Im Rahmen dieser Arbeit stehen daher die Arbeitsmarkteffekte der Güter-, Kapital- und Arbeitsmarktintegration insbesondere für inländische Geringqualifizierte im Zentrum des Interesses. Kapitel 2 beginnt mit einer kurzen Beschreibung der Ereignisse im Vorfeld der Erweiterung und entwirft anhand ausgewählter makroökonomischer Indikatoren ein erstes Bild der neuen Mitgliedsländer. Im Anschluss daran beschäftigt sich Kapitel 3 zunächst mit der Gruppe der einheimischen Geringqualifizierten und schafft sodann mit der Analyse einiger Arbeitsmarktinstitutionen eine wichtige Grundlage für die nachfolgende Untersuchung. Vor diesem Hintergrund erfragt Kapitel 4 zuerst ausführlich die Arbeitsmarkteffekte der Güter- und Kapitalmarktintegration für Geringqualifizierte, um im weiteren Verlauf des Kapitels den Fokus der Betrachtung in analoger Form auf die Effekte der potentiellen Ost-West-Migration zu richten. Kapitel 5 zeigt danach kurz Ansätze für die hiesige Wirtschaftspolitik zur Chancenverbesserung Geringqualifizierter auf, bevor Kapitel 6 die Untersuchung mit einigen Schlussbemerkungen abschließt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Beitrittsstaaten: Zwischen Mauerfall und EU-Beitritt
2.1 Der Weg zur EU-Osterweiterung – die „Rückkehr nach Europa“
2.2 Die neuen EU-Staaten – ein kompakter ökonomischer Überblick
3 Geringqualifizierte und der deutsche Arbeitsmarkt
3.1 Die (Problem-)Gruppe der Geringqualifizierten
3.1.1 Die formale Qualifikation als Abgrenzungskriterium
3.1.2 Arbeitsangebot, Arbeitsnachfrage und Beschäftigungssituation
3.2 Arbeitsmarktinstitutionen in Deutschland
3.2.1 Das deutsche Lohnverhandlungssystem
3.2.2 Anspruchslohn und Arbeitslosengeld II
3.3 Zusammenfassung
4 Arbeitsmarkteffekte der Binnenmarktintegration
4.1 Effekte der Güter- und Kapitalmarktintegration
4.1.1 Theoretische Grundlagen
4.1.2 Entwicklung und Effekte der Gütermarktintegration
4.1.2.1 Außenhandelsentwicklung im Vorfeld des Beitritts
4.1.2.2 Zukünftige Entwicklung des Handels
4.1.2.3 Arbeitsmarkteffekte des Güterhandels
4.1.3 Entwicklung und Effekte der Kapitalmarktintegration
4.1.3.1 Direktinvestitionsentwicklung im Vorfeld des Beitritts
4.1.3.2 Deutsche Direktinvestitionen nach dem EU-Beitritt
4.1.3.3 Arbeitsmarkteffekte der Kapitalmarktintegration
4.2 Migration nach Deutschland – Chance oder Bedrohung?
4.2.1 Theorie: Ursachen und Wirkungen von Migration
4.2.1.1 Theoretische Erklärungsansätze zur Migration
4.2.1.2 Theoretische Effekte der Migration
4.2.2 Bisherige Immigrationserfahrungen
4.2.3 Empirische Schätzung des Ost-West-Migrationspotentials
4.2.3.1 Schätzungen mittels ökonometrischer Verfahren
4.2.3.2 Ergebnisse persönlicher Befragungen
4.2.4 Arbeitsmarkteffekte der Zuwanderung
4.2.4.1 Wirkungen auf die Einkommenssituation
4.2.4.2 Wirkungen auf die Beschäftigungssituation
4.2.4.3 Negative Effekte der Freizügigkeitsbeschränkung
4.3 Sonderrolle Ostdeutschland?
4.4 Zusammenfassung und Zwischenfazit
5 Wirtschaftspolitische Handlungsmöglichkeiten
6 Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kopenhagener Kriterien
Abbildung 2: Reales Pro-Kopf-Einkommen der Beitrittsländer in KKP
Abbildung 3: Standardisierte Arbeitslosenquoten der Beitrittsländer
Abbildung 4: Erwerbspersonenanteil verschiedener Qualifikationen in 2004
Abbildung 5: Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquote in Deutschland
Abbildung 6: Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquote in West- und Ostdeutschland
Abbildung 7: Flächentarifbindung deutscher Beschäftigter in West- und Ostdeutschland
Abbildung 8: Einflusskanäle der Binnenmarktintegration für Arbeitsmarkteffekte
Abbildung 9: Handelsanteil der Beitrittsstaaten am Außenhandel Deutschlands
Abbildung 10: Handelsstruktur zwischen Deutschland und den MOEL
Abbildung 11: Deutsche Direktinvestitionen in den MOEL
Abbildung 12: Arbeitsmarkteffekte der Migration
Abbildung 13: Arbeitsmarkteffekte der Binnenmarktintegration
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gesamtwirtschaftliche Indikatoren der neuen EU-Mitglieder / Stand 2004
Tabelle 2: RCA-Index der MOEL im Jahre 2002
Tabelle 3: Gesamtwirtschaftliche Lohnstückkosten der MOEL in EURO
Tabelle 4: Prognostizierte Migration aus den MOEL nach Deutschland bis 2030
Tabelle 5: Migration aus den MOEL nach Deutschland bei versch. Freizügigkeit
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Am 01. Mai 2004 vollzog die Europäische Union ihre vierte und bisher größte Erweiterung. Der bis dahin aus 15 Staaten bestehenden Gemeinschaft traten mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn sowie Malta und Zypern (griechischer Teil) insgesamt 10 neue Länder bei und vergrößerten die Union auf nunmehr 25 Mitglieder. Knapp 50 Jahre nach ihrer Gründung und ca. 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist die jahrzehntelange Spaltung Europas damit endgültig überwunden. Die politische und ökonomische Integration der ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaften soll den Wohlstand aller Staaten weiter erhöhen und insbesondere den neuen Mitgliedern eine rasche Annäherung an das westliche Einkommensniveau ermöglichen.[1]
Trotz optimistisch stimmender Versprechen stößt die Erweiterung im angrenzenden Deutschland nach wie vor auf große Skepsis. Mit über 80% sehen insbesondere Personen mit geringer Qualifikation den Beitritt äußerst kritisch.[2] Die Politik nahm sich dieser Bedenken an. In zähen Verhandlungen konnte Deutschland bereits im Vorfeld des Beitritts die vorläufige Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durchsetzen. Somit droht wohl erst 2011 die Gefahr einer massiven Verdrängung hiesiger Arbeitnehmer durch zugewanderte „Billiglöhner“. Doch wie real ist diese Gefahr der Massenimmigration wirklich?
Ein Blick auf den Einkommensunterschied zwischen den alten und neuen EU-Ländern offenbart in der Tat beträchtliche Differenzen: Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen (PKE, in Kaufkraftparitäten) der neuen Mitglieder erreichte vor dem Beitritt nur knapp 50% des bisherigen EU-15-Durchschnitts.[3] Polen kommt als direkter Nachbar Deutschlands gar nur auf rund 40%.[4] Die Befürchtungen, durch eine Einwanderungswelle aus dem Osten in die Arbeitslosigkeit verdrängt zu werden, erscheinen demnach durchaus plausibel.
