Das charakteristische Dysmorphiesyndrom wird im deutschen Sprachraum auch als Katzenschrei-Syndrom bezeichnet. Im Englischen spricht man von dem Cat Cry-Syndrom oder Crying Cat-Syndrom. Weiterhin sind u.a. folgende Synonyme bekannt: Lejeune-Syndrom, (5p-)-Syndrom, Partial Deletion of the Short Arm of Chromosome Number 5 Syndrome, Chromosome (5p-)-Syndrom, Partial 5p monosomy oder chromosome five short arm deletion syndrome.
Das Cri-du-Chat-Syndrom ist eine charakteristische Kombination von physischen und psychischen Behinderungen, entstanden durch den Verlust einer variablen Menge genetischen Materials am kurzen Arm (5p-Arm) eines der beiden Chromosomen Nr. 5. Hauptkriterien sind: (1) körperliche und geistige Entwicklungsverzögerung, (2) Dysmorphiezeichen, insbesondere an Kopf, Händen und Füßen, (3) Auffälligkeiten der Hautleisten und -furchen und (4) Fehlbildungen der inneren Organe. Die meisten klinischen Effekte werden auf den Verlust von genetischem Material aus der Region 5p15.2 - 5p15.3 zurückgeführt. Deletionen, die diese Regionen nicht umfassen zeigen variierende Phänotypen von schwerer geistiger Behinderung und Mikrozephalie bis zu einem normalen Erscheinungsbild. Besonders zu vermerken ist das große Maß der phänotypischen Heterogenität. Viele als typisch geltenden Merkmalen treten in variierender Häufigkeit auf. Nur 4 Charakteristika sind in fast allen Fällen präsent: der katzenähnliche Schrei, geringes Wachstum (Körpergröße und vor allem Körpergewicht sind unter dem Durchschnitt), Mikrozephalie und geistige Behinderung. Trotz genauer medizinischer Symptombeschreibung und präzisen genetischen
Untersuchungsmöglichkeiten kann die persönliche Entwicklung eines einzelnen Kindes nicht vorhergesagt werden.
Im November 1963 wurde das Syndrom durch Jerome Lejeune entdeckt. Bis 1990 sind weltweit 758.310 Fälle erfasst worden. An der Gesamtpopulation gemessen tritt das Syndrom mit einer Häufigkeit von ca. 1:50000 auf. Bei 10-15% der Kinder ist das Syndrom Folge einer balancierten Translokation bei einem Elternteil.
Inhalt
1 Einleitung / Allgemeines
2 Klinische Merkmale bei Kindern mit Cri-du-Chat-Syndrom
3 Klinische Merkmale bei Erwachsenen mit Cri-du-Chat-Syndrom
4 Ursachen der Deletion beim Cri-du-Chat-Syndrom
5 Diagnostik
6 Therapien
7 Pädagogische Aspekte
7.1 Pädagogische Überlegungen zum Cri-du-Chat-Syndrom
8 Allgemeine Entwicklungsförderung beim Cri-du-Chat-Syndrom
8.1 Psychomotorische Entwicklungsförderung
8.2 Unterstützung der Sprachentwicklung
8.3 Weitere Therapieangebote
8.4 Förderung im Erwachsenenalter
9 Eine Herausforderung für LehrerInnen und andere beruflich Betroffene
10 Elternarbeit - Selbsthilfegruppen
11 Fazit
1 Einleitung / Allgemeines
Das charakteristische Dysmorphiesyndrom wird im deutschen Sprachraum auch als Katzenschrei-Syndrom bezeichnet. Im Englischen spricht man von dem Cat Cry-Syndrom oder Crying Cat-Syndrom. Weiterhin sind u.a. folgende Synonyme bekannt: Lejeune-Syndrom, (5p-)-Syndrom, Partial Deletion of the Short Arm of Chromosome Number 5 Syndrome, Chromosome (5p-)-Syndrom, Partial 5p monosomy oder chromosome five short arm deletion syndrome.
