Die in dieser Arbeit betrachteten Finanzrisiken treten bei Finanzinstituten wie Versicherungen oder Banken, aber auch bei Privatpersonen, die beispielsweise ein Aktienportfolio halten, auf. Es wird weder auf die psychologischen Hintergründe der Risikowahrnehmung noch auf Entscheidungstheorie eingegangen. Es soll vielmehr die Risikomessung, die einen elementareren und enorm wichtigen Bestandteil im Risiko-Managementprozess darstellt, betrachtet werden.
Albrecht (2003) unterscheidet grundsätzlich zwei Risikokonzeptionen:
- Risiko im Sinne einer Abweichung von einer Zielgröße und
- Risiko als notwendiges Kapital.
Beide Konzeptionen werden in Kapitel 2 aufgegriffen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit Axiomensystemen, d.h. mit Anforderungen an Risikomaße. Dies soll als Einstieg dienen, damit die in Kapitel 3 vorgestellten Risikomaße auf sinnvolle Eigenschaften hin überprüft werden können. Es werden die zweiseitigen
Risikomaße Varianz und Standardabweichung, aber vor allem die Downside-Risikomaße Untere Semivarianz, Lower Partial Moments, Value at Risk und Conditional Value at Risk vorgestellt. Gerade VaR und CVaR erlangen durch ihre Anwendung in Basel II und Solvency II hohe Bedeutung. Die Solvabilitätsvorschriften Solvency II sind Thema des 4. Kapitels. Sie sollen als Anwendungsbeispiel für das Risikomaß CVaR dienen. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die Riskomessung und Risikomaße zu geben und ihre Einbindung in die Praxis anhand eines Beispiels zu erläutern.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Axiomatische Betrachtung von Risikomaien
2.1 Kohärente Risikomaße - Das Axiomensystem von Artzner, Delbaen, Eber und Heath
2.2 Weitere Axiomensysteme
3 Risikomaie
3.1 Zweiseitige Risikomaße - Varianz σ2 und Standardabweichung σ
3.2 Downside-Risikomaße
3.2.1 Untere Semivarianz
3.2.2 Lower Partial Moments (LPM)
3.2.3 Value at Risk
3.2.4 Volatilität und Value at Risk können Risiko unterschiedlich bewerten!
3.2.5 Conditional Value at Risk / Expected Shortfall
3.3 Klassen von Risikomaßen
4 Anwendungsbeispiel: Solvency II
4.1 Ziel und Aufbau
4.2 Angewendetes Risikomaß: CVaR
5 Schluss
Literatur
Abbildungsverzeichnis
1 Kummulierte Profit-and-Loss Verteilungsfunktion (P&L) und Value at Risk
2 Welche Verteilung ist risikoreicher?
3 Profit-and-Loss Verteilungsfunktion (P&L), Value at Risk, Conditional Value at Risk
1 Einleitung
Risiko entsteht aus einer Ungewissheit über zukünftige Zustände heraus. In allen Lebensbereiehen, wie z.B. im Wirtschaftsleben, im politischen Bereich oder bezüglich technologischen Fortschritts, können sieh riskante Situationen ergeben (Albrecht, 2003), Aus diesem Grunde findet man in der Literatur sehr viele Arbeiten aus unterschiedlichsten akademischen Bereichen zu diesem Thema, So zählen Pedersen & Satehell (1998) Psychologie, experimentelle Psychologie, Operational Research und Management Science auf. Diese Arbeit soll sieh allerdings auf Finanzrisiken und deren Messung beschränken. Diese treten bei Finanzinstituten wie Versicherungen oder Banken, aber auch bei Privatpersonen, die beispielsweise ein Aktienportfolio halten, auf. Es wird weder auf die psychologischen Hintergründe der Risikowahrnehmung noch auf Entsehei- dungstheorie eingegangen.
