Diese Arbeit soll zeigen, dass das didaktische Material Maria Montessoris sehr gut in der Frühförderung zur Therapie behinderter und von Behinderung bedrohter Kindern eingesetzt werden kann.
In Kapitel 1 werden Zielsetzungen, Aufgabenfelder und zentrale Grundsätze der Frühförderung dargestellt.
Kapitel 2 umreißt wichtige Gedanken und Konzepte der Montessori-Pädagogik.
Im dritten Kapitel erfolgt eine Beschreibung des didaktischen Materials.
Das letzte Kapitel schließlich zeigt, warum das didaktische Material für den Einsatz in der Frühförderung geeignet ist. Es wird erörtert, wie das Material und dessen Präsentation an verschiedene Behinderungen angepasst werden kann. Weiter wird untersucht, für welche Behinderungen der Einsatz Montessoris didaktischer Materialien sinnvoll sein kann. Unterschiedliche Organisationsformen einer Montessori-Heilpädagogik werden skizziert. Zu guter Letzt wird die konkrete Arbeit mit Montessori-Material durch Beispiele veranschaulicht.
Inhalt
Fragestellung
1. Frühförderung
1.1. Zielsetzungen
1.2. Zielgruppe
1.3. Aufgabenfelder
1.3.1. Prävention und Früherkennung
1.3.2. Diagnostik
1.3.3. Förderung und Therapie des Kindes
1.3.4. Beratung und Begleitung der Bezugspersonen
1.3.5. Soziale Integration
1.3.6. Koordination der Hilfesysteme
1.4. Grundsätze der Frühförderung
1.4.1. Ganzheitlichkeit
1.4.2. Familienorientierung
1.4.3. Interdisziplinarität
1.4.4. Vernetzung
2. Montessori-Pädagogik
2.1. Der psychische Embryo
2.2. Sensible Phasen
2.3. Die vorbereitete Umgebung
2.4. Deviation und Normalisation
2.5. Polarisation der Aufmerksamkeit
3. Das didaktische Material
3.1. Materialklassen
3.2. Übungen des praktischen Lebens
3.2.1. Kategorisierung der Übungen des praktischen Lebens
Übungen zur persönlichen Pflege
Übungen im Umgang mit anderen Menschen
Übungen zur Pflege der Umgebung
3.3. Sinnesmaterial
3.3.1. Gestaltungsprinzipien des Sinnesmaterials
Isolation von Eigenschaften
Materialisierte Abstraktion
Sachliche Fehlerkontrolle
Ästhetische Qualität
Aktivität
Begrenzung
Ordnung
3.3.2. Kategorisierung des Sinnesmaterials
Sinnesmaterial für das Entdecken von Kontrasten, Identitäten und Abstufungen
Sinnesmaterial für die Förderung des visuellen und auditiven Unterscheidungsvermögens
