In dieser Arbeit wird zunächst die Entwicklung des Begriffes „Postmoderne“ nachskizziert, so wie sie von Wolfgang Welsch beschrieben wird. Es wird auf die Verwendung in der Philosophie, in der Literaturwissenschaft, in der Architektur, in der Malerei und in der Soziologie eingegangen. Anschließend folgt eine genauere Betrachtung der philosophischen Begriffs von "Postmoderne" in Zusammenhang mit der theoretischen Konzeption der Philosophen Jean Francois Lyotard.
In der Philosophie tauchte der Begriff „postmodern“ zwar schon 1917 auf, setzte sich als Begriff mit einer ausgearbeiteten Konzeption erst 1979 in dem Werk „la Condition postmoderne“ (das postmoderne Wissen) von Jean Francois Lyotard durch. In dieser Studie, die Lyotard als Gelegenheitsarbeit für den Universitätsrat der Regierung von Quebec verfasste, entwickelt der Philosoph ausgehend von Wittgensteins Theorie der Sprachspiele einen neuen Postmoderne-Begriff und demonstriert, mit Welsch ausgedrückt, „die Unübersetzbarkeit der ineinander verschachtelten Sprachspiele“ der Gesellschaft. Anlass für die Studie war die rasante Entwicklung neuer Technologien und die dadurch entfachte Diskussion um die Gesellschaft im „postmoderne[n] Zeitalter“ in den USA. Das, was Lyotard zufolge „postmodern“ genannt wird, ist die „Lage des Wissens in den höchstentwickelten Gesellschaften“ . Lyotards Leitfrage ist darum: Was für Veränderungen bringen die neuen Informations-Technologien für das Wissen der am höchsten entwickelten Industriegesellschaften? Um eine Antwort darauf zu finden, wie es um das Wissen in der postmodernen Gesellschaft steht, geht Lyotard zunächst der Eigenart des Wissens überhaupt auf den Grund. Im nächsten Schritt untersucht er, ob die herausgefundenen „postmodernen“ Merkmale auf alle gesellschaftlichen Bereiche übertragbar sind, um auf diese Weise zu einer allgemeinen Charakterisierung des „Postmodernen“ zu kommen.
Als Methode zur Untersuchung der Verfasstheit gegenwärtigen Wissens verwendet Lyotard, inspiriert durch Wittgenstein, die Theorie der Sprachspiele. [...]
Gliederung
1. Begriffsgeschichte
2. Bewusstseinsgeschichte – Jean Francois Lyotard: „Das postmoderne Wissen“
2.1. Das narrative Wissen
2.2. Das soziale Band
2.3. Die Pragmatik des wissenschaftlichen Wissens
2.4. Das offene System
3. Welsch Interpretation: Der postmoderne Pluralismus
4. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Begriffsgeschichte
Zunächst soll die Entwicklung des Begriffes „Postmoderne“ nachskizziert werden, so wie sie von Wolfgang Welsch beschrieben wird.
Der Ausdruck „Postmoderne“ hatte in seiner Entstehungszeit ein uneinheitliches Profil und wurde überwiegend sporadisch gebraucht. So bezeichnete der englische Maler John Watkins Chapman schon im Jahr 1870 seine Kunst als „postmodern“, um sie als noch fortschrittlicher als die des französischen Impressionismus zu erklären. Damit beabsichtigte er nicht, sich von dieser Stilrichtung abzugrenzen, sondern sie in seinem Sinne weiterzuentwickeln.
