[...] Das Zitat Nietzsches am Beginn dieser Hausarbeit befindet sich dort nicht ohne Grund: Wie kaum ein anderer Denker vor ihm, betont Friedrich Nietzsche in seinen Aphorismen über die Moral (Nietzsche S.57 ff) in den 70er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts die moralischen Empfindungen in besonderer Weise - mit Nachdruck. Ganz unabhängig von den Wertungen, die er vornimmt, treten seine psychologischen Analysen den Beweis von der Bedeutung moralischer Gefühle an. Er selbst versucht an mehreren Stellen deutlich zu machen, wie wichtig eine psychologische Beschäftigung - und dies bedeutet bei ihm in dieser Zeit eine auf genuin wissenschaftlichem Arbeiten begründete Beschäftigung - mit dem entsprechenden Phänomenen ist (Nietzsche S. 57 ff). In seiner „Geschichte der moralischen Empfindungen“ trifft man auf die Elemente der Betrachtung, die auch uns im Folgenden interessieren werden: die verschiedenen Formen moralischer Gefühle, die durch Vorgänge der Sozialisation bedingte Herstellung moralischer Gefühle im Individuum, die notwendige Zuschreibung von Verantwortlichkeit in moralischen Situationen, der Zusammenhang von moralischen Gefühlen und Handeln etc. Moral und Moralität ist eng an moralisches Empfinden geknüpft und die Beschäftigung mit letzterem muss notwendiger Bestandteil der psychologischen Forschung auf dem Gebiet der Moralpsychologie sein. Das soll auch diese Hausarbeit aufzeigen. Sie soll die Wichtigkeit des Forschungsgegenstands - hier: das moralische Gefühl - herausstellen und abgeleitet daraus wichtige gewonnene Erkenntnisse aus der Moralpsychologie, respektive der pädagogischen Psychologie, auf diesem Gebiet zusammenfassen.
Zunächst wird diese Arbeit unter 2. einen Grundstein dazu legen. Es werden die Gründe für und wider eine wissenschaftliche Beschäftigung mit moralischen Empfindungen im Bereich der Psychologie erläutert.
Anschließend wird unter 3. auf die unterschiedlichen Ansätze eingegangen, welche die Gretchenfrage zu beleuchten versuchen: Sind Moralische Gefühle
Vorraussetzung, Folge oder Motiv für die Entwicklung einer Moral? Und nachdem unter 4. die Internalisierungstheorie von Martin Hoffmann erläutert wird, folgt der Versuch, pädagogische Implikationen zur Moralerziehung zu formulieren auf Grundlage der vorher beschrieben Erkenntnisse.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vom Vor- und Nachteil der psychologischen Beschäftigung mit moralischen Gefühle
3. Moralischen Emotionen und Moral: Was entwickelt sich zuerst?
4. Die Internalisierungstheorie von Martin L. Hoffman
5. Hoffmann und Nunner-Winkler: Pädagogische Implikation zur Moralerziehung
6. Didaktische Reflexion
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Moralité larmoyante. – Wie viel Vergnügen macht die Moralität! Man denke nur, was für ein Meer angenehmer Tränen schon bei Erzählungen edler, großmütiger Handlungen geflossen ist!
Friedrich Nietzsche
Das Zitat Nietzsches am Beginn dieser Hausarbeit befindet sich dort nicht ohne Grund: Wie kaum ein anderer Denker vor ihm, betont Friedrich Nietzsche in seinen Aphorismen über die Moral (Nietzsche S.57 ff) in den 70er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts die moralischen Empfindungen in besonderer Weise - mit Nachdruck. Ganz unabhängig von den Wertungen, die er vornimmt, treten seine psychologischen Analysen den Beweis von der Bedeutung moralischer Gefühle an. Er selbst versucht an mehreren Stellen deutlich zu machen, wie wichtig eine psychologische Beschäftigung – und dies bedeutet bei ihm in dieser Zeit eine auf genuin wissenschaftlichem Arbeiten begründete Beschäftigung – mit dem entsprechenden Phänomenen ist (Nietzsche S. 57 ff). In seiner „Geschichte der moralischen Empfindungen“ trifft man auf die Elemente der Betrachtung, die auch uns im Folgenden interessieren werden: die verschiedenen Formen moralischer Gefühle, die durch Vorgänge der Sozialisation bedingte Herstellung moralischer Gefühle im Individuum, die notwendige Zuschreibung von Verantwortlichkeit in moralischen Situationen, der Zusammenhang von moralischen Gefühlen und Handeln etc.
Moral und Moralität ist eng an moralisches Empfinden geknüpft und die Beschäftigung mit letzterem muss notwendiger Bestandteil der psychologischen Forschung auf dem Gebiet der Moralpsychologie sein. Das soll auch diese Hausarbeit aufzeigen. Sie soll die Wichtigkeit des Forschungsgegenstands – hier: das moralische Gefühl - herausstellen und abgeleitet daraus wichtige gewonnene Erkenntnisse aus der Moralpsychologie, respektive der pädagogischen Psychologie, auf diesem Gebiet zusammenfassen.
Zunächst wird diese Arbeit unter 2. einen Grundstein dazu legen. Es werden die Gründe für und wider eine wissenschaftliche Beschäftigung mit moralischen Empfindungen im Bereich der Psychologie erläutert.
Anschließend wird unter 3. auf die unterschiedlichen Ansätze eingegangen, welche die Gretchenfrage zu beleuchten versuchen: Sind Moralische Gefühle Vorraussetzung, Folge oder Motiv für die Entwicklung einer Moral? Und nachdem unter 4. die Internalisierungstheorie von Martin Hoffmann erläutert wird, folgt der Versuch, pädagogische Implikationen zur Moralerziehung zu formulieren auf Grundlage der vorher beschrieben Erkenntnisse.
