzielt werden kann. D.h. allerdings nicht, dass die Akteure keine Eigeninteressen verfolgen. Sie versuchen vielmehr, das Verhandlungsergebnis zugunsten ihrer eigenen Ziele zu beeinflussen.[15] Dazu gibt es Jon Elster zufolge zwei verschiedene Kommunikationsformen: Das „Arguing“ und das „Bargaining“.[16] Unterschiede liegen in den Ansprüchen, die mit den Verhandlungsmodi verfolgt werden und in der Art, wie ihnen in Verhandlungen Gewicht verliehen wird.
Beim Arguing, dem Argumentieren, geht es um Behauptungen, die den Anspruch haben, gültig zu sein. Es wird versucht, den anderen Verhandlungsakteur davon zu überzeugen, dass der eigenen Vorschlag sachgerecht und normativ angemessen ist.[17] Beim Bargaining, dem Aushandeln, werden zur Durchsetzung von Interessen Drohungen, Sanktionen, Versprechungen oder „outside options“ benutzt, d.h. die Androhung, aus den Verhandlungen auszusteigen. „Problemlösungen werden also auf dem Wege von Tauschgeschäften oder Kompromissen“ gesucht.[18]
Verhandlungen bestehen aus einer Kombination der beiden Modi. Der Einsatz eines Modus kann von der Phase der Verhandlung, dem Verhandlungsgegenstand oder von der Strategie der Akteure abhängig sein.[19]
Übertragen auf die Verhandlungen um das Konzept des Good Governance kann man sagen, dass die Spezifizierung der Idee und die Ausbildung von Kriterien, die diese determinieren, zuerst einmal innerhalb der EU stattfand. Dort galt es, sich innerhalb der Gemeinschaft auf Kriterien zu einigen und ein gemeinsames Verständnis herauszubilden. Diesen Prozess werde ich in Kapitel 5.1. darstellen.
In einem zweiten Schritt verhandelte die EU mit den AKP-Staaten einerseits wiederum um die Festlegung von Kriterien, womit das Konzept noch stärker ausdifferenziert werden konnte. Andererseits ging es in diesen Verhandlungen aber auch darum, eine Verbindlichkeit der Idee zu schaffen, d.h. sie in einen Vertrag mit aufzunehmen, um sie schließlich durch politische Maßnahmen durchsetzen zu können. Diese Verhandlungen waren dadurch gekennzeichnet, dass man versuchte, dem Verhandlungspartner anhand von Argumenten die Sachgerechtigkeit und ihre Bedeutung für Entwicklung deutlich zu machen. Die EU hatte zwar eine stärkere Verhandlungsposition als die AKP-Staaten, weil die Entwicklungsländer von der Unterstützung der Union abhängig sind. Dadurch hätten sie einen gewissen Druck ausüben können. Dies war allerdings aus verschiedenen Gründen nicht der Fall, wie ich in Kapitel 5.2.1. und 5.2.2. zeigen werde.
[...]
[1] Kofi Annan „Address to the United Nations Association“, zitiert nach Santiso, Carlos: Development Cooperation and the Promotion of Democratic Governance. Promises and Dilemmas, Internationale Politik und Gesellschaft, Heft 4, 2001, S. 388.
[2] Conzelmann, Thomas: Auf der Suche nach einem Phänomen. Was bedeutet Good Governance in der europäischen Entwicklungspolitik, in: Nord-Süd aktuell, Jhg. 17, Nr. 3, 2003, S. 468.
[3] Rittberger, Volker/Zangl, Bernhard: Internationale Organisationen – Politik und Geschichte. Europäische und weltweite Zusammenschlüsse, Grundwissen Politik, Band 10, 3. Auflage, Opladen: Leske + Budrich, 2003, S. 45ff.
[4] Kaase, Max/ Müller-Rommel, Ferdinand: Wert/Wertwandel, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Wörterbuch Staat und Politik, 5. Auflage, München: Piper, 1998, S. 870.
[5] Drechsler, Hanno/Hilligen, Wolfgang/Neumann, Franz (Hrsg.): Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, 8. Auflage, München: Verlag Franz Vahlen, 1992, S. 523.
[6] Goldstein, Judith/Keohane, Robert O.: Ideas and Foreign Policy: An analytical Framework, in: dieselb. (Hrsg.) Ideas and Foreign Policy. Beliefs, Institutions and Political Change. Ithaca und London: Cornell University Press, 1993, S. 4.
[7] Ebd. S. 11f.
[8] Ulber, Cornelia: Sozialkonstruktivismus, in: Schieder, Siegfried/Spindler, Manuela (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen, Opladen: Leske + Budrich, 2003, S. 409.
[9] Edler, Jakob: Institutionalisierung europäischer Politik. Die Genese des Forschungsprogramms BRITE als reflexiver sozialer Prozess, Dissertation, Universität Mannheim, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2000, S. 44.
[10] Conzelmann, Thomas: Leitideen in internationalen Verhandlungssystemen: „Good Governance“ und EU-Entwicklungszusammenarbeit. Arbeitspapier der DFG Forschergruppe, Universität Mannheim, 3. Fassung, 2001, S. 26.
[11] Edler: S 48ff.
[12] Kohler-Koch, Beate/Conzelmann, Thomas/Edler, Jakob: Die Institutionalisierung von Leitideen in internationalen Verhandlungssystemen; Zwischenbericht an die DFG; Universität Mannheim: DFG-Forschungsgruppe „Institutionalisierung internationaler Verhandlungssysteme, 2002, S. 26.
[13] Edler, S. 56 – 59.
[14] Gehring, Thomas: Regieren im internationalen System. Verhandlungen, Normen und internationale Regime, in: Politische Vierteljahresschrift, Jhg. 36, Heft 2, 1995, S. 206.
[15] Ebd. S. 207.
[16] Saretzki, Thomas: Wie unterscheiden sich Argumentieren und Verhandeln? Definitionsprobleme, funktionale Bezüge und strukturelle Differenzen von zwei verschiedenen Kommunikationsmodi, in: Volker von Prittwitz (Hrsg.): Verhandeln und Argumentieren. Dialog, Interessen und Macht in der Umweltpolitik, Opladen: Leske + Budrich, 1996, S. 22f.
[17] Conzelmann, Thomas: Leitideen in internationalen Verhandlungssystemen, S. 14.
[18] Saretzki: S. 23 und 25.
[19] Ebd.: S. 32ff.
- Quote paper
- Magister Artium Julia Schneider (Author), 2004, Die Institutionalisierung von Good Governance in der Europäischen Entwicklungspolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68458
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