Die heutige Fertigungstechnik ist durch hohe Bearbeitungsgeschwindigkeiten und –genauigkeiten geprägt. Der Einsatz der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung leistet heute einen wichtigen Beitrag zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Moderne Produktionseinrichtungen sind mit schnellen, leistungsfähigen Werkzeugmaschinen und Komponenten, wie Motorspindeln als auch Hochleistungswerkzeugen und –schneidstoffen, ausgerüstet. Sie nutzen die enormen Fortschritte im Bereich der Automatisierungstechnik, um die Produktivität unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte weiter zu erhöhen.
Die hohe Bearbeitungsgeschwindigkeit führt zu hohem Verschleiß bzw. zu hoher Belastung von Werkzeug und Maschine und verlangt vielfältige Maßnahmen zur Prozessüberwachung und –regelung, Diagnose und Instandhaltung, um Störungen und Ausfälle möglichst zu vermeiden.
Um das Ziel einer hohen Produktivität zu erreichen, müssen die Maschinenstillstandzeiten minimiert und eine hohe Prozesssicherheit während der beaufsichtigten und unbeaufsichtigten Bearbeitung erreicht werden.
Die zu überwachenden Vorgänge können sich zum einen auf den Prozess und zum anderen auf die Maschine beziehen. Aus diesem Grund müssen sowohl der Prozess, d. h. Werkzeug und Werkstück, als auch wichtige Maschinenkomponenten beobachtet werden[Ver04].
Die Überwachung des Prozesses hat das Ziel, eine möglichst hohe Prozesssicherheit zu gewährleisten. Die Prozesssicherheit beinhaltet, dass die vorgegebene Produktqualität eingehalten und Prozessstörungen (z. B. Werkzeugbruch) verhindert, bzw. beseitigt werden [Wec01].
Dennoch sind derzeit nur ca. 10% der Maschinen mit Überwachungseinrichtungen ausgerüstet. Ursache für die geringe Verbreitung der Systeme sind vor allem die weit vom Zerspanprozess entfernt angebrachten Sensoren und damit verbunden die geringe Zuverlässigkeit der Ereignisinterpretation und das Auslösen von Fehlalarmen. Aber auch die aufwändige Nachrüstung und das Fehlen einheitlicher Schnittstelle zur Maschine und zur Steuerung sind wichtige Gründe für die fehlende Akzeptanz bei den Anwendern[Ada97].
Ziel dieser Arbeit ist den heutigen Stand der Technik bezüglich der Prozessüberwachung mittels Körperschall und des eventuellen Einsatzes von Multifunktionssensoren bei der Zerspanung zu ermitteln.
Inhalt
1 Einleitung
2 Prozessüberwachung in der Zerspanung
3 Aufnahme von Prozessinformationen
4 Körperschall und Acoustic- Emission
4.1 Körperschall
4.2 Schallemission
4.3 Acoustic-Emission
5 Entstehung von akustischer Emission bei der Zerspanung
6 Sensortechnik zur Aufnahme von Körperschall
7 Signalverarbeitung und Signalanalyse
7.1 Methoden zur Signalverarbeitung und Störungsidentifikation
7.2 Signalverarbeitung und Kennwertermittlung
7.3 Kenngrößen und Auswertestrategien zur Analyse der Sensorausgangssignale
8 Analyse von Körperschallsignalen
8.1 Aufnahme und Analyse von Prozessäußerungen
8.2 Analyse gemessener Körperschallsignale im Zeitbereich
8.3 Analyse gemessener Körperschallsignale im Frequenzbereich
8.4 Waveletbasierte Signalanalyse
9 Störungsidentifikation
9.1 Toleranzbänder, Schwellen und Grenzwerte
9.2 Mustererkennungs- und Klassifizierungsverfahren
9.3 Modellbasierte Verfahren
10 Bewertung der Strategien zur Störungsidentifikation
11 Nutzung der Schallemissionsanalyse zur Prozessüberwachung
12 Zukünftige Entwicklungen
12.1 Datenaufnahme
12.2 Datenverarbeitung
12.3 Analyse
12.4 Zusammenführung von Sensoren
13 Zusammenfassung
Literatur
1 Einleitung
Die heutige Fertigungstechnik ist durch hohe Bearbeitungsgeschwindigkeiten und –genauigkeiten geprägt. Der Einsatz der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung leistet heute einen wichtigen Beitrag zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Moderne Produktionseinrichtungen sind mit schnellen, leistungsfähigen Werkzeugmaschinen und Komponenten, wie Motorspindeln als auch Hochleistungswerkzeugen und –schneidstoffen, ausgerüstet. Sie nutzen die enormen Fortschritte im Bereich der Automatisierungstechnik, um die Produktivität unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte weiter zu erhöhen.