Das Cri-du-Chat-Syndrom ist eine charakteristische Kombination von physischen und psychischen Behinderungen, entstanden durch den Verlust einer variablen Menge genetischen Materials am kurzen Arm (5p-Arm) eines der beiden Chromosomen Nr. 5. Hauptkriterien sind: (1) körperliche und geistige Entwicklungsverzögerung, (2) Dysmorphiezeichen, insbesondere an Kopf, Händen und Füßen, (3) Auffälligkeiten der Hautleisten und -furchen und (4) Fehlbildungen der inneren Organe. Die meisten klinischen Effekte werden auf den Verlust von genetischem Material aus der Region 5p15.2 - 5p15.3 zurückgeführt. Deletionen, die diese Regionen nicht umfassen zeigen variierende Phänotypen von schwerer geistiger Behinderung und Mikrozephalie bis zu einem normalen Erscheinungsbild. Besonders zu vermerken ist das große Maß der phänotypischen Heterogenität. Viele als typisch geltenden Merkmalen treten in variierender Häufigkeit auf. Nur 4 Charakteristika sind in fast allen Fällen präsent: der katzenähnliche Schrei, geringes Wachstum (Körpergröße und vor allem Körpergewicht sind unter dem Durchschnitt), Mikrozephalie und geistige Behinderung. Trotz genauer medizinischer Symptombeschreibung und präzisen genetischen Untersuchungsmöglichkeiten kann die persönliche Entwicklung eines einzelnen Kindes nicht vorhergesagt werden.
Im November 1963 wurde das Syndrom durch Jerome Lejeune entdeckt. Bis 1990 sind weltweit 758.310 Fälle erfasst worden. An der Gesamtpopulation gemessen tritt das Syndrom mit einer Häufigkeit von ca. 1:50000 auf. Bei 10-15% der Kinder ist das Syndrom Folge einer balancierten Translokation bei einem Elternteil.
2 Klinische Merkmale bei Kindern mit Cri-du-Chat-Syndrom
Säuglinge mit Cri-du-Chat-Syndrom sind meist kleiner als andere Neugeborene. Das Geburtsgewicht liegt in der Regel unterhalb der Norm, auch dann, wenn die Größe des Neugeborenen fast normal ist (durchschnittlich 2.600g). Dabei verläuft die Schwangerschaft unauffällig, und die Kinder werden fast immer termingerecht geboren. Auffallend ist eine kraniofaciale Dysmorphie mit Veränderungen von Kopf und Gesicht: Fast alle Säuglinge mit diesem Syndrom haben einen abnorm kleinen Kopf (Mikrozephalie mit einem durchschnittlichen Kopfumfang von 31,7cm) mit einer meist länglichen Form.
Oft weisen diese Kinder starke Entwicklungsschwierigkeiten auf. Sie entwickeln sich nur sehr langsam und bleiben auch in der späteren Entwicklung zurück. So benötigen einige der Neugeborenen nach der Entbindung eine Atemhilfe. Fast die Hälfte von ihnen hat in den ersten Lebensjahren Probleme mit dem Herzen und der Atmung. Gerade in diesem Bereich treten häufig Infektionen auf. Man vermutet die Ursache in einer Dysfunktion der weißen Blutkörperchen. Diese Hypothese bleibt jedoch umstritten. Ebenso häufig treten in den ersten Tagen Ernährungsprobleme auf. Neben der Wachstumsretardierung ist in allen Fällen eine psychomotorische und geistige Entwicklungsverzögerung verschiedenen Ausmaßes beobachtet worden. Auch wenn in vielen Berichten als nicht Cri-du-Chat-klassisch beschrieben, so ist doch die tief greifende Sprachverzögerung eines der häufigsten Merkmale (vgl.: Calin, 1998).
Kennzeichnend für das Cri-du-Chat-Syndrom ist das eigenartige Schreien, welches besonders beim Neugeborenen und Säugling dem Miauen einer Katze ähnelt. Die Stimme des Kindes ist hoch und klingt gepresst, die Ausatmung ist verlängert und unterbrochen, die Einatmung behindert.
Während beim normalen Säuglingsschreien die Tonhöhe fast immer absinkt bzw. Abschnitte mit schnelleren Tonschwankungen zu beobachten sind, ist der Schrei beim Cri-du-Chat-Syndrom überwiegend monoton mit zum Teil mehrere Sekunden unverändert bleibender Tonhöhe und zeigt nur eine geringe Melodiebewegung und damit eine ausgesprochene Ausdrucksarmut.
Der Grundton liegt um eine Oktave höher (600 - 1.200 Hz) mit einer zusätzlich starken Ausprägung der Formanten bei 4.000 Hz. Die Latenzzeit beträgt im Mittel 2,0 Sek. Die Schreidauer ist deutlich verlängert (in der Regel über 5 Sek.). (vgl. Neuhäuser 1988)
Letztlich ist die Ursache der Stimmveränderung aber noch unklar. Eine Veränderung des Kehlkopfes, ist nicht immer nachzuweisen, so dass wohl auch funktionelle Störungen durch zentrale Dysregulation in Frage kommen. Aufgrund der wenigen Untersuchungen lässt sich dabei jedoch nicht entscheiden, ob eine entsprechende morphologisch fassbare Hirnschädigung vorliegt oder ob es sich um eine, auf dem Boden des bestehenden Chromosomendefektes genetisch bedingte, cerebrale Funktionsstörung im Sinne einer gesteigerten neuromuskulären Erregbarkeit bestimmter Zentren handelt.
Kinder mit Cri-du-Chat-Syndrom sehen aufgrund der kraniofacialen Störungen einander recht ähnlich.
Sie haben neben der bereits erwähnten Mikrozephalie oft ein rundes Gesicht mit ungewöhnlich weit auseinander liegenden Augen, sowie eine verbreiterte und abgeflachte Nasenwurzel, die in einen beidseitigen sichelförmige Hautfalte am inneren Rand des oberen Augenlides übergeht. Weiterhin findet sich häufig eine von mittig nach seitwärts abfallende Lidachsenstellung.
Über die Hälfte der Kinder wiesen bei Untersuchungen Augenprobleme auf, wie Augenzittern, Einwärts- und Auswärtsschielen, Kurzsichtigkeit, Augennervenmissbildungen oder ausgeblichene Netzhaut.
Andere Symptome können sein: Tiefsitzende und/oder missgebildete Ohren, ein schmales Kinn, häufig Zahnstellungsanomalien, hoher Gaumen, eine vorstehende Nase und weitere faciale Merkmale, die asymmetrisch sind. Die Hände weisen oft eine Vierfingerfurche auf. Ebenso findet man kennzeichnende Veränderungen der Hautleisten.
Am Skelettsystem fällt ein Knochenbildungsrückstand auf. Abgesehen von einer häufigen Verkürzung und Abwinkelung des kleinen Fingers wurden gröbere Fehlstellungen der Gelenke (Klumpfuß, Hüftgelenksluxation), Anomalien der Wirbelsäule nur in Einzelfällen beschrieben. Hingegen haben über drei Viertel der Säuglinge Anzeichen von Schlaffheit und geringem Muskeltonus (Hypotonie) mit ungenügender Kopfkontrolle und schlaffen, überstreckbaren Gelenken an den Gliedmaßen.
Hierbei wird angenommen an, dass die Hypotonie, ihren Ursprung in einer genetisch bedingten, cerebralen Funktionsstörung hat. Körperliche und statomotorische Entwicklung verlaufen langsam. Die Kopfkontrolle wird etwa mit einem Jahr, das selbständige Sitzen mit zwei Jahren erreicht.
Kognitive Einschränkungen sind relativ häufig bei Menschen mit Chromosomenanomalien zu beobachten. Inwieweit dies für das Cri-du-Chat-Syndrom zutrifft, ist nur ungenau beschrieben, zumal zwischen Chromosomenaberration und geistiger Behinderung kein notwendiger Zusammenhang besteht. Gerade minimale Anomalien sind oft mit einer normalen Intelligenz vereinbar.
