„Paxsit christiana, universalis, perpetua …“ Der mit diesen Worten eingeleitete westfälische Friedensvertrag vom 24. Oktober 1648 markierte nicht nur das Ende des Dreißigjährigen Krieges im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, sondern auch die Entscheidung des dualistisch geprägten Konfliktes im Reich zwischen Ständen und Kaisertum zugunsten der Stände. Die Auseinandersetzungen der Stände auf der einen Seite und des Kaisers auf der anderen hatten schon lange vor Kriegsausbruch begonnen und waren dann in der Folge des böhmischen Aufstandes eskaliert.
Die vorliegende Arbeit soll die Versuche und den Spielraum der kaiserlichen Politik, die zentrale Gewalt des Kaisertums zu stärken und dessen Privilegien auszuweiten, untersuchen Diese Politik des Kaisers soll aber nicht als Versuch der Etablierung eines Reichsabsolutismus gesehen werden. Gegen solche Tendenzen spricht sich die Forschung klar aus. Das Denken war bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges immer noch vom universalen Anspruch der Monarchie geprägt. Im Falle der Habsburger war es nicht ein Herrscher, sondern die Dynastie, die Casa d’Austria, die die Universalgewalt beanspruchte. Dieser Anspruch kann nicht außen vor gelassen werden, da der Kaiser während des Krieges und vor allem bei den Friedensverhandlungen nicht unabhängig seinen erbländischen oder seinen Reichsinteressen nachgehen konnte, sondern sein Spielraum durch dynastische Verpflichtungen gegenüber der spanischen Linie der Casa d’ Austria eingeschränkt war.
Die kaiserliche Politik kann man natürlich nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation betrachten. Dazu sollen drei Ereignisse des Krieges herausgegriffen werden, die als Zäsuren gelten: Der Höhepunkt der kaiserlichen Machtstellung, der durch den Erlass des Restitutionsedikts Kaiser Ferdinands II. markiert wird. Eine weitere Zäsur des Kriegsverlaufs ist der Prager Frieden zwischen Kursachsen und dem Kaiser von 1635. Dort wurde nochmals versucht, das Reich neu zu organisieren und das Verhältnis von Kaiser und Ständen, besonders in Bezug auf die Militärorganisation neu auszutarieren.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. 1 Das Restitutionsedikt
I.2 Absichten und Ziele der kaiserlichen Seite bei Erlass des Restitutionsediktes
I.3 Wirkungen des Restitutionsediktes
II.1 Der Weg zum Prager Frieden
II.2 Die Ziele der kaiserlichen Seite
II.3 Der Friedensvertrag
II.4 Beurteilung des Prager Friedensvertrages
II.5 Das Scheitern des Friedens
III.1 Der Weg nach Münster und Osnabrück
III.2 Die Zulassung der Reichsstände zum Friedenskongress und die Vollmachten für Trauttmansdorff
III.3 Die Friedensverträge von Münster und Osnabrück
III.4 Die Bilanz des Kaisers nach dem Friedensschluss
Schluss
Literaturverzeichnis:
Einleitung
„Pax sit christiana, universalis, perpetua …“[1] Der mit diesen Worten eingeleitete westfälische Friedensvertrag vom 24. Oktober 1648 markierte nicht nur das Ende des Dreißigjährigen Krieges im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, sondern auch die Entscheidung des dualistisch geprägten Konfliktes im Reich zwischen Ständen und Kaisertum zugunsten der Stände. Die Auseinandersetzungen der Stände auf der einen Seite und des Kaisers auf der anderen hatten schon lange vor Kriegsausbruch begonnen und waren dann in der Folge des böhmischen Aufstandes eskaliert.
Die vorliegende Arbeit soll die Versuche und den Spielraum der kaiserlichen Politik, die zentrale Gewalt des Kaisertums zu stärken und dessen Privilegien auszuweiten, untersuchen Diese Politik des Kaisers soll aber nicht als Versuch der Etablierung eines Reichs-absolutismus gesehen werden. Gegen solche Tendenzen spricht sich die Forschung klar aus.[2] Das Denken war bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges immer noch vom universalen Anspruch der Monarchie geprägt.[3] Im Falle der Habsburger war es nicht ein Herrscher, sondern die Dynastie, die Casa d’Austria, die die Universalgewalt beanspruchte. Dieser Anspruch kann nicht außen vor gelassen werden, da der Kaiser während des Krieges und vor allem bei den Friedensverhandlungen nicht unabhängig seinen erbländischen oder seinen Reichsinteressen nachgehen konnte, sondern sein Spielraum durch dynastische Verpflichtungen gegenüber der spanischen Linie der Casa d’ Austria eingeschränkt war.
Die kaiserliche Politik kann man natürlich nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation betrachten. Dazu sollen drei Ereignisse des Krieges herausgegriffen werden, die als Zäsuren gelten: Der Höhepunkt der kaiserlichen Machtstellung, der durch den Erlass des Restitutionsedikts Kaiser Ferdinands II. markiert wird. Eine weitere Zäsur des Kriegsverlaufs ist der Prager Frieden zwischen Kursachsen und dem Kaiser von 1635. Dort wurde nochmals versucht, das Reich neu zu organisieren und das Verhältnis von Kaiser und Ständen, besonders in Bezug auf die Militärorganisation neu auszutarieren. Mit der militärischen Niederlage des Kaisers, der gezwungen war Frieden zu schließen, wurde die „westfälische“ Regelung der Reichsverfassung und damit das Verhältnis von Kaiser und Reichsständen festgelegt. Diese sollte bis zum Ende des alten Reiches 1806 in Kraft bleiben. Natürlich kann man in Bezug auf den westfälischen Friedenskongress nicht mehr von einer Stärkung des Kaisertums sprechen. Dort war oberstes Ziel der Politik, angesichts der hoffnungslosen Kriegslage so wenig wie möglich an Rechten und Privilegien aus der Hand zu geben. Der Beginn des Krieges mit der Niederschlagung des böhmischen Ständeaufstandes und der Eroberung der Kurpfalz soll hier außen vor gelassen werden. Ebenso soll der Kriegsverlauf zwischen den ausgewählten Ereignissen nur kurz skizziert werden.
I. 1 Das Restitutionsedikt
Die Forderung der katholischen Partei im Reich nach Restitution, also Zurückgabe der nord- und mitteldeutschen Stifter und Klöster, welche seit dem Passauer Vertrag von 1552 beziehungsweise dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 säkularisiert wurden, bestand schon lange und wurde vehement vertreten.[4] Der Reichstagsabschied von 1555, der sog. Augsburger Religionsfrieden enthielt in § 18 den strittigen geistlichen Vorbehalt, welcher besagte, dass „…wo ein Ertz-Bischoff, Bischoff, Prälat oder ein anderer geistlichen Standes von unser alten Religion abtretten würde, dass derselbig sein Ertz-Bistumb, Bistumbe, Prälatur und andere Beneficia, auch damit alle Frucht und Einkommen… verlassen [würde]…“[5] Das entsprechende Kapitel hatte danach einen altgläubigen Nachfolger zu wählen. Allerdings hatten die Protestanten diesem nicht zugestimmt und fühlten sich so in der Folgezeit auch nicht daran gebunden. So kam es auch erst nach 1555 zum Höhepunkt der Säkularisierung von Bistümern und Stiftern. In Sachsen wurden beispielsweise Naumburg, Merseburg und Meißen, in Norddeutschland das Erzbistum Bremen, und die Bistümer Verden, Lübeck, Schwerin, Kammin, Halberstadt, Minden und Ratzeburg nach 1555 säkularisiert.
Deren neue Reichsfürsten waren aber auf dem Reichstag nicht zugelassen, was eine protestantische Mehrheit im Fürstenrat unmöglich machte.[6] Der Augsburger Religionsfrieden, der diese Fragen normativ regeln sollte, war in einigen Punkten nicht eindeutig und wurde in der Folgezeit von beiden Seiten in ihrem Sinne ausgelegt. Diese strittigen Punkte führten im Vorfeld des Krieges zur Lähmung der Reichsorgane Reichstag und Reichskammergericht.