Die hohe Bearbeitungsgeschwindigkeit führt zu hohem Verschleiß bzw. zu hoher Belastung von Werkzeug und Maschine und verlangt vielfältige Maßnahmen zur Prozessüberwachung und –regelung, Diagnose und Instandhaltung, um Störungen und Ausfälle möglichst zu vermeiden.
Um das Ziel einer hohen Produktivität zu erreichen, müssen die Maschinenstillstandzeiten minimiert und eine hohe Prozesssicherheit während der beaufsichtigten und unbeaufsichtigten Bearbeitung erreicht werden.
Die zu überwachenden Vorgänge können sich zum einen auf den Prozess und zum anderen auf die Maschine beziehen. Aus diesem Grund müssen sowohl der Prozess, d. h. Werkzeug und Werkstück, als auch wichtige Maschinenkomponenten beobachtet werden[Ver04].
Die Überwachung des Prozesses hat das Ziel, eine möglichst hohe Prozesssicherheit zu gewährleisten. Die Prozesssicherheit beinhaltet, dass die vorgegebene Produktqualität eingehalten und Prozessstörungen (z. B. Werkzeugbruch) verhindert, bzw. beseitigt werden [Wec01].
Dennoch sind derzeit nur ca. 10% der Maschinen mit Überwachungseinrichtungen ausgerüstet. Ursache für die geringe Verbreitung der Systeme sind vor allem die weit vom Zerspanprozess entfernt angebrachten Sensoren und damit verbunden die geringe Zuverlässigkeit der Ereignisinterpretation und das Auslösen von Fehlalarmen. Aber auch die aufwändige Nachrüstung und das Fehlen einheitlicher Schnittstelle zur Maschine und zur Steuerung sind wichtige Gründe für die fehlende Akzeptanz bei den Anwendern[Ada97].
Ziel dieser Arbeit ist den heutigen Stand der Technik bezüglich der Prozessüberwachung mittels Körperschall und des eventuellen Einsatzes von Multifunktionssensoren bei der Zerspanung zu ermitteln.
2 Prozessüberwachung in der Zerspanung
Innerhalb der Prozessüberwachung wird der Prozessablauf aus technologischer Sicht betrachtet. Ziel dabei ist: den Zerspanprozess in einem gewünschten Zustand zu führen.
Die Aufgabe der Überwachung besteht darin, den gegenwärtigen Zustand eines
Prozesses oder Systems zu erfassen, anhand charakteristischer Merkmale mit dem Sollzustand zu vergleichen, unerwünschte oder unerlaubte Zustände zu erkennen und entsprechende Maßnahmen (Alarmmeldung, Abschalten) einzuleiten, um Schäden oder Unfälle zu verhindern. Die Diagnose baut auf der Überwachung auf, wertet Fehlersymptome aus und klassifiziert die Schwere des Fehlers. Ergebnis der Diagnose ist die Kenntnis der Ursache, des Typs, des Ortes und der Größe des Fehlers [Reu01].
Es können folgende Stufen der Überwachung unterschieden werden (Bild 2.1):
- Grenzwert-Überwachung: Direkt messbare Größen werden im Hinblick auf das Überschreiten von Toleranzen geprüft und es werden Alarmmeldungen ausgegeben.
