Werbung ist längst zum Kunst- und Kulturgut unserer Gesellschaft avanciert. Seit geraumer Zeit ist sie über das Stadium eines reinen Wirtschaftswerkzeugs hinausgewachsen. Werbung gilt dabei immer auch als Spiegel geltender Wertvorstellungen, Moden sowie soziokultureller Strömungen.
Nicht selten halten Werbeslogans Einzug in die Umgangssprachen des Alltags („Da werden Sie geholfen“). Die Linguistik beschäftigt sich mit dem Phänomen der Werbesprache seit den Fünfzigerjahren. Die ersten Schritte waren dabei noch äußerst zaghaft. Ein aktuelles linguistisches Grundlagenwerk fehlt bisher.
Während Printmedien, aufgrund umfassenderer Archivierung, für wissenschaftliche Zwecke besser zugänglich sind, ist man bei Radio und Fernsehen weitgehend auf den Jetzt-Zustand angewiesen. Eine archivierende Dokumentation findet hierbei oft nur bei medienhistorischen Höhepunkten statt, was nicht zuletzt an der übergroßen Datenmenge liegt. Eine weit gefasste diachronische Betrachtung linguistisch interessanter Fragestellungen gestaltet sich hier meist als äußerst schwierig.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mithilfe einer diachronischen Betrachtung von Fernsehwerbespots, Aussagen über eine tendenzielle Veränderung der Distribution von Varietäten in der Schweizer Fernsehwerbung im Laufe der letzten zwanzig Jahre machen zu können.
In wie weit spielt die Differenzierung von Standard und Umgangssprache im Verhältnis zur in der Schweiz allgemeiner verstandenen Hochsprache eine Rolle für die Ergebnisse?
Weiter gedacht würde sich natürlich die Frage nach gewissen wiederkehrenden Prinzipen innerhalb dieser Wechselwirkungen stellen. Die vorliegende Untersuchung versucht dahingehend erste Informationen zu liefern.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
A EINFÜHRUNG
1. Danksagung
2. Ausgangslage
B THEORETISCHER HINTERGRUND
1. Begriffsklärung
1.1 Standard
1.1.1 Standarddeutsch in der Schweiz
1.2 Dialekt
1.2.1 Dialektverwendung in Österreich
1.2.2 Dialektverwendung in der Schweiz
1.3 Umgangssprache
2. Werbung und Werbesprache
2.1 Geschichte der Fernsehwerbung in der Schweiz
C ERGEBNISSE
1. Methodische Erläuterungen zum Korpus
2. Distribution Sprachformen in verschiedenen Spotteilen
2.1 Gestaltungsformen innerhalb der Spotteile
2.1.1 Die Szene
2.1.2 Die Anrede
2.1.3 Der Kommentar
2.1.4 Der Slogan
2.1.5 Das Lied
2.2 Zwischenergebnisse
2.3 Grafische Auswertung
3. Varietätengebrauch und verschiedene Produktgruppen
4. Zielgruppenspezifische Wahl der Sprachform
4.1 Die Zielgruppe „Frau“
4.2 Die Zielgruppe „Mann“
4.3 Kinder und Jugendliche als Zielgruppe
4.3.1 Die Sprache Jugendlicher
4.3.2 Parallelen der Jugendsprache mit den Fachsprachen
4.3.3 Auf der Suche nach Jugendsprache
5. Sprachstil und dargestellte Situation
5.1 Unrealistisch dargestellte Verwendung der Varietäten
5.2 Realitätsnahe Inszenierung von alltäglicher Sprachwirklichkeit
5.3 Standardgebrauch nach schweizerhochdeutschen Konventionen
6. Einblendung von Bildschirmtexten
7. Die Verwendung von fremdsprachlichen Elementen
8. Zum Dialektgebrauch
9. Fazit und Ausblick
D QUELLENVERZEICHNIS
1. Literatur
2. Internetquellen
E ANHANG
1. Das Korpus
2. Belege und Abbildungen
Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A EINFÜHRUNG
1. Danksagung
Mein besonderer Dank geht an Sonja Schneider, Kindergärtnerin aus Schneisingen, die mir neben ihrer Gastfreundschaft während meines Schweizaufenthaltes ihre muttersprachlichen Kenntnisse zur Verfügung stellte und somit eine wichtige Stütze bei der Bearbeitung der Schweizer Dialekte sowie der Materialfindung für das Korpus darstellte. Darüber hinaus danke ich Sascher Risseler und Daniel Stöckner für ihre Unterstützung.
2. Ausgangslage
Werbung ist längst zum Kunst- und Kulturgut unserer Gesellschaft avanciert. Seit geraumer Zeit ist sie über das Stadium eines reinen Wirtschaftswerkzeugs hinausgewachsen. Es gibt Ausstellungen zu historischer Werbung, Fotobücher oder Prämierungen besonders humorvoller Werbespots. Werbung gilt dabei immer auch als Spiegel geltender Wertvorstellungen, Moden sowie soziokultureller Strömungen.
