Gewalthaltige Computer- und Videospiele lassen ihre Nutzer emotional abstumpfen, machen sie aggressiv und gewalttätig, trainieren sie im Umgang mit Schusswaffen, bringen ihnen das Töten bei, animieren sie zu Nachahmungstaten und machen aus ihnen schließlich potenzielle Killermaschinen. So oder so ähnlich schien nicht nur in den USA die allgemeine Erkenntnis zu lauten, die es 1999 aus dem „Schulmassaker“ an der Columbine High School in Littleton zu ziehen galt – zwei Jugendliche mit einer Vorliebe für die Ego-Shooter „Doom“ und „Duke Nukem“ hatten dort mit diversen Waffen 12 Schüler und einen Lehrer getötet und anschließend Selbstmord begangen (vgl. Poole 2000, 219). Beim „Amoklauf“ des 19-jährigen „Counterstrike“-Fans Robert Steinhäuser, der drei Jahre später in seiner ehemaligen Schule in Erfurt insgesamt 16 Menschen und dann sich selbst erschoss (vgl. Beyer 2004, 1 f.), war für die Mehrheit der Medien und Politiker hierzulande der Sündenbock dann umso schneller ausgemacht: wieder ein Massenmord eines Jugendlichen und wieder dessen Vorliebe für gewalthaltige Computerspiele. Littleton und Erfurt waren als Aufsehen erregende Einzelfälle jeweils in ihrem Land die Auslöser für eine in Medien und Politik seitdem fortwährend am Leben gehaltene zumeist populistische Diskussion, in der violente Computer- und Videospiele immer wieder ursächlich mit realen
Gewalttaten oder einer gestiegenen allgemeinen Gewaltbereitschaft in Verbindung gebracht werden. Dabei berufen sich die Kritiker auf vermeintlich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse bestimmter Wirkungsforscher, die solche kausalen Schlüsse – auch für die diesbezüglich (ebenso wie nicht wenige Kritiker) zum Großteil aus Laien bestehende besorgte Bevölkerung nachvollziehbar – nahe legen.
Bei kritischer ganzheitlicher Betrachtung bisher vorliegender Studien ergibt sich jedoch schnell ein Bild, welches sich von dem in der öffentlichen Diskussion gemeinhin vermittelten stark abhebt: „The conclusions reached by the most central meta-studies of aggressive behaviour and computer games conducted since 1999 do not reflect any consensus“ (Egenfeld-Nielsen/ Smith 2004, 20, Online im Internet), stellen z.B. Egenfeld-Nielsen und Smith fest. Michaelis konstatiert, dass eine klare Mehrheit der Studien im Minutenbereich
keinen Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Spielen und Aggression finde, während zu langfristigen Wirkungen gar keine Daten vorlägen (vgl. Michaelis 2003, 1, Online im Internet).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fragestellung, Vorgehensweise und Zielsetzung
- Gewalt in Computer- und Videospielen
- Um welche „Gewalt“ geht es in Computer- und Videospielen?
- Qualität und Quantität virtueller Gewalt
- Extremfälle gewalthaltiger Spiele
- Computer- und Videospiele als eigenständiges Medium und eigenständiger Forschungsgegenstand
- Game Research
- Spezifische Eigenschaften von Spielen und Unterschiede zum Film
- Inhaltliche Besonderheiten
- Besonderheiten bei Rezeption und Interpretation
- Defizite der bisherigen Wirkungsforschung zu negativen Effekten des Konsums gewalthaltiger Computer- und Videospiele
- Grundlegendes Problem: aktivistische, politisierte Forscher
- Voreingenommenheit und mangelndes Wissen über das Medium
- Definitionen und Unterscheidung von Begriffen
- Untersuchungsmethoden und -designs
- Operationalisierungen, Instrumente, Messung
- Interpretation von Ergebnissen
- Weitere Probleme
- Fazit
- Verbesserungsmöglichkeiten für die zukünftige Wirkungsforschung zu Effekten des Konsums gewalthaltiger Computer- und Videospiele
- Interdisziplinäre Verknüpfung mit Erkenntnissen über die spezifischen Eigenschaften des Mediums
- Probleme, die bleiben
- Zusammenfassung und Ausblick
- Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Defizite in der Wirkungsforschung zu gewalthaltigen Computer- und Videospielen und präsentiert Verbesserungsmöglichkeiten für zukünftige Forschungsansätze. Die Arbeit beleuchtet die spezifischen Eigenschaften des Mediums und die Herausforderungen, die sich aus der Interpretation von Forschungsdaten ergeben.
- Kritik an der bisherigen Wirkungsforschung zu gewalthaltigen Computerspielen
- Analyse der Defizite in der Forschungsmethodik und -interpretation
- Identifizierung der Gründe für die mangelnde wissenschaftliche Fundierung der Schlussfolgerungen
- Entwicklung von Verbesserungsmöglichkeiten für zukünftige Wirkungsforschungsstudien
- Bedeutung von Interdisziplinarität und spezifischen Eigenschaften des Mediums für die Forschung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die aktuelle Debatte um die potenzielle Gefährlichkeit gewalthaltiger Computerspiele und stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor. Kapitel 2 fokussiert auf die Fragestellung, die Vorgehensweise und die Zielsetzung der Arbeit. Kapitel 3 beleuchtet die Definition von „Gewalt“ in Computer- und Videospielen und analysiert die Qualität und Quantität virtueller Gewalt. Kapitel 4 präsentiert Computer- und Videospiele als eigenständiges Medium und eigenständiger Forschungsgegenstand. Kapitel 5 analysiert Defizite der bisherigen Wirkungsforschung zu negativen Effekten des Konsums gewalthaltiger Computer- und Videospiele. Kapitel 6 entwickelt Verbesserungsmöglichkeiten für die zukünftige Wirkungsforschung zu Effekten des Konsums gewalthaltiger Computer- und Videospiele.
Schlüsselwörter
Gewalthaltige Computer- und Videospiele, Wirkungsforschung, Defizite, Verbesserungsmöglichkeiten, Interdisziplinarität, Game Research, Medienrezeption, Interpretation, Methodik, Forschungsdesign, Operationalisierung, Interpretation von Ergebnissen.
- Quote paper
- Ron Bahre (Author), 2006, Forschung zur Wirkung gewalthaltiger Computer- und Videospiele, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67265