Auch in der Philosophie trat der Begriff „postmodern“ schon früh auf. Im Jahre 1917 schreibt der Philosoph Rudolf Pannwitz in seinem Werk „Die Krisis der europäischen Kultur“[1] von einem „postmodernen Menschen“[2], der die als düster beschriebene Moderne wieder in eine neue kulturelle Hochzeit führt. Die Literaturwissenschaft benutzt den Ausdruck „postmodern“ zum ersten Mal 1934, bezieht ihn allerdings nur auf eine kurze Zwischenphase in einem sehr spezifischen Bereich, nämlich der spanischen und spano-amerikanischen Dichtung. Der spanischer Literaturwissenschaftler Frederico de Oniz versteht unter „Postmoderne“ eine um 1905 beginnende Korrekturphase nach der ersten Moderne (ab 1896). Sie wird 1914 jedoch von einer zweiten, gesteigerten Moderne abgelöst. Der englische Historiker Arnold Toynbee bezeichnet in seinem Hauptwerk „A Study of History“[3] die Phase der europäischen Kultur ab 1875, die vom Übergang der Politik von nationalistischem Denken zu globaler Interaktion geprägt ist, „postmodern“. Wie Wolfgang Welsch feststellt, besteht zwischen all diesen Verwendungen des Ausdrucks „postmodern“ weder ein kausaler noch ein inhaltlicher Zusammenhang. Der Anwendungsbereich variiert erheblich, die zeitliche Einordnung schwankt und die Bewertung ist sogar teilweise gegensätzlich.
In den fünfziger Jahren wird der Begriff von nordamerikanischen Literaturwissenschaftlern aufgegriffen und wandelt sich allmählich zu einem Ausdruck von allgemeiner Bedeutung. 1959 übernehmen die Kritiker Irving Howe und Harry Levin den Begriff von Toynbee, um ihn auf die gegenwärtige Phase der Literatur anzuwenden. Im Gegensatz zur Moderne mit ihren großen Werken und originellen Schriftstellern sei diese Phase durch Erschlaffung gekennzeichnet. Es gebe keine Innovationen mehr, die Werke dieser Zeit hätten keine Durchsetzungskraft. Mitte der Sechziger kommt es zu einer positiven Neubewertung der zeitgenössischen Literatur durch Leslie Fiedler und Susanne Sontag. Die beiden Kritiker nehmen die spezifischen Qualitäten der neuen Literatur wahr und erkennen sie als Bereicherung an. Das Hauptmerkmal „postmoderner“ Literatur ist es, dass sie sowohl Elite- als auch Massenkultur durch verschiedene Stile und semantische Doppelkodierung verbindet.
Zehn Jahre später, 1969, endet die Debatte um die Einschätzung und Bewertung der postmodernen Literatur. Es hat sich eine Definition durchgesetzt, die neben der Literatur auch andere ästhetische Bereiche einschließt: „Postmodernes“ liege in allen Werken vor, in denen mehrere Sprachen, Modelle oder Verfahrensweisen gleichzeitig angewandt werden. Es muss das Kriterium der Interferenz, der gegenseitigen Beeinflussung, erfüllt sein.
Die Architektur bemächtigt sich des Begriffes ab 1975. In diesem Jahr überträgt ihn der amerikanische Architekt Charles Jencks, zeitgleich mit Robert Stern, auf eine neue Art der Architektur, die dem abstrakten Baustil der Moderne bewusst entgegenwirkt. Die moderne Architektur folgte einem universalen, „Internationalen Stil“[4] und entsprach dem Kriterium der Funktionalität. Ihre ausdruckslose Bauweise wurde von der Mehrheit der Gesellschaft jedoch als unbefriedigend empfunden. Um den verschiedenen Erwartungen und Geschmäcker der Gesellschaft gerecht zu werden, musste es der Architektur gelingen, unterschiedliche Benutzerschichten gleichzeitig anzusprechen. Die postmoderne Architektur kombiniert aus diesem Grund mehrere Stile miteinander, wendet also verschiedene „Architektursprachen“[5] an. Wie die postmoderne Literatur ist die postmoderne Architektur mehrfach kodiert. Sie zeichnet sich durch ihre bildnerische, symbolhafte Gestaltung, einer gegenständliche ästhetische Fiktion aus. Das bereits von Leslie Fiedler hervorgehobene Merkmal der „Fiktion“[6] findet sich also sowohl im Bereich Literatur als auch der Architektur.
[...]
[1] Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne (2005), S.12
[2] Ebd.
[3] Ebd., S.13
[4] Ebd., S.20
[5] Ebd.
[6] Ebd., S.20
- Citar trabajo
- Juliana Hartwig (Autor), 2006, Postmoderne und Bewusstseinsgeschichte, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68342
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