Nicht selten halten Werbeslogans Einzug in die Umgangssprachen des Alltags („Da werden Sie geholfen“). Die Linguistik beschäftigt sich mit dem Phänomen der Werbesprache seit den Fünfzigerjahren. Die ersten Schritte waren dabei noch äußerst zaghaft. Inzwischen sind viele unterschiedliche Fragestellungen nach einem letzten großen Boom Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre zu einem breiten Forschungsfeld angewachsen. Ein aktuelles linguistisches Grundlagenwerk fehlt bisher jedoch (näheres s. Janich 2001:14ff.).
Eine der großen Forschungslücken besteht im Bereich der gegenseitigen Einflussnahme von Werbe- und Alltagssprache. Es gibt zwar einzelne Arbeiten, zur Verwendung von Sprachvarietäten wie Fachsprachen, Jugendsprachen oder Dialekten in der Werbung, jedoch beziehen diese sich meist auf schriftsprachliche Anzeigenwerbung. Gesprochene Sprache der Werbung, wie die der Fernseh- oder Radiowerbung ist bisher nur sehr spärlich in den Mittelpunkt linguistischer Betrachtungen gerückt worden, was nicht zuletzt auf die besonderen methodischen Schwierigkeiten zurückzuführen ist.
Während Printmedien, aufgrund umfassenderer Archivierung, für wissenschaftliche Zwecke besser zugänglich sind, ist man bei Radio und Fernsehen weitgehend auf den Jetzt-Zustand angewiesen. Eine archivierende Dokumentation findet hierbei oft nur bei medienhistorischen Höhepunkten statt, was nicht zuletzt an der übergroßen Datenmenge liegt. Eine weit gefasste diachronische Betrachtung linguistisch interessanter Fragestellungen gestaltet sich hier meist als äußerst schwierig.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mithilfe einer diachronischen Betrachtung von Fernsehwerbespots, Aussagen über eine tendenzielle Veränderung der Distribution von Varietäten in der Schweizer Fernsehwerbung im Laufe der letzten zwanzig Jahre machen zu können. Zu diesem Zweck soll eine Untersuchung von Helen Christen (Christen 1985) sowohl methodische Grundlage, als auch zur Beschreibung des Ist-Zustandes zum Zeitpunkt ihrer Arbeit herangezogen werden. Damaliger Untersuchungsgegenstand war das Verhältnis zwischen der sogenannten Hochsprache (in der Schweiz üblicher Terminus für Standardsprache (s.u.)) und Schweizer Mundarten (Dialekten). Um Aussagen in diachronischer Hinsicht treffen zu können, müssen demzufolge Teile der damaligen Methodik übernommen werden, da der von ihr erstellte Untersuchungskorpus keine Transkription der einzelnen Spots vorgesehen hatte. Allerdings wird der vorliegende Untersuchungsgegenstand darüber hinaus Elemente zwischen den beiden äußeren Polen des Varietätenspektrums (Standard und Dialekt) gesprochener Sprache, in Form der sogenannten Umgangssprache, berücksichtigen. Christen geht zwar bereits auf die Verwendung umgangssprachlicher Elemente in Hochsprache-Texten ein, bleibt dabei allerdings oberflächlich (vgl. Christen 1985:99ff.). Eine entsprechend umfassendere Beschreibung erfolgt im ersten Kapitel der aktuellen Arbeit.
Im folgenden Abschnitt wird sich der Frage gewidmet, was man eigentlich unter Werbung zu verstehen hat und ob Werbesprache eine eigene Varietät des Deutschen darstellt oder rein funktionalen Charakter besitzt.
Bevor es dann an die kontrastive Untersuchung geht, wird auf die Methodik und Schwierigkeiten des aktuell erstellten Korpus eingegangen. Die Betrachtung der Distribution der Sprachformen wird in unterschiedlichen Kontexten erfolgen. Zunächst geschieht dies innerhalb einzelner Spotelemente, die zuvor noch zu definieren sein werden. Nachfolgend wird auf ausgewählte Zielgruppen und situative Parameter Bezug genommen. Im Anschluss erfahren schriftliche Elemente sowie die Realisierung der Dialekte innerhalb von Fernsehwerbespots eine eingehendere Betrachtung. Neben der Verwendung von Varietäten des Deutschen kommt man nicht umhin, auch fremdsprachige Elemente zu berücksichtigen, die in ihrem Gebrauch nicht selten auf einer ähnlichen Ebene anzusiedeln sind.
Neben der Frage nach grundsätzlichen Veränderungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten wird eine Frage von besonderer Bedeutung sein: In wie weit spielt die Differenzierung von Standard und Umgangssprache im Verhältnis zur in der Schweiz allgemeiner verstandenen Hochsprache eine Rolle für die Ergebnisse?
Diese Fragen drängen sich besonders aufgrund des stetigen Einflusses des Standards auf die Schweizer Dialekte, sowie der Veränderung der Dialektlandschaft auf (s. Hove 2002:134). Spiegeln sich diese aktuellen von Hove diskttierten Sprachentwicklungen bereits in dem Gebrauch in den Medien wieder? Bedingen sie diese, nachdem Medien schließlich stets eine sprachliche Beeinflussung zugeschrieben wird? Sollte sich diese eigentlich recht nahe liegende These bestätigen, wäre dies ein erster Beleg für eine grundsