Am 11. Januar 1994 war in der Reihe Wissenschaftszeit des Radiosenders SFB eine Sendung mit dem Titel Wie ich die Welt erfand. Über Bewußtsein und Wirklichkeit zu hören. Neben Wissenschaftlern aus den Bereichen Neurobiologie, Anatomie, Neurophysiologie, Kybernetik, Mathematik, Anthropologie, Psychologie und Physik wurden natürlich auch Philosophen zu diesem Thema vorgestellt. Die grundlegenden Fragen lauteten: Wo kommt Bewußtsein her? Wer macht es? Was ist ich? Natürlich jeder hat sich solche Fragen schon irgendwann einmal gestellt, auch schon vor etwa 2300 Jahren. Dschung Dse und Hui Dse standen auf der Brücke, die über den Hao führt:
DschuDng Dse sagte: „Sieh, wie die Eiritzen umherschnellen! Das ist die Freude der Fische“. — „Du bist kein Fisch“, sagte Hui Dse, „wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht?“ — „Du bist nicht ich“, antwortete Dschung Dse, „wie kannst du wissen, daß ich nicht wisse, worin die Freude der Fische besteht?“ — „Ich bin nicht du“, bestätigte Hui Dse, „und ich weiß dich nicht. Aber das weiß ich, daß du kein Fisch bist; so kannst du die Fische nicht wissen“. — Dschung Dse antwortete: „Kehren wir zu deiner Frage zurück. Du fragst mich: Wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht. Im Grunde wußtest du, daß ich weiß, und fragtest doch. Gleichviel. Ich weiß es aus meiner eigenen Freude über das Wasser.“
Dazu ein anschauliches Beispiel für das in diesem Essay diskutierte Problem. Wir alle haben eine recht gute Vorstellung davon, was ein 3-dimensionaler Raum, eine 2-dimensionale Fläche und eine eindimensionale Gerade ist. Da eine Fläche innerhalb unserer Erfahrungswelt liegt, jedenfalls eher als die einer Fledermaus, könnten wir uns sicher ein Wesen vorstellen, dessen Erfahrungswelt ausschließlich 2-dimensional ist. Ich nenne ihn Fiatman. (Vgl. Abott 1990.) Wie könnte ich ihm zeigen, was ein Würfel ist?
Flattre, kleine Fledermaus,
Möchte wissen, wo hinaus.
Hoch über die Erde flieg,
Wie ein Teetablett aus Teak.
Lewis Carroll.
Am 11. Januar 1994 war in der Reihe Wissenschaftszeit des Radiosenders SFB eine Sendung mit dem Titel Wie ich die Welt erfand. Über Bewußtsein und Wirklichkeit zu hören.[1] Neben Wissenschaftlern aus den Bereichen Neurobio-logie, Anatomie, Neurophysiologie, Kybernetik, Mathematik, Anthropologie, Psychologie und Physik wurden natürlich auch Philosophen zu diesem Thema vorgestellt. Die grundlegenden Fragen lauteten: Wo kommt Bewußtsein her? Wer macht es? Was ist ich? Natürlich jeder hat sich solche Fragen schon irgendwann einmal gestellt, auch schon vor etwa 2300 Jahren. Dschung Dse und Hui Dse standen auf der Brücke, die über den Hao führt:
Dschung Dse sagte: „Sieh, wie die Eiritzen umherschnellen! Das ist die Freude der Fische“. — „Du bist kein Fisch“, sagte Hui Dse, „wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht?“ — „Du bist nicht ich“, antwortete Dschung Dse, „wie kannst du wissen, daß ich nicht wisse, worin die Freude der Fische besteht?“ — „Ich bin nicht du“, bestätigte Hui Dse, „und ich weiß dich nicht. Aber das weiß ich, daß du kein Fisch bist; so kannst du die Fische nicht wissen“. — Dschung Dse antwortete: „Kehren wir zu deiner Frage zurück. Du fragst mich: Wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht. Im Grunde wußtest du, daß ich weiß, und fragtest doch. Gleichviel.
