Das Ziel der Arbeit ist die sachliche und möglichst objektive Aufarbeitung des Zwangsarbeitereinsatzes im Stahlwerk Gröditz während des Zweiten Weltkrieges anhand der neuesten Literatur und noch nicht erschlossenem Archivgut. Dafür wurden die Daten der Bilanzen des Stahlwerkes Gröditz ausgewertet, in mehreren Anlagen zusammengefasst und zum Teil grafisch dargestellt. Zusätzlich verschaffen einige Karten, Lagepläne und Fotografien dem nicht ortskundigen Leser einen Eindruck über die Region um den Ort des Geschehens. Des Weiteren werden die Aussagen der Opfer und der Täter gegenüber gestellt und anhand der noch vorhandenen Unterlagen geprüft. Die Arbeit soll zeigen, dass trotz des geringen Umfangs des erhaltenen Archivmaterials eindeutige Aussagen über den Zwangsarbeitereinsatz des Stahlwerkes Gröditz möglich sind. Abschließend wird noch einmal der sowohl regionale, als auch unternehmensbezogene Charakter der vorliegenden Studie betont.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vom Eisenwerk zum Rüstungskonzern
2.1 Die Entwicklung des Eisenwerkes Gröditz bis zum Beginn der Rüstungsproduktion
2.2 Die Übernahme des Werkes durch Friedrich Flick
2.3 Umstellung auf Rüstungs- und Kriegsproduktion
2.4 Kriegsproduktion im Stahlwerk Gröditz bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges
2.5 Die Auswirkung der Kriegsfertigung auf die Belegschaft
3. Der Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter im Stahlwerk Gröditz
3.1 Rechtsgrundlagen und Organisation des Arbeitseinsatzes
3.2 Anzahl, Herkunft und Einsatzort der ausländischen Zivilarbeiter
3.3 Entlohnung der Arbeiter
3.4 Arbeits- und Lebensbedingungen
3.4.1 Arbeitszeit und Arbeitsschutz
3.4.2 Unterbringung
3.4.3 Kennzeichnung und Bewachung
3.4.4 Verpflegung
3.4.5 Medizinische Versorgung und hygienische Verhältnisse
3.4.6 Behandlung
3.5 Wer profitierte vom Einsatz ausländischer Zivilarbeiter?
4. Kriegsgefangene Zwangsarbeiter im Stahlwerk Gröditz
4.1 Rechtsgrundlagen und Organisation des Kriegsgefangeneneinsatzes
4.2 Anzahl, Herkunft und Einsatz der Kriegsgefangenen
4.3 Arbeits- und Lebensbedingungen
4.3.1 Arbeitszeit und Lohn
4.3.2 Unterbringung und Bewachung
4.3.3 Verpflegung und Bekleidung
4.3.4 Ärztliche Versorgung und hygienische Bedingungen
4.3.5 Behandlung
4.4 Wer profitierte vom Gefangeneneinsatz?
5. Der Einsatz von KZ- Häftlingen
5.1 Rechtsgrundlagen und Organisation des Häftlingseinsatzes
5.2 Arbeits- und Lebensbedingungen der KZ- Häftlinge
5.2.1 Beschäftigungsort, Arbeitszeit und Entlohnung der Gefangenen
5.2.2 Unterbringung, hygienische Verhältnisse und Bewachung der Häftlinge
5.2.3 Verpflegung
5.2.4 Ärztliche Betreuung
5.2.5 Behandlung der KZ- Häftlinge
5.2.6 Das größte Verbrechen der Region: Die Ermordung der KZ Häftlinge
6. Zusammenfassung und Bewertung
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1 Archivalien
7.2 Literaturverzeichnis
7.3 Anlagen
7.4 Abkürzungsverzeichnis
1. EINLEITUNG
Der menschenverachtende Einsatz von Zwangsarbeitern zur Finanzierung und Aufrechterhaltung des Krieges, stellt eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte dar. Auf dem Höhepunkt der Rüstungsproduktion im Juli 1944 betrug der Anteil ausländischer Zivilarbeiter an den Arbeitern und Angestellten im Deutschen Reich über ein Viertel. Insgesamt sind etwa acht Millionen Menschen, darunter knapp zwei Millionen Kriegsgefangene und 400.000 KZ- Häftlinge, zur Arbeit in deutschen Fabriken gezwungen worden.1
Auch fast 60 Jahre nach Ende der NS-Diktatur ist diese Epoche noch nicht endgültig aufgearbeitet. Die Tatsache, dass die meisten der Opfer bisher keine Entschädigung für ihre Sklavenarbeit erhalten haben, drang erst Ende der neunziger Jahre auf massiven Druck der Opferanwälte an die deutsche Öffentlichkeit. Es begann ein beschämender Verhandlungsprozess, verschleppt von den großen Konzernen, behindert durch Bürokratie und Verwaltung. Am Ende dieser Entwicklung stand die Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, dotiert mit damals 10 Milliarden DM, zur einen Hälfte durch die Bundesregierung, zur anderen Hälfte durch die Wirtschaft finanziert. Im Sommer 2001 konnten erstmals bescheidene Entschädigungen an einen kleinen Teil der Opfer ausgezahlt werden. Für die meist hochbetagten Geschädigten nur ein kleiner Trost, denn das Geld kann die psychischen und physischen Leiden der ehemaligen Zwangsarbeiter auch nicht heilen.
Auch in Bezug auf die historische Erforschung ist das Thema Zwangsarbeit noch lange nicht vollständig aufgearbeitet, obwohl gerade in den letzten zwei Jahrzehnten die entsprechende Literatur immer umfangreicher geworden ist. Den Anfang der neueren Darstellungen bildet Ulrich Herberts fundamentales Werk „Fremdarbeiter“, das in erster Auflage 1985 erschien.2 Das Standardwerk behandelt allerdings nicht den Einsatz von KZ- Häftlingen. Einen seriösen Überblick über die neueste Literatur bietet das im Jahre 2001 aufgelegte Werk „Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz“3 von Mark Spoerer. In diesem sind die bekannten Ergebnisse der neueren Forschung zusammengefasst und weitere Untersuchungsgebiete aufgezeigt. Mit dem Einsatz von KZ- Häftlingen beschäftigen sich vor allem Karin Orth (1999), Herbert/Orth/Diekmann (1998) und Ulrike Winkler (2000), diese mit aktuellem Bezug auf die Entschädigungsdebatte.4 Mark Spoerer analysiert außerdem in einem Artikel für die Historische Zeitung ausführlich den wirtschaftlichen Aspekt des Häftlingseinsatzes.5 Gabriele Lofti geht in ihrem Werk „KZ der Gestapo“6 speziell auf die Insassen von Arbeitserziehungslagern ein. Den Arbeitseinsatz von Kriegsgefangenen thematisieren außer Ulrich Herbert in seinem oben erwähnten Standardwerk auch Christian Streit (1997), Pavel Polian (2001) und Otto Reinhard (1998).7 Aber nicht nur die neuere, sondern auch die Nachkriegsliteratur ist für die Bearbeitung der Thematik aus heutiger Sicht wichtig. Bei der Interpretation sind jedoch die jeweiligen ideologischen Sichtweisen zu beachten. Die DDR- Historiker Dietrich Eichholz und Eva Seeber beschreiben in ihren Werken den Einsatz von Zwangsarbeitern, jedoch stark auf die marxistisch-leninistischen Kernthesen zugeschnitten.8 Das Profitstreben und die führende Rolle des deutschen Großkapitals bei den Verbrechen des Dritten Reiches stehen dabei meist im Vordergrund und werden stets über die Kontinuität imperialistischer Politik in Deutschland (vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik) hergeleitet. Die Arbeiten basieren trotzdem auf einer breiten Quellengrundlage und beinhalten viele fundierte Aussagen über die großen Rüstungskonzerne des Deutschen Reiches, die man in der westdeutschen Nachkriegsliteratur vergeblich sucht. Der Historiker Hans Pfahlmann stellt in seinem Werk von 1968 den Einsatz von Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen während des Zweiten Weltkrieges ohne ideologische Formulierungen, aber auch nicht frei von Subjektivität dar, denn auf die Motive der Unternehmen wird kaum eingegangen, deren Rolle beim Zwangsarbeitereinsatz eher verharmlost.9
Die Anzahl der regionalen und unternehmensbezogenen Studien ist gerade in den letzten zwei Jahrzehnten stark angewachsen. Die beiden Arbeiten über den Volkswagenkonzern und über Daimler Benz gehören zu den bekanntesten und umfangreichsten Werken.10 Für die vorliegende Diplomarbeit sind die Publikationen über Rüstungskonzerne, Kriegsgefangenenlager der näheren Umgebung von Gröditz sowie regionale Betrachtungen der Thematik besonders bedeutsam. Dazu gehört zum Beispiel die Arbeit von Karl-Heinz Thieleke zum Folgeprozess 5 des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals, die auch eine aufschlussreiche Dokumentensammlung enthält.11 Günther Oggers umfassende Biographie Friedrich Flicks gehört zwar eher zur populärwissenschaftlichen Literatur, basiert jedoch auf einer breiten Quellengrundlage und stellt zudem die einzige große Arbeit zum „geheimnisvollsten der deutschen Superreichen“ dar.12 Die Thematik der Kriegsgefangenenlager der Region um Gröditz behandelt Jörg Osterloh in seiner sehr detaillierten Untersuchung „Ein ganz normales Lager“ von 1997. Sehr ausführlich ist auch dessen Überblick zu den Forschungen zur Geschichte der sowjetischen Kriegsgefangenen von 1995.13 Ein Beispiel für eine regionale Studie bietet die Zusammenstellung einer Arbeitsgemeinschaft um Detlef Ernst.14
Die vorliegende Arbeit ist nicht die einzige Untersuchung des Einsatzes von Zwangsarbeitern im Stahlwerk Gröditz. Schon 1978 befasste sich Hubert Dörr in seiner Dissertation mit dieser Thematik.15 Es gibt jedoch trotzdem genügend Motive eine erneute Erforschung zu begründen. Zwar hat sich die Quellengrundlage in den letzten 26 Jahren nicht grundlegend geändert. Dennoch konnte eine Vielzahl von Unterlagen verwendet werden, die Dörr nicht zur Verfügung standen. Die Arbeit des Dresdner Historikers, die auf den Werken von Eichholtz und Drobisch16 aufbaut, ist zudem geprägt von den DDRüblichen Formulierungen, die eine Auseinandersetzung mit dem Thema unnötig erschweren. Die vorliegende Arbeit wird daher versuchen, dieses schwierige Kapitel deutscher (Regional-) Geschichte neutral und objektiv aufzuarbeiten.
Zuletzt sei noch einmal auf zwei aktuelle Werke verwiesen. Zum Einen der von Wilfried Reininghaus und Norbert Reiman herausgegebene Tagungsband zur Erschließung und wissenschaftlichen Auswertung von Kriegs- und Kriegsfolgeakten.17 In ihm finden sich viele nützliche Hinweise über die Auswertung verschiedener Quellen, die auch für diese Arbeit herangezogen wurden. Zum Anderen die Sonderausgabe der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung „Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939-1945.18 In dieser Begleitpublikation zu einer Ausstellung der Sächsischen Staatsarchive werden die neuesten Forschungsergebnisse mit Hilfe vieler erstmals veröffentlichter Dokumente dargestellt.
Die weiterhin verwendeten, hier nicht dargestellten Sekundärquellen sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Der Umfang der Primärquellen ist leider stark beschränkt. Die verantwortlichen Täter des Stahlwerkes Gröditz ließen kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee Akten in großem Umfang vernichten. Ausgerechnet KZ- Häftlinge mussten fast zwei Tage lang Beweismaterial verbrennen. Dieser Tat fielen jedoch bei weitem nicht alle Unterlagen zum Opfer. Nach dem Ende des Krieges konnten zahlreiche Schriftstücke sichergestellt werden. Diese wurden unverständlicherweise im Garten des Verwaltungsgebäudes gelagert, wo sie wenig später durch einen Brand vernichtet wurden. Die vorliegende Arbeit basierte daher auf dem kleinen Rest übrig gebliebener Schriftstücke, von denen außerdem ca. zwei Drittel technischer Art sind. Der erhaltene Aktenbestand wird in einem kleinen Teil des Archivs der heutigen Schmiedewerke Gröditz GmbH gelagert.