Erst die Siege Tillys und Wallensteins und die Besetzung fast ganz Norddeutschlands und Jütlands im Jahre 1626 änderten die Lage dahingehend, dass eine Umsetzung der katholischen Forderungen in den Bereich des Möglichen rückte. Und wie Ferdinand II. auf dem Kurfürstentag in Mühlhausen 1627 erläuterte, wolle er eine solche Möglichkeit auf keinen Fall verstreichen lassen.[7] Seit Jahrhunderten hatte ein Kaiser keine solche Machtstellung im traditionell kaiserfernen Norddeutschland mehr inne wie Ferdinand II. 1629.[8] Die fremden Mächte waren zu diesem Zeitpunkt weitgehend aus dem Reich verdrängt worden und auch im Innern gab es keinen ernsthaften Gegner mehr. Der Weg zur Wiedergewinnung von Bistümern und Stiftern durch Prozesse und Versuche das Kapitel vor einer Neuwahl einzuschüchtern war lange, umständlich und auch unsicher. So konnte sich noch 1628 in Magdeburg ein sächsischer Prinz gegen den Kaisersohn durchsetzen.[9] Von katholischer Seite wurde eine generelle Restitution aller seit dem Passauer Vertrag entfremdeten Güter gefordert,[10] besonders aber auch vom bayerischen Kurfürsten Maximilian I.[11]
So erließ Ferdinand II. am 6. März 1629 aus kaiserlicher „Machtvollkommenheit“ das Restitutionsedikt. Es erklärt einmal mehr, dass „Anfang und Brunnenquell ursprünglich…die laidige Spaltung der Religion gewesen…“[12] Vor den eigentlichen Bestimmungen wird noch einmal in drei Punkten die Auslegung des Augsburger Religionsfriedens vorgenommen: Der Einzug geistlichen Besitzes der Katholiken durch Protestanten wird als nicht konform mit den Bestimmungen des Religionsfriedens dargestellt: „…ihre Klöster und Geistliche Güter[die der Protestanten]/ deren sie zu Zeit deß Passawischen Vertrages oder seithero in Besitz gewesen/ [wurden]gegen den klaren Inhalt des Religions-friedens eingezogen…“[13] Des Weiteren wird noch einmal der geistliche Vorbehalt in der katholischen Interpretation bekräftigt, an dessen „undisputirlichen Buchstaben“[14] sich die kaiserliche Seite halten will. Im dritten Punkt wird noch einmal das so genannte ius reformandi des Landesherrn bekräftigt sowie das Verbot des „Auslaufens“ der Untertanen katholischer Herren zu „andere[n] Predigten und Exercitia“[15]
Das Restitutionsedikt gesteht den Protestanten jene mittelbaren Stifter und Klöster zu, die „…von den Augspurgischen Confessions=Verwandten Ständen noch vor dem Passawischen Vertrag eingezogen worden/ ihnen den Augspurgischen Confessionsverwandten bleiben/ und derwegen weiter nicht mehr sollen angefochten werden.“[16] Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass alle später eingezogenen Güter restituiert werden mussten.
Für die reichsunmittelbaren geistlichen Güter, welche nach katholischer Auffassung wider den geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens reformiert wurden, verfügt das Edikt, dass „jenige[n] aber so dergleichen Erz- und Bistumber/ Praelaturn/ Klöster/ Hospitalia, Pfründen/…inhaben…zu abtrettung und Restituirung solcher Bistumb/ Praelaturn…[sich] gefast halten/…“[17]
Schließlich legt das Restitutionsedikt den Begriff Augsburger Konfession sehr eng aus und bezeichnet den Frieden nur für diejenigen Protestanten als gültig, die sich zur Confessio augustana invariata von 1539 bekennen.[18] Das schloss die Calvinisten aus und stellte sie quasi in eine Ecke mit einer Sekte.