Ähnlich beunruhigend wirken die Ankündigungen hiesiger Großunternehmen. Diese wollen künftig verstärkt die günstigeren Produktionsbedingungen Mittel- und Osteuropas nutzen. Das enorme Potential billiger Arbeitskräfte verstärkt unter hiesigen Geringqualifizierten die Sorge vor zunehmenden Vorleistungs-importen und steigenden Produktionsverlagerungen. Trotz des bereits intensiven Güter- und Kapitalverkehrs im Vorfeld der Erweiterung wird mit dem Beitritt eine weitere Verschlechterung ihrer Arbeitsmarktchancen erwartet. Wiederum stellt sich die Frage nach den tatsächlichen Arbeitsmarkteffekten der Güter- und Kapitalmarktintegration.
Im Rahmen dieser Arbeit stehen daher die Arbeitsmarkteffekte der Güter-, Kapital- und Arbeitsmarktintegration insbesondere für inländische Geringqualifizierte im Zentrum des Interesses. Kapitel 2 beginnt mit einer kurzen Beschreibung der Ereignisse im Vorfeld der Erweiterung und entwirft anhand ausgewählter makroökonomischer Indikatoren ein erstes Bild der neuen Mitgliedsländer. Im Anschluss daran beschäftigt sich Kapitel 3 zunächst mit der Gruppe der einheimischen Geringqualifizierten und schafft sodann mit der Analyse einiger Arbeitsmarktinstitutionen eine wichtige Grundlage für die nachfolgende Untersuchung. Vor diesem Hintergrund erfragt Kapitel 4 zuerst ausführlich die Arbeitsmarkteffekte der Güter- und Kapitalmarktintegration für Geringqualifizierte, um im weiteren Verlauf des Kapitels den Fokus der Betrachtung in analoger Form auf die Effekte der potentiellen Ost-West-Migration zu richten. Kapitel 5 zeigt danach kurz Ansätze für die hiesige Wirtschaftspolitik zur Chancenverbesserung Geringqualifizierter auf, bevor Kapitel 6 die Untersuchung mit einigen Schlussbemerkungen abschließt.
2 Die Beitrittsstaaten: Zwischen Mauerfall und EU-Beitritt
2.1 Der Weg zur EU-Osterweiterung – die „Rückkehr nach Europa“
Mit dem Ende des Kalten Krieges verloren die Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes ihren ideellen, politischen und ökonomischen Bezugspunkt. Der untergehende Sozialismus hinterließ eine Bevölkerung, die in weiten Teilen des russischen Einflusses überdrüssig und die zugleich vom westlichen Lebensstandard fasziniert war.[5] Als Folge dessen war die politische und ökonomische Orientierungslosigkeit nur von sehr kurzer Dauer. Die für lange Zeit planwirtschaftlich organisierten Staaten leiteten mit Beginn der 1990er Jahre umfassende Transformationsprozesse ein, die den Weg in dezentrale marktwirtschaftliche Volkswirtschaften bereiten sollten. Auch auf Seiten der EU war schnell klar, dass Frieden und Sicherheit in Europa maßgeblich vom Erfolg der eingeleiteten Reformprozesse der mittel- und osteuropäischen Staaten abhängen.[6] Nach der unmittelbaren Gewährung von Finanzhilfen schon 1989/1990 und der Aufnahme der MOEL in das allgemeine Präferenzzollsystem der EU bildeten die so genannten Europaabkommen einen wesentlichen Schritt in der Annährung zwischen Ost und West.[7] Jene bilateral ausgehandelten und bereits ab 1991 geschlossenen Assoziierungsverträge strebten die Schaffung einer Freihandelszone an und verpflichteten die MOEL darüber hinaus zur Fortsetzung der marktorientierten Reformen und der Demokratisierung.[8] Kennzeichnendes Merkmal der Europaabkommen war der asymmetrische Abbau der Handelsschranken zu Gunsten der MOEL. Während die Europäische Union spätestens im dritten Jahr nach Abschluss des Assoziierungsabkommens ihre Handelshemmnisse abgebaut haben musste, hatten die MOEL bis zu sieben Jahre Zeit. Diese einseitige Marktöffnung für industrielle Güter sollte den ökonomischen Transformations- und Konvergenzprozess weiter vorantreiben.[9] Tatsächlich bestanden so seitens der EU ab 1997 kaum noch Handelsschranken; die MOEL liberalisierten den industriellen Güterverkehr bis 2002.[10]
Auf seinem Gipfeltreffen in Kopenhagen im Juni 1993 öffnete der Europäische Rat erstmalig die Tür für einen Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder in die EU.[11] Zu den Europaabkommen, die nunmehr zur grundlegenden Voraussetzung für eine weitere Annährung wurden, entwickelte der Rat im Rahmen des Gipfels weitere politische und ökonomische Kriterien, die es seitens der beitrittswilligen Staaten als Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu erfüllen galt.[12] Diese so genannten Kopenhagener Kriterien dienten fortan als Prüfsteine für die Evaluierung des Transformationsprozesses und prägten somit die weitere Entwicklung jener Staaten maßgeblich. Abbildung 1 fasst die wesentlichen Inhalte der Kriterien kurz zusammen.[13]
Abb. 1: Kopenhagener Kriterien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Europäischer Rat (1993) sowie SVR (2000).
Auf der Grundlage der Kopenhagener Beschlüsse beantragten die mittel- und osteuropäischen Länder in den nachfolgenden Jahren ihren Beitritt. Im Rahmen ihrer Heranführungsstrategie legte die EU-Kommission ab 1997 jährliche Berichte vor, in denen auf Basis der definierten Kriterien der jeweilige Entwicklungsfortschritt der Beitrittskandidaten beurteilt wurde. Nachdem die Osterweiterung wegen teilweise mangelnder Erfüllung jener Kriterien zunächst in zwei Wellen stattfinden sollte (zuerst die sog. Luxemburg-Gruppe gefolgt von der Helsinki-Gruppe), konnten auf Grund des erfreulich raschen Reformprozesses der meisten Beitrittsländer auf dem Gipfeltreffen in Athen am 16. April 2003 zehn Länder den Beitrittsvertrag unterzeichnen.[14] Dank der erfolgreichen Ratifizierung durch die einzelnen Unterzeichnerstaaten traten schließlich am 01. Mai 2004 acht mittel- und osteuropäische Staaten sowie Malta und Zypern der Europäischen Union bei.[15] Lediglich der Beitritt von Rumänien und Bulgarien ist auf Grund nicht zufrieden stellender Umsetzung einzelner Kriterien frühestens für 2007 vorgesehen.
2.2 Die neuen EU-Staaten – ein kompakter ökonomischer Überblick
Obwohl der Beitritt zehn neuer Mitgliedsstaaten die Größenordnungen bisheriger Erweiterungen deutlich übertrifft, ist ihre ökonomische Bedeutung vergleichsweise gering. Zwar nimmt mit der Erweiterung die EU-Bevölkerung um etwa 74 Mio. Personen und damit um rund 25% zu und auch der Flächenzuwachs von rund 20 % ist beachtlich.[16] Mit rund 5% fällt die Zunahme des EU-Bruttoinlandsprodukts indessen recht niedrig aus und weckt somit erste Erwartungen hinsichtlich möglicher Arbeitsmarktauswirkungen.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Einleitung marktwirtschaftlicher Reformen begann für die MOEL ein zunächst schmerzlicher Transformationsprozess. Zahlreiche Unternehmen verloren auf Grund mangelnder Produktivität ihre Existenz, die verborgene Arbeitslosigkeit der offiziellen Vollbeschäftigung trat in enormem Ausmaß offen zu Tage.[17] Die Folgen wogen schwer: In einzelnen Staaten sank das Pro-Kopf-Einkommen (in Kaufkraftparitäten) um bis zu 50% (vgl. Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach schwierigen Jahren der Anpassung stabilisierte sich jedoch die gesamtwirtschaftliche Lage im Verlauf der 1990er Jahre. Das Pro-Kopf-Einkommen begann zu steigen und auch die Arbeitslosenquote (ALQ) nahm spürbar ab (vgl. Abbildung 3). Unterschiedliche Fortschritte bei wirtschaftspolitischen Reformmaßnahmen führten jedoch zu einem heute vergleichsweise heterogenen Bild. Während sich Slowenien beim PKE und bei der Beschäftigungsentwicklung nahezu durchgehend ausgesprochen erfolgreich zeigte und inzwischen rund 70% des deutschen PKE-Niveaus erreicht, verzeichnen nicht nur Polen und die Slowakei seit 1998 erneut steigende Arbeitslosigkeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach wie vor bestimmen Korruption und die teils nur mangelhaft durchsetzbaren Eigentumsrechte überdurchschnittlich das wirtschaftliche Geschehen.[18] Infolgedessen weist das Gesamtbild der neuen Mitglieder in Tabelle 1 deutliche Unterschiede im ökonomischen Erfolg einzelner Länder auf. Gegenteilig verhält es sich hingegen beim durchschnittlichen Bildungsniveau der Bevölkerung: In nahezu allen Staaten wird, gemessen am Anteil der Personen mit Sekundar-II-Abschluss, das mittlere EU-15-Niveau erreicht.[19] Nicht selten wird es sogar übertroffen. Ein erster Hinweis für die Struktur potentieller Migration?