Die einzelnen erhaltenen Schriftstücke sind in ihrer Zusammensetzung und Aussagekraft sehr unterschiedlich zu bewerten. Aufschlussreich sind beispielsweise der erhaltene Schriftverkehr des Stahlwerkes mit dem Treuhänder der Arbeit, die Personalakten einiger Betriebsdirektoren und vor allem Rundschreiben und Anordnungen der Werksführung. Ebenfalls erhalten sind Daten zur Rüstungsproduktion sowie die Bilanzen des Stahlwerkes von 1927 bis März 1945. Aus diesen sind wichtige Erkenntnisse zur Anzahl der Zwangsarbeiter, zu Einnahmen und Ausgaben des Werkes oder auch zum Krankenstand zu gewinnen, was weitere Rückschlüsse erlaubt. Eine Auswertung dieser Bilanzen ist bisher noch nicht vorgenommen worden. Des Weiteren existiert die vollständige Personalkartei der Angestellten, unter denen auch 30 ausländische Zwangsarbeiter waren. Da die meisten Unterlagen jedoch vernichtet wurden, muss verstärkt auf Erinnerungsberichte zurückgegriffen werden. Diese liegen in drei unterschiedlichen Variationen vor. Zunächst existieren Berichte von ehemaligen deutschen Werksangehörigen im Archiv des Stahlwerkes Gröditz, jedoch ohne Signatur und Datum. Der Inhalt der Aussagen lässt darauf schließen, dass die Berichte von Arbeitern stammen, die das Naziregime schon während des Krieges ablehnten, zum Beispiel KPD-Mitglieder. Die zweite Form von Aussagen stellen die Vernehmungen des Zusatzprozesses 5 des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals dar. In diesem sind zum Einen die verantwortlichen Betriebsdirektoren, zum Anderen ehemalige KZ-Häftlinge und zivile Zwangsarbeiter vernommen worden. Diese Dokumente liegen dem Institut für Zeitgeschichte in München auf Mikrofilm vor, und stellen den wichtigsten Teil der Erinnerungsberichte dar.19 Die dritte Variante von Zeugenaussagen wurde in den Beständen der Landesbehörde der Deutschen Volkspolizei Sachsen im Hauptstaatsarchiv Dresden gefunden.20 Hierbei handelt es sich um Befragungen der neu aufgestellten Polizei kurz nach Kriegsende. Auch diese Vernehmungen liefern neue Erkenntnisse, denn neben einfachen Arbeitern und Angestellten wurden auch Teile der Wachmannschaften oder andere direkt Verantwortliche, wie zum Beispiel der Werksarzt befragt. In der Arbeit von Dörr sind diese Dokumente ebenfalls nicht ausgewertet worden. Aussagen ehemaliger Kriegsgefangener stehen hingegen nicht zur Verfügung.
Im sächsischen Hauptstaatsarchiv sind weitere interessante Unterlagen des Stahlwerkes Gröditz erhalten. Aus einer Auflistung der Zwangsarbeiter nach Nationalität geht zum Beispiel hervor, dass Arbeiter aus über 20 Ländern in Gröditz beschäftigt waren.21 Des Weiteren sind einige der monatlichen Beschäftigtenmeldungen an das Arbeitsamt Riesa22, ein Arbeitsbuch eines ausländischen Zwangsarbeiters sowie verschiedene Verordnungen über den Umgang mit Ausländern erhalten.23 Neben den Beständen des Stahlwerkes Gröditz, des Hauptstaatsarchivs Dresden und des Instituts für Zeitgeschichte in München gibt es seit einigen Jahren die sog. „Häftlingsdatenbank der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg“.24 In dieser wurden die in den historischen Dokumenten vorhandenen personenbezogenen Angaben zu den ehemaligen Gefangenen des Konzentrationslagers Flossenbürg digitalisiert. Somit ist es erstmals möglich, Gefangenentransporte nach Gröditz, Rücküberstellungen von Gröditz, Fluchtversuche und Todesfälle von KZ- Häftlingen auszuwerten. Die Daten sind von den Mitarbeitern der Gedenkstätte 2003, anlässlich einer zentralen Gedenkfeier für die Opfer der Zwangsarbeit in Gröditz, zur Verfügung gestellt worden. Zusätzlich konnten einige Dokumente der Stadt Gröditz, wie zum Beispiel die Personenstandsbücher des Standesamtes, zur Bearbeitung des Themas herangezogen werden.25 Erfolglos blieben hingegen die Recherchen in den Archiven der Stadt Riesa, des Stahlwerkes Riesa sowie mehrere Anfragen an verschiedene Heimatvereine und Museen der Region.
Nach einer kurzen Einführung über die Entwicklung des Stahlwerkes Gröditz, den Beginn der Rüstungsproduktion und die Auswirkung derselben auf die deutsche Belegschaft ist der Hauptteil der vorliegenden Arbeit in die drei großen Themenkomplexe zivile Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-H Äftlinge unterteilt. Für jeden dieser Themenbereiche werden zunächst Rechtsgrundlagen und Organisation des Arbeitseinsatzes dargestellt. Anschließend wird auf Anzahl und Herkunft der zwangsverpflichteten Ausländer eingegangen, bei den KZ-Häftlingen aufgrund des fehlenden Archivgutes nur in beschränktem Maße. Die darauf folgende Beschreibung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ist untergliedert in einzelne Bereiche wie Unterbringung, Bekleidung, Verpflegung, medizinische Versorgung, Bewachung usw. Am Ende der beiden Komplexe zivile Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene wird die Frage nach dem Profit des Unternehmens durch den Arbeitseinsatz thematisiert. Am Schluss des Kapitels über den Einsatz von KZ-Häftlingen steht das schrecklichste Ereignis in der Geschichte des Ortes: die Ermordung der KZ-Häftlinge kurz vor Ende des Krieges.
Das Ziel der Arbeit ist die sachliche und möglichst objektive Aufarbeitung des Zwangsarbeitereinsatzes im Stahlwerk Gröditz während des Zweiten Weltkrieges anhand der neuesten Literatur und noch nicht erschlossenem Archivgut. Dafür wurden die Daten der Bilanzen des Stahlwerkes Gröditz ausgewertet, in mehreren Anlagen zusammengefasst und zum Teil grafisch dargestellt. Zusätzlich verschaffen einige Karten, Lagepläne und Fotografien dem nicht ortskundigen Leser einen Eindruck über die Region um den Ort des Geschehens. Des Weiteren werden die Aussagen der Opfer und der Täter gegenüber gestellt und anhand der noch vorhandenen Unterlagen geprüft. Die Arbeit soll zeigen, dass trotz des geringen Umfangs des erhaltenen Archivmaterials eindeutige Aussagen über den Zwangsarbeitereinsatz des Stahlwerkes Gröditz möglich sind.
Abschließend wird noch einmal der sowohl regionale, als auch unternehmensbezogene Charakter der vorliegenden Studie betont.
2. Vom Eisenwerk zum Rüstungskonzern
2.1 Die Entwicklung des Eisenwerkes Gröditz bis zum Beginn der Rüstungsproduktion 1933/34
Die Ortschaft Gröditz wurde ca. um 1284 gegründet; ihre Bedeutung blieb jedoch bis ins 18. Jahrhundert gering. Der Bau des Grödel-Elsterwerdaer Floßkanals zwischen 1740 und 1744 leitete die industrielle Entwicklung des Ortes ein. Der Kanal verbindet die Schwarze Elster mit der Elbe und ermöglichte somit den Transport von Rohstoffen und Fertigprodukten. 1779 errichtete Graf Detlef Carl von Einsiedel einen Eisen- oder Zähnhammer als Zweigbetrieb seines Stammwerkes im nahegelegenen Lauchhammer.26 Das Werk Gröditz zählte damit mit den Werken Lauchhammer und Riesa zu den drei „Lauchhammerwerken“. 1832 erhält das Eisenwerk eine Werkschule, zu diesem Zeitpunkt gehörten schon etwa 200 Beschäftigte, aus dem Ort selbst und aus den umliegenden Dörfern, zur Fabrik. Bis zum Beginn der Rüstungsproduktion stellte sie als Hüttenwerk mit gemischter und teilweiser Fertigbearbeitung hauptsächlich Stahlgussstücke, Schmiedestücke, Radsatzmaterial, Gussröhren und Temperguss-Fittings aller Art her.27 Bereits im Ersten Weltkrieg produzierte das Eisenwerk Gröditz Rüstungsgüter, ging danach jedoch wieder zur normalen Produktion über. Einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wurde die in Finanznot geratene Lauchhammergruppe von ihrem größten Kunden, der Linke-Hoffmann AG, aufgekauft28. An der neu entstandenen Linke-Hoffmann-Lauchhammer AG, kurz LHL, sicherte sich Friedrich Flick 1923 die Aktienmehrheit. Dieser änderte den Namen der LHL in Mitteldeutsche Stahlwerke und gliederte diese am 1. Juli 1926 in die Vereinigten Stahlwerke ein, an der er später ebenfalls die Aktienmehrheit besitzen sollte.29
Die Mittelstahl AG wurde zum Kern der Flick- Unternehmen. 1931 verlegte die Direktion des Konzerns ihren Hauptsitz von Berlin nach Riesa, wo sich das zu diesem Zeitpunkt größte Werk der Mittelstahl-Gruppe befand.30
Das Gröditzer Werk hingegen war seit dem Ersten Weltkrieg in der technologischen Entwicklung und der Investitionstätigkeit deutlich hinter den beiden anderen Lauchhammerwerken zurückgeblieben. Erst mit der von Flick erreichten Besichtigung der Mittelstahlwerke durch den Reichswehrministers Blomberg im Jahre 1934, bahnten sich weitreichende Veränderungen an. Der Beginn der Rüstungsproduktion kann jedoch schon auf das Jahr 1933 datiert werden, ein Schreiben der Werksleitung bestätigt den Start der „S- Fabrikation“ in diesem Jahr.31 Aus einem mit „Streng vertraulich!“ gekennzeichneten Bericht über den Schriftwechsel zwischen dem Werk und der Torpedo-Versuchsanstalt der Marine in Kiel-Eckernförde geht hervor, dass die Marine ab 1935 mit Rüstungsgütern beliefert wurde.32 Mit der Produktion von Geschützen ist hingegen erst kurz vor bzw. nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begonnen worden. In den Neubau des „Maschinenbaus“ investierte Flick über 15 Millionen Reichsmark.33
2.2 Die Übernahme des Werkes durch Friedrich Flick
Friedrich Flick (10.07.1883 - 20.07.1972) begann seine Kariere 1915 in der Siegerländer Charlottenhütte GmbH. Nach einigen Firmenübernahmen im Ruhrgebiet weitete er sein Engagement nach Mitteldeutschland und Schlesien aus. 1921 gelang ihm die Übernahme der Oberschlesischen Eisenindustrie AG (OEI), dem zweitgrößten Kohle- und Eisenunternehmen des ostelbischen Reviers. Größter Kunde der OEI war der Stahl- und Verarbeitungskonzern Linke-Hoffmann-Lauchhammer AG (LHL). Dieser verfügte zwar über ausreichende Braunkohlevorräte, besaß aber kaum Roheisen. Daher strebte die LHL eine Interessengemeinschaft mit der OEI an. Flick erkannte die Chance zur Übernahme der LHL und schloss im November 1923 einen Interessengemeinschaftsvertrag ab, dessen Einzelheiten nie bekannt wurden. Kurze Zeit später gelang es ihm, die Aktienmehrheit an der LHL zu kaufen. Die vereinigten Gesellschaften bildeten nun den größten Eisenindustriekonzern Ost- und Mitteldeutschlands. Dieser hatte allerdings über 100 Millionen Reichsmark Schulden und schrieb rote Zahlen. In den folgenden zwei Jahren wurde der Konzern daher von Flick reorganisiert und umgegliedert. Die OEI gliederte er wieder aus der Vereinigung aus, die LHL wurde in drei Aktiengesellschaften aufgeteilt. Eines der drei neuen Unternehmen wurde die Mitteldeutsche Stahlwerke AG mit ihren Hauptwerken in Riesa, Gröditz, Lauchhammer, Burghammer und Henningsdorf.34 Durch die Reorganisation von OEI und LHL gelang es Flick innerhalb weniger Monate den enormen Schuldenberg abzubauen und die Verluste in Gewinn umzuwandeln.35
2.3 Umstellung auf Rüstungs- und Kriegsproduktion
Schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte sich Flick, bis dahin Parteimitglied der DVP, mit den zukünftigen neuen Herrschern arrangiert. „Da die Deutsche Volkspartei … in den Wahlen von 1930/31 immer mehr an Boden verlor und keinen Führer von Format mehr hatte, habe ich seit dieser Zeit auch Fühlung aufgenommen mit den führenden Persönlichkeiten anderer Parteien.“36 Er war zwar kein überzeugter Nazi, wollte aber auch nicht auf profitable Geschäfte verzichten. Flick wurde ständig von seinem Privatsekretär Otto Seinbrinck über die wirtschaftlichen und politischen Ziele der NSDAP informiert. 1933 spendete er der NSDAP 100.000 Reichsmark, weitere 200.000 Reichsmark wurden von ihm für die Wahl des Reichstages zur Verfügung gestellt. Dafür erwartete er eine profitable Beteiligung an zukünftigen Staatsaufträgen.
Im April 1933 begannen Verhandlungen mit höheren Regierungsbeamten, bei denen der Ausbau der Deutschen Luftwaffe besprochen wurde. Anfang Dezember erhielt Flick dann die Zusage vom Luftfahrtministerium über einen staatlichen Auftrag. „Mit der Beschaffung der für die Durchführung notwendigen Investitionen“ solle „sofort begonnen werden“, so der verantwortliche Staatssekretär Erhard Milch.37
Dass Flick die Chancen der nationalsozialistischen Wiederaufrüstungspolitik erkannte, belegt die zwanzigseitige Denkschrift, mit der er im November 1933 um Wirtschaftsaufträge warb. Diese enthielt detaillierte Angaben über Standorte, Rohstoffbasis und Produktionsmöglichkeiten der Flick Werke und wurde den entscheidenden Beamten im Reichswirtschaftsministerium von Flick persönlich vorgelegt. In einem Vortrag wies er die Beamten darauf hin, dass „(…) die in Rede stehenden, dezentralisiert liegenden Werke in ihrer Gesamtheit zur Zeit in der Stahlherstellung in Deutschland an dritter Stelle stehen und dass (…) ihre Bereitstellung für die in Betracht kommenden Zwecke verhältnismäßig ohne große Investierung möglich ist.“38 Der Reichswehrminister Blomberg zeigte daraufhin großes Interesse und besichtigte schon am 5. Dezember 1934 zusammen mit dem Konzernchef die Werke der Lauchhammergruppe. Flick überzeugte Blomberg für die Vergabe von Rüstungsaufträgen mit folgender Argumentation: Die Vorteile seiner Unternehmen bestünden u.a. „(…) in der geographischen Verteilung unserer Betriebe über ein von Ihnen in militärischer Hinsicht als nicht gefährdet angesehenes Gebiet (…) und in der Unabhängigkeit hinsichtlich der Rohstoffversorgung vom Ausland sowie von den im A- Fall gefährdeten Gebieten.“39 Aus dieser Besprechung geht hervor, dass Flick 1933 den politischen Kurs der Nationalsozialisten richtig einschätzte, denn mit dem „A- Fall“ war der bevorstehende Krieg gemeint.
Die Umstellung auf Rüstungsfertigung begann im Stahlwerk Gröditz im September 1933. In einem Schreiben des Reichswehrministers heißt es dazu: „Einrichten der Mitteldeutschen Stahlwerke AG, Lauchhammerwerk Gröditz, zu Fertigung von Flakgeschossen. Niederlage von Halbmaterial, Vorrichtungen, Werkzeugen auf dem Werk zur Abkürzung der Anlaufzeit.“40 Im März 1934 beginnt die Fertigung von Rüstungsgütern durch offizielle Staatsaufträge. „3.000 Bomben, 70.000 Granaten, 200 Pakrohre und 300 Rohre für leichte Minenwerfer“41 sollten in den Lauchhammerwerken von Mittelstahl produziert werden und weitere Aufträge über 60.000 Granaten und 400 Geschützrohre folgen. Das Werk in Gröditz war auf die staatlichen Großaufträge nicht vorbereitet. 1934 begann die Modernisierung und Erweiterung der für die Kriegsproduktion benötigten Anlagen. Der Betrieb wurde um ein Presswerk zur Produktion von Granatenrohlingen und um eine Zylinderbearbeitungswerkstatt erweitert. Ein Jahr später kam eine Hohlwellendreherei für die Herstellung von Geschützrohren hinzu. Aufgrund der Erhöhung der Stahlproduktion erfolgten ein Neubau des Stahlwerkes, sowie der Ausbau und die Verbesserung der vorhandenen Bearbeitungswerkstätten. Hinzu kamen die Errichtung einer Schmiede und der Umbau der Stahlgießereien, der Tempergießerei und der Mechanischen Werkstatt.42 Flick konnte diese umfangreichen Investitionen gefahrlos tätigen, denn er war durch gute Beziehungen zu einflussreichen Entscheidungsträgern bestens über die Rüstungsplanungen der Nationalsozialisten informiert. In einer Aktennotiz über eine Besprechung mit dem Stabschef des Heereswaffenamtes, General Thomas, notiert Flick im März 1934: „Interessant war noch eine Bemerkung, die mir Herr Thomas allein gemacht hatte und die dahin ging, dass man zweierlei unterscheiden müsse, nämlich die Vergrößerung des stehenden Heeres und die Vorsorge für eine Mobilmachung. Seiner Meinung nach müsse man für vier bis fünf Monate Vorräte schaffen, weil erst nach vier bis fünf Monaten nach Eintritt des A- Falles die Fabriken allgemein in laufende Produktion gekommen sein würden (dieser Auffassung habe ich durchaus zugestimmt)“.43
Flick bemühte sich bei der Reichsregierung intensiv um lukrative Rüstungsaufträge. Das Risiko der Investitionen war gering, denn zum Einen ließ das Reichswehrministerium die meisten Anlagen auf Kosten des Reiches errichten, zum Anderen bestanden staatliche Abnahmegarantien auf Rüstungsgüter. Beides geht aus einer Notiz über ein Gespräch mit General Liese, Chef des Heereswaffenamtes, hervor. „Unser Gesamtauftragsbestand beliefe sich schätzungsweise auf 3 höchstens 3,5 Millionen, während für die Schaffung von Einrichtungen investiert seien oder investiert werden sollten 7 Millionen. (…) Er [General Liese, M.A.] betonte nochmals, wir könnten also bestimmt mit größeren Aufträgen bis 1938 rechnen und empfahl uns, auch aus eigenen Mitteln uns darauf einzurichten, dass die Lieferungen möglichst schnell ausgeführt werden können. [Die Hinweise des Generals] lassen es zweckmäßig erscheinen, die von der Marine erstellte Pressanlage aus eigenen Mitteln zu verbessern.“44 Flick konnte die Investition von zusätzlichen 23 Millionen Reichsmark für die als „S-Betriebe“ (Sonderbetriebe) bezeichneten Produktionswerkstätten durch das Reichwehrministerium erreichen.45 Durch den Bau der drei Zylinderbearbeitungswerkstätten und des Maschinenbaus46 entwickelte sich das Gröditzer Werk zum führenden der Lauchhammergruppe und zu einem der wichtigsten Rüstungsgüterproduzenten des Flick-Konzerns.
Bereits Ende 1934 waren die Anlagen fertig gestellt und betriebsbereit. Dr. Terberger47 notierte über ein Gespräch mit einem einflussreichen Regierungsmitglied über Rüstungsaufträge bei einer Besichtigung des Werkes Gröditz im Dezember 1934: „H. war sehr erstaunt über die Größe der Anlage. (…) Er würde sich [für Rüstungsaufträge] einsetzen. Zunächst wollte er einen Zusatzauftrag in Stahlgussgranaten geben (…). Auch würde er für weitere Pressgranaten sorgen.“48
Friedrich Flick hatte sich mit staatlicher Hilfe die Basis für die Beteiligung an den Rüstungsaufträgen der Nationalsozialisten geschaffen. Nicht zuletzt verdankte er die profitablen Aufträge den sorgfältig geknüpften Beziehungen zu den mächtigsten Personen des Hitlerregimes. 1937 bedankte sich Göring schriftlich für sein Engagement: „Ich weiß, dass Sie sich im Rahmen des Vierjahresplans nach Kräften eingesetzt und damit mir die Durchführung meiner Aufgaben erleichtert haben. Dafür danke ich Ihnen vielmals und gebe gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck, dass Sie auch künftig für große Aufgaben zur Verfügung stehen.“49
2.4 Kriegsproduktion im Stahlwerk Gröditz bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges
Die Lauchhammergruppe der Mitteldeutschen Stahlwerke AG erhielt von Heer, Marine, Luftwaffe und dem Oberkommando der Wehrmacht Rüstungsaufträge.50 Das Stahlwerk Gröditz produzierte neben einigen traditionellen Erzeugnissen wie Radsätze, Radscheiben oder Rohren hauptsächlich Granaten und Geschütze. Die Granatenproduktion bestand vorwiegend aus der Herstellung der Mäntel für Wurf-, Press- und Stg.- Granaten. Pulver und Sprengmittel hingegen wurden nicht in Gröditz erzeugt, d.h. die Endfertigung der Munition erfolgte in anderen Werken. Für die Geschützfertigung wurden hauptsächlich Rohre in verschiedenen Größen, Endstücke und andere Geschützteile hergestellt. Neben Granaten und Geschützen wurden auch Geschosse produziert, vorwiegend in den Größen 8,8 cm und 10,5 cm. Ebenso wie bei den Granaten erfolgte die Endfertigung in anderen Werken. Abgesehen von der Hauptkriegsfertigung wurden in den mechanischen Werkstätten Waffen- und Geräteteile hergestellt. Dazu zählten Torpedokessel und -böden, Pumpen, Hochdruckkörper und andere Teile. In erheblichem Maße belieferte das Gröditzer Werk andere Rüstungsunternehmen, wie zum Beispiel den Krupp-Konzern oder die Skodawerke51.
Die für die Erweiterung notwendigen Baumaßnahmen begannen bereits 1934. Für die Geschützproduktion in der Mechanischen Werkstatt wurde eine 200 Meter lange und 50 Meter breite Halle errichtet.52 In dieser befanden sich über 150 moderne Maschinen für die Kriegsfertigung. Die ähnlich dimensionierten Hallen für die Geschossproduktion waren mit 370 Spezialmaschinen zur Herstellung, Prüfung und Lagerung von Geschossen ausgestattet. Sie sind 1937 bzw. 1939, unmittelbar vor Kriegsbeginn, errichtet worden. Der Maschinenbau, eine moderne, über 350 Meter lange Halle, wurde erst nach Beginn des Zweiten Weltkrieges fertig gestellt.53 1937 war die Kriegsfertigung bereits so stark angestiegen, dass zusätzliche Räume benötigt wurden, um Archivgut und Proben der Produktion zu lagern. „Zum geordneten Verwahren von Proben aller durchgeführten Untersuchungen wird dringend ein größerer Archivraum benötigt. Insbesondere sind schon jetzt die für die S- Fabrikation … aufzuhebenden Proben, … Akten usw. in den vorhandenen Räumen kaum unterzubringen.“54
Aufgrund der hohen Investition, der Modernisierung der Anlagen, sowie der staatlichen Abnahmegarantie stieg die Produktion in den folgenden Jahren stark an. So erhöhte sich der Umsatz von 3.171.000 Reichsmark im Jahre 1934 innerhalb von 4 Jahren auf 41.684.769 Reichsmark.55 Die Zahlen Dörrs56 weichen erheblich von den hier dargestellten ab. Laut dessen Berechnung soll der Umsatz 1935 nur rund 12 Millionen Reichsmark, 1937 sogar nur 19 Millionen Reichsmark betragen haben. Dörrs Zahlen stützen sich auf eine Akte des BA-Gröditz, welche heute nicht mehr auffindbar ist. Die hier dargestellten Berechnungen beruhen auf den fast vollständigen Bilanzen des Stahlwerkes. Mit der Ausnahme des Monats August 1939 sind alle Berichte von 1927 bis (Januar) 1945 vorhanden. Danach betrug der Umsatz bereits 1939 fast 50 Millionen Reichsmark, der Höchststand wurde 1944 mit etwa 127 Millionen Reichsmark erreicht.57
Zur Darstellung der Kriegsfertigung muss hier trotzdem auf einige Angaben Dörrs zurückgegriffen werden, denn diese ist nicht explizit in den Bilanzen aufgeführt. 1935 betrug der Anteil der Rüstungsproduktion an der Gesamtproduktion etwa 50 Prozent. Schon ein Jahr später stieg er auf 64 Prozent und blieb in etwa auf diesem Niveau. Die Produktion von Geschützrohren erhöhte sich sprunghaft von 30 Tonnen (1934) auf 2.321 Tonnen (1936). Auch die Fertigung von Geschossen konnte enorm gesteigert werden. Während 1934 noch 702 Tonnen produziert wurden, verzehnfachte sich die Herstellung bis 1938.58 Mit der Steigerung der Kriegsfertigung ging auch eine Ausweitung der traditionellen Fabrikation einher. Zum Einen betraf das die Stahlerzeugung, welche direkte Voraussetzung für die Herstellung von Granaten, Geschossen und Rohren war. Diese erhöhte sich von etwa 5.000 Tonnen (1934) auf 8.000 Tonnen (1938).59 Zum Anderen wurde die Produktion von indirektem Kriegsmaterial verstärkt. Dazu gehörten zum Beispiel Radscheiben, Radsätze oder Autoräder, deren Herstellung ebenfalls verzehnfacht werden konnte.60 Im Vergleich zur Normalproduktion betrug der Anteil der Kriegsfertigung bereits 1934 etwa 162 Prozent. Bedingt durch die großen staatlichen Aufträge konnte dieser bis 1938 auf über 500 Prozent gesteigert werden.61
2.5 Die Auswirkung der Kriegsfertigung auf die Belegschaft
Die außergewöhnliche Steigerung der Produktion, der Bau von neuen Anlagen und die damit verbundene Einführung neuer Fertigungstechniken erforderten den Einsatz erfahrener Spezialisten. In der eher ländlichen Umgebung von Gröditz waren diese schwer zu finden. In den dreißiger Jahren hatte die Gemeinde nicht mehr als 3.000 Einwohner, dass Einzugsgebiet des Stahlwerkes umfasste etwa 90 umliegende Dörfer im Umkreis von 50 Kilometern.62 Die Werksleitung begann daher direkt nach der Umstellung auf Kriegsfertigung mit der Anwerbung von Spezialisten, vor allem aus dem Ruhrgebiet. Diese waren meist schon jahrelang in der Rüstungsproduktion tätig und konnten somit schnell in leitende Positionen aufsteigen.63 Trotzdem machte sich der Mangel an Facharbeitern bemerkbar. Die Arbeitslosigkeit bei solchen Arbeitern ging schneller zurück als bei ungelernten Hilfsarbeitern, bereits 1934 war der Facharbeitermangel spürbar. Die Arbeitslosigkeit von Hilfsarbeitern hingegen nahm erst 1938 ab.64 Häufig kam es vor, dass angeworbene Experten von ihren Arbeitgebern nicht freigegeben wurden. Auf eine Anfrage des Stahlwerkes Gröditz im September 1939 teilte beispielsweise die Aktiengesellschaft Rheinmetall Borsig mit, „… dass wir unser Einverständnis zur Abwanderung des Vorgenannten aus unserem Werk leider nicht erteilen können. Wir selbst leiden unter einem empfindlichen Personalmangel …, so dass wir unter den heutigen Umständen keine Arbeitskraft entbehren können.“65 Bereits einige Monate später zeigten sich der Einfluss Flicks und die Bedeutung der Kriegsfertigung des Stahlwerkes Gröditz. Der betreffende Ingenieur wurde ohne weiteren Schriftverkehr zwischen dem Arbeitsamt Riesa bzw. dem ehemaligen Arbeitgeber eingestellt.66 Für Flick war die Rüstungsproduktion des Stahlwerkes sogar so wichtig, dass er einen Verwandten - seinen Neffen Helmut Stolz - nach Gröditz schickte. In einem privaten Brief kündigte er ihm an: „Bei unserem Gröditzer Werk würde in absehbarer Zeit die Möglichkeit bestehen, eine geeignete Position freizumachen.“67 Während es Flick gelang, anderen Werken die Facharbeiter abzuwerben, konnte die Kündigung eigener Gefolgschaftsmitglieder meistens verhindert werden. Die Gesuche der Arbeiter und Angestellten wurden mit dem Hinweis, dass sie im Werk „sehr dringend gebraucht“68 werden, abgelehnt. Die dreimalige Kündigung eines Angestellten konnte so immer wieder erfolgreich verhindert werden.69 Obwohl seit Beginn der Rüstungsproduktion ein Facharbeitermangel herrschte, stieg die Zahl der Arbeiter kontinuierlich an. In Folge der Wirtschaftskrise der zwanziger Jahre sank die Zahl der Beschäftigten jedoch zunächst, von 1.800 Arbeitern im Jahre 1929 auf nur noch 1.157 im Jahre 1932. 1933/34 waren schon wieder 1.801 Menschen im Werk beschäftigt. Bereits ein Jahr nach Beginn der Kriegsfertigung war die Belegschaftszahl um 850 auf 2.651 Beschäftigte gewachsen, ein Anstieg von einem Drittel. Bis 1939 wuchs die Gesamtbelegschaft auf 5.626 Mann, was einer Erhöhung um 212 Prozent entspricht.70 Nach Ausbruch des Krieges erhöhten sich die Beschäftigtenzahlen weiter, obwohl immer mehr Werksangehörige zur Wehrmacht eingezogen wurden. Im Januar 1940 wurde die Anzahl der Einberufenen erstmals in den Bilanzen aufgeführt. Den Eintragungen zufolge sind zu diesem Zeitpunkt seit Beginn des Krieges 671 Männer eingezogen worden. Zur selben Zeit waren 5.76971 Beschäftigte im Stahlwerk tätig, woraus sich eine Quote der Einberufenen von 10 Prozent ergibt. Schon zwei Jahre später erhöht sich diese Quote auf 14 Prozent, der Höhepunkt von genau einem Drittel an Einberufenen wurde im Januar 1945 erreicht. In diesem Monat waren 2.942 Arbeiter zur Wehrmacht eingezogen, und 5.907 Deutsche im Werk tätig. Die Gesamtbelegschaft betrug zu diesem Zeitpunkt 10.863 Personen.72
Seit dem Beginn der Rüstungsproduktion verschlechterten sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Beides kann anhand verschiedener Indikatoren nachgewiesen werden. Zur Untersuchung der Lebensbedingungen werden Durchschnittslöhne und Wochenarbeitsstunden mit dem für die gesamte deutsche Wirtschaft geltenden Durchschnittsindex verglichen. Des Weiteren wird die damalige Wohn- und Verkehrssituation in die Betrachtung einbezogen. Um eine Aussage über die Arbeitsbedingen treffen zu können sollen soziale Betreuung, Maßnahmen zum Arbeitsschutz, sowie die Behandlung der Arbeiter durch Vorgesetzte betrachtet werden.
Wie oben beschrieben ist aus den Bilanzen ersichtlich, dass die Zahl der Beschäftigten sich innerhalb weniger Jahre mehrfach verdoppelt hat. In der ländlichen Umgebung von Gröditz war es daher schwierig, genügend Wohnraum für alle Arbeiter und Angestellten zu finden. Während für Betriebschefs und leitende Angestellte entweder Häuser gebaut oder Wohnungen zur Verfügung gestellt wurden, mussten die einfachen Arbeiter schon vor dem Krieg in Wohnsiedlungen untergebracht werden. Diese wurden in Gröditz, aber auch in den umliegenden Gemeinden errichtet. Die Verkehrsanbindung war ebenfalls problematisch. Die alte Gröditzer Stammbelegschaft wohnte zwar in unmittelbarer Nähe des Werkes, die zugezogenen Arbeiter mussten jedoch längere Anfahrtszeiten in Kauf nehmen. Bei einem Einzugsgebiet von etwa 50 Kilometern verlängerte sich die Arbeitszeit durch Hin- und Rückfahrt z.T. auf über vier Stunden täglich. Die Lohn- und Gehaltszahlungen der Arbeiter und Angestellten des Werkes, die erarbeiteten Lohnstunden sowie die Kosten einer Lohnstunde gehen aus den Bilanzen hervor.73 Aus diesen Angaben kann die Wochenarbeitszeit in Stunden errechnet und mit den Durchschnittswerten des Deutschen Reiches74 verglichen werden, wodurch sich Aussagen über die Lebensbedingungen treffen lassen.75
Die durchschnittliche monatliche Arbeitszeit betrug vor dem Beginn der Rüstungsproduktion 1932 etwa 180 Stunden, sowohl im Gröditzer Werk, als auch in Gesamtdeutschland. Bereits zwei Jahre danach stieg die Arbeitszeit der Gröditzer Werksangehörigen auf 198 Stunden, im Reich wurde durchschnittlich 5 Stunden weniger gearbeitet. Bis zum Beginn des Krieges stieg die Zahl auf 208 Stunden an. Ab 1939 wurde die Arbeitszeit noch einmal erheblich - z.T. um bis zu 30 Stunden pro Monat - gesteigert. Der Höhepunkt wurde im Januar 1945 mit 247 Arbeitsstunden erreicht. Im Vergleich dazu stieg die Arbeitszeit im Deutschen Reich „nur“ von 202 (1939) auf etwa 210 (1944) Stunden an. Die Löhne stiegen zwar ebenfalls an, aber nicht in dem Umfang wie die Arbeitszeit. Vor allem in der Zeit zwischen dem Beginn der Rüstungsproduktion und dem Ausbruch des Krieges kann ein starker Anstieg der Löhne festgestellt werden. Während ein Arbeiter 1932 noch 122 Reichsmark pro Monat erhielt, wurden 1939 schon 181 Reichsmark gezahlt. Die Lohnstunde war 1932 etwa 0,68, 1939 rund 0,81 Reichsmark wert. Während des Krieges stieg zwar die Arbeitszeit stark an, die Löhne hingegen nur leicht, sie lagen durchschnittlich zwischen 185 und 200 Reichsmark. Eine Arbeitsstunde war damit nicht viel mehr wert als vor dem Krieg (zwischen 0,84 und 0,89 Reichsmark), 1945 sogar weniger (0,77 Reichsmark).76
Geht man von einer durchschnittlichen monatlichen Arbeitsleistung von 230 Stunden aus, so ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 57,5 Stunden, d.h., bei einer 6- Tage- Woche fast 10 Stunden tägliche Arbeitszeit. Nicht eingerechnet sind Pausen und die tägliche An- und Abreise. In der ländlichen Umgebung des Werkes mussten außerdem viele Arbeiter zusätzlich in der Landwirtschaft arbeiten. Infolge der stärkeren Belastung stieg die Zahl der Arbeitsunfälle stark an. Der Werksarzt vermerkt in einem Bericht an die Werksleitung: „Der große Teil der Unfälle entsteht durch Unachtsamkeit, die häufig durch Übermüdung (lange Arbeitszeit) bedingt ist.“77
Der Beginn der Kriegsproduktion führte zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen der Gröditzer Werksangehörigen. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschärfte sich die Situation weiter. Doch nicht nur die Lebens-, sondern auch die Arbeitsbedingungen veränderten sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Jeder neu einzustellende Arbeiter oder Angestellte wurde von der Gestapo überprüft. Diese leitete die Berichte der Personenüberprüfung an den Abwehrbeauftragten des Werkes weiter.78 An den Arbeitsplätzen wurden die Beschäftigten weiter überwacht. Durch eine Einteilung in „besser und weniger gut gestellte Leute“79 konnte die Belegschaft gezielt beeinflusst werden. Die „besseren“ Arbeiter stiegen schnell in höhere Positionen auf, vom Kolonnenführer zum Vorarbeiter, dann zum Meister oder Obermeister. Die Lohnzahlungen dieses Personenkreises wurden von der Arbeitsleistung ihrer Unterstellten abhängig gemacht. Je höher die Produktionszahlen der Granaten-, Geschoss- oder Geschützherstellung, desto mehr Lohn bzw. Prämien wurden gezahlt.80 Die Direktoren und Betriebsleiter vermieden es somit, selbst als Antreiber in Erscheinung zu treten. Den Arbeitern wurde außerdem von den
Betriebsführern die antifaschistische Betätigung verboten. Aufgrund des Arbeitskräftemangels sind jedoch früher entlassene KPD-Mitglieder wieder eingestellt worden. Um Widerstandsbewegungen und Proteste gegen die schlechten Arbeitsbedingungen zu verhindern, versuchten die Stahlwerksdirektoren die Arbeiter untereinander auszuspielen. „Wer für den Konzern gewonnen werden sollte, den machte man zum Vorarbeiter. Da bekam er etwas mehr Geld, hatte etwas zu sagen, und man hatte ihn in der Hand.“81
Die soziale Betreuung der Werksangehörigen war ebenfalls unzureichend. Hygienisch einwandfreie sanitäre Einrichtungen und Aufenthaltsräume gab es nur in den neu errichteten Hallen der Geschützproduktion, die alten Anlagen wurden nicht modernisiert. Der Tätigkeitsbericht des Werksarztes an die Direktion gibt Aufschluss über die Betreuung von erkrankten sowie durch Unfall zu Schaden gekommenen Arbeitern. Der Arzt nahm erst am 1. Mai 1940 seine Tätigkeit als Betriebsarzt auf, zu einem Zeitpunkt, zu dem schon über 6.000 Personen im Stahlwerk beschäftigt waren.82 Bis dahin wurde die Krankenbehandlung nebenamtlich vom Allgemeinarzt der Gemeinde Gröditz durchgeführt. Der Werksarzt bemängelt zunächst das „Sprechzimmer in der Größe von 2.00 x 3.50 m“83, sowie die fehlenden Räumlichkeiten, Instrumente und Helfer. Seinem Bericht zufolge besuchen monatlich über 1.000 Beschäftigte die täglichen Sprechstunden. Laut den Bilanzen des Stahlwerkes variiert der Krankenstand im Jahr 1940 zwischen 422 Personen und 580 Personen, d.h., nur ca. 50 Prozent der Patienten wurden tatsächlich krankgeschrieben. Als Ursachen für den im Vergleich zu den Werken Riesa und Lauchhammer hohen Krankenstand nennt der Arzt „unzulängliche Lüftungsanlagen, unregelmäßige Mahlzeiten und Lagerkost sowie Vitaminmangel“.84 Die Zahl der Kranken konnte durch den Einsatz des Werksarztes ab Mai 1940 deutlich gesenkt werden. In den Wintermonaten des Jahres 1940 waren durchschnittlich 14 Prozent der Arbeiter krankgeschrieben, im Mai sank die Zahl auf acht, im August auf sieben Prozent. Ab Juni 1942 stieg die Zahl aufgrund der sich verschlechternden Bedingungen wieder an, der Höchststand wurde am Ende des Krieges mit 17 Prozent erreicht. Eine Ausnahme bildeten die Monate Januar und Februar des Jahres 1944. Verursacht durch eine Typhusepidemie stieg der Krankenstand auf 23 Prozent, das entsprach der Anzahl von 2.150 erkrankten Personen.85
Aus dem Bericht des Arztes lassen sich weitere Erkenntnisse über die Arbeitsbedingungen im Stahlwerk Gröditz gewinnen. Für die täglich etwa 50 Patienten waren nur zwei Sprechstunden von einer Stunde Dauer vorgesehen. In dieser kurzen Zeit konnten meist nur einfache Medikamente gegen Erkältung oder Durchfall verabreicht werden. Bei Betriebsunfällen oder notwendiger stationärer Behandlung mussten die Patienten nach Riesa oder in das Werkskrankenhaus in Lauchhammer überwiesen werden. Die hohen Krankenziffern führten dazu, dass die Werksleitung die Bezahlung der ersten drei Krankheitstage bei Unfällen einstellte. Der Werksarzt vermerkte in seinem Bericht, dass sich „… dadurch auch die Zahl der Fälle in denen Gefolgschaftsmitglieder wegen kleiner Unfälle krank machten außerordentlich vermindert [hat].“86 Die am häufigsten auftretenden Erkrankungen waren die des Magens, der Atemwege und der Muskeln. Der Betriebsarzt stellt außerdem fest, dass die Zähne fast aller Erkrankten in einem „katastrophalem Zustand“87 sind, was auf unzulängliche zahnärztliche Versorgung zurückgeführt wird. Der Arzt beanstandet, dass keine Möglichkeiten zur Therapie oder Heilung von Krankheiten vorhanden sind und schlägt daher vor, den Arbeitern auf Kosten des Werkes Vitamin C zu verabreichen, „… da dadurch sicher eine Mehrleistung der Arbeiter erreicht werden kann.“88 Über die Arbeitsbedingungen im Stahlwerk Gröditz resümiert der neue Werksarzt wie folgt: „Es ist außerordentlich auffällig, dass unter der Belegschaft (…) viele Arbeiter sind, die einen vorzeitig gealterten Eindruck machen, was sicherlich mit den Arbeitsbedingungen in Zusammenhang steht. Nach Beendigung des Krieges müssen diese Gefolgschaftsmitglieder spätestens in staubfreie, gesundheitlich einwandfreie Betriebe versetzt werden.“89
Die Einstellung des hauptamtlichen Betriebsarztes durch die Werksdirektion erfolgte weniger aus Gründen der Fürsorge, sondern als Maßnahme zur Verhinderung größerer Umsatzeinbußen durch einen zu hohen Krankenstand. In einem Schreiben an das Kommando des Rüstungsbereiches Dresden heißt es: „Die Aufgaben des Werksarztes … werden in der Hauptsache darin bestehen, die Werkskranken laufend zu kontrollieren. Wir haben heute noch gegen 400 Kranke, die sicherlich zum Teil arbeitsfähig sein werden. Bei der heutigen Knappheit an Arbeitskräften (…) müssen wir streng darauf sehen, dass jeder Mann seinen Platz ausfüllt. Herr Dr. Kayser wird also sehr viele Krankenbesuche in den Wohnorten der jeweils krank gemeldeten Leute auszuführen haben (…).“90
Die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen kommen auch in den Erinnerungsberichten der Arbeiter zum Ausdruck. Ein Beschäftigter, der 1937 in die Elektroabteilung der Mitteldeutschen Stahlwerke AG nach Gröditz dienstverpflichtet worden ist, berichtet: „Unsere Arbeitszeit betrug 12 Stunden, im 2- Schichtsystem. Eine Woche von 6-18 Uhr, und die andere Schicht von 18-6 Uhr. Alle 14 Tage hatten wir einen freien Sonntag.“91 Aus anderen Erinnerungsberichten geht hervor, dass viele Arbeiter, die zur Wehrmacht eingezogen werden sollten, schon nach kurzer Zeit eine „u.k.- Stellung“92 bekamen. Die Werksleitung setzte sich mit der Freistellung der Arbeiter vom Wehrdienst gegen die zuständigen Behörden meist durch. Begründet wurden die vielen „u.k.- Stellungen“ mit dem Bedarf an Fachkräften für kriegswichtige Produktion. Die Betriebsleitung nutzte diesen Umstand auch, um den Druck auf die Belegschaft zu erhöhen. Gemeinsam mit der Gestapo entschied sie, welche Arbeiter an die Front geschickt werden sollten, und welche nicht. Somit konnten nicht nur Spezialisten und Fachleute für die Produktion gesichert, sondern auch unkompliziert unproduktive und missliebige Arbeiter abgeschoben werden.93 Als weitere Methode zur Überwachung der Belegschaft wurde ein „Abwehrbeauftragter“ eingesetzt. Im Gröditzer Stahlwerk war das Dr. Chelius, der Betriebschef der Tempergießerei. Seine Aufgabe bestand in der Weiterleitung aller „Beobachtungen und Feststellungen über staatsfeindliche Bestrebungen innerhalb seines Betriebes oder Geschäftsbereiches“94 an die zuständige Gestapoleitstelle. Dem Abwehrbeauftragten unterstand des Weiteren der Werksschutz, dessen Angehörige auch mit der Bespitzelung der Arbeiter beauftragt wurden.95 Sowohl die Betriebsführung, als auch der Abwehrbeauftragte arbeiteten eng mit der Gestapo zusammen. In der Kartei96 der Geheimen Staatspolizei wurden alle politischen Vergehen der Arbeiter festgehalten. Dazu konnten auch - je nach Entscheidung der Vorgesetzten - geringe Disziplinarverstöße oder Fehlleistungen in der Arbeit gehören. Die Vorladung eines Arbeiters in das Büro des Abwehrbeauftragten wurde absichtlich nicht geheim gehalten. Die Bestellung der betreffenden Person erfolgte über den jeweiligen Kolonnenführer, Vorarbeiter oder Meister.97 Ein Aufbegehren der Arbeiterschaft gegen diese Maßnahme war nicht zu erwarten. Zwar drohte durch den Arbeitskräftemangel nicht die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes, jedoch konnte die Belegschaft mit der „u.k. Stellung“ regelrecht erpresst werden.
Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Beginn der Rüstungsproduktion verschlechterten sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werksangehörigen fortlaufend. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges ist eine weitere Verschärfung der Bedingungen festzustellen. Weitaus schlimmere Verhältnisse herrschten jedoch für die ausländischen Zwangsarbeiter. Die Situation von zivilen ausländischen Arbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.
3. Der Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter im Stahlwerk Gröditz
Im Herbst 1944 sind in der deutschen Landwirtschaft und Industrie über 7 Millionen98 Ausländer beschäftigt gewesen, insgesamt 14 Millionen99 Zwangsarbeiter wurden nach Deutschland deportiert. Aufgrund der massiven Rüstungsproduktion machte sich bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein Mangel an Facharbeitern bemerkbar. Im Frühjahr 1938 bestand laut Reichsarbeitsministerium ein Bedarf an 125.000 Arbeitskräften. Dieser Mangel sollte zunächst mit Hilfe von Rationalisierungsmaßnahmen und einer Erhöhung der Anforderungen an die Arbeiter bekämpft werden. Diese und andere Maßnahmen erwiesen sich jedoch als unzureichend. Einem erhöhten Einsatz von Frauen standen zudem die nationalsozialistischen ideologischen Vorstellungen von der „Frau und Mutter“ entgegen. Erst in diesem Zusammenhang entstand die Planung, den Arbeitskräftemangel durch den vorübergehenden Einsatz ausländischer Arbeitskräfte zu überbrücken. Ulrich Herbert spricht von dem „Ergebnis einer wirtschaftlichen und politischen Güterabwägung zwischen der Beschäftigung von deutschen Frauen und ausländischen Arbeitskräften.“100 In der Geschichtsschreibung der ehemaligen DDR hingegen wird die Auffassung eines systematisch, schon vor Kriegsbeginn geplanten, Zwangsarbeiterprogrammes propagiert.101 Als Hauptgrund für den Einsatz von Zwangsarbeitern wird meist der „Profit des deutschen Monopolkapitals“102 genannt. Der geplante Masseneinsatz ausländischer Zwangsarbeiter vor dem Krieg ist jedoch auch durch neueste Erkenntnisse nicht nachweisbar. Neben den rassistischen Vorbehalten und der nationalsozialistischen Ideologie ließen auch die anfänglichen Erfolge der Blitzkriegstrategie einen längeren Einsatz von Ausländern als nicht notwendig erscheinen. Die Arbeitskräftesituation blieb dennoch problematisch. Mitte 1939 fehlten im Deutschen Reich bereits 1.000.000 Arbeiter. Durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges verschärfte sich die Situation aufgrund des Abzuges von Männern zur Wehrmacht weiter. Für die Rekrutierung ziviler ausländischer Arbeiter spielte daher die Eroberung Polens eine große Rolle.103
Der Begriff „ausländische Zwangsarbeiter“ umfasst die drei verschiedenen Gruppen zivile Ausländer, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Auf die dienstverpflichteten deutschen Arbeiter, welche durchaus auch als Zwangsarbeiter betrachtet werden müssen, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden, da dies den Rahmen sprengen würde. Spoerer kategorisiert die Zwangsarbeiter nicht wie oben nach dem „Status“, sondern nach deren Einfluss auf ihre Existenzbedingungen. Er definiert vier unterschiedliche Gruppen, die jedoch lediglich eine Durchschnittsbetrachtung darstellen sollen. Zur ersten Gruppe gehörten freiwillige ausländische Arbeiter, meist aus verbündeten Staaten wie Bulgarien, Kroatien oder Italien (bis 1943). Diese Arbeiter hatten die Möglichkeit, ihre Existenzbedingungen selbst zu beeinflussen. Die zweite Gruppe bestand aus Zwangsarbeitern, die aus den besetzten Gebieten außerhalb Polens oder Russlands stammten, zum Beispiel kriegsgefangene Franzosen oder Belgier. Aufgrund der höheren Position in der „Rangfolge“ der nationalsozialistischen Rassenideologie hatten sie einen kleinen Einfluss auf ihre Lebensbedingungen. Im Gegensatz dazu stand die dritte und die vierte Gruppe. Zur dritten Gruppe gehörten polnische und russische Zivilarbeiter sowie ab 1943 die italienischen Kriegsgefangenen. Der Personenkreis der vierten und letzten Gruppe hatte überhaupt keinen Einfluss auf die Existenzbedingungen und war zudem einer extrem hohen Sterblichkeit ausgesetzt. Zu dieser Gruppe gehörten polnisch-jüdische Zwangsarbeiter, russische Kriegsgefangene sowie „Arbeitsjuden“ aus den Zwangsarbeiterlagern und Ghettos.104 Die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen konnten fließend sein und hingen stark von der jeweiligen Einzelbetrachtung ab. Im Rahmen dieser Arbeit soll inhaltlich nach der ersten Kategorisierung - ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge - unterschieden werden. Zweifelsfrei hat es auch in Gröditz eine Unterscheidung der Zwangsarbeiter nach Spoerers System gegeben. Diese soll in die Betrachtung der einzelnen Gruppen einfließen.
Ulrich Herbert fügt zu den ausländischen Zivilarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ- Häftlingen noch zwei weitere Gruppen hinzu. Zum Einen die europäischen Juden, die in ihren Heimatländern sowie nach der Deportation im Deutschen Reich Zwangsarbeit leisten mussten, und zum anderen diejenigen Menschen, die außerhalb des Reichsgebietes zur Arbeit für Deutsche gezwungen wurden. Über die letztere Gruppe ist heute am wenigsten bekannt.105 Im Rahmen dieser Arbeit sind die zur Zwangsarbeit verpflichteten europäischen Juden entweder in der Gruppe der ausländischen Zivilarbeiter oder bei den KZ-Häftlingen enthalten. Eine Einzelbetrachtung der jüdischen Zwangsarbeiter ist jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, da in den erhaltenen Unterlagen zu wenige Angaben über die Religionszugehörigkeit der Zwangsarbeiter zu finden sind. Es ist zum Beispiel nur den Erinnerungsberichten ehemaliger Werksangehöriger zu entnehmen, dass unter den ausländischen Zivilarbeitern auch Juden waren.106
In diesem Kapitel wird der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter untersucht. Zunächst werden die Rechtsgrundlagen und die Organisation des Arbeitseinsatzes dargestellt. Dazu gehören beispielsweise gesetzliche Bestimmungen, Anordnungen der Betriebsleitung usw. Anschließend wird auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter eingegangen. Am Ende des Kapitels wird die Frage nach dem Profit des Unternehmens durch den Einsatz von Ausländern thematisiert.
3.1 Rechtsgrundlagen und Organisation des Arbeitseinsatzes
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Zivilarbeiter hingen im Wesentlichen von den gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Art und Weise, wie diese von den Beteiligten täglich umgesetzt wurden ab. In der Ideologie des Nationalsozialismus galt der Einzelne nur als Mitglied der völkischen Gemeinschaft. Die „Fremdvölkischen“ hatten grundsätzlich keinerlei Rechte, es sei denn, es erschien zweckmäßig oder aus außenpolitischen Erwägungen sinnvoll. Wer als Deutscher oder „Fremdvölkischer“ im Sinne des NS-Rechtes galt war nicht immer eindeutig. Ab März 1941 gab es für die Einteilung der Bewohner des Großdeutschen Reiches fünf Gruppen. Die erste und höchste Gruppe bildeten die deutschen Staatsangehörigen. Daneben gab es eine Staatsangehörigkeit auf Widerruf, die „eindeutschungsfähige“ Nichtdeutsche erhalten konnten (zweite Gruppe). Die dritte Gruppe bildeten die „Schutzangehörigen des Deutschen Reiches“. Diese waren weder Deutsche noch „eindeutschungsfähig“, mussten aber einen Treueeid gegenüber dem Deutschen Reich ablegen. Zu dieser Gruppe gehörten vor allem Polen, Slowenen, Weißrussen und Ukrainer. Zur vierten Gruppe zählten die (nichtdeutschen) Angehörigen des Reichsprotektorates Böhmen und Mähren. Erst die fünfte und letzte Stufe bildeten die Ausländer bzw. die „Fremdvölkischen“. Zu ihnen gehörten auch Juden oder Zigeuner deutscher Staatsangehörigkeit. Die letzte Gruppe der Ausländer wurde wiederum in sechs Gruppen unterteilt. Am besten gestellt waren Arbeiter aus verbündeten oder neutralen Staaten, also Italiener, Spanier, Kroaten usw. (erste Gruppe). Diesen fast gleichgestellt wurden die Ausländer der nördlichen und westlichen, aber auch einiger südlicher Regionen Europas, also Norweger, Niederländer, Belgier oder auch Griechen (zweite Gruppe). Die Arbeiter dieser beiden Gruppen erhielten - zumindest auf dem Papier - den gleichen Lohn wie ihre deutschen Kollegen. Weniger verdiente die dritte Gruppe, die Menschen aus dem baltischen Raum sowie Nichtpolen aus dem Generalgouvernement und dem Bezirk Bialystok umfasste. Stärker gekennzeichnet und abgegrenzt107 wurden die Polen (vierte Gruppe) und die russischen „Ostarbeiter“ (fünfte Gruppe).
Die sechste und letzte Gruppe bildeten Juden und Zigeuner, welche zwar formal ähnlichen Richtlinien wie Polen und Russen, praktisch jedoch schon einer Politik der gezielten Vernichtung unterworfen waren.108
Obwohl der Einsatz von Ausländern in der deutschen Wirtschaft im Prinzip unerwünscht war, gab es aufgrund des Arbeitskräftemangels keine Alternative. Daher wurde im August 1938 die Ausländerpolizeiverordnung erneuert und ein Jahr später durch die Verordnung über den Umgang mit Ausländern ergänzt. Ziel dieser Verordnungen war die Ausgrenzung der Ausländer von den deutschen Rechtsnormen. Die entscheidende rechtliche Grundlage für die Zwangsarbeit von Zivilarbeitern war die Dienstpflichtverordnung vom Juni 1938 sowie ihre Neufassung im Februar 1939. Für Polen und Ostarbeiter wurden im März 1940 und im Februar 1942 Verordnungen erlassen. Ein Beispiel für deren besondere Diskriminierung ist die Einschränkung jeglicher Rechte. Für gleiche Arbeitsleistung wie deutsche Arbeiter erhielten Polen und Ostarbeiter weniger Geld, der Kontakt zu Deutschen war verboten, ebenso die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, nächtlicher Ausgang, später sogar die Benutzung von Fahrrädern. Bei Delikten, die „staatspolizeiliche Belange“ betrafen, wurde die Zuständigkeit der Gestapo übertragen. Die nationalsozialistische Diktatur schuf immer wieder Ausnahmeregelungen für bestimmte Gruppen. Nach Beginn des Krieges wurden die ethnischen Polen aus den annektierten Gebieten und dem Generalgouvernement am stärksten diskriminiert. Der Umgang mit den ethnischen Polenstellte das Modell für die 1942 verfügten Ostarbeitererlasse dar. Im Reichsgesetzblatt wird definiert: „Ostarbeiter sind diejenigen Arbeitskräfte (…) die im Reichkommissariat Ukraine, im Generalkommissariat Weißruthenien oder in Gebieten, die östlich an diese Gebiete und an die früheren Freistaaten Lettland und Estland angrenzen, erfasst und (…) durch die deutsche Wehrmacht in das Deutsche Reich (…) gebracht und hier eingesetzt werden.“109 Zu den Ostarbeitern zählten also keine Polen, Ukrainer oder Weißrussen, die aus den annektierten Gebieten, dem Bezirk Bialystok oder dem Generalgouvernement stammten, Einwohner aus den baltischen Staaten, in den Zivilstatus überführte polnische Kriegsgefangene sowie russische Kriegsgefangene und Häftlinge. Für die arbeitsrechtlichen Regelungen war seit seiner Ernennung im März 1942 der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz Sauckel zuständig. Dieser ernannte die Gauleiter zu seinen Beauftragten, und nicht die staatlichen Organe der Arbeitseinsatzbehörde. Die „Betreuung“ der Ausländer unterstand in den Wirtschaftbereichen der Deutschen Arbeitsfront110 (DAF).