- Automatischer Schutz: Bei gefährlichen Prozesszuständen leitet eine Grenzwertüberschreitung automatisch eine geeignete Gegenmaßnahme ein, um den
Prozess in einen sicheren Zustand zu überführen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.1: Arten von Prozessüberwachung
- Überwachung mit Fehlerdiagnose: Aus messbaren Größen werden Merkmale gerechnet, Symptome erzeugt, eine Fehlerdiagnose durchgeführt und Entscheidungen für Gegenmaßnahmen getroffen.
Zur Störungserkennung müssen dem System Grenzwerte vorgegeben werden, wodurch es in die Lage versetzt wird, einen kritischen oder instabilen System- oder Prozesszustand von einem Stabilen zu unterscheiden (Bild 2.2). Ausgangspunkt für die Güte, mit der aufgetretene Fehler erkannt werden können, ist das vorhandene Wissen über den fehlerfreien Zustand. Das Wissen, wie sich ein Fehler auf den Prozess auswirkt, ermöglicht die Identifikation dieses Fehlers. Die Wissensbasis besteht aus heuristischem und analytischem Wissen und bildet das Fundament einer Diagnose.
Gegenüber der Steuerungsdiagnose, bei der die Funktion einer Vielzahl von Maschinenkomponenten kontrolliert und gegenüber unerlaubten Zuständen überwacht wird, reduziert sich bei der Überwachung von Zerspanprozessen der Aufwand erheblich. Die Überwachung bestimmter Bearbeitungen erfordert nur das Erkennen und Diagnostizieren weniger und in der Regel voneinander unabhängiger Fehler. Der Fehlerort beschränkt sich auf die Zerspanstelle. Somit ergibt sich aus der Fehlererkennung auch die Fehlerdiagnose mit Fehlertyp und -ort, jedoch kann die Fehlerursache noch unbekannt sein. Das bedeutet, dass sich nicht immer eine klare Abgrenzung zwischen Prozessüberwachung und -diagnose ziehen lässt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.2: Störungserkennung
Daraus folgt, dass auch wenn Auswertestrategien die Funktionalität der Überwachung mit Fehlerdiagnose vollständig beinhalten, wird in der Fertigungstechnik der übliche Begriff der Prozessüberwachung verwendet.
Die Signalerfassung bei der Prozessüberwachung kann intermittierend oder kontinuierlich erfolgen (Bild 2.3). Nur eine kontinuierliche, maschineninterne Messung eignet sich für die zeitkritische Aufgabe der Überwachung der Prozesssicherheit von Zerspanprozessen. Während der Hauptzeiten werden größtenteils mit indirekten Messverfahren Prozesssignale erfasst und ausgewertet. Auf erkannte Ereignisse kann schnell reagiert und somit Folgeschäden durch Störungen im Prozess verhindert werden [Ket96, Suw99, Ver04].
In der spanenden Fertigung ist die Kenntnis des Prozesszustands direkt an der Wirkstelle während der Bearbeitung von zentraler Bedeutung. In der Regel ist der Prozesszustand an der Schneide unbekannt. Besonders bei hohen Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeiten fällt einer zuverlässigen Überwachung eine besondere Bedeutung zu [Sch89a]. In der industriellen Praxis werden zur Erhöhung der Ausbringung alle technologischen Möglichkeiten, auch die mit modernen Schneidstoffen einwendbaren Schnittgeschwindigkeiten und Vorschübe, voll genutzt. Dabei werden manchmal auch Grenzen erreicht oder überschritten und erhöhte Störungsrisiken eingegangen [Vöh90, Ver04].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.3: Verfahren zur Prozessüberwachung nach [Jan93, Mic76]
Ziel beim Einsatz der Prozessüberwachung in der spanenden Fertigung ist es, während der Bearbeitung auftretende Störungen wie Kollisionen, Werkzeugbrüche, Werkzeugverschleiß und Prozessinstabilitäten zuverlässig und schnell zu erkennen sowie kritischen Situationen durch geeignete Reaktionen zu begegnen. Damit tragen Überwachungssysteme dazu bei, teure Folgeschäden und damit verbundene Ausfallzeiten der Maschinen zu vermeiden sowie Prozesssicherheit und Fertigungsqualität sicherzustellen. Weiterhin ist eine sichere und zuverlässig arbeitende Prozessüberwachung wesentliche Voraussetzung zur Erhöhung des Automatisierungsgrads und Reduzierung des Personalbedarfs [Reu01, Ver04].