Sinnesmaterial zur Förderung verschiedener Sensibilitäten
4. Montessoris didaktisches Material in der Frühförderung
4.1. Eignung des didaktischen Materials für die Frühförderung
4.1.1. Aufforderungscharakter
4.1.2. Sachliche Fehlerkontrolle
4.1.3. Bewegungsschulung und Muskelgedächtnis
4.1.4. Zuwachs an Selbständigkeit und Selbstbewusstsein
4.1.5. Hilfe zur Selbsthilfe und Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes
4.1.6. Prophylaxe
4.1.7. Arbeit aus innerer Motivation
4.1.8. „Versinken“ in einer Tätigkeit
4.1.9. Sinnesschulung und Förderung des abstrakten Denkvermögens
4.2. Didaktisches Material in der Frühförderung – bei welchen Behinderungen?
4.3. Anpassung des didaktischen Materials an die Bedürfnisse behinderter Kinder
4.4. Organisationsformen der Montessori-Heilpädagogik im Frühförderbereich
4.5. Beispiele für den Einsatz didaktischen Materials in der Frühförderung
4.5.1. Förderung eines zwei Jahre alten Mädchens mit Tetraparese
4.5.2. Löffelübung für etwa dreijährige Kinder
4.6. Zusammenfassung
Literatur
Fragestellung
Maria Montessoris Pädagogik wird hauptsächlich zur Erziehung gesunder Kinder eingesetzt. Dabei gründen die pädagogischen Erfahrungen Montessoris auf der Arbeit mit behinderten Kindern in der Psychiatrischen Klinik in Rom und später der staatlichen Schwachsinnigen-Schule, welche Montessori zwei Jahre leitete (Mario Montessori sen. 1978, 17).
Auf der Suche nach einem Konzept zur Erziehung Geistigbehinderter entdeckte Montessori die Werke der in Vergessenheit geratenen französischen Ärzte Jean Marc Gaspard Itard und Edouard Seguin, welche sie konsequent weiter entwickelte (Hellbrügge 1978a, 36ff).
Mit überraschendem Ergebnis:
Unter ihrer geschickten Anleitung holten die Kinder, die ja bisher als »Idioten« gegolten hatten, ihren Entwicklungsrückstand auf, und zwar in einem verblüffenden Ausmaß: zahlreiche der schwachsinnigen Anstaltskinder lernten so gut lesen und schreiben, dass sie sich mit normalen Kindern zusammen einer öffentlichen Prüfung unterziehen konnten. (Hellbrügge 1978a,40)
Die Erziehung der Geistigbehinderten erfolgte maßgeblich durch das didaktische Material[1], einer Serie von Gegenständen und Übungen, die nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erstellt wurde.
Diese Arbeit soll zeigen, dass das didaktische Material Montessoris sehr gut in der Frühförderung zur Therapie behinderter und von Behinderung bedrohten Kindern eingesetzt werden kann.
Im Kapitel 1 werden Zielsetzungen, Aufgabenfelder und zentrale Grundsätze der Frühförderung dargestellt, um dem Leser ein Verständnis für die moderne Frühförderung zu vermitteln.
Kapitel 2 umreißt die wichtigsten Grundsätze und Konzepte der Montessori-Pädagogik. Dabei werden die Bestandteile der Montessori-Pädagogik vorgestellt, die für den Einsatz im Frühförderbereich relevant sind.
Im dritten Kapitel erfolgt eine Beschreibung des didaktischen Materials.
Das letzte Kapitel schließlich zeigt, warum das didaktische Material für den Einsatz in der Frühförderung geeignet ist. Es wird erörtert, wie das Material und dessen Präsentation an verschiedene Behinderungen angepasst werden kann. Weiter wird untersucht, für welche Behinderungen der Einsatz Montessoris didaktischer Materialien sinnvoll ist. Unterschiedliche Organisationsformen einer Montessori-Heilpädagogik werden skizziert. Zu guter Letzt wird die konkrete Arbeit mit Montessori-Material durch Beispiele verdeutlicht.
1. Frühförderung
1.1. Zielsetzungen
Speck betrachtet den Begriff Frühförderung als übergeordnete Bezeichnung für ein „komplexes Arbeitssystem“ (Speck 2001, 269). Die Komplexität dieses Systems ergibt sich nach Weiß, Neuhäuser und Sohns aus der Aufgabenstellung, zum einen entwicklungshemmende Faktoren des Kindes zu minimieren, zum anderen aber entwicklungsanregende Faktoren durch medizinische Behandlung, Therapie oder sonstige Hilfen zu fördern (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 23).