Seltener wurde bei dem Cri-du-Chat-Syndrom eine Oberlippen- und/oder eine Gaumenspalte oder eine abnorme Öffnung/Spalte im hinteren Rachenraum beobachtet. Außerdem können in Einzelfällen folgende Symptome auftreten: Leistenbrüche, Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln, unvollständige Entwicklung einer Seite der Spinalspalte des Rückenmarks, Hodenhochstand, Unterentwicklung der äußeren Genitalien, fehlende Niere und/oder Milz. Zuweilen wurden Fälle mit ungewöhnlichen und schweren Missbildungen wie mangelnde Ausbildung einzelner Fingerstrahlen. (vgl.: Calin, 1998)
Missbildungen der inneren Organe scheinen insgesamt relativ selten zu sein, die bekanntesten sind Herzfehler und Darmanomalien. Ungefähr ein Drittel der Kinder mit terminalen Deletionen und drei Fünftel der Kinder mit unbalancierten Translokationen haben irgendeine Form eines angeborenen Herzfehlers.
Beim Cri-du-Chat-Syndrom häufig auftretende physische Eigenschaften:
- Charakteristische Eigenschaften:
- Monochromatischer Schrei in hoher Tonlage
- Kleines rundes Gesicht während der Kindheit
- Relativ weit auseinander liegende Augen
- Hautfalten über den inneren Augenwinkeln (epicanthal folds)
- Schräg nach unten gerichtete Augenöffnungen (palpebral fissures)
- Abgeflachter, erweiterte Nasenrücken
- Ohren tief am Kopf ansetzend und / oder in Richtung hinten gedreht
- Kleines fliehendes Kinn (micro / retrognathia)
- Kleine, dünne Hände und Füße
- Einrollen des kleinen Fingers (clinodactyly)
- Vierfingerfurche an der Hand (simian crease)
- Viele Betroffene haben Schwierigkeiten beim Saugen und Schlucken und / oder Auftreten von Reflex (Zurückfließen von Speisen).
- Die meisten habe einen niedrigen Muskeltonus (hypotonia).
- Die meisten Kinder sind kleiner und wachsen langsamer als nach den üblichen Wachstumskurven zu erwarten wäre.
- Microcephalie (kleiner Kopfumfang und kleines Gehirn).
- Unter den häufigsten angeborenen Missbildungen sind:
- Schielen 30 %
- Fehlbildungen im Magen-Darmtrakt 25 %
- Angeborene Herzkrankheiten 20 %
- Gaumenspalte 15 %
- Rückgradverkrümmung (Scoliosis) 15 %
- Hörverlust 10 %
- Verschiedene orthopädische Deformationen 10 %
- Leistenbrüche 8 %
- Insgesamt ist die Häufigkeit von Anomalien 2 bis 4 Fach größer als im statistischen Durchschnitt. Es kommen viele
- unterschiedliche Arten von Anomalien vor.
- Unter den häufigsten funktionellen Störungen sind:
- Allgemeine Verzögerung der Entwicklung 100 %
- Schwierigkeiten beim Saugen, Fütterungsprobleme > 95 %
- Häufige Entzündungen der Ohren und Atemwege > 95 %
- Verhaltensauffälligkeiten > 90 %
- Probleme beim Gehen und der Bewegungskoordination > 90 %
- Verstopfung 85 %
- Magen /Speiseröhrenrückfluss (Gastroesophageal reflux) 50 %
- Lungenentzündung 30 %
- Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis / Mastoiditis) 28 %
- Anfälle (epileptisch) 20 %
- Rachenentzündung / Mandelentzündung 20 %
- Benötigt Brille oder Hörhilfe 20 %[1]
[...]
[1] Daten aus dem Vortragsreader von Dr. Calin, 1998
- Quote paper
- Martina Dude (Author), 2005, Cri- du-Chat-Syndrom, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67098
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