Ein Überwachungssystem beeinflusst einen störungsfreien Bearbeitungsprozess nicht, bei tolerierbaren Fehlern erfolgt eine Fehlermeldung. Zunächst unkritische Prozessabweichungen werden protokolliert ohne den Prozess anzuhalten. Treten kritische Zustände im Zerspanprozess auf, müssen sie automatisch möglichst schnell und richtig erkannt werden und die Maschine muss sofort darauf reagieren [Bro00, Ver04].
Das nächste Bild zeigt die wichtigsten Ziele der Prozessüberwachung (Bild 2.4):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.4: Ziele der Prozessüberwachung [Tön88, Wol95, Ver04, Reh99]
Überwachungssysteme können dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen, indem sie
es ermöglichen die in Bild 2.5 dargestellten häufigsten Störungsarten zuverlässig und
schnell zu erkennen.
Die spanende Fertigung ist durch die Interaktion von Werkzeugmaschine, Werkzeug und Werkstück in einem Bearbeitungsprozess gekennzeichnet. Störungen können von jedem dieser vier Bereiche ausgehen. Zusätzlich hat das Fertigungsumfeld mitunter bedeutenden Einfluss auf das Bearbeitungsergebnis. Neben nicht steuerbaren Einflussfaktoren, wie etwa plötzlichen Temperaturveränderungen in der Umgebung einer Werkzeugmaschine, sind so auch grundsätzlich kontrollierbare Einflüsse, z.B. aus dem Bereich der Bearbeitungsplanung und -Steuerung, häufig Ursache für das Auftreten von Prozessstörungen.
Zur Erhöhung der Funktionalität von Überwachungssystemen kann das frühzeitige Einbeziehen der Einflussfaktoren und Ursachen in die Strategien zur Prozessüberwachung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.5: Arten und Ursachen von Prozessstörungen nach [Reh99]
von großer Bedeutung sein. Viele der bestehenden Systeme weisen an dieser Stelle Defizite
auf. Sie sind im Falle von Störungsmeldungen des Überwachungsgeräts nicht in der Lage, weitreichende Plausibilitätskontrollen durchzuführen, um die Gefahr von Fehlalarmen
zu verringern oder angepasste Reaktionen einzuleiten [Reh99].
Mit kommerziellen Systemen ist es heute möglich, einige der Störungsarten zuverlässig zu erkennen. Hierbei handelt es sich in der Regel um Sensorbasierte Systeme, die als Zusatzbaugruppen in Verbindung mit beliebigen Steuerungen und Maschinen eingesetzt werden können [Bro00, Ver04].
Bild 2.6 zeigt verschiedene aktuelle Entwicklungstendenzen auf dem Sektor der Prozessüberwachung in der spanenden Fertigung. Die unterschiedlichen hier aufgeführten
Aspekte, die von der Verbesserung der Sensorik und Erhöhung der Funktionalität über
einfache Bedienbarkeit bis zur Reduzierung der Systemkosten reichen, entstammen in
der Regel Forderungen von Systemanwendern und deuten an, welche Maßnahmen zu
einer Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten von Prozessüberwachungsgeräten führen
können.