Tab. 1: Gesamtwirtschaftliche Indikatoren der neuen EU-Mitglieder / Stand 2004
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: UNECE (2005) sowie Hönekopp (2004).
3 Geringqualifizierte und der deutsche Arbeitsmarkt
Um die Wirkungen der europäischen Arbeits-, Güter- und Kapitalmarktintegration auf die Arbeitsmarktchancen der Geringqualifizierten in Deutschland herleiten zu können, ist eine vorherige eindeutige Abgrenzung dieser Bevölkerungs- bzw. Beschäftigungsgruppe unumgänglich (Abschnitt 3.1). Darüber hinaus wird die weitere Analyse zeigen, dass die Ausgestaltungen einiger Arbeitsmarktinstitutionen einen maßgeblichen Einfluss auf die Einkommens- und Beschäftigungseffekte der Integration haben, so dass auch sie einer vorherigen Analyse bedürfen (Abschnitt 3.2). Beidem wird nachfolgend entsprochen.
3.1 Die (Problem-)Gruppe der Geringqualifizierten
3.1.1 Die formale Qualifikation als Abgrenzungskriterium
Die Abgrenzung der Gruppe der Geringqualifizierten erfolgt nicht immer ganz einheitlich. So definiert beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) Personen ohne Schulabschluss bzw. Personen mit Haupt- oder Realschulabschluss aber ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung als gering qualifiziert.[20] Demgegenüber wird insbesondere in der englischsprachigen Literatur häufig lediglich zwischen Arbeitern (blue collar) und Angestellten (white collar) unterschieden, ohne im Einzelnen auf die formale Qualifikation einzugehen.[21] Eine genaue Differenzierung aller Erwerbspersonen nach ihrer aktuellen formalen Qualifikation ist für eine Analyse ihrer jeweiligen Einkommens- und Beschäftigungssituation indes sehr hilfreich.[22] Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass auch eine solche Differenzierung nur eine Unterscheidung auf sehr kleinem Nenner darstellt. Zweifellos steigern neben der Berufsausbildung einschlägige Berufserfahrung, Weiterbildungen und sonstige Schlüsselqualifikationen (soft skills) den individuellen Wert des Humankapitals.[23] Da die Messung jener Werte jedoch sehr aufwändig ist und entsprechende Daten nur vereinzelt vorliegen, werden im Folgenden Personen ohne oder mit Schulabschluss, jedoch ohne formale Qualifikation als Geringqualifizierte bezeichnet.
Die so definierte Gruppe machte mit einer Größenordnung von rund 6 Mio. Personen im Jahr 2004 etwa 16% aller registrierten Erwerbspersonen aus (vgl. Abbildung 4).[24] Entgegen den Erwartungen ist sie jedoch keinesfalls homogen. So hatten im Jahr 2001 lediglich 6% der Geringqualifizierten keinen Schulabschluss. Weit über 60% besaßen einen Volks-/Hauptschulabschluss, ca. 15% erreichten die Mittlere Reife und immerhin rund 12,5% verfügten über die (Fach-)Hochschulreife.[25] Chancenverbessernde Weiterbildungsmaßnahmen scheitern folglich nicht per se an der begrenzten Lernfähigkeit dieser Gruppe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine fehlende Berufsausbildung an sich führt jedoch bei entsprechender Arbeitsnachfrage nicht zwangsläufig in die Arbeitslosigkeit. Die folgende Untersuchung zur Beschäftigungssituation Geringqualifizierter zeigt gleichwohl, dass diese Gruppe zu Recht als „Problemgruppe“ bezeichnet wird.
3.1.2 Arbeitsangebot, Arbeitsnachfrage und Beschäftigungssituation
Die Zahl aller Erwerbspersonen in Deutschland hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1980er Jahre hinein nahezu stetig zugenommen.[26] Abgesehen von dem einmaligen Niveaueffekt der Wiedervereinigung wuchs sie in den 1990er Jahren jedoch nur noch langsam und pendelte zuletzt um ca. 42 Mio. Die Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen hat sich dabei im Zeitverlauf allerdings deutlich verändert. Der Anteil der Hoch- und Fachhochschulabsolventen nahm ebenso wie der Anteil derer mit abgeschlossener Berufsausbildung (Lehre) von ca. 8% (62,5%) im Jahr 1978 auf ca. 16,5% (68,7%) im Jahr 2001 spürbar zu.[27] Demgegenüber sank das Arbeitsangebot der Nicht-Formal-Qualifizierten von ca. 29% (1978) auf gut 14% (2001). Verantwortlich für diese Entwicklung zeigt sich in besonderem Maße die Bildungsexpansion der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre, so dass die Gruppe der heute 35-50-Jährigen zu den formal am besten Qualifizierten zählt.[28]
Eine alleinige Konzentration auf die registrierten Erwerbspersonen greift indes zu kurz, um belastbare Aussagen zum Arbeitsangebot Geringqualifizierter machen zu können. Vernachlässigt würden so zum einen jene Geringqualifizierten, die zwar eigentlich erwerbslos, zurzeit aber in bestimmten Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik involviert sind und somit weder als erwerbslos noch als erwerbstätig eingestuft werden.[29] Neben diesem Teil der so genannten „Stillen Reserve“ finden auch die gering qualifizierten, aber erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger keine Berücksichtigung.[30] Letzteres wurde mit Inkrafttreten des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) zum 01. Januar 2005 geändert. Infolgedessen nahm die Zahl der registrierten Arbeitslosen im Jahresmittel um gut 300.000 Personen zu.[31] Das Angebot an Geringqualifizierten wird demnach durch die nicht regulär Registrierten zusätzlich erhöht. Deren individuelles Arbeitsangebot hängt jedoch entscheidend von den Transfereinkommen sowie etwaigen Zusatzverdiensten ab. Mögliche Angebotsausweitungen durch erweiterungsbedingte Zuwanderung erfordern daher eine gesonderte Betrachtung des Transfersystems im weiteren Verlauf der Untersuchung (Abschnitt 3.2.2).