Sohns definiert Aufgabenfelder und Grundsätze der Frühförderung wie folgt:
[Frühförderung beinhaltet] spezielle Hilfeangebote für Kinder im Vorschulalter mit körperlichen, geistigen oder seelischen Auffälligkeiten und ihre Bezugspersonen mit dem Ziel eine mögliche Entwicklungsgefährdung möglichst früh zu erkennen und mittels fachlicher und menschlicher Hilfen dazu beizutragen, dem Kind die bestmöglichen Bedingungen zum Aufbau seiner Persönlichkeit und zur Entwicklung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Alltagsbewältigung zu schaffen. […]
Die Eckpfeiler Früher Hilfen, Prävention, Förderung und Kooperation mit den Bezugspersonen, können in vielfältiger Art und durch verschiedene Berufsgruppen in der Praxis begründet und entwickelt werden; sie sind dabei stets den Grundsätzen Interdisziplinarität, Ganzheitlichkeit, Familienorientierung, Hilfe zur Selbsthilfe und sozialer Integration verpflichtet und beziehen das soziale Umfeld mit ein (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 23).
1.2. Zielgruppe
Die Frühförderung versteht sich als Förder- und Beratungsangebot für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter und deren Eltern bzw. primären Bezugspersonen (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 23).
Die Begriffe Behinderung und drohende Behinderung sind zur rechtlichen und finanziellen Absicherung der Frühförderung von großer Bedeutung. Laut § 2 Abs. 1 SGB IX gelten Menschen als behindert, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen“.
Der Ausdruck drohende Behinderung ist an den folgenden Stellen gesetzlich verankert: § 39 Abs. 2 BSHG; § 2 Abs. 1 SGB IX; § 35a Abs. 1 KJHG. Er bezeichnet Entwicklungsverzögerungen und Auffälligkeiten der Entwicklung, die zu manifesten Behinderungen führen können. Es ist davon auszugehen, dass bei drohender Behinderung durch gezielte Förderung einer manifesten Behinderung entgegengewirkt werden kann (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 53f).
1.3. Aufgabenfelder
Die Angebote der Frühförderung müssen sich über ein breites Spektrum erstrecken, um wirkungsvoll einer drohenden oder manifesten Behinderung des Kindes begegnen zu können. Neben der kindspezifischen Förderung ist es dabei sehr wichtig, auf das „Eltern-Kind-System“ (Bronfenbrenner) unterstützend einzuwirken.
Als Pflichtleistungen nach SGB IX lassen sich die folgenden Bereiche unterscheiden:
1.3.1. Prävention und Früherkennung
Innerhalb der Frühförderung kommt der Prävention eine entscheidende Rolle zu. Durch präventive Maßnahmen sollen Entwicklungspotentiale und Kompensationsmöglichkeiten eines von Behinderung bedrohten Kindes genutzt werden. Neben der individuellen Förderung des Kindes soll dies durch die Unterstützung stärkender Faktoren, in der Regel der Familie, erreicht werden (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 82).
In den letzten beiden Jahrzehnten stiegen die Betreuungsraten im Bereich der Frühförderung stark an. Als Ursachen dafür vermuten Weiß et al. neben der Zunahme bestimmter Gefährdungen (vor allem im sprachlichen, motorischen und psychosozialen Bereich) (Sohn 2002, 3-6), die steigenden Ansprüche an die kindliche Leistungsfähigkeit in einer zunehmend auf Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaft (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 82).
Nach Weiß et al. gehört das Einwirken auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen, z.B. bei Elternabenden in Kindertagesstätten oder durch gezielte Erziehungsberatung, ebenfalls zu den Aufgaben der Frühförderung (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 82).
Ein großer Teil der Kinder, bei denen zum Zeitpunkt der Einschulung sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde, hat laut Sohns keine Frühförderung erhalten (Sohns 2000, 268f und Sohns 2002, 12). Das ist ein deutliches Indiz auf eine nicht befriedigend leistungsfähige Früherkennung von Behinderungen oder Entwicklungsverzögerungen im frühen Kindesalter.
Offene, zentrale Anlaufstellen in Sozialpädiatrischen Zentren und interdisziplinären Frühförderstellen sollen es Eltern erleichtern, Dienstleistungen aus dem Frühförderbereich in Anspruch zu nehmen.