Dabei wird von einem "idealen" Überwachungssystem erwartet, möglichst alle Systembestandteile und Handlungsabläufe, die zur Prozessüberwachung benötigt werden, maschinennah in die Produktionsabläufe einzubinden. Verlangt werden benutzerfreundliche und vom Endanwender in der Produktion als Komplettsystem zu nutzende Bearbeitungsmaschinen mit eingebundenen Überwachungsfunktionalitäten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.6: Anforderungen an Überwachungssysteme [Reh99]
Durch funktionssichere, nicht störungsanfällige und wirtschaftliche Überwachungssysteme soll eine Steigerung der Zielgrößen Prozesssicherheit und Produktivität in der spanenden Fertigung erzielt werden. Diese vielfach verkündeten Ansprüche an Überwachungssysteme implizieren jedoch für sich betrachtet häufig Lösungen, die zum großen Teil nur schwer zu kombinieren sind [Reh99].
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Prozessüberwachungssysteme für eine Vielzahl
von Fertigungsprozessen unter Variation von Werkzeugen und Schneidstoffen, Werkstoffen und Werkstückgeometrien auf verschiedenen Werkzeugmaschinen einsatzfähig sein müssen, wird eine umfassende Erfüllung der in Bild 2.6 beschriebenen Forderungen
äußerst schwierig. Für eine flexible online-Prozessüberwachung bei der Fertigung kleiner
und mittlerer Losgrößen, die Gegenstand dieser Arbeit ist, trifft dies umso mehr zu. Bezüglich der Auswahl geeigneter Überwachungsmethoden für das Störungsmanagement der APZ ergeben sich daher ähnliche Zielkonflikte, deren Lösung ein Schwerpunkt dieser Arbeit ist [Reh99].
Die Recherchen orientieren sich am Aufbau einer konventionellen Messkette für eine prozessbegleitende, sensorgestützte Prozessüberwachung (Bild 1.7). Ausgehend von der Auswahl und Applikation von Sensoren zur Aufnahme relevanter Prozessäußerungen, werden Methoden zur Signalverarbeitung und Störungsindentifikation diskutiert [Reu01].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2.7: Komponenten und Methoden zur Prozessüberwachung
3 Aufnahme von Prozessinformationen
Die Prozessüberwachung in der spanenden Fertigung nutzt im Allgemeinen Sensoren, die physikalische Größen wie Kräfte, Temperaturen oder Acoustic-Emission Signale während des Bearbeitungsprozesses aufnehmen und in eine elektrische Spannung wandeln. Für einen spezifischen Anwendungsfall sind dazu geeignete Messprinzipien und Sensoren auszuwählen und an der Werkzeugmaschine zu applizieren (Bild 3.1).
Eine praktische Anwendung der Temperaturmessung im Bereich der Prozessüberwachung ist trotz verschiedener Forschungsansätze derzeit nicht bekannt. Die zuverlässige Erfassung und Auswertung der Temperaturen ist messtechnisch aufgrund zeitlich und örtlich sehr hoher Temperaturgradienten im Bereich der Zerspanstelle schwierig. Beschleunigung- und Antriebsstrommessung stellen aufgrund der Komplexität des Zerspanprozesses keine zuverlässige Möglichkeit für eine praxistaugliche Überwachung dar.
Somit verbleiben die auftretenden Zerspankräfte (bzw. Kraftkorrelierende Signale) und der im Prozess generierte Körperschall bzw. das Acoustic-Emission Signal als nutzbare Prozessgrößen [Reu01].
Eine besonders genaue und zuverlässige Möglichkeit der Kraftmessung bietet der Einsatz von
piezoelektrischen Dynamometern, die sich durch einen großen Messbereich und eine hohe
Steifigkeit auszeichnen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 3.1: Aufnahme von Sensorsignalen [Reu01]
Durch direkt im Kraftfluss befindliche piezoelektrische Messquarze wird dabei eine sehr empfindliche Messung der Kräfte realisiert. In bestehenden Lösungen sind die Kraftmesselemente entweder tischseitig in eine Messplattform integriert, oder werkzeugseitig in ein mitrotierendes Dynamometer eingesetzt, das beim Bohren und Fräsen zwischen dem Werkzeug und der Werkzeugaufnahme angeordnet ist ( Bild 3.2). In beiden Fällen werden die Zerspankräfte in drei Komponenten gemessen. Bei der Messung im mitrotierenden Koordinatensystem werden die Signale telemetrisch auf einen Stator übertragen. In der industriellen Praxis sind diese Lösungen zur direkten Kraftmessung vor allem aufgrund der hohen Kosten, des erforderlichen Aufwands zur Sensormontage und der fehlenden Überlastsicherheit wenig verbreitet. Häufiger eingesetzt werden Methoden zur indirekten Kraftmessung, bei denen die Sensoren im Kraftnebenschluss montiert sind. Beispiele für speziell auf den Einbau in Werkzeugmaschinen ausgelegte Lösungen sind Kraftmessringe und Kraftmessplatten die zur Messung der Zerspankräfte mit Piezoelementen oder Dehnungsmessstreifen bestückt sind. An Fräsmaschinen oder Bearbeitungszentren erfolgt der Einbau von Kraftmessringen meist am Spindelflansch (Bild 3.2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 3.2: Möglichkeiten zur Messung von Kräften oder kraftkorrelierenden Signalen in einem Bearbeitungszentrum [Reu01]
Durch thermische Dehnungen des Spindelgehäuses und durch das Übersprechen einzelner Messelemente kann es dabei zu Messfehlern kommen [Män00, Reu01].
Weitere Sensoren zur Kraftmessung sind Kraftmessdübel, Kraftmesskeile und Dehnungsaufnehmer, die Verformungen und Verlagerungen der Maschinenstruktur aufgrund der auftretenden Zerspankräfte messen. Da die Messstelle für eine funktionierende Kraftmessung eine ausreichende Dehnung aufweisen muss, eignen sich diese Messelemente nur bedingt für die Aufnahme der geringen Bearbeitungskräfte [Reu01].
4 Körperschall und Acoustic- Emission
Die Analyse der durch den Prozess entstehenden Maschinenschwingungen und die Auswertung des bei der Zerspanung generierten Acoustic-Emission-Signals bieten viele Möglichkeiten zur Prozessüberwachung wie z.B. Identifizierung von Prozessstörungen (Kollision, Werkzeugbruch, Werkzeugverschleiß) [Ket96, Reu01]
Die im Zusammenhang mit diesen Prozessäußerungen verwendeten Begriffe Körperschall, Schallemission und Acoustic-Emission werden in der Praxis oft nicht klar voneinander getrennt und teilweise synonym verwendet. Ketteler [Ket96] grenzt daher die Terminologien und zugrunde liegenden Phänomene voneinander ab.
4.1 Körperschall
Körperschall bezeichnet im Allgemeinen die wellenförmige Ausbreitung von mechanischen Schwingungen in einem Festkörper. Da in Festkörpern, im Gegensatz zu Gasen und Flüssigkeiten, auch Schubspannungen übertragen werden können, treten neben Longitudinalwellen auch Schub-, Biege- und Torsionsschwingungen auf. An der Oberfläche eines Festkörpers lassen sich diese Schwingungen mit elektromechanischen Wandlern erfassen. Der am häufigsten verwendete Sensortyp ist der Piezo-Sensor. Er ist verhältnismäßig günstig, robust und einfach zu handhaben. Bei der Schallausbreitung im Werkstück kommt es aufgrund der geometrischen Begrenzung und Inhomogenitäten zu Effekten wie Brechung, Streuung, Reflexion und Dämpfung, die eine Detektierung erschweren. Diese Effekte müssen bei der Wahl des Anbringungsortes und der Sensorankopplung berücksichtigt werden.
Körperschall entsteht durch sprunghafte, irreversible Zustandsänderungen im Mikrobereich, ähnlich dem Wandern von Versetzungen, Reibung und Rissfortschritten. Der Ausgangspunkt für diese Zustandsänderungen ist eine steigende Belastung des Werkstoffs, die in Form von elastischer Deformation als potentielle Energie im Körper gespeichert wird. Bei lokalem Überschreiten bestimmter Spannungsgrenzen treten sprunghafte Übergänge in neue Gleichgewichtszustände geringerer potentieller Energie auf. Die freigesetzte Energie breitet sich in Form elastischer Wellen aus und wird schließlich als Schallimpuls an die Umgebung weitergegeben. Die Intensität der gesamten Emission ist dabei lastabhängig. Nach Vorbelastung, Entlastung und Wiederbelastung tritt Schallemission erst wieder nach Überschreiten der früheren Höchstbelastung auf (Kaiser –Effekt) [Kole80a, Män00].
4.2 Schallemission
Als Schallemissionen oder akustische Emissionen werden Vorgänge bezeichnet, bei denen feste Körper unter mechanischer Belastung Schallsignale aussenden. Diese treten zum Teil schon auf, bevor irreversible Prozesse makroskopisch nachweisbar sind. Systematische Untersuchungen im Hinblick auf deren Aussagekraft und technischen Verwertbarkeit wurden erstmalig von Kaiser durchgeführt. Dabei und in weiterer Folge ließ sich Schallemission mit Frequenzen bis weit in den Ultraschallbereich für viele technisch genutzte Werkstoffe nachweisen [Män00].
4.3 Acoustic-Emission
Als Begriffsdefinition von Acoustic- Emission (AE) wird in vielen Literaturquellen global die Bezeichnung „Schallemission“ oder „Körperschall“ verwendet. Nach Schehl und Ketteler werden alle Schallwellen, die mit Hilfe entsprechender Sensoren im Frequenzbereich von etwa 50 kHz bis über 1 MHz gemessen werden, unter dem Begriff Acoustic- Emission zusammengefasst [Sche91, Kett 96]. Dabei kann auf die Ursache des Entstehens dieser Wellen nicht mehr unmittelbar geschlossen werden, was aber aufgrund der Tatsache, dass bei Metallzerspanung sowohl Körperschall als auch Schallemission entstehen und beide Signalarten mittels Körperschalleitung übertragen werden, keine Auswirkungen auf die Prozessüberwachung bei der Zerspanung hat [Reh99].
5 Entstehung von akustischer Emission bei der Zerspanung
Während der Zerspanung werden viele unterschiedliche Signale erzeugt. AE-Signale sind die erzeugten, im festen Körper weitergeleiteten Signale. Sie bestehen aus kontinuierlichen und impulsförmigen Signalen, den so genannten Bursts. Bild 5.1 zeigt zwei Möglichkeiten auf, AE-Signale darzustellen. Auch ohne Kontakt des Werkzeuges mit dem Werkstück kann beobachtet werden, dass impulsförmige Störeinflüsse (Bursts) das kontinuierliche Signal des AE-Rohsignals überlagern. Durch eine zeitliche Mittelwertbildung (Effektivwert oder RMS) können diese Störimpulse jedoch eliminiert werden. Durch diese Art von Signalstörungen kann die Darstellung der Ergebnisse verfälscht werden, wobei die Häufigkeit der Burst- Signale das Maß der Abweichung bestimmt [Män00].
In Bild 5.2 sind alle relevanten Quellen der Schallentstehung bei der Zerspanung mit geometrisch bestimmter Schneide aufgezeigt. Vornehmlich werden AE-Signale in der primären (plastische Verformung in der Scherzone), sekundären (plastische Verformung an der Spanunterseite, Reibung zwischen Span und Spanfläche) sowie tertiären Scherzone (plastische Verformung der Werkstückrandzone sowie Reibung zwischen Freifläche und Werkstück) generiert [Män00].
[...]
- Quote paper
- Andriy Panchenko (Author), 2006, Prozessüberwachung mit Körperschall in der Zerspanung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67392
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