I.2 Absichten und Ziele der kaiserlichen Seite bei Erlass des Restitutionsediktes
Was waren nun die weitergehenden Absichten, die hinter dem Edikt steckten? Zum einen stand natürlich der Gedanke des Ausbaus und der Festigung der kaiserlichen Machtposition und damit gleichzeitig der Schwächung der protestantischen Position in Nord- und Mittel- deutschland dahinter. Denn die restituierten Bistümer wären nicht nur geistlich, sondern auch politisch wiedererstanden, was zu einer beträchtlichen Vergrößerung der kaiserlichen Klientel aber auch zur Mehrung der Katholischen Stimmen auf dem Reichstag geführt hätte.[19] Man kann durchaus von einem Versuch sprechen, das Reich in eine Form zu bringen, die mehr monarchische Züge aufwies als bisher.[20] Da hohe kirchliche Würden „Versorgungsein-richtungen“ für nachgeborene Söhne des Adels darstellten, hatte der Kaiser auch die Mög-lichkeit Mitglieder des Hauses Habsburg in entsprechende Positionen zu bringen und so Politik in seinem Sinne umzusetzen.[21] So erhielt der Sohn des Kaisers die Erzbistümer Bremen und Magdeburg und das Bistum Halberstadt.[22]
Aber auch die religiösen Motive Ferdinands II. sollten nicht unterschätzt werden. Der von Zeitgenossen als „Cattolichissimo“ und „prencipe santo“ bezeichnete, bei den Jesuiten erzogene Monarch sah es als unabdingbar für sein persönliches Seelenheil an, seine Untertanen zum rechten Glauben zurückzuführen.[23] Darüber hinaus hatte er während des Krieges ein noch stärkeres Sendungsbewusstsein entwickelt und erwartete besonderen göttlichen Beistand bei der Bekämpfung der Häresie.[24] Dieser Glaube, die göttliche Unterstützung zu haben, bestätigt durch die Siege der Jahre 1626 und 1627, trug sicher auch seinen Teil zum Erlass des Edikts bei. Um die kaiserliche Aktion zu verstehen muss man sehen, dass die katholische Seite „after a long and virtually unbroken series of victories on the battlefields of central Europe“[25] nicht an einen Umschwung der allgemeinen militärischen Lage glaubte. Aber nur der Erfolg der kaiserlichen Waffen machte eine Realisierung des Ediktes möglich. Denn seine Bestimmungen rührten vielfach an der Substanz der Protestantischen Territorien und ebenso an den Einkünften seiner Landesfürsten.[26] Beispielsweise hätte das Herzogtum Württemberg 14 Mönchs- und 36 Nonnenklöster restituieren sollen.[27] Die Fernziele der kaiserlich-katholischen Seite gingen wohl noch weiter, und das Restitutionsedikt war nur der erste Schritt. Zum Beispiel forderte der Jesuit Paul Laymann in seinem Traktat Pacis compositio die Restitution des gesamten säkularisierten Kirchengutes.[28]
Die Kompetenz des Kaisers Gesetze beziehungsweise Gesetzesinterpretationen ohne die ständische Mitwirkung in Form eines Reichstags zu erlassen war damals schon von Juristen umstritten.[29] Im Vergleich zur bisherigen Gesetzgebung, die nur im Konsens von Kaiser und Reichstag realisiert werden konnte, war sein Erlass allerdings revolutionär.[30] Das Edikt bedeutete einen gewaltigen Schub für die kaiserliche Autorität und einen Angriff auf die ständische Libertät. Der Kaiser lies das Edikt (soweit es umgesetzt wurde) aus eigener Autorität durchführen und bediente sich des Reichhofrates, derjenigen Reichsbehörde, die außerhalb des ständischen Einflusses lag.[31] Die Ausführenden waren vom Kaiser eingesetzte Kommissionen, die von den Truppen Tillys und Wallensteins bei Bedarf unterstützt wurden.[32] Auch dies markiert einen Akt der Kompetenzüberschreitung des Kaisers: galt doch bisher die Ausführung von Gesetzen als Zeichen der Souveränität der Stände.[33] Heckel sieht das Edikt als Beginn einer Entwicklung an, die schlussendlich die Reichsverfassung mit ihrem Basieren auf Konsens zwischen Kaiser und Reichsständen sprengen sollte. Die kaiserliche Macht sollte auf Kosten der ständischen Libertät ausgedehnt werden.
Schon kam im Reichshofrat, dem Organ dass die Tendenzen der Wiener Politik wohl am treffendsten wiedergibt, die Diskussion auf, ob man den Bekennern der Konkordienformel von 1580 den Schutz des Religionsfriedens entziehen könnte, indem man diesen eng auslegte und nur den Bekennern der confessio augustana invariata von 1530 den Schutz gewähre.[34] Damit wäre aber auch der Religionsfrieden an sich, der dem Reichsverband die letzten 70 Jahre als Grundkonsens gedient hatte, gesprengt worden.