Analog zum Arbeitsangebot weist die Arbeitsnachfrage im betrachteten Zeitraum eine ähnliche Entwicklung auf. Auch hier zeigt die nach Qualifikationen differenzierende Betrachtung eine eindeutige Verschiebung zu Lasten der Geringqualifizierten. Lag der Bedarf an Geringqualifizierten im Verhältnis zu allen Erwerbspersonen im Jahr 1978 noch bei ca. 29,5%, nahm er in den folgenden Jahrzehnten spürbar ab und lag 2001 bei nur noch ca. 14,8%. Ungeachtet des ohnehin schon deutlichen Rückgangs wird die Nachfrage nach Geringqualifizierten auch in Zukunft weiter und stärker als das Angebot sinken.[32] Die ökonomische Theorie führt diesen Nachfragerückgang im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurück: zunehmende internationale Arbeitsteilung sowie den arbeitssparenden technischen Fortschritt.[33] Obschon die Höhe des jeweiligen Einflusses nach wie vor kontrovers diskutiert wird, bestätigen empirische Untersuchungen regelmäßig die restriktiven Nachfragewirkungen beider Entwicklungen.[34] Folglich kann bereits an dieser Stelle vermutet werden, dass mit der EU-Osterweiterung die hiesige Nachfrage nach Geringqualifizierten weiter sinken wird.
Die stark nachlassende Nachfrage in Kombination mit einem weniger stark sinkenden Angebot, der technische Fortschritt sowie die zunehmende internationale Arbeitsteilung haben in der Beschäftigungssituation der Geringqualifizierten deutliche Spuren hinterlassen. Abbildung 5 zeigt neben der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen auch den Verlauf der jeweiligen qualifikatorischen Arbeitslosenquote. Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass Geringqualifizierte überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Lag im Jahr 1975 die Arbeitslosenquote der Geringqualifizierten noch bei 6,1%, so stieg sie im Zeitverlauf dramatisch an. Auch wenn seit dem bisherigen Negativrekord im Jahr 1997 insgesamt eine leichte Besserung eintreten ist, war im Jahr 2004 fast jede vierte Erwerbsperson ohne formale Ausbildung arbeitslos. Zwar nahm auch die Arbeitslosigkeit unter den (Hoch-)Qualifizierten zu – deren Entwicklung verlief jedoch deutlich gemäßigter.[35]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Entwicklungen in den alten und neuen Bundesländern offenbart die weitaus bedenklichere Beschäftigungssituation Geringqualifizierter in Ostdeutschland. Aus Abbildung 6 lässt sich erkennen, dass im Jahr 2004 gut jeder zweite Geringqualifizierte in den neuen Bundesländern keiner regulären Beschäftigung nachging. Wenngleich auch der Entwicklungstrend in beiden Regionen Deutschlands ein ähnlicher ist: Verglichen mit Westdeutschland („nur“ jeder fünfte Geringqualifizierte ist arbeitslos) herrscht in Ostdeutschland eine besorgniserregende Situation. Der weiteren Untersuchung kommt daher die Aufgabe zu, herauszufinden, ob gering qualifizierte Erwerbspersonen in den neuen Bundesländern verstärkt von der EU-Osterweiterung „betroffen“ sind.
Die Gruppe der Geringqualifizierten scheint darüber hinaus überdurchschnittlich stark von Mismatch-Arbeitslosigkeit betroffen zu sein. Finden Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage auf dem Markt nicht zusammen, gibt es also Arbeitslosigkeit trotz offener Stellen (es kommt zu keinem Match), so spricht man von Mismatch-Arbeitslosigkeit.[36] Das Konzept der Beveridge-Kurve greift dieses Problem auf und führt diese Art von Arbeitslosigkeit im Wesentlichen auf drei Ursachen zurück: Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage sind regional unterschiedlich und immobil (regionales Mismatch), zwischen Arbeitssuchenden und Unternehmen bestehen Informationsdefizite und/oder das qualitative Profil zwischen Angebot und Nachfrage stimmt nicht überein (qualifikationsspezifisches bzw. lohnbedingtes Mismatch).[37] Untersuchungen auf Basis von qualifikationsspezifischen Beveridge-Kurven weisen darauf hin, dass insbesondere Geringqualifizierte weit überdurchschnittlich unter lohnbedingter Mismatch-Arbeitslosigkeit leiden.[38] Regionale Immobilität spielt eine geringere, Informationsdefizite spielen nur eine untergeordnete Rolle. Ein qualifikationsspezifischer Mismatch scheidet per Definition von vornherein aus. Die durch sinkende Nachfrage ohnehin schon angespannte Situation auf dem Markt für Geringqualifizierte wird offenbar durch verschiedene Probleme bei der Lohnfindung zusätzlich verstärkt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit der enorm hohen Arbeitslosigkeit infolge einer die Angebotsentwicklung dominierenden gesamtwirtschaftlichen Nachfragereduktion wird deutlich, warum die Geringqualifizierten häufig als Problemgruppe des Arbeitsmarktes gebrandmarkt werden. Forciert wird die Situation offenbar durch Mängel in der Lohnfindung, die einen markträumenden Ausgleich von Angebot und Nachfrage zusätzlich behindern. Der folgende Abschnitt nimmt diesen Hinweis auf und beleuchtet die lohnbeeinflussenden Arbeitsmarktinstitutionen etwas genauer.
3.2 Arbeitsmarktinstitutionen in Deutschland
Die Koordination von Angebot und Nachfrage mit dem Ziel einer gleichgewichtigen Markträumung ist eine Hauptfunktion von Märkten. Der (deutsche) Arbeitsmarkt erweist sich in dieser Hinsicht als ein besonderer Markt, dessen Koordinationsfunktion durch eine Reihe von Institutionen beeinflusst und gesteuert werden soll. Die sich vorrangig aus sozial- und gesellschaftspolitischen Überlegungen speisenden Institutionen zielen häufig auf die Beeinflussung der Lohnsetzung als Steuerungsinstrument ab.[39] Der Preismechanismus, auf vielen Märkten Garant für eine effiziente Ressourcenallokation, erfährt sowohl bei Insidern (Erwerbstätige) als auch bei Outsidern (Erwerbslose) zum Teil massive Eingriffe – notwendige Anpassungsreaktionen äußern sich daher häufig in Mengeneffekten. Die folgenden Abschnitte veranschaulichen die Dimension jener Eingriffe. Abschnitt 3.2.1 arbeitet zunächst wesentliche Punkte der Tarifautonomie sowie deren Auswirkungen auf die Arbeitsnachfrage heraus. Da Geringqualifizierte verstärkt von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, beschäftigt sich Abschnitt 3.2.2 im Anschluss mit der aktuellen Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes II sowie dessen Wirkungen auf das Arbeitsangebot. Mit dem Wissen um die Funktionsfähigkeit und Flexibilität des Preismechanismus liefern beide Abschnitte wichtige Grundlagen, um im Anschluss die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Arbeitsmarktchancen hiesiger Geringqualifizierter analysieren zu können.
3.2.1 Das deutsche Lohnverhandlungssystem
Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen können nach der deutschen Rechtsordnung entweder einzel- oder kollektivvertraglich vereinbart werden. Einzelvertragliche Verabredungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden in einem individuellen Arbeitsvertrag festgehalten. Kollektivvertragliche Vereinbarungen werden hingegen zwischen Tarifparteien geschlossen und resultieren je nach Verhandlungsebene in einem Firmen- oder Branchentarifvertrag.[40]
In der Vergangenheit waren es insbesondere die kollektivvertraglichen Vereinbarungen, die das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geprägt haben; entsprechend hoch war ihr Einfluss auf die Lohnentwicklung. Obwohl der individuelle Arbeitsvertrag eine markträumende Koordination von Angebot und Nachfrage verspricht, unfreiwillige bzw. neoklassische Arbeitslosigkeit mithin vermieden wird, bergen kollektive Vereinbarungen nicht zu vernachlässigende Vorteile: Tarifverträge sind für beide Tarifparteien während der gesamten Laufzeit bindend.[41] Abweichungen (etwa in Form einer Lohnsenkung) sind nur im Fall einer vereinbarten Öffnungsklausel möglich.[42] Auch Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks oder Aussperrungen sind während der Gültigkeit des Vertrages untersagt. Diese häufig als „Friedenspflicht“ bezeichnete Klausel eines Tarifvertrages gilt als wesentlicher Vorteil gegenüber einzelvertraglichen Abschlüssen, gibt sie doch beiden Marktseiten Planungssicherheit. Weiterhin sind die enormen Kosteneinsparungen in Form von Transaktions- und Verhandlungskosten nicht zu verachten. Eine möglichst weitgehende Standardisierung der Entgelte wie auch der übrigen Arbeitsbedingungen reduziert den Aufwand für alle an den Verhandlungen beteiligten Parteien.[43]
Trotz der genannten Vorteile erfreut sich insbesondere der Branchentarifvertrag immer weniger Beliebtheit. Abbildung 7 verdeutlicht, dass die Zahl der gebundenen Beschäftigten zwar immer noch hoch, seit Mitte der 1990er Jahre jedoch deutlich rückläufig ist. Waren 1995 noch ca. 72,2% aller Beschäftigten Westdeutschlands an einen Branchentarifvertrag gebunden, sank ihr Anteil um gut 11% auf ca. 61% im Jahr 2004 ab.[44] Demgegenüber verringerte sich die Flächentarifbindung Ostdeutschlands noch stärker: 1996 wurden immerhin noch 56,3% der Beschäftigten der neuen Bundesländer durch solche Verträge erfasst. Die folgenden Jahre ließen diesen Anteil indes um rund 15% schrumpfen. 2004 wurden lediglich noch für 41% aller Beschäftigten die Arbeitsbedingungen auf Branchenebene ausgehandelt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine ähnliche, im Ausmaß gleichwohl erkennbar schwächere Entwicklung ist auch bei den Firmentarifverträgen zu erkennen. 1998 einigten sich in Westdeutschland (Ostdeutschland) für insgesamt ca. 8% (13%) aller Beschäftigten stellvertretend einzelne Unternehmer mit ihrer Gewerkschaft auf Lohn- und Arbeitsbedingungen.[45] 2004 wurden für immerhin noch gut 7% (12%) entsprechende Vereinbarungen auf Haustarifvertragsebene getroffen. Diese leichte Abnahme darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich absolut immer mehr Unternehmen für Firmentarifverträge entscheiden: Ihre Zahl hat sich seit Beginn der 1990er Jahre im Westen wie im Osten mehr als verdoppelt und lag 2004 bei knapp 8.000.[46]
Eine isolierte Betrachtung der Firmentarifverträge ignoriert allerdings die deutliche Zunahme anderer Vereinbarungsformen auf betrieblicher Ebene. So nahm beispielsweise die Zahl der Betriebe, die mit Hilfe tariflicher Öffnungsklauseln betriebsnahe Lohn- und Arbeitsbedingungen aushandelten, von 22% im Jahre 1999/2000 auf gut 35% im Jahr 2002 zu.[47] Überdies schließen insbesondere Betriebe mit überwiegend hoch qualifiziertem Personal zunehmend Individualverträge ab.[48] Betriebsnahe Lohnfindungen finden demnach zu Lasten von zentralen Vereinbarungen vermehrten Zuspruch.
Die Gründe für diese erosionsartige Entwicklung der Flächentarifverträge sind vielfältig. Als gemeinsamer Tenor vieler Kritiker lässt sich jedoch die insgesamt mangelnde Flexibilität der gebundenen Betriebe heraushören, welche schnelle Reaktionen auf exogene Schocks massiv erschwert.[49] So steht die einseitige Auslegung des „Günstigkeitsprinzips“ immer wieder im Zentrum der Kritik.[50] Nach geltender Rechtssprechung sind tarifvertragliche Abweichungen nur möglich, wenn sich Lohn- und Arbeitsbedingungen zu Gunsten der Beschäftigten verändern. Arbeitsplatzsichernde Zugeständnisse in Form von Lohnabschlägen sind hingegen nicht zulässig und schränken somit die tarifliche Lohnflexibilität nach unten stark ein. Technische Innovationen und der zunehmende internationale Wettbewerb verschieben folglich die Prioritäten, höhere Transaktionsaktionskosten werden als Preis für mehr Flexibilität bei Löhnen und Arbeitszeiten akzeptiert.[51] Zentrale, häufig an gesamtwirtschaftlichen Größen orientierte Verträge müssen individuellen, betriebsnahen Lösungen weichen.[52]
Gleichwohl kommt den kollektiven Vereinbarungen auf Branchenebene insgesamt eine nach wie vor wichtige Bedeutung zu. Die alleinige Betrachtung der effektiven Tarifbindung verstellt den Blick auf die tatsächliche Tragweite jener Abschlüsse. Berücksichtigt man auch die Beschäftigten, die zwar nicht formal an Tarifverträge gebunden sind, deren Arbeitsbedingungen sich jedoch an solchen orientieren, so zeigt sich, dass auch hier bei über 50% die kollektiven Vereinbarungen die Richtschnur für Lohn und Arbeitszeit darstellen.[53]
Im Ergebnis zeigte sich die qualifikatorische Lohnstruktur in der Vergangenheit außergewöhnlich stabil: Trotz allgemein sinkender Arbeitsnachfrage haben sich die Löhne der Geringqualifizierten in Relation zu den höher Qualifizierten nicht reduziert, sie sind vielmehr deutlich angestiegen.[54] Der internationale Vergleich offenbart die zusätzlich restriktiven Nachfragewirkungen einer solch komprimierten Lohnstruktur. Auch die Geringqualifizierten der USA sahen sich der technik- und handelsbedingten Nachfragereduktion gegenüber. Eine breit gefächerte qualifikatorische Lohnstruktur trug jedoch dazu bei, ein übermäßiges Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern.[55]
Die gegenwärtige Ausgestaltung des Tarifsystems mit seinen nach wie vor weit reichenden und einseitig ausgelegten Flächentarifverträgen schränkt demnach den koordinierenden Preismechanismus auf dem Arbeitsmarkt empfindlich ein.[56] Die Folgen sind eine stark komprimierte qualifikatorische Lohnstruktur und zusätzlich gehemmte Arbeitsnachfrage, unter der besonders Geringqualifizierte zu leiden haben. Trotz erkennbarer Dezentralisierungstendenzen resultieren exogene Nachfrageverschiebungen nach wie vor überwiegend in Mengeneffekten und liefern damit einen zusätzlichen Erklärungsbeitrag für die hohe Arbeitslosigkeit. Daneben begrenzen auch Transfereinkommen die Lohnflexibilität nach unten. Sie beeinflussen somit zusätzlich die Angebotsentscheidung Arbeitsloser. Der folgende Abschnitt veranschaulicht die Anreizwirkungen des Arbeitslosengeldes II, von dem vorrangig Geringqualifizierte betroffen sind.
3.2.2 Anspruchslohn und Arbeitslosengeld II
Mit dem 1. Januar 2005 wurden zwei jahrzehntelang parallel bestehende Systeme der sozialen Sicherung zusammengelegt: Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurden durch das Arbeitslosengeld II (ALG II) ersetzt. Unter dem Prinzip des „Förderns und Forderns“ wurde die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ im Sozialgesetzbuch II (SGB II) völlig neu geregelt. Sie ersetzt fortan die bisherigen Regelungen zur Arbeitslosenhilfe aus dem SGB III und ist mit den Bestimmungen des ebenfalls neu verfassten Sozialhilferechts eng verknüpft.[57] Das primäre Ziel der neu geregelten Grundsicherung besteht darin, dass erwerbsfähige Hilfeempfänger „ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können“.[58] Neben der Schaffung zahlreicher Fördermöglichkeiten zur schnellen und erfolgreichen Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt wurden unter dem Aspekt des Forderns u. a. die Zumutbarkeitskriterien verschärft und Sanktionen bei Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung erhöht.[59] Im Rahmen des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) sollen so insbesondere die Problemgruppen am Arbeitsmarkt (zu denen Geringqualifizierte nach Abschnitt 3.1.2 zweifellos gehören) mittels veränderter Anreizstrukturen aus der Arbeitslosigkeit geführt werden.
In der mikroökonomischen Theorie zeigt sich der so genannte Anspruchs- bzw. Reservationslohn als ein wesentliches Element bei der Entscheidung über das individuelle Arbeitsangebot.[60] Eine Person wird demnach nur dann ihre Arbeitskraft anbieten, wenn der für sie daraus resultierende Nutzen den der Freizeit übersteigt. Der Arbeitsanreiz ist demnach umso größer, je höher die Nutzendifferenz zwischen beiden Alternativen ist. Dem Gut „Arbeit“ an sich entspringt in der vereinfachten Betrachtung unmittelbar allerdings kein Nutzen, es wird vielmehr als „Leid“ empfunden; Nutzen wird primär durch den verdienten Reallohn erzielt, welcher wiederum von zahlreichen Determinanten (Qualifikation, Alter etc.) abhängt. Konsequenterweise hat das Gut „Freizeit“ unmittelbar einen Wert (etwa durch mehr Zeit für die Familie). Potentielle Transfereinkommen können den Wert der Freizeit zusätzlich erhöhen. Unter der Voraussetzung, dass die Person völlig frei über die verfügbare Zeit entscheiden kann, wird sie den Nutzen aus Freizeit und Arbeitszeit maximieren.[61] Der Anspruchslohn ist in diesem Kontext als der Wert einer „Freizeiteinheit“ definiert, ab dem sich eine Ausweitung des Arbeitsangebots vor dem Hintergrund der individuellen Nutzenfunktion nicht mehr lohnt, Freizeit also höher bewertet wird. Die individuelle Angebotsentscheidung hängt demnach entscheidend von dem Transfereinkommen und dem auf dem Markt erzielbaren Reallohn ab. Je höher der Anspruchslohn bzw. je geringer der Lohnabstand ist, desto größer sind die Anreize, möglichst wenig zu arbeiten.[62]
Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe setzt genau an dieser Stelle an: Die finanziellen Transferleistungen wurden insbesondere für ehemalige Arbeitslosenhilfebezieher spürbar reduziert, um die Anreize für die Wiederaufnahme einer regulären Beschäftigung zu erhöhen. Ein allein stehender Hilfebedürftiger erhält bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen aus § 7 SGB II derzeit eine monatliche Pauschale in Höhe von 345,- EUR (331,- EUR in Ostdeutschland) zur Deckung des täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Kleidung etc.).[63] Hinzu kommt die Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Daneben erhöhen befristete Zuschläge für „neue“ Langzeitarbeitslose sowie zusätzliche Transfers für weitere Personen in der Bedarfsgemeinschaft (etwa Familien mit Kindern) das verfügbare Einkommen.[64] Insgesamt ergeben sich somit nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mögliche Förderhöhen zwischen 662,- EUR für Alleinstehende und 2.014,- EUR für Familien mit zwei Kindern.[65]
Ergänzend zu den staatlichen Transfers haben ALG II-Bezieher die Möglichkeit, ihr verfügbares Einkommen im Rahmen einer geringfügigen oder Teilzeitbeschäftigung sowie durch befristete Arbeitsgelegenheiten („1-Euro-Jobs“) zu erhöhen.[66] In Kombination mit dem ALG II gehen von diesen Hinzuverdienstmöglichkeiten jedoch Anreizprobleme aus, die sich insbesondere bei den Geringqualifizierten negativ auf das Arbeitsangebot auswirken können.
Befristete Arbeitsgelegenheiten, die als ein Instrument der Eingliederung zusätzlich und im sozialen Bereich zu schaffen sind, sollen schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose, und damit vor allen Dingen Geringqualifizierte, wieder an die Erwerbstätigkeit heranführen. Im Rahmen dieser Beschäftigung erhalten die Teilnehmer eine Mehraufwandsentschädigung, die in der Realität meist zwischen einem und zwei Euro je Arbeitsstunde liegt und nicht vermindernd auf das ALG II angerechnet wird. Ein Alleinstehender ALG II-Bezieher erreicht damit schnell ein verfügbares Einkommen von ca. 850,- EUR im Monat; Familien mit zwei kleinen Kindern beziehen bei gleichen Bedingungen sogar bis zu 2.200,- EUR.[67] Auf Grund ihrer im Vergleich zu anderen Qualifikationsgruppen niedrigen Produktivität liegen die tatsächlichen Marktlöhne einer regulären Vollzeitstelle für Geringqualifizierte häufig nur unwesentlich höher.[68] In Abhängigkeit von der Größe der Bedarfsgemeinschaft, der Region und des ehemaligen Beschäftigungssektors ist der Lohnabstand zuweilen sogar negativ. Gering qualifizierte Arbeitslose erzielen mit der Summe aus ALG II und dem Verdienst aus dem „Zusatzjob“ ein höheres Einkommen als durch reguläre Beschäftigung und haben darüber hinaus noch mehr Freizeit.[69]
Im Gegensatz zu der Mehraufwandsentschädigung befristeter Arbeitsgelegenheiten wird das Einkommen aus „normaler“ Erwerbstätigkeit auf das ALG II angerechnet. Jene Anrechnungsmodalitäten wurden inzwischen zwar erheblich vereinfacht, basieren jedoch nach wie vor auf einer mit zunehmendem Verdienst steigenden Grenzbelastung der Beschäftigten.[70] Gleichwohl besteht gegenüber der befristeten Arbeitsgelegenheit ein gewichtiger Vorteil: Die Minderung des ALG II führt dazu, dass ein wachsender Anteil des Haushaltseinkommens selbst erwirtschaftet wird.[71] Eine Rückkehr in die reguläre Beschäftigung erscheint auf dieser Basis deutlich leichter. Dennoch wirkt sich die steigende Transferentzugsrate in Kombination mit der einsetzenden Besteuerung negativ auf die Ausweitung des Arbeitsangebots aus.[72] Analog zu den „Zusatzjobs“ haben die Betroffenen auch hier starke Anreize, dauerhaft eine Kombination aus ALG II, Zusatzverdienst und vermehrter Freizeit zu akzeptieren.
Vor dem ausgeführten theoretischen Hintergrund haben ALG II-Bezieher demnach häufig nur geringe Anreize, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen. Die Höhe der Transfereinkommen bestimmt zusammen mit den Hinzuverdiensten gleichsam den Anspruchslohn und den Lohnabstand der Hilfebedürftigen. Von beidem geht in der Realität eine restriktive Wirkung auf das Arbeitsangebot aus.[73] Geringqualifizierte werden teilweise sogar ermutigt, dauerhaft eine Kombination aus ALG II und Zusatzverdienst zu akzeptieren. Der transferbedingte Anspruchslohn begrenzt somit zusätzlich die Lohnflexibilität nach unten. Erschwerend kommt hinzu, dass die zeitlich unbeschränkte Transfergewährung in gleich bleibender Höhe zu einer nachlassenden Suchintensität führt und somit trotz voranschreitender Humankapitalentwertung keine Absenkung des Anspruchslohns bewirkt.[74] Im Gegenteil: Geringqualifizierte fordern von potentiellen neuen Arbeitgebern Aufschläge von bis 55% auf ihr altes Einkommen.[75] Obschon die Anreize zur Arbeitsaufnahme im Vergleich zur bisherigen Sozialhilfe insgesamt verbessert wurden, schränken dauerhaft hohe Anspruchslöhne Arbeitsbereitschaft und Lohnflexibilität und damit den koordinierenden Preismechanismus auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor stark ein.