Die kompetente Früherkennung von Gefährdungen und Verzögerungen der Entwicklung durch Haus- und Kinderärzte muss ebenfalls gewährleistet werden (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 83).
1.3.2. Diagnostik
Für eine kompetente Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder ist eine umfassende diagnostische Untersuchung erforderlich, die aus verschiedenen fachspezifischen Blickwinkeln erfolgen muss (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004,83).
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation nennt sechs Leistungskriterien der Früherkennung und Diagnostik:
„Früherkennung und Diagnostik
- sind als Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik angelegt;
- umfassen alle Dimensionen der kindlichen Persönlichkeit und seiner Entwicklung;
- sind handlungs- und alltagsorientiert und zielen auf die Teilhabe des Kindes in seiner realen Lebenswelt;
- bedienen sich normorientierter Verfahren, wie standardisierter Screenings, fachspezifischer Befunderhebung und klinisch-psychologischer Entwicklungstests zur Feststellung der Entwicklungsproblematik;
- bedienen sich förderdiagnostischer Verfahren einschließlich freier und hypothesengeleiteter Beobachtung des spontanen und reaktiven Verhaltens des Kindes;
- leisten die Integration der diagnostischen Einzelbeiträge und Befunde in eine systemische Gesamtschau und dienen als Grundlage für die Erstellung des Förder-/Behandlungsplans“ (Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 2002, 7).
Nach Anmeldung in einer Frühförderstelle erfolgt zeitnah ein Erstgespräch. Erhärtet sich der Verdacht auf eine bestehende oder drohende Behinderung, so werden weitere diagnostische Untersuchungen vereinbart. Die Diagnostik erfolgt interdisziplinär; medizinische und pädagogisch-psychologische Fachkräfte sind in den Prozess miteinbezogen. In einem ausführlichen Anamnesegespräch mit den Bezugspersonen des Kindes erhalten diese Gelegenheit ihre bisherigen Erfahrungen, Sorgen und Bedürfnisse zu äußern (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 85).
Wurden bereits Untersuchungen durchgeführt, so gilt es die Ergebnisse in den aktuellen Diagnostikprozess mit einzubeziehen, um unnötige Belastungen von Kind und Familie durch erneute (redundante) Untersuchungen zu vermeiden (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 85).
1.3.3. Förderung und Therapie des Kindes
Das Kind mit seinen Entwicklungsgefährdungen steht im Mittelpunkt der Frühförderung. Seinen spezifischen Bedürfnissen gilt es Rechenschaft zu tragen. Moderne Frühfördereinrichtungen bemühen sich, ausgehend von den Ergebnissen der gestellten Diagnose, um multikonzeptionelle Förderansätze mit verschiedenen Schwerpunkten. Generell kann zwischen einer medizinisch-therapeutischen Behandlung und einer pädagogischen Förderung unterschieden werden (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 87f).
Die medizinisch-therapeutische Behandlung zielt auf eine Verbesserung der Funktion des Bewegungsapparats und der Organe ab. Sie unterstützt mit medizinischen Mitteln die Entfaltung von körperlichen Entwicklungspotentialen (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 87f).
Die pädagogische Förderung ist meist umfassender angelegt und hilft dem Kind beim Erlernen neuer Fähigkeiten und deren Integration in das alltägliche Handeln. Ziel der pädagogischen Förderung ist das Erreichen der nächst höheren Entwicklungsstufe; bei progredienten Erkrankungen der möglichst lange Erhalt einer bereits erreichten Stufe. Wohlbefinden und innere Motivation des Kindes sind bei der Förderung wichtig. Spielerisch und mit Freude soll das Kind Fortschritte machen; isoliertes Training tritt in der Frühförderung zunehmend in den Hintergrund (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 87f).
Frühförderung ist um soziale Integration des Kindes bemüht. Mobile Dienste spielen deshalb eine bedeutende Rolle. Förderung oder Therapie finden häufig vor Ort in der häuslichen Umgebung oder in der Kindertagesstätte statt (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 88).