Ich weiß es aus meiner eigenen Freude über das Wasser.“[2]
Diese kleine Geschichte wurde von Martin Buber überliefert und beschreibt sehr schön das Problem, das man haben könnte, wenn man sich fragt, ob überhaupt ein anderes Bewußtsein existiert und dieses auch etwas wissen kann. Thomas Nagel bezeichnete diese radikale These als Solipzismus.[3] Und mit der Vorstellung seines Essays What is it like to be a bat begann dann auch die obengenannte Radiosendung. In jenem Essay ist für Nagel gerade das Bewußtsein das, was das Nachdenken über das Geist-Körper-Problem so sperrig macht. Es gibt viele reduktionistische Erklärungsansätze. Doch zeigt dieser Physikalismus nur, daß es nach heutigem Erkenntnisstand wohl noch sehr lange dauern wird zu klären, ob subjektive Erfahrungen irgendeine ob-jektive Natur haben, also mathematisch-physikalisch beschreibbar sind. Und ob diese Fragestellung überhaupt sinnvoll ist. Die Reduktionisten glauben nun, daß es prinzipiell möglich sei, allein aus der Summe der physikalischen Beschaffenheiten des Gehirns und dessen Aktivitäten alle geistigen Phänome-ne, die mit einem Bewußtsein korrelieren, beschreiben zu können. Diesem Glauben hält Thomas Nagel seine Überzeugung entgegen, daß es wahrschein-lich nicht möglich sei zu wissen, wie es ist, jemand anderes zu sein, und sei es das eigene Ich.
Zunächst erläutert Nagel kurz, was e r als subjektiven Charakter der Erfah-rungen bezeichnet; nämlich da ß es da etwas gibt, das z u sein so ist, als wäre man dies er Organismus.[4] Keine der obengenannten Erklärungsprinzipien im-pliziert diese Erfahrungen, vielmehr wäre ihr Fehlen logisch vereinbar.
Und weil jede reduktionistische Analyse deduktiv ist, kann sie über das, was sie analysiert erkenntnistheoretisch nicht hinaus. Zur anschaulichen Beschrei-bung dieses Sachverhaltes, hält Nagel das uns phylogenetisch relativ nahe stehende Säugetier Fledermaus entgegen. Sie kann etwas, was wir nicht kön-nen. Mit Hilfe eines speziellen Organs können diese einzigen flugfähigen Säu-getiere sich mit Hilfe einer Art Sonar bzw. Ultraschallortung während des Flu-ges orientieren. Ihr Gehirn ist irgendwie in der Lage, all diese aufgefangenen hochfrequenten Schallimpulse derart umzuwandeln, daß daraus eine Art Abbild der Umwelt entsteht. Man könnte das mit unserer optischen Wahr-nehmung vergleichen. Nun kann man sich also Gedanken darüber machen, wie ein Echolot funktioniert, daß wir den sogenannten Dopplereffekt wahr-nehmen und als sich auf uns zu oder von uns weg bewegende Geräuschquel-len interpretieren. Dazu könnte man glauben, daß eine Fledermaus auch Schmerz, Furcht, Hunger und dergleichen empfindet.[5] Dies alles sind jedoch Aussagen darüber, wie es für uns wäre, eine Fledermaus zu sein, aber wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein, ist unmöglich begreifbar. Doch deshalb ihre Realität zu bestreiten, hält Nagel für eine Sünde.
Es scheint also Wahrheiten zu geben, die sich mit unserer Sprache, mit unseren Begriffen nicht ausdrücken lassen, die also nicht aus wahren Sätzen ableitbar sind. An dieser Stelle tritt das sogenannte linguistische Problem of-fen zutage. Ludwig Wittgenstein sagt in seinem T ractatus: „Die meisten Sätze und Fragen, sind nicht falsch, sondern unsinnig. […]. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophie beruhen darauf, daß wir unsere Sprachlogik nicht verstehen.“[6] Dies scheint auch von unmittelbarer Relevanz für das Geist-Körper-Problem.
[...]
[1] SFB 1994.
[2] SFB 1994, 2.
[3] Nagel 1990 11.
[4] Hofstadter1986, 376.
[5] Vgl. Hofstadter 1986, 379.
[6] Zitiert nach: Schnädelbach 1994, 71.
- Arbeit zitieren
- Dr. des. Robert Dennhardt (Autor:in), 2000, Vom Sinn der Sinne - Eine Meditation über Thomas Nagels "Wie es ist, eine Fledermaus zu sein", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68394
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