3.3 Zusammenfassung
Die Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter nahm in der Vergangenheit stärker zu als die jeder anderen Gruppe auf dem Arbeitsmarkt. Mit zuletzt 24,6% (2004) erreichte sie ein besorgniserregendes Niveau. Das insgesamt sinkende Angebot konnte mit der technisch- und handelsbedingten Nachfragereduktion nicht Schritt halten. Verstärkt wurde der Prozess durch einen nur eingeschränkt funktionierenden Preismechanismus auf dem Arbeitsmarkt: Einseitig ausgelegte Flächentarifverträge mit nach wie vor großer Reichweite mündeten in einer stark komprimierten qualifikatorischen Lohnstruktur. Zusammen mit den transferbedingt hohen Anspruchslöhnen schränken sie besonders für Geringqualifizierte die Lohnflexibilität nach unten ein. Infolge des somit nur bedingt funktionierenden Preismechanismus dominieren Mengeneffekte die nachfrageinduzierten Anpassungsreaktionen und verschlechtern somit zusätzlich die Arbeitsmarktchancen Geringqualifizierter: Die Arbeitsnachfrage wird zusätzlich reduziert und die Anreize zur Arbeitsaufnahme gesenkt – es droht die Gefahr vermehrter struktureller Arbeitslosigkeit.[76] Der Osten Deutschlands ist besonders betroffen: Die Arbeitslosigkeit der Geringqualifizierten ist doppelt so hoch wie im Westen, gleichzeitig bestehen für diese Gruppe auf Grund eines vergleichsweise niedrigeren Lohnabstands noch geringere Arbeitsmarktchancen. Dagegen ist die (Flächen-)Tarifbindung deutlich geringer – ein Standortvorteil?
Welche Wirkungen sind vor diesem Hintergrund nun durch die Osterweiterung der EU zu erwarten? Welche Einkommens- und Beschäftigungseffekte verursacht der nur eingeschränkt funktionierende Preismechanismus durch die beitrittsbedingten Änderungen von Arbeitsangebot und -nachfrage? Das 4. Kapitel nutzt die gewonnen Erkenntnisse und analysiert mit ihrer Hilfe ausführlich die erweiterungsbedingten Arbeitsmarkteffekte für Geringqualifizierte.
4 Arbeitsmarkteffekte der Binnenmarktintegration
Die Erweiterung der Europäischen Union vergrößert den Gemeinsamen Markt mit seinen vier Grundfreiheiten (freier Güter-, Kapital-, Personen- und Dienstleistungsverkehr) um 10 zusätzliche Staaten und ermöglicht somit im wesentlichen zwei Einflusskanäle für hiesige Arbeitsmarkteffekte (vgl. Abbildung 8).
Abb. 8: Einflusskanäle der Binnenmarktintegration für Arbeitsmarkteffekte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Vgl. Europäischer Rat (1995): „Enlargement is both a political necessity and a historic opportunity for Europe. It will ensure the stability and security of the continent and will thus offer both the applicant States and the current members of the Union new prospects for economic growth and general well-being.”
[2] Vgl. Kroh (2005), S. 195. 81% aller Befragten mit Volks- oder Hauptschulabschluss sowie 83% aller befragten Arbeiter äußern sich in der DIW-Umfrage besorgt zur Erweiterung.
[3] Vgl. Deutsche Bundesbank (2004), S. 6.
[4] Vgl. SVR (2003), S. 98.
[5] Vgl. Sachs, J. (1993), S. 2
[6] Vgl. Europäischer Rat (1993): „Peace and security in Europe depend on the success of those efforts.”
[7] Vgl. Belke/Hebler (2002), S. 4 ff.
[8] Vgl. Hebler (2002), S. 33 ff. Obwohl die ersten Verträge bereits 1991 zwischen der EU einerseits und Polen bzw. Ungarn andererseits unterzeichnet wurden, dauerte es bis 1996, bis letztlich alle Staaten Mittel- und Osteuropas Teil der Europaabkommen wurden.
[9] Vgl. Schimmelpfennig (2004), S. 473. Agrarprodukte waren von der Liberalisierung jedoch nicht betroffen. Auch Produktgruppen der Textilindustrie sowie Kohle und Stahl unterlagen auf Druck einiger Mitgliedsstaaten strengen Schutzklauseln, so dass die MOEL anfangs im Handel ihrer konkurrenzfähigsten Güter behindert wurden.
[10] Vgl. Berck (2003), S. 54 u. S. 56.
[11] Vgl. Belke (2002), S. 6 f. Auch wenn bereits in der Präambel der Europaabkommen das Ziel der Vollmitgliedschaft festgeschrieben war, haben die damaligen EU-Staaten erst- mals auf dem Gipfel ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Aufnahme jener Länder erklärt.
[12] Vgl. Egger (2003), S. 6.
[13] Vgl. SVR (2000), S. 146 ff. für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Kriterien.
[14] Vgl. Belke (2002), S. 8 ff. Luxemburg-Gruppe: Estland, Polen, Slowenien, Ungarn, Tsche- chien, Zypern. Helsinki-Gruppe: Bulgarien, Malta, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei.
[15] Vgl. SVR (2003), S. 92. In den meisten Kandidatenländern wurden Referenden durchge- führt, in denen der Beitritt von bis 90% der Wähler befürwortet wurde.
[16] Vgl. Lammers (2004), S. 275.
[17] Vgl. Hönekopp (2003), S. 1.
[18] Vgl. Hafemann/van Suntum (2004), S. 39 ff. für kritisch detaillierte Länderanalysen.
[19] Vgl. Plünnecke/Werner (2004), S. 2.
[20] Vgl. SVR (2004), S. 425.
[21] Vgl. u. a. Geishecker/Görg (2004) sowie Pische/Veiling (1997). Häufig findet diese Art der Differenzierung aus Gründen der Datenverfügbarkeit statt. Arbeiter können dabei durchaus über einen formalen Berufsabschluss verfügen, der jedoch sehr häufig in einfa- chen Tätigkeiten besteht. Angestellte können dagegen in einfachen Dienstleistungsberufen tätig sein, ohne jedoch einen Berufsabschluss zu haben. Dieser datenbedingte Ansatz ist demnach nicht ganz unproblematisch, lässt sich häufig aber nicht vermeiden.
[22] Vgl. Moser (2004), S. 76. Unter formaler Qualifikation ist hier ein anerkannter Berufsab- schluss zu verstehen: Hoch-/Fachhochschule, Lehre sowie (Berufs-)Fachschule.
[23] Vgl. Franz (2003), S. 75. Humankapital lässt sich im Allgemeinen als der Bestand an Wis- sen und Fähigkeiten einer Person definieren, deren Zuwächse die Produktivität erhöhen.
[24] Vgl. Reinberg/Hummel (2003), S. 4 sowie eigene Berechnungen.
[25] Vgl. Rauch (2001), S. 10 ff. Ähnliche Ergebnisse erhalten Reinberg/Walwei (2000), S. 8 f.
[26] Vgl. SVR (2004), S. 650, Tabelle 20. Die Zahl der Erwerbspersonen ergibt sich nach dem Inländerkonzept der ESVG 1995 und besteht aus Erwerbstätigen und Erwerbslosen.
[27] Vgl. Bund-Länder-Kommission (2002), S. 4 f.
[28] Vgl. Reinberg (2003), S. 21.
[29] Vgl. SVR (2004), S. 180 ff. Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung in Vollzeit oder Eignungsfeststellungsmaßnahmen gelten der Definition nach weder als erwerbstätig noch als erwerbslos (da sie derzeit keiner Beschäftigung zur Verfügung stehen) und gehören damit vorübergehend nicht zu den Erwerbspersonen. Sie sind mit etwa 250.000 Personen (2004) vielmehr Teil der „verdeckten“ Arbeitslosigkeit.