Als Beispiele für finanzielle Risiken führt Jorion (1997, S, 14-18) Marktrisiken, Kreditrisiken, Liquiditätsrisiken und operationale Risiken an. Unter Marktrisiken kann man vor allem Preisänderungsrisiken, wie z.B, bei Aktienkursen, Zinssätzen und Währungen, verstehen, Kreditrisiken entstehen durch die Unfähigkeit eines Kreditnehmers, seinen vertraglichen Verpflichtungen naehzukommen. Eng im Zusammenhang mit Kreditrisiken stehen die rechtlichen Risiken, Jorion (1997, S, 18) führt folgendes Beispiel an: In Großbritannien haben Stadträte in Zinsswaps[1] investiert, welche sehr hohe Verluste herbeigeführt haben. Diese Geschäfte wurden später vom British High Court für ungültig erklärt, da die Stadträte nicht für solche Transaktionen bevollmächtigt waren. Somit waren die Städte aus der Verantwortung entlassen und die Gegenparteien machten rund 800 Millionen Dollar Verlust, Liquiditätsrisiken tauchen bei Kreditinstituten und Versicherungen auf, wenn deren Zahlunsverpflichtungen das Vermögen übersteigen (Albrecht, 2003), Schließlich sind operationale Risiken mögliche Verluste, die beispielsweise auf menschliche Fehler, Systemausfälle, Betrug, aber auch Unfälle von Sehlüsselpersonen einer Firma zurüekzuführen sind. Werden die genannten Risiken nicht richtig gemessen, so können bei der Risikosteuerung erhebliche Fehler auftreten. Deshalb ist die Risikomessung ein elementarer und enorm wichtiger Bestandteil im Risiko-Managementprozess,
Dieser setzt sieh aus den Phasen der Risikoidentifizierung, Risikomessung, Risikosteuerung und Risikoüberwachung zusammen (Vanini, 2006),
Albrecht (2003) unterscheidet grundsätzlich zwei Risikokonzeptionen:
- Risiko im Sinne einer Abweichung von einer Zielgröße und
- Risiko als notwendiges Kapital,
Beide Konzeptionen werden in Kapitel 2 aufgegriffen. Dieses Kapitel beschäftigt sieh mit Axiomensystemen, d.h, mit Anforderungen an Risikomaße, Dies soll als Einstieg dienen, damit die in Kapitel 3 vorgestellten Risikomaße auf sinnvolle Eigenschaften hin überprüft werden können. Es werden die zweiseitigen Risikomaße Varianz und Standardabweiehung, aber vor allem die Downside- Risikomaße Untere Semivarianz, Lower Partial Moments, Value at Risk und Conditional Value at Risk vorgestellt. Gerade VaR und CVaR erlangen durch ihre Anwendung in Basel II und Solvency II hohe Bedeutung, Die Solvabilitätsvorschriften Solvency II sind Thema des 4, Kapitels, Sie sollen als Anwendungsbeispiel für das Risikomaß CVaR dienen, Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die Riskomessung und Risikomaße zu geben und ihre Einbindung in die Praxis anhand eines Beispiels zu erläutern,
2 Axiomatische Betrachtung von Risikomalen
Um beurteilen zu können, ob ein Risikomaß in der Lage ist, Risiko richtig bzw, realitätsgetreu zu quantifizieren, wurden verschiedene Axiomensysteme aufgestellt, Mit diesen soll überprüft werden, inwiefern die verschiedenen Risikomaße die gegebenen sinnvollen Anforderungen erfüllen. Dies ist insofern wichtig, als dass auf diesen Risikokennzahlen aufbauend innerbetriebliche Steuerungsmaßnahmen vorgenommen werden (Kürsten & Straßberger, 2004), Als Beispiel seien an dieser Stelle die Entscheidungen einer Bank bezüglich ihres Kreditportfolios genannt. Im Folgenden werden die wichtigsten und bekanntesten Axiomensysteme vorgestellt, damit bei der späteren Betrachtung der verschiedenen Maße eine Beurteilung erfolgen kann.
2.1 Kohärente Risikomaße - Das Axiomensystem von Artzner, Delbaen, Eber und Heath
In der Literatur hat das Axiomensystem von Artzner et al, (1997, 1999) große Bedeutung erlangt. Die Autoren stellen einen Anforderungs katalóg auf, der bei Einhaltung ein kohärentes - also verständliches und stimmiges - Risikomaß2 zur Folge haben soll.
Ein Risikomaß [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] im Sinne von Artzner et al, ist ein reelwertiges Risikomaß, das bei positivem Wert als minimales zusätzliches Kapital angesehen werden kann, welches in Kombination mit der risikobehafteten Position diese zu einer risikolosen macht. Bei negativem Wert kann dagegen Kapital in Höhe von |p(X)| abgezogen werden ohne die Sicherheit der Position zu gefährden (Artzner et ah, 1999; Albrecht, 2003), Diese Interpretation wird durch das Axiom der Translationsinvarianz verdeutlicht.
Die Axiome (Artzner et ah, 1999; Albrecht, 2003; Kürsten & Straßberger, 2004) lauten:
Translationsinvarianz
Investiert man zusätzlich zu einem (risikobehafteten) Portfolio X einen Betrag Z zum risikofreien Zinssatz r/, ад verringert sich das Risiko p(X) des Portfolios um diesen Betrag,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wird also ein Betrag Z in Höhe von Z = p(X) zusätzlich angelegt, so neutralisiert man das Risiko des Ausgangsportfolios, wie aus Gleichung 2 hervorgeht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Theorem der Translationsinvarianz hebt also die Definition des Risikomaßes als mindestens zu investiernden Betrag, um aus einer risikobehafteten Position eine risikolose zu generieren, hervor,[2] [3]
Subadditivität „A merger does not create extra risk“ (Artzner et al,, 1999), Das Risiko eines Portfolios mit zwei risikoreichen Positionen ist höchstens so hoch wie die Summe der Einzelrisiken:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieses Axiom repräsentiert den Gedanken des Diversifikationseffekts[4] bzw, des Ausgleieh-im-Kollektiv-Effekts[5], Es ist von „überragender Bedeutung“ (Korv- eiorz, 2004) und darf auf keinen Fall verletzt werden (Acerbi & Tasche, 2002a), So ist es z.B, bei einem Verstoß gegen die Subadditivität nicht möglich, eine Obergrenze für das Risikokapital zu berechnen. Wird das Axiom erfüllt, so ist die Summe der Einzelrisiken die obere Schranke für das Gesamtrisiko (Artzner et ah, 1999),[6] [7] Es lassen sieh allerdings auch Beispiele6 finden, wie z.B, Katastrophenrisiken, bei denen Diversifikationseffekte nicht greifen und deshalb ein folgerichtiges Handeln basierend auf dem Subadditivitätstheorem nicht zu empfehlen ist.
Positive Homogenität
Das Axiom der positiven Homogenität bedeutet, dass das Risiko einer risikobehafteten Position proportional zum Volumen der Position steigt bzw, fällt. Verdoppelt man also beispielsweise seinen Bestand an Aktien einer beliebigen Aktiengesellschaft, so verdoppelt sieh auch das Risiko, Es gilt also:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Goovaerts et al, (2003) kritisieren, dass diese Annahme lineare Nutzenfunktionen impliziert. In der Nutzentheorie geht man aber davon aus, dass mit zunehmender Größe der risikobehafteten Positionen die Wirtsehaftssubjekte immer weniger bereit sind, Risiken zu übernehmen. Positive Homogenität hält jedoch nur bei Risikoneutralität,
Monotonie
Monotonie besagt, dass das Risiko eines Portfolios [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] immer größer ist als das eines Portfolios [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wenn in jedem möglichen Umweltzustand das Portfolio [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] einen höheren Wert aufweist (Denault, 2001), Aufgrund des jeweils höheren Verlustpotentials weist die Position [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ein größeres Risiko auf als [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (Albrecht, 2003), Formal ausgedrüekt bedeutet dies:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein Risikomaß p(X), welches die genannten vier Axiome erfüllt, wird kohärent genannt (Artzner et ab, 1999; Albrecht, 2003),
2.2 Weitere Axiomensysteme
Im Folgenden sollen weitere Axiomensysteme der Vollständigkeit wegen kurz vorgestellt werden.
Anders als Artzner et ab (1999) definieren Pedersen & Satehell (1998) Risiko als Abweichung von einem Lagemaß, Allein aus dieser Definition heraus ergibt sich das Axiom der Nicht-Negativität, also[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Neben den auch bei Artzner et ab (1999) verwendeten Axiome der Subadditivität und der Positiven Homogenität stellen Pedersen & Satehell (1998) auch das Axiom der Shift- Invarianz auf. Dies bedeutet, dass sieh durch Hinzufügen einer sicheren Größe nur die Lage und nicht das Risiko ändert, also [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für alle Z (Albrecht, 2003),
Es sind noch viele weitere Axiomensysteme in der Literatur zu finden, wie die von Roekafellar et ab (2002) oder Wang et ab (1997)[8]. Diese sollen nicht weiter erläutert werden, da im weiteren Verlauf aussehließlieh auf Kohärenz von Risikomaßen eingegangen wird,
3 Risikomale
In der Theorie und der Praxis der Finanzwirtsehaft gibt es eine Vielzahl an Risikomaßen, Einige von ihnen werden in diesem Kapitel vorgestellt und auf Kohärenz und Praktikabilität überprüft,
3.1 Zweiseitige Risikomaße - Varianz σ2 und Standardabweichung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]
Goovaerts et al, (2003) definieren zweiseitige Risikomaße wie folgt:
„A two-sided risk measure measures the ‘distance’ between the risky situation and the corresponding risk-free situation when both favorable and unfavorable discrepancies are taken into account,“
Das Einbeziehen sowohl negativer als auch positiver Abweichungen in ein Risikomaß ist nicht gerade intuitiv (Albrecht, 2003), da das mögliche Überschreiten einer erwarteten Rendite eher als Chance und damit positiv gesehen werden sollte. Üblicherweise wird in der betriebswirtschaftlichen Praxis ausschließlich die negative Abweichung von einem Referenzgewinn als Risiko verstanden (Mao, 1970; Loearek-Junge & Büch, 2004),
Vor allem durch die Arbeit von Markowitz (1952) sind Varianz und Standard- abweiehung traditionelle Risikomaße, Er empfiehlt, ein Investor solle den (erwarteten) Ertrag als wünschenswert und die Abweichung von diesem Wert - die Varianz - als nicht wünschenswert ansehen (Markowitz, 1952),
Die Varianz lässt sieh wie folgt formal darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Varianz σ2 gibt die mittlere quadrierte Abweichung vom Erwartungswert E(X) an. Es wird also für jede Ausprägung x der Unterschied zum Erwartungswert gemessen, quadriert[9] und daraus der Mittelwert gebildet. Die Wurzel aus der Varianz ist die Standardabweichung[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](Baule, 2004, S, 16), Diese ist in der Literatur oft auch parallel zur Volatilität, also Sehwankungsbreite, zu finden (Kürsten & Straßberger, 2004; Szegoe, 2004, S, 25), Das Hauptproblem bei der Nutzung der zentralen Momente als Risikomaße liegt in der Notwendigkeit einer symmetrischen Verteilung, Oftmals weisen der Finanz- und Versicherungsbereich jedoch fette Verteilungsenden oder andere Asymmetrien auf (Albrecht, 2003; Baule, 2004, S, 17), Diese führen zu Verzerrungen, da eben nicht ausschließlich Abweichungen nach unten sondern alle Abweichungen vom Erwartungswert gemessen werden. Des weiteren verstoßen die Varianz σ2 bzw,
[...]
[1] Ein Zinsswap ist ein Tausch von festen und variablen Zinsverpflichtungen auf zwei nominellen Kapitalbeträgen für einen festgelegten Zeitraum.
[2] EBezüglich Kritik an kohärenten Risikomaßen siehe Goovaerts et al. (2001, 2003), Barbosa
[3] Ferreira (2004) und Albrecht (2003). In dieser Arbeit soll darauf nicht sehr detailliert eingegangen werden, da trotz einiger Kritikpunkte eine allgemeine Akzeptanz gegenüber den folgenden Axiomen vorherrscht.
[4] im Investmentkontext (Albrecht, 2003)
[5] im Versicherungskontext (Albrecht, 2003)
[6] Für weitere Beispiele bezüglich der Wichtigkeit der Subadditivität siehe ebenfalls Artzner et al. (1999).
[7] Für diese Beispiele siehe Rootzên & Klüppelberg (1999), Yamai & Yoshiba (2002) und Goovaerts et al. (2003).
[8] Siehe hierzu auch Albrecht (2003).
[9] Das Quadrieren verhindert, dass sich beim darauf folgenden Aufsummieren positive und negative Abweichungen gegenseitig eliminieren.
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