I.3 Wirkungen des Restitutionsediktes
Um die Wirkung des Restitutionsediktes auf die protestantischen aber auch auf die katholischen Reichsstände zu verstehen, muss man sich noch einmal das Vorgehen des Kaisers nach der Niederschlagung des Aufstandes in Böhmen vor Augen führen. Dort waren nicht nur umfangreiche Güterkonfiskationen vorgenommen worden, sondern das ganze Land war gewaltsam rekatholisiert worden, die Kirchengüter restituiert und mit der Ausnahme des Steuergenehmigungsrechts alle ständischen Privilegien abgeschafft worden.[35] Die böhmi-schen Vorgänge verkörperten die Angst der Reichsstände: die Angst der Protestanten um ihren Glauben und ihre Libertät, die Angst der Katholiken um ihre reichsständische Privilegien und Freiheiten. Nun spürten die Reichsstände den Beginn einer ähnlichen Entwicklung im Reich. Die Reaktion der Stände auf die kaiserlichen Erfolge und das Restitutionsedikt bekam Ferdinand II. auf dem Kurfürstentag 1630 in Regensburg zu spüren. Bireley bezeichnet die Rolle des Edikts folgendermaßen: „The Edict was the most important issue at Regensburg even though it was not on the formal agenda.”[36] Ein wichtiges Ziel des Kaisers war es, die Wahl seines gleichnamigen Sohnes zum römischen König zu erreichen. Eine so genannte vivente-imperatore Wahl war in der Vergangenheit nichts Ungewöhnliches gewesen. Im Gegenteil, sie half sogar, ein Machtvakuum nach dem Tode eines Kaisers zu verhindern.[37]
Nun waren aber die protestantischen Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg aus Verärgerung über das Restitutionsedikt persönlich gar nicht erst erschienen.[38] Zunächst standen die heftigen Klagen der Kurfürsten über Wallenstein im Mittelpunkt. Den Kurfürsten missfiel seine Ernennung zum Herzog von Mecklenburg, ebenso wie seine Ernennung zum „General des Oceanischen und baltischen Meeres“. Des Weiteren beklagten sie sich heftig über seine Kontributionspolitik zur Finanzierung und Unterhaltung seines riesigen Heeres. Der Kaiser wollte vom Restitutionsedikt keinesfalls abweichen, da er seine Ausführung als unabdingbar für sein Seelenheil ansah.[39] Da er aber die Wahl seines Sohnes vorantreiben wollte, schließlich sei die Sukzession, so Reichsvizekanzler von Strahlendorf, das oberste Ziel des Wiener Hofes[40], stimmte Ferdinand II. schließlich der Absetzung Wallensteins zu, da er eine geschlossene Opposition der Kurfürsten gegen Wien noch mehr fürchtete[41]. Die Kurfürsten benötigte er, der geradezu besessen war von der Wahl seines Sohnes,[42] um diesem die Kaiserwürde zu verschaffen. Nun glaubte der Kaiser die kurfürstlichen Stimmen für seinen Sohn sicher inne zu haben. Allerdings lehnte Herzog Johann Georg von Sachsen die Wahl ab, denn diese wäre „nur aus furcht, metu armorum und wegen dieser großen kriegsgewalt erfolget und per arma behauptet worden.“[43] Ebenso lehnten Brandenburg und die katholischen Kurfürsten ab. Die Veränderung im Machtgleichgewicht zwischen Ständen und Kaiser im Reich zuungunsten der Stände war der ausschlaggebende Punkt für die Ablehnung der Kurfürsten. Denn dieses Gleichgewicht hatte sich ihrer Meinung nach völlig verschoben und würde sich mit der Umsetzung des Restitutionsediktes noch weiter verschieben. Und so zeigten die Kurfürsten dem Kaiser hier die Grenzen auf und versuchten unter anderem mit der Wahlablehnung jedwede Vergrößerung der kaiserlichen Macht zu verhindern.[44] Die Spielregeln der Wahlmonarchie gaben ihnen das Instrument des Kaiserwahlrechtes in die Hand.