2. Vom Vor- und Nachteil der psychologischen Beschäftigung mit moralischen Gefühlen
Wenn man sich dem Gegenstand der Moral auf dem Wege der moralischen Gefühle nähert, kann dies die Hervorbringung bedeutender Erkenntnisse nach sich ziehen, die von anderen (kognitiven oder konativen) Perspektiven nicht hinreichend gewonnen werden können. Dass moralische Gefühle wie Scham, Schuld, Zorn, Empörung an sich schon notwendig an das Wesen der Moral gebunden sind, scheint unabweisbar. Kaum eine reale, moralisch bewertete Situation (also nicht nur eine virtuelle, wie im Falle von Kohlbergs präsentierten Dilemmata) entbehrt moralischen Empfindungen. In nicht wenigen Fällen wird eine Situation auch erst als eine mit moralischen Implikationen erkannt und einer moralischen Bewertung unterzogen, wenn entsprechende Gefühlsäußerungen oder emotionale Befindlichkeiten dies herausfordern und erzwingen. Auch dies ist also ein Beweis für die enge Bindung von moralischen Emotionen an Moralität.
In seinem Aufsatz über moralische Gefühle hebt Montada zusätzlich deren Funktion als Indikator für „die psychische Existenz moralischer Normen“ hervor (Montada S.259 ff). Seiner Meinung nach zeigen moralische Gefühle - adäquater als moralisches Wissen (also als das Wissen um die soziale Geltung von bestimmten Normen), adäquater als moralisches Verhalten (denn diesem kann auch eine amoralische Intention zu Grunde liegen) und adäquater als moralisches Urteilen im Sinne Kohlbergs (denn dies impliziert keinen Verpflichtungscharakter) – die Moralität einer Person an. Für eine umfassende psychologische Beschäftigung mit der Entwicklung von Moral scheint schon aus diesen angeführten Gründen kein Weg an moralischen Gefühlen vorbei zu gehen. Doch birgt die Psychologie der moralischen Emotionen auch ihre Hindernisse.
Problem eins: Zuallererst ist es notwendig, ein geeignetes theoretisches Instrumentarium zu wählen, welches dem Gegenstand gerecht wird. Es gibt viele Theorien und Denkmodelle in der Emotionspsychologie, auf denen basierend sich Annäherungsweisen an moralische Gefühle finden (Ulich S.99 ff). Jedoch: Mit einer getätigten Auswahl legt man die Blickrichtung auch schon zu einem gewissen Teil fest und beschränkt das zu Sehende bzw. formuliert spezifische Forschungsfragen vor (Beispielsweise fragen evolutionistische Ansätze notwendig nach der Funktion von moralischen Gefühlen - nach dem wozu?). Dies ist ein allgemeines – doch umso weniger zu vernachlässigendes – Problem in der Wissenschaft.
Problem zwei: Die Erfassung von Emotionen stellt ein weiteres Problem dar, auf dem Weg zur wissenschaftlichen Annäherung an moralische Gefühle (Ulich S.58 ff). Schon vor Beginn der Forschung stellen sich die Fragen nach dem: Wie soll erfasst werden? und nach dem: Was soll erfasst werden? Die Frage des Wie erfordert eine Entscheidung zwischen eher experimentellen Forschungsdesigns – mit allen ihren Vor- und Nachteilen – und retrospektiven Erhebungen, in denen moralische Gefühle zurückerinnert werden. Die Frage nach dem Was zielt auf das Forschungsziel. Soll qualitativ beschrieben werden, was in einer moralischen Übertretungssituation empfunden wird? Oder: Soll das emotionale Konglomerat, in dem moralische Gefühle angetroffen werden, erst einmal identifiziert und dimensional in ein Tableau eingeordnet werden? Oder: Soll der Ausprägungsgrad resp. die Intensität von moralischen Emotionen und dessen Bedingungsfaktoren erhoben werden? Mit diesen Fragen und den unterschiedlichen Antworten wird auch deutlich, auf wie vielen unterschiedlichen Analyseebenen die Beschäftigung mit moralischen Gefühlen stattfinden kann (Ebene des subjektiven Erlebens, Ebene der kognitiven Einschätzung, Ebene der neurophysiologischen Indikatoren, Ebene des Ausdrucksverhaltens) und welche unterschiedlichen Erhebungsinstrumente notwendig werden. In Frage kommen eine Vielzahl von Erfassungsverfahren: die Erfassung über standardisierte Skalen, über Eigenschaftswörterlisten, über Fragebögen, Interviews, graphische Methoden, Sprachinhaltsanalysen, physiologische Messungen etc.
Problem drei: Eine weitere Schwierigkeit besteht im Bereich der Erforschung moralischer Gefühle darin, die äußerst subjektiven Gefühlszustände von Scham, Schuld, Zorn, Empörung usw. der zu untersuchenden Personen zu erfragen, diese verbalisieren zu lassen und interpersonal erfahrbar zu machen. So schwierig es ist, Empfundenes bei einer frischen Windbrise im Gesicht zu beschreiben und mitzuteilen, so schwierig ist dies auch bei widerfahrenen Emotionen in moralischen Übertretungs- oder Bestätigungssituationen. Es kommt also notwendig zu nicht geringen Transaktionskosten auf dem Weg vom erlebten Gefühl des Probanten zur wissenschaftlichen Erkenntnis des Forschers.
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- Citar trabajo
- Ulrike Klöss (Autor), 2006, Moralische Gefühle - eine Annäherung an den Gegenstand, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68059
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