Das Arbeitsverhältnis der ausländischen Arbeitskräfte war hauptsächlich von den politischen Beziehungen des jeweiligen Heimatlandes zum Deutschen Reich abhängig. Staatsangehörige aus befreundeten oder neutralen Staaten111 kamen freiwillig zum Arbeiten und durften zum vereinbarten Termin wieder nach Hause zurückkehren. Die Arbeitsbedingungen entsprachen weitgehend denen der deutschen Kollegen. In den besetzten oder annektierten Staaten112 gaben die deutschen Militär- oder Zivilbehörden Arbeits- und Dienstpflichtverordnungen heraus, die eine Arbeitsaufnahme im Deutschen Reich beinhalten konnten. Zivile ausländische Arbeiter wurden im nationalsozialistischen Sprachgebrauch allgemein als „Dienstverpflichtete“ bezeichnet. Die Arbeitsverwaltung errichtete in den entsprechenden Rekrutierungsländern sog. „Arbeitseinsatzdienststellen“. In den befreundeten oder neutralen Staaten gehörten sie zur diplomatischen Vertretung, in besetzten Ländern waren sie Teil der Zivil- oder Militärverwaltung. In einigen Ländern, wie z.B. in Polen, errichtete das Reichsarbeitsministerium Arbeitsämter nach deutschem Vorbild. Die erste Aufgabe dieser Arbeitsämter war die Erfassung der Arbeitskräfte und deren sofortige Verschickung ins Deutsche Reich. Bereits im November 1939 arbeiteten 32.500 Polen im deutschen Ernteeinsatz. Bis Ende 1943 waren etwa 2.500 Mitarbeiter des Reichsarbeitsministeriums im Ausland eingesetzt.113
Das Rekrutierungsverfahren lief nach folgendem Muster ab: Die Arbeitsämter meldeten unbesetzte Stellen dem Landesarbeitsamt, dieses leitete den Bedarf an das Reichsarbeitsministerium weiter, welches nach Absprachen mit den Vierteljahresplanstellen und dem Rüstungsministerium die endgültigen Bedarfszahlen festlegte. Die zuständigen Stellen im Ausland mussten dann die entsprechende Anzahl von Arbeitern rekrutieren und mit der Reichsbahn nach Deutschland bringen lassen. Die Einberufung von Zivilarbeitern geschah zunächst durch freiwillige Meldungen. Durch die hohe Arbeitslosigkeit in den meisten Ländern und durch die Versprechungen der deutschen Werber bestand anfangs ein hohes Interesse am Arbeitseinsatz. Infolge der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen sowie der Nichteinhaltung von Verträgen und Verpflichtungen, gingen die freiwilligen Meldungen jedoch drastisch zurück. Daher griffen die Behörden zu Zwangsmaßnahmen, wie zum Beispiel den Entzug von Arbeitslosenunterstützung, Verhaftungen oder Razzien.114 Die ausländischen Zivilarbeiter kamen meist mit Sonderzügen ins Deutsche Reich. Zunächst gelangten sie in zentrale Auffang- oder Durchgangslager, in denen sie hygienisch untersucht und entlaust wurden. Die DAF führte 45 solcher Lager und kümmerte sich um die weitere Betreuung und Unterbringung der Ausländer. Die Unterkünfte in den Lagern wurden im Auftrag des Reichsarbeitsministeriums vom Gewerbeaufsichtsamt geprüft. Das Ministerium hatte daher die weitgehende Verantwortung in der Ausländerbeschäftigung. Anschließend verteilte die Arbeitsverwaltung die ausländischen Zivilarbeiter auf die Unternehmen. Die Arbeitsverträge wurden vom Arbeitsamt auf ein Jahr befristet. Außerdem organisierte die Behörde auch Familienheimfahrten, Urlaub und den Rücktransport. Aufgrund des Arbeitskräftemangels ging das Arbeitsamt später dazu über, die Gewährung von Urlaub sowie die Rückkehr in die besetzten oder annektierten Heimatländer auszusetzen. Vorher befristete Arbeitsverträge wurden jetzt auf unbestimmte Zeit festgelegt und ab 1941 generell durch Arbeitskarten, welche auch als polizeiliche Ausweise dienten, ersetzt. Mit der weiteren Ausweitung der Zwangsverpflichtungen führte das Reichsarbeitsministerium im Frühjahr 1943 Arbeitsbücher sowie eine Zentralkartei für alle im Deutschen Reich beschäftigten Ausländer ein. Die Arbeitskarten und -bücher der Ausländer enthielten neben den Angaben zur Person, zur Staatsangehörigkeit und zum Arbeitgeber auch ein Lichtbild.115 Die Arbeitsämter arbeiteten eng mit der Gestapo zusammen. Bei einem Antrag auf Arbeitserlaubnis mussten in jedem Einzelfall die Dienststellen der Staatspolizei eingeschaltet werden. In den Betrieben arbeitete der so genannte „Abwehrbeauftragte“ ebenfalls mit der Gestapo zusammen. Er hatte die Aufgabe, alle Beobachtungen und Feststellungen über staatsfeindliche Bestrebungen innerhalb seines Aufgabenbereiches an die Gestapostellen weiterzuleiten.116 Im Stahlwerk Gröditz war dem Abwehrbeauftragten der „Sachbearbeiter für Arbeitseinsatzfragen“ zugeordnet. Dessen Aufgabe bestand in der Organisation des Ausländereinsatzes, d.h. Rekrutierung, Unterbringung, Verpflegung usw. Ein Schreiben des Stahlwerkes Gröditz gibt Aufschluss über die Tätigkeit des Sachbearbeiters, der sich „… im Anschluss an seine für Arbeitseinsatzzwecke in Frankreich ausgeübte Tätigkeit seit einigen Wochen in Italien [aufhält], um dort Arbeitskräfte für die Mittelstahlgruppe zu werben.“117 In einer eidesstattlichen Erklärung äußert sich der Betriebsleiter der Lauchhammergruppe Wiegand zur Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte wie folgt: „Die Anforderung von Arbeitskräften erfolgte durch die einzelnen Werke der Gesellschaft nach amtlicher Vorschrift bei den zuständigen Arbeitsämtern. (…) Da auf die Dauer deutsche Arbeitskräfte weder am Standort der Werke, noch durch Dienstverpflichtungen … zu erhalten waren, erfolgten durch die Arbeitsämter Zuweisungen solcher Arbeitskräfte, die gerade zur Verfügung standen. (…) Die Anforderung der Arbeitskräfte richtete sich nach dem Produktionsprogramm, das dem Werk von Reichs wegen auferlegt wurde. Mit der Heranschaffung und dem Transport der Fremdarbeiter hatte das Werk nichts zu tun. Das Werk kümmerte sich vielmehr nur um die Inempfangnahme, die Unterbringung und die Verpflegung der Leute.“118 Laut Aussage Wiegands hat also das Stahlwerk beim Arbeitsamt keine Fremdarbeiter angefordert, sondern nur den Arbeitskräftebedarf für die (auferlegten) Produktionsprogramme gemeldet. Die Betriebe sollen sogar auf deutsche Arbeiter bestanden haben, „… weil ihre Unterbringung, Einstellung, Verpflegung und Unterweisung in die Arbeit einfacher war als bei ausländischen Arbeitern, bei denen die Vorschrift getrennter Unterbringung und teilweise auch getrennter Arbeitsplätze bestand, was eine erhebliche Erschwernis bedeutete.“
[...]
1 Spoerer, Mark: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945. München 2001.
2 Herbert, Ulrich: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer- Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches. Berlin 1985; vgl. auch die neuere Darstellung: Herbert, Ulrich: Europa und der „Reichseinsatz“. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene u. KZ-Häftlinge in Deutschland 1938 - 1945. Essen 1991.
3 Spoerer, Mark (2001)
4 Orth, Karin: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte. Hamburg 1999; Herbert, Ulrich/Orth, Karin/Dieckmann, Christoph: Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur, Band I und II. Göttingen 1998 und Winkler, Ulrike (Hrsg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeiter und Entschädigungsdebatte. Köln 2000.
5 Spoerer, Mark: Profitierten Unternehmen von KZ-Arbeit? Eine kritische Analyse der Literatur. (in: Historische Zeitschrift, Jg. 1999, Band 268, S. 61-95).
6 Lotfi, Gabriele: KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich. München 2000, vgl. dazu auch: Gellately, Robert: Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933-1945. Paderborn 1993. (aus dem engl.)
7 Streit, Christian: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945. Bonn, 4. Auflage 1997; Polian, Pavel: Deportiert nach Hause. Sowjetische Kriegsgefangene im „Dritten Reich“ und ihre Repatriierung. München 2001. (Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen- Forschung, Band 2) und Otto, Reinhard: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42. München 1998. (Schriftenreihe der Vierteljahreszeitschrift für Zeitgeschichte, Band 77)
8 Eichholtz, Dietrich: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945. Berlin 1969-1996. (Band I: 1939-1941; Band II/1 und 2: 1941-1943; Band III/1 und 2: 1943-1945) und Seeber, Eva: Zur Rolle der Monopole bei der Ausbeutung der ausländischen Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg. Berlin 1961. (in: Der deutsche Imperialismus und der Zweite Weltkrieg, Bd. 4), vgl. dazu auch: Drobisch, Klaus/Eichholtz, Dietrich: Die Zwangsarbeit ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges. (in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (1970), Heft 18, S. 626-639) und Drobisch, Klaus: Die Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte im Flick-Konzern während des Zweiten Weltkrieges. Diss., Leipzig 1964.
9 Pfahlmann, Hans: Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945. Darmstadt 1968. (Beiträge zur Wehrforschung, Band 16/17)
10 Mommsen, Hans/Grieger, Manfred: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich. Düsseldorf 1996 und Hopmann, Barbara/Spoerer, Mark/Weitz, Birgit/Brüninghaus, Beate: Zwangsarbeit bei Daimler-Benz. Stuttgart 1994. (Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 78)
11 Thieleke, Karl-Heinz: Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses, mit einer Studie über die „Arisierung“ des Flick-Konzerns. Berlin 1965.
12 Ogger, Günter: Friedrich Flick der Grosse. Der geheimnisvollste der deutschen Superreichen, aufgespürt hinter der Mauer des Schweigens. München, 3. Auflage 1971.
13 Osterloh, Jörg: Ein ganz normales Lager. Das Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager 304 (IV H) Zeithain bei Riesa/Sa. 1941 bis 1945. Leipzig, 2. Auflage 1997. (Schriftenreihe der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft, Band 2) und Osterloh, Jörg: Sowjetische Kriegsgefangene 1941-1945 im Spiegel nationaler und internationaler Untersuchungen. Forschungsüberblick und Bibliographie. Dresden 1995. (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Berichte und Studien, Nr. 3)
14 Ernst, Detlef: NS-Lager in Finsterwalde und Orte in der Region Südbrandenburg 1939-1945. Herzberg 2001.
15 Dörr, Hubert: Zum Vorgehen der faschistischen Betriebsführung des ehemaligen Lauchhammerwerkes Gröditz im Flick-Konzern gegenüber den Arbeitern und anderen Werktätigen sowie zwangsverschleppten ausländischen Arbeitskräften, Kriegsgefangenen und KZ- Häftlingen während des zweiten Weltkrieges. Diss., Dresden 1978.
16 Drobisch, Klaus (1964) und Eichholtz, Dietrich (1969-1996).
17 Reininghaus, Wilfried/Reimann, Norbert (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945: Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien. Bielefeld 2001. Speziell für den sächsischen Raum bietet Ulrich Heß eine Auswertung der Literatur zur Thematik Zwangsarbeit. (Heß, Ulrich: Quellen zum Schicksal der Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter und der ausländischen Zivilarbeiter im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig 1939-1945, in: Nolte, Hans-Heinrich (Hrsg.): Der Mensch gegen den Menschen. Überlegungen und Forschungen zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941. Hannover 1992, S. 137-146).
18 Sächsisches Staatsarchiv Leipzig: Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939-1945. Beiträge eines Kolloquiums in Chemnitz am 16. April 2002 und Begleitband einer Gemeinschaftsausstellung der Sächsischen Staatsarchive. Halle 2002. (Veröffentlichungen der Sächsischen Archivverwaltung: Reihe A, Archivverzeichnisse, Editionen und Fachbeiträge, Band 2)
19 Institut für Zeitgeschichte München, NI, Bd. 2, 3, 8, 23, 40 und 54.
20 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 11377, Landesbehörde der Deutschen Volkspolizei Sachsen, Bestand 4, Bd. 761 und 762.
21 Vgl. Anlage 7.3.10, Herkunft der ausländischen Arbeiter.
22 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 13175, Landesarbeitsamt Sachsen.
23 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 11616, Fa. Mitteldeutsche Stahlwerke GmbH Riesa.
24 Alle von der Gedenkstätte Flossenbürg zur Verfügung gestellten Dokumente besitzen keine Signatur. Beim zitieren wird daher nur der Typ und das Datum des jeweiligen Dokuments angegeben. (Bsp.: KZGedenkstätte Flossenbürg: Rücküberstellungen, 27.12.1944)
25 Archiv der Stadt Gröditz: Standesamt, Personenstandbücher, Sterbebücher 1939-45.
26 Vgl. Anlage 7.3.1, Karten der Region um Gröditz.
27 Betriebsarchiv des Stahlwerkes Gröditz (im folgenden BA Gröditz), Nr. 51, S. 25f.
28 Das genaue Datum der Übernahme ist unbekannt. Aus einem Dokument des BA Gröditz geht hervor, dass das Unternehmen im April 1923 schon „Linke-Hoffmann-Lauchhammer AG“ hieß. (BA Gröditz, Nr. 1048, Lehrvertrag vom 20.04.1923)
29 Ogger, Günter (1971), S. 75-84.
30 Dörr, Hubert (1978), S. 19.
31 BA Gröditz, Bericht vom 15.03.1935; weitere Berichte über die Rüstungsproduktion vom 28.08.1935 und 19.11.1935; Mit „S- Fabrikation“, d.h. „Sonder-Fabrikation“, wurde die Kriegsfertigung bezeichnet
32 Ebd.
33 Vgl. Anlage 7.3.2, Werksgelände Stahlwerk Gröditz.
34 Vgl. Anlage 7.3.1, Karten der Region um Gröditz.
35 Ogger, Günter (1971): S. 85-99.
36 Eidesstattliche Erklärung Flicks vom 29.11.1946, zitiert nach Ogger, Günter (1971): S. 129.
37 Ogger, Günter (1971): S. 145.
38 Schreiben von Friedrich Flick an Hjalmar Schacht, zitiert nach: Ogger, Günter (1971): S. 146.
39 Besprechung zwischen Flick und Blomberg vom 5.12.1933, zitiert nach Ogger, Günter (1971): S. 147.
40 Besprechung mit dem Reichswehrministers vom 09.09.1933; Dokument C 32, Fall V, Nürnberger Kriegsverbrechertribunal. Zitiert nach Thieleke, Karl-Heinz (1965): S. 108.
41 Ogger, Günter (1971): S. 148.
42 BA Gröditz, Nr. 51; Vgl. auch Anlage 7.3.2, Werksgelände Stahlwerk Gröditz.
43 Aktennotiz Flicks vom März 1934, zitiert nach Ogger, Günter (1971): S. 148.
44 Institut für Zeitgeschichte München, Dok. NI-10056, Bd. 48, S. 218.
45 Institut für Zeitgeschichte München, Eidesstattliche Erklärung Wiegands, Dok. 778, Bd. 54, S. 490.
46 Die Zylinderbearbeitungswerkstätten dienten der Herstellung von Granaten, die Geschützproduktion wurde mit „Maschinenbau“ bezeichnet.
47 Terberger war von 1927 bis 1936 Prokurist der Mitteldeutschen Stahlwerke AG und ab 1940/41 Wehrwirtschaftsführer. (Vgl.: Thieleke, Karl-Heinz (1965): S. 470, Anm. 11)
48 Institut für Zeitgeschichte München, Dok. NI-10057, Bd. 48, S. 217.
49 Schreiben vom 13.08.1937 (zitiert nach: Ogger, Günter (1971): S. 149).
50 Vgl. Anlage 7.3.3, Kriegsproduktion des Stahlwerkes Gröditz (SächsHStA, 11616, Fa. Mitteldeutsche Stahlwerke GmbH, 15.12).
51 BA Gröditz, Verschiedene Korrespondenz mit anderen Konzernen, Nr. 24.
52 Vgl. Anlage 7.3.2, Werksgelände Stahlwerk Gröditz.
53 Vgl. Anlage 7.3.2, Werksgelände Stahlwerk Gröditz.
54 BA Gröditz, Nr. 3209, Allgemeine Verwaltung, Schreiben an Dir. Hampel vom 02.04.1937.
55 BA Gröditz, Nr. 4060-4077, Bilanzen 1927-1945. (Vgl. auch Anlage 7.3.4, Umsatz, Gewinn, Gewinn pro Beschäftigter)
56 Dörr, Hubert (1978): S. 285.
57 Vgl. Anlage 7.3.4, Umsatz, Gewinn, Gewinn pro Beschäftigtem.
58 Ebd.
59 Die Zahlen beziehen sich auf die Produktion von Kokillen, des Weiteren wurde Temperguß hergestellt, allerdings in geringerem Ausmaß.
60 Dörr, Hubert (1978): S. 286.
61 Vgl. Dörr, Hubert (1978): Anlage 2.
62 Vgl. Anlage 7.3.1, Karten der Region um Gröditz.
63 BA Gröditz, Nr. 1059, Personalakten Brambusch, Klamp, Weiser.
64 Herbert, Ulrich: Arbeiterschaft im „Dritten Reich“. Zwischenbilanz und offene Fragen. (in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft. Jg. 15, Heft 3, S. 329)
65 BA Gröditz, Nr. 1059, Personalakte Brambusch.
66 Ebd.
67 BA Gröditz, Nr. 1059, Personalakte Stolz.
68 BA Gröditz, Nr. 1059, Personalakte Klaar.
69 Ebd.
70 BA Gröditz, Nr. 48, S. 68.
71 In den Bilanzen erfolgte eine getrennte Aufführung ausländischer Arbeiter erst im Dezember 1942. Bis dahin werden Deutsche und Ausländer gemeinsam als „Beschäftigte“ geführt. Für Kriegsgefangene bzw. KZ-Häftlinge galt das nicht. Diese sind erstmals im Oktober 1940 bzw. im Oktober 1944 getrennt von der Belegschaft in den Bilanzen aufgeführt.
72 Vgl. Anlage 7.3.5, Beschäftigtenzahlen, ausl. Zivilarbeiter, Kriegsgefangene, KZ- Häftlinge.
73 Vgl. Anlage 7.3.6, Löhne und Gehälter, Arbeitszeit.
74 Zahlenangaben z.B. in Herbert, Ulrich (1985): S. 208f.
75 Die Zahlenangaben der Bilanzen können hier nur vorsichtig interpretiert werden. Im
Betrachtungszeitraum wurden zum Beispiel verschiedene Vorlagen benutzt oder unterschiedliche Bezeichnungen für Ausländer gebraucht. Die Ostarbeiter sind zum Beispiel erst ab Dezember 1942 extra aufgeführt, vorher waren sie in der Zahl der Gesamtbelegschaft enthalten. Andere ausländische Arbeiter wie z.B. Franzosen, Italiener oder Holländer zählen immer als „Gefolgschaftsmitglieder“.
76 BA Gröditz, Nr. 4060-4077, Bilanzen 1927-1945.
77 BA Gröditz, Nr. 3209, Allgemeine Verwaltung, Tätigkeitsbericht Dr. Kayser an die Werksdirektion vom 16.10.1940, S. 3.
78 BA Gröditz, Erinnerungsberichte Dämmig, Schieferdecker, Förster.
79 BA Gröditz, Nr. 18, S. 81 (zitiert nach: Dörr, Hubert (1978), S. 41).
80 BA Gröditz, Nr. 1059, Personalakten.
81 BA Gröditz, Erinnerungsbericht Reichelt. Vgl. auch die Erinnerungsberichte Schieferdecker, Dämmig, Förster.
82 Vgl. Anlage 7.3.5, Beschäftigtenzahlen, ausl. Zivilarbeiter, Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge. Aus den Bilanzen geht hervor, dass im Mai 1940 etwa 6.000 Personen im Stahlwerk beschäftigt waren. In einem Schreiben der Direktion an die kassenärztliche Vereinigung vom August 1940 werden 8.546 Beschäftigte und 848 Kriegsgefangene aufgeführt, was den Angaben aus den Bilanzen widerspricht. Da die Beschäftigtenzahlen aus den Bilanzen des Stahlwerkes Gröditz mit Angaben des Arbeitsamtes Riesa übereinstimmen (vgl. SächsHStA, Nr. 11616, 15.12, Beschäftigtenmeldungen 1944), werden im Folgenden diese Zahlen verwendet.
83 BA Gröditz, Nr. 3209, Allgemeine Verwaltung, Tätigkeitsbericht Dr. Kayser an die Werksdirektion vom 16.10.1940.
84 Ebd.
85 Vgl. dazu auch die Kapitel 3.4.5, 4.3.4 und 5.3.4.
86 BA Gröditz, Nr. 3209, Allgemeine Verwaltung, Tätigkeitsbericht Dr. Kayser an die Werksdirektion vom 16.10.1940, S. 3.
87 Ebd., S. 5.
88 Ebd.
89 Ebd.
90 BA Gröditz, Nr. 1044, Schreiben der Werksleitung an das Kommando des Rüstungsbereiches Dresden vom 27.04.1940.
91 BA Gröditz, Erinnerungsbericht Hippel.
92 Den Status „u.k.“, d.h. für den Betrieb unabkömmlich, konnten Facharbeiter und andere wichtige Arbeitnehmer bekommen.
93 BA Gröditz, Erinnerungsberichte Werner, Schieferdecker.
94 Institut für Zeitgeschichte München, Dok. NI 2883, Richtlinien für die sicherheitspolizeiliche Tätigkeit der Abwehrbeauftragten.
95 BA Gröditz, Nr. 58, Bericht des Werksdirektors an die staatliche Archivverwaltung 1965.
96 Diese wurde – wie in der Einleitung beschrieben – zusammen mit anderen belastenden Unterlagen kurz vor Kriegsende vernichtet.
97 BA Gröditz, Erinnerungsberichte Werner, Schieferdecker.
98 Herbert, Ulrich: Der „Ausländereinsatz“. Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in Deutschland 1939-1945 – ein Überblick. (in: Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik (1986), Heft 3, S. 13-54.), S. 13.
99 Drobisch, Klaus/ Eichholtz, Dietrich: Die Zwangsarbeit ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges. (in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (1970), Heft 18, S. 626- 639), S. 10.
100 Herbert, Ulrich (1985): S. 348.
101 Vgl. u.a.: Drobisch, Klaus/Eichholtz, Dietrich (1970): S. 4, Dörr, Hubert (1978): S. 60-65
102 Dörr, Hubert (1978): S. 62.
103 Hopmann, Barbara/Spoerer, Mark/Weitz, Birgit/Brüninghaus, Beate (1994): S.38.
104 Spoerer, Mark (2001): S. 16f.
105 Herbert, Ulrich: Zwangsarbeit im „Dritten Reich“, S. 19 (in: Reininghaus, Wilfried/Reimann, Norbert (Hrsg.): Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945: Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien. Bielefeld 2001, S. 16-37)
106 BA Gröditz, Erinnerungsbericht Förster.
107 Vgl. Kapitel 3.4.3: Kennzeichnung und Bewachung.
108 Spoerer, Mark (2001): S. 91f.
109 Reichsgesetzblatt, 1942, I. 419 (SächsHStA, Nr. 11377, Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern, S. 417ff).
110 Die DAF war eine zwangsweise Dachvereinigung für alle Unternehmer und Arbeiter. Sie hatte auf Produktion, Löhne und Preise kaum Einfluss, jedoch ein Mitspracherecht bei sozialen Fragen.
111 Zum Beispiel: Bulgarien, Kroatien, Slowakei, Spanien, Ungarn.
112 Zum Beispiel: Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Protektorat Böhmen und Mähren, Niederlande, Norwegen, Polen, Russland, Serbien.
113 Maier, Dieter: Arbeitsverwaltung und NS- Zwangsarbeit, S. 73 (in: Winkler, Ulrike (Hrsg.): Stiften gehen. NS- Zwangsarbeiter und Entschädigungsdebatte. Köln 2000, S. 65-84).
114 Ebd., S. 74.
115 Vgl. Anlage 7.3.19, Arbeitskarte eines Zwangsarbeiters (SächsHStA Dresden, 11616, Fa. Mitteldeutsche Stahlwerke GmbH Riesa, Nr. 22.04, S. 45).
116 Institut für Zeitgeschichte München, Dok. NI 2883, Richtlinien für die sicherheitspolizeiliche Tätigkeit der Abwehrbeauftragten.
117 BA Gröditz, Nr. 1051, Personalakte Klaar.
118 Institut für Zeitgeschichte München, Dok. 778, Bd. 54, Eidesstattliche Erklärung Wiegands im Folgeprozess 5 des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses.
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.