Auch darüber hinaus war der Regensburger Kurfürstentag eine volle Niederlage des Kaisers. Er erhielt nämlich weder die gewünschte Unterstützung im Mantuanischen Erbfolgekrieg, noch Unterstützung der Spanier im Krieg mit den Niederlanden, noch die angestrebte Auflösung der Liga.
Der Kaiser aber war nach dem Kurfürstentag in einer denkbar ungünstigen Position. Erst hatte er mit seinem Restitutionsedikt den gesamten Reichsverband herausgefordert und dann das entscheidende Mittel zur Sicherung seiner derzeitigen Position und zur Durchführung des Restitutionsediktes herausgeben: nämlich Wallenstein und dessen Armee. Aber gerade diese eigene Armee hatte ihn aus der Abhängigkeit der Liga befreit.[45] Was aber noch verhängnisvoller war, war die Fehleinschätzung der erfolgten schwedischen Landung an der Ostseeküste. Denn gerade von dort erwuchs für Reich und Kaiser nun die größte Gefahr.[46]
Außerdem verprellte der Kaiser mit dem Edikt und seiner Unnachgiebigkeit auch noch die verbündeten protestantischen Reichsstände, allen voran Sachsen und Brandenburg, die sich schon ein Jahr später im Leipziger Bund ihrerseits zu einer Allianz zusammenschlossen.[47] Die Strategie des Kaisers, Politik an den Reichsständen vorbei zu betreiben, begann mit der Schaffung einer eigenen Armee und setzte sich im Erlass von Gesetzen Kraft eigener Autorität fort, gefolgt von dem Versuch diese mit Gewalt durchzusetzen. Diese auf kaiserliche Machtausdehnung abzielende Strategie ging nicht auf. Für die Kriegsschauplätze in Italien und den Niederlanden und zur Sicherung der Position in Norddeutschland reichte die kaiserliche Militärmacht alleine nicht aus. Der Kaiser benötigte die Hilfe der Reichsstände und des Ligaheeres. Diese wurde ihm von den sechs wichtigsten Reichsfürsten, die sehr sensibel auf Einschränkungen in ihrer reichsständischen Libertät reagierten, in Regensburg nicht gewährt. Somit war der Ferdinand II. schon mit seiner Reichspolitik gescheitert, bevor die schwedische Invasion die militärische Situation im Reich völlig veränderte.
II.1 Der Weg zum Prager Frieden
Nach der Plünderung und Brandschatzung der protestantischen Stadt Magdeburg durch kaiserliche Truppen, bei der ca. 20.000 Einwohner Magdeburgs ermordet wurden oder verbrannt waren, verbündeten sich Kurbrandenburg und kurz darauf auch Kursachsen mit Schweden. Diese neue Konstellation führte unter anderem zu den Erfolgen der Schweden in den Jahren 1631 und 1632. 1632 eroberten die Schweden große Teile Süddeutschlands und besetzten sogar die bayerische Hauptstadt. Auch die Erblande waren bedroht. Schon im November 1631 hatten sächsische Truppen Prag besetzt.[48] Damit war die Lage der kaiserlich-katholischen Seite so desolat geworden, dass die Rückberufung Wallensteins als der einzige Ausweg erschien. Er erzielte auch erste Erfolge gegen die Schweden. Aber erst der Sieg des Kaisersohnes Ferdinand zusammen mit dem spanischen Kardinal-Infanten gleichen Namens, welcher 15.000 Mann aus Italien mitbrachte, in der Schlacht bei Nördlingen im September 1634 lies die schwedische Position beinahe völlig zusammenbrechen. Die schwedischen Truppen mussten sich wieder bis nach Mecklenburg und Pommern zurückziehen.[49] Es schien, als hätte durch den Zusammenhalt der Casa d’ Austria noch einmal eine Wende herbeigeführt werden können.