1.3.4. Beratung und Begleitung der Bezugspersonen
Die Sorge und Angst um die Entwicklung des Kindes sind für die Eltern eine enorme Belastung. Zusätzlich entstehen häufig weitere Schwierigkeiten durch die Konfrontation mit gesellschaftlicher Stigmatisierung, durch Vorwürfe anderer Familienmitglieder oder aber durch Scham und Selbstzweifel. Es ist Aufgabe der Frühförderung, den Bezugspersonen des Kindes beratend mit fachlicher Unterstützung zur Seite zu stehen und diese zu entlasten (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 88).
Thurmaier und Naggl unterscheiden zwei „Basiskomponenten“ der Elternberatung: (Naggl/Thurmair 2000, 180ff)
- Die fachliche Beratung (consulting) ist ein Informations- und Beratungsangebot an die Eltern. Hier werden Fragen zu Entwicklungsproblemen, Behinderung, Therapie und Förderung beantwortet.
- Die begleitende Beratung (counselling) versucht die Eltern bei der Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass sie ein behindertes oder von Behinderung bedrohtes Kind haben, zu unterstützen.
Obwohl das Hauptanliegen der Frühförderung die Entwicklungsförderung des Kindes ist, „kann es im Einzelfall diesem Anliegen mehr dienen, den Eltern bei ihren Fragen oder Unsicherheiten zur Seite zu stehen. Gelingt es sie im Umgang mit ihrem Kind zu stärken und dadurch ein anregendes Umfeld zu schaffen, bestehen größere Erfolgsaussichten als bei einer regelmäßigen – aber immer nur punktuellen – direkten Förderung des Kindes“ (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 90).
1.3.5. Soziale Integration
Bei Familien mit entwicklungsgefährdeten oder behinderten Kindern besteht ein erhöhtes Risiko des sozialen Rückzugs.
Für die Entwicklungsmöglichkeiten eines Kindes sind eine gute soziale Integration und intakte gesellschaftliche Außenkontakte jedoch von großer Bedeutung (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 91).
Soziale Probleme können nach Weiß et al. auf zwei Ebenen entstehen:
- Innerhalb der Familie: Bedingt durch Kränkungen und Enttäuschungen, die mit einer Entwicklungsauffälligkeit oder Behinderung einhergehen, kommt es häufig zu Rückzugstendenzen, Schuldgefühlen oder Schuldzuweisungen zwischen den Mitgliedern einer Familie. Die Frühförderung wirkt vermittelnd und integrierend nach dem Grundsatz der Allparteilichkeit. Lassen sich bestehende Schwierigkeiten durch Beratungsgespräche nicht ausräumen, so kann z.B. eine Familientherapie helfen die Probleme zu beseitigen.
- Auf gesellschaftlicher Ebene: Hier gilt es Stigmatisierungen entgegen zu treten, bestehende Kontakte trotz Belastungen aufrecht zu halten und neue Beziehungen zu Personen in vergleichbaren Situationen aufzubauen (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004,91).
1.3.6. Koordination der Hilfesysteme
Aufgrund der vielschichtigen und komplexen Aufgabenfelder der Frühförderung bedarf es eines ineinander greifenden Netzwerks von Hilfen unterschiedlicher Art. Die Maßnahmen der beteiligten Einrichtungen und Fachleute müssen aufeinander abgestimmt sein und koordiniert werden (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 92f).
Regelmäßiger Austausch aller am Förderprozess beteiligten Fachkräfte trägt zu einem funktionierenden System bei und steigert die Kompetenzen der Beteiligten (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 92f).
1.4. Grundsätze der Frühförderung
Die moderne Frühförderung entspricht laut Weiß, Neuhäuser und Sohns (2004) zentralen Grundsätze, die im Folgenden beschrieben werden.