[30] Vgl. Franz (2003), S. 345. Unter der „stillen Reserve“ ist in diesem Zusammenhang der Teil des Erwerbspersonenpotentials zu verstehen, der sein Arbeitsangebot primär von der konjunkturellen Lage abhängig macht und daher nicht als arbeitslos registriert ist.
[31] Vgl. SVR (2005), S. 120. Nur ein Teil der Personen gehört freilich zu den Geringqualifi- zierten.
[32] Vgl. BLK (2002), S. 5. Die Bund-Länder-Kommission schätzt, dass der Anteil der Gering- qualifizierten am gesamten Arbeitskräftebedarf bis 2015 auf ca. 12% sinken wird.
[33] Vgl. Kleinert et al. (2000), S. 4 ff. für eine detaillierte Darstellung unterschiedlicher Wir- kungrichtungen des technischen Fortschritts, der neoklassischen Außenhandelstheorie sowie deren Arbeitsmarkteffekte.
[34] Vgl. Fitzenberger (1999) und Schank (2003) für einen eher technikgeschuldeten Nachfra- gerückgang sowie Wood (1994) für eine handelsdominierende Position.
[35] Hochqualifizierte: Personen mit (Fach-)Hochschulstudium; Qualifizierte: Personen mit betrieblicher Ausbildung/Lehre.
[36] Vgl. Christensen (2005), S. 16 ff.
[37] Vgl. Franz (2003), S. 227 sowie Henning (1997), S. 21 ff. für eine ausführliche Darstel- lung des Konzepts der Beveridge-Kurve.
[38] Vgl. Christensen (2001), S. 512 f.
[39] Institutionen, die nicht unmittelbar auf den Lohn einwirken (bspw. der Kündigungsschutz), werden zwar nicht weiter untersucht, haben häufig aber durchaus ähnliche Wirkungen.
[40] Grundlage beider Vertragsformen ist die Tarifautonomie, die den Interessensausgleich zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt über (Gruppen-)Verhandlungen beschreibt und die Tarifparteien vor staatlicher Einflussnahme bewahrt. Ihren juristischen Ursprung findet die Tarifautonomie in der im Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes gere- gelten Koalitionsfreiheit und dem darauf abgeleiteten Tarifvertragsgesetz (TVG).
[41] Vgl. §3 Abs. 1 TGV: „Die Tarifgebundenheit bleibt gestehen, bis der Tarifvertrag endet“.
[42] Vgl. §4 Abs. 3 TGV: „Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den
Tarifvertrag gestattet sind […].“.
[43] Vgl. Möschel (1996), S. 16 ff für eine kritische Beurteilung Kollektiverträge bevorzugen- der Argumente.
[44] Vgl. WSI-Tarifarchiv (lfg. Jahrgänge) sowie Schnabel (2005), S. 19.
[45] Vgl. WSI-Tarifarchiv (lfd. Jahrgänge) sowie Bispinck (2003), S. 395.
[46] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005), S. 9.
[47] Vgl. Bispinck/Schulten (2003), S. 160.
[48] Vgl. Franz/Pfeiffer (2003), S. 30 ff. Der geringe und weiterhin sinkende Organisationsgrad in Gewerkschaften gerade bei Hochqualifizierten spielt hierbei eine tragende Rolle.
[49] Vgl. exemplarisch Berthold (2001), S. 51 ff. sowie Möschel (2003), S. 7 ff.
[50] Vgl. SVR (2002), S. 262, Berthold (1998), S. 35 sowie Möschel (2003), S. 12.
[51] Vgl. Schnabel (2005), S. 19.
[52] Vgl. Berthold (1998), S. 25.
[53] Vgl. Schnabel (2005), S. 17.
[54] Vgl. Klodt/Maurer/Schimmelpfennig (1997), S. 203 f.
[55] Vgl. Berthold (1998), S. 23 f.
[56] Vgl. Fitzenberger (1999), S. 80 ff.
[57] Vgl. SGB II, Kapitel 1.
[58] Vgl. § 1 SGB II sowie § 8 SGB II. Erwerbsfähig ist dem Gesetz nach jemand, der auf absehbare Zeit in der Lage ist, 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
[59] Vgl. § 16 SGB II für eine Übersicht einzelner Fördermöglichkeiten sowie § 10 SGB II für eine detaillierte Beschreibung der Zumutbarkeitskriterien.
[60] Vgl. Franz (2003), S. 26 ff. für eine ausführliche Darstellung der Arbeitsangebotstheorie.
[61] Vgl. ebenda, S. 29. Die Nutzenfunktion des Individuums entspricht den üblichen Anforde- rungen der Mikroökonomie: Sie ist stetig differenzierbar, quasi-konkav und Frei zeit bzw. Reallohn haben einen positiven aber sinkenden Grenznutzen.
[62] Vgl. Boss/Christensen/Schrader (2005), S. 4 sowie Franz (2003), S. 30.
[63] Vgl. Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 des SGB II für die genauen Leistungsbestimmungen.
[64] Vgl. § 20 und § 28 SGB II für eine genaue Leistungsbeschreibung.
[65] Vgl. Cichorek/Koch/Walwei (2005), S. 2. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung wurden gemittelt und dem direkten Transfer zugerechnet.
[66] Vgl. § 16 Abs. 3 SGB II für die Ausgestaltung der befristeten Arbeitsgelegenheiten sowie § 30 SGB II für Details zur Erwerbstätigkeit.
[67] Vgl. Cichorek/Koch/Walwai (2005), S. 2. Grundlage für die ermittelten Einkommen ist ein Entschädigung von 1,50 je Stunde sowie 30 Stunden Arbeit pro Woche.
[68] Vgl. Boss/Christensen/Schrader (2005), S. 6 sowie Cichorek/Koch/Walwei (2005), S. 2.
Unter Berücksichtigung von Kinder- und Wohngeld müssten Geringqualifizierte Bruttostundenlöhne von bis zu 10,90 EUR für ein vergleichbares Einkommen erreichen.
[69] Vgl. Boss/Christensen/Schrader (2005), S. 21 ff. So ist der Lohnabstand in Ostdeutschland trotz etwas geringerer Transferzahlung wegen niedrigerer Marktlöhne meistens noch deut- lich niedriger als im Westen.
[70] Vgl. § 30 SGB II. Die als Ergebnisse des „Job-Gipfels“ geänderten Bestimmungen gelten seit dem 01.10.2005 und rechnen das verdiente Einkommen folgendermaßen auf die Transferleistung an: Es besteht ein Freibetrag von 100,- EUR, alles darüber hinausgehen de bis zu 800,- EUR wird mit 80%, bis 1.200,- EUR (bzw. 1.500,- für Bedürftige mit Kin dern) mit 90% auf das ALG II angerechnet.
[71] Vgl. Boss/Christensen/Schrader (2005), S. 10.
[72] Die Transferentzugsrate gibt an, in welcher Höhe zusätzlich verdientes Einkommen auf bezogene Transfers angerechnet wird.
[73] Vgl SVR (2002), S. 245.
[74] Vgl. Christensen (2005), S. 21 f.
[75] Vgl. ebenda, S. 42.
[76] Vgl. Prasad (2004), S. 362 ff. Prasad bestätigt empirisch die bereits dargelegten Ergebnisse und führt die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter auf inflexible Löhne und die damit insgesamt starre Lohnstruktur zurück.
- Citation du texte
- Diplom-Volkswirt Manuel Rupprecht (Auteur), 2005, Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Arbeitsmarktchancen Geringqualifizierter in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67616
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