II.2 Die Ziele der kaiserlichen Seite
Schon vor dem Nördlinger Sieg hatte sich auf kaiserlicher Seite die Erkenntnis durchgesetzt, dass man ohne ein Abgehen von der völligen Durchsetzung des Restitutionsediktes zu keinem Friedensschluss innerhalb des Reiches kommen konnte. Kursachsen, das nach dem Tode des Schwedenkönigs wieder mehr Handlungsspielraum zu haben glaubte, zeigte sich verhandlungsbereit.[50] Ferdinand II. versprach sich von einem Friedensschluss mit Sachsen, das traditionell die Führungsposition der „gemäßigten“ protestantischen Reichsstände innehatte, eine Art Sogwirkung auf die übrigen protestantischen Reichsstände. Johann Georg nahm sogar für sich in Anspruch im Namen der Protestanten zu verhandeln.[51]
So fanden schon im März und April 1633 Sondierungsgespräche in Leitmeritz statt. Man kam überein, dass es Aussichten auf einen Konsens zwischen Sachsen und dem Kaiser gab und so wurde seit 15. Juni 1634 in Leitmeritz, seit 19. Juli in Pirna verhandelt. Auch die Tatsache, dass der Kaiser sein Vorgehen mit den geistlichen Kurfürsten und Maximilian von Bayern abstimmte,[52] zeigt, dass der Kaiser zumindest wieder im Einklang mit den Kurfürsten handeln wollte.
[...]
[1] Instrumentum Pacis Osnabrugensis. 24. X 1648. Art. I. in: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften/ Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V. durch Konrad Repgen (Hgg.): Friedensverträge mit Frankreich und Schweden. Münster 1998. (ACTA PACIS WESTPHALICAE Serie I, Abt. B, Band 1) Nr. 29. im folgenden zitiert mit: (APW Serie, Abteilung, Band.) Nr.
[2] Vgl. Burkhardt, Johannes: Der dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main 1992. (Neue historische Bibliothek) S. 98. Im folgenden zitiert mit Burkhardt: Krieg.
[3] Vgl. Burkhardt, Johannes: Die entgipfelte Pyramide. Kriegsziel und Friedenskompromiss der europäischen Universalmächte. in: Schilling, Heinz/ Bußmann, Klaus (Hgg.): 1648 Krieg und Frieden in Europa. Münster/ Osnabrück 1999. (Band 2) S. 52.
[4] Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern 1573-1651, München 1998. S. 691. Im folgenden zitiert mit: Albrecht: Maximilian I.
[5] Buschmann, Arno (Hg.): Kaiser und Reich. Klassische Texte und Dokumente zur Verfassungsgeschichte des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation. München 1984. S. 225.
[6] Jedin, Hubert (Hrsg.) Handbuch der Kirchengeschichte Freiburg, Basel, Wien 1967. S. 313.
[7] Parker, Geoffrey: Europe in crisis 1598-1648. Oxford 2001. (Blackwell Classc Histories of Europe) S.157/58.
[8] Press, Volker: Kriege und Krisen. Deutschland 1600-1715. München 1991. (Neue Deutsche Geschichte; Band 5) S. 203. Im folgenden zitiert mit: Press: Kriege und Krisen.
[9] Heckel, Martin: Deutschland im konfessionellen Zeitalter. Göttingen 1983. (Deutsche Geschichte; Band 5) S. 147. Im folgenden zitiert mit: Heckel: Deutschland im konfessionellen Zeitalter.
[10] Vgl. Press: Kriege und Krisen. S. 212.
[11] Frisch, Michael: Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. vom 6. März 1629. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung. Tübingen 1993.(JUS ECCLESIASTICUM; Band 44) S. 90. Im folgenden zitiert mit: Frisch: Restitutionsedikt.
[12] Text des Restitutionsediktes in: Frisch, Michael: Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. vom 6. März 1629. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung. Tübingen 1993.(JUS ECCLESIASTICUM; Band 44) S.187
[13] Vgl. ebenda S.192.
[14] Vgl. ebenda.
[15] Vgl. ebenda.
[16] Vgl. ebenda. S.187.
[17] Vgl. Frisch: Restitutionsedikt. S. 193.
[18] Vgl. Ströhle-Bühler, Heike: Das Restitutionsedikt von 1629 im Spannungsfeld zwischen Augsburger Religionsfrieden 1555 und westfälischem Frieden 1648. Regensburg 1991. (Theorie und Forschung Rechtswissenschaften) S.25. Im folgenden zitiert mit: Ströhle-Bühler: Restitutionsedikt.
[19] Vgl. Burkhardt: Krieg. S. 95.
[20] Vgl. ebenda. S. 95.