1.4.1. Ganzheitlichkeit
Die Förderung des Kindes darf nicht isoliert-additiv durch nicht koordinierte Therapieansätze erfolgen. Das Kind muss als unteilbare Persönlichkeit mit unterschiedlichen Bedürfnissen wahrgenommen und respektiert werden. Das schließt Stärken und Schwächen, das Selbsterleben und körperliche Empfinden des Kindes aber auch fördernde und hemmende Bedingungen seiner Lebenswelt ein (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 113f).
Der Grundsatz der Ganzheitlichkeit soll ein „integrierender Pol“ (Thurmair/Naggl 2003, 25) sein und das Spannungsgefüge verschiedener Förderbereiche und –ziele auflösen. Eine Therapie muss auf die individuelle Situation und die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt sein und ein durchgehendes, kohärentes Konzept aufweisen (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 113f).
1.4.2. Familienorientierung
Die Wirksamkeit der Frühförderung hängt maßgeblich davon ab, inwieweit entwicklungsfördernde Ressourcen der primären Lebenswelt des Kindes – also der Familie – aktiviert werden können. Als Hauptbezugspersonen gestalten Eltern die Lebens-, Beziehungs- und Interaktionswelt des Kindes entscheidend mit. Frühförderung soll die Eltern bei ihren Aufgaben unterstützen (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 114f).
Das Eltern-Kind-System ist im Bereich Frühförderung häufig eine Quelle von Spannungen. Es ist Aufgabe der Fachleute, eine Balance zwischen Familien- und Kindorientierung zu halten. Schnell besteht die Gefahr, einseitig für das Wohl des Kindes einzutreten und die Eltern ausschließlich als Funktionsträger zu behandeln, die bestimmte Leistungen, wie Pflege, Therapie und Förderung, für das Kind erbringen müssen. An dieser Stelle ist eine Besinnung auf den Grundsatz der Ganzheitlichkeit notwendig: Auch die Eltern sind unteilbare Personen mit individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Möglichkeiten, die es zu respektieren gilt (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 114f). Im Sinne der systemischen Beratung ist daher eine Allparteilichkeit der am Förderprozess beteiligten Fachpersonen notwendig: Sowohl die Bedürfnisse des Kindes als auch der anderen Familienmitglieder müssen gleichermaßen beachtet werden (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 114f).
Zur Auflösung von Spannungen ist ein intensiver, offener und verständigungs-orientierter Dialog aller Beteiligten notwendig (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004, 114f).
Eingebunden in tief greifende gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Prozesse befindet sich die Familie der modernen Gesellschaft im Wandel. Neben traditionellen Kleinfamilien, die aus den beiden Elternteilen und einem oder mehreren Kindern bestehen, finden sich zunehmend auch andere Konstellationen. Ein-Eltern-Familien und so genannte Patchwork-Familien (Familien, die sich aus Mitgliedern verschiedener, teilweise zerbrochener Beziehungen zusammensetzen) sind immer häufiger anzutreffen. Diesen veränderten Konstellationen muss die Frühförderung Rechnung tragen (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004,115).
1.4.3. Interdisziplinarität
Drohende oder manifeste Behinderungen können nicht isoliert betrachtet werden. Im Sinne der Ganzheitlichkeit muss bei Diagnose, Therapie und Förderung den physischen, psychischen und sozialen Dimensionen der Person Rechnung getragen werden (Weiß/Neuhäuser/Sohns 2004,117f).
[...]
[1] Der Begriff didaktisches Material wird in dieser Arbeit synonym für Montessori-Material oder wissenschaftliches Material verwendet. Er schließt alle Gegenstände und Übungen ein, die Montessori zur Erziehung gesunder und behinderter Kinder nach wissenschaftlichen Kriterien entwarf. Ebenso umfasst er neu entwickeltes Material, das den Prinzipien Montessoris entspricht.
- Citation du texte
- Felix Heinrich (Auteur), 2006, "Hilf mir es selbst zu tun!" Maria Montessoris didaktisches Material in der Frühförderung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68358
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