[21] Asch, Ronald G.: The thirty years war. The Holy Roman Empire and Europe 1618-1648. Basingstoke, Hamshire 1997. S. 96. Im folgenden zitiert mit: Asch: The thirty years war.
[22] Schormann, Gerhard: Dreißigjähriger Krieg, in: Reinhard, Wolfgang (Hg.): Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Stuttgart 2001. (Band 10) S. 242.
[23] Sturmberger, Hans: Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus. München 1957. S. 13.
[24] Vgl. Burkhardt: Krieg. S. 135.
[25] Vgl. Asch: The thirty years war. S. 76.
[26] Vgl. Press: Kriege und Krisen. S. 212.
[27] Vgl. ebenda.
[28] Parker, Geoffrey: Europe in crisis 1598-1648. Oxford 2001. (Blackwell Classc Histories of Europe) S. 158. Im folgenden zitiert mit: Parker: Europe in crisis.
[29] Vgl. Frisch S .126.
[30] Vgl. Asch: The thirty years war. S. 96.
[31] Vgl. Heckel: Deutschland im konfessionellen Zeitalter. S. 150.
[32] Vgl. Parker: Europe in crisis. S. 158.
[33] Vgl. Ströhle-Bühler: Restitutionsedikt. S. 29.
[34] Vgl. Heckel: Deutschland im konfessionellen Zeitalter. S. 150.
[35] Vgl. ebenda.
[36] Bireley, Robert: Religion and Politics in the Age of the Counterreformation. Emperor Ferdinand II., William Lamormaini, S. J. And the formation of Imperial Policy. The University of North Carolina Press 1981. S. 113. Im folgenden zitiert mit: Bireley: Counterreformation.
[37] Kretschmann, Carsten: Monarchie oder Libertät: Die Kaiserwahl Ferdinands II. und der Versuch einer römischen Königswahl vivente imperatore auf dem Regensburger Kurfürstentag 1630, in: Bohemia. Band 41 (2000) S. 371. Im folgenden zitiert mit: Kretschmann: Monarchie oder Libertät.
[38] Vgl. Press: Kriege und Krisen. S. 215.
[39] Vgl. Bireley: Counterreformation. S. 125.
[40] Vgl. Kretschmann: Monarchie oder Libertät. S. 372.
[41] Vgl. Bireley: Counterreformation. S. 117.
[42] Polisenský, Josef/ Kollmann, Josef: Wallenstein. Feldherr des Dreißigjährigen Krieges. Köln/ Weimar/ Wien 1997. S. 214. Im folgenden zitiert mit: Polisenský/ Kollmann: Wallenstein.
[43] Kursachsen an seine Gesandten. 3./13. Okt. 1630, in: Albrecht, Dieter (Hg.): Die Politik Maximilians I. und seiner Verbündeten 1618-1651. München/ Wien 1964. Nr. 170. S. 693. (Briefe und Akten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Neue Folge; zweiter Teil, fünfter Band)
[44] Vgl. Kretschmann: Monarchie oder Libertät. S. 391.
[45] Albrecht, Dieter: Der Regensburger Kurfürstentag 1630 und die Entlassung Wallensteins, in: ders. (Hg.): Regensburg-Stadt der Reichstage. Vom Mittelalter zur Neuzeit. Regensburg 1994. (Schriftenreihe der Universität Regensburg; Band 21) S. 99.
[46] Vgl. Polisenský/ Kollmann: Wallenstein. S. 216.
[47] Vgl. Press: Kriege und Krisen. S. 217.
[48] Vgl. Press: Kriege und Krisen. S. 220.
[49] Vgl. Asch: The thirty years war. S. 109
[50] Vgl. Albrecht: Maximilian I. S. 907.
[51] Kaiser, Michael: Der Prager Frieden von 1635. Anmerkung zu einer Aktenedition. In: Zeitschrift für historische Forschung. Band 28. (2001) S. 285. Im folgenden zitiert mit Kaiser: Prager Frieden.
[52] Vgl. Albrecht: Maximilian I. S. 910.
- Arbeit zitieren
- Daniel Sohler (Autor:in), 2006, Die kaiserliche Politik des Dreißigjährigen Krieges im Spannungsverhältnis von Restitutionsedikt, Prager Frieden und Westfälischem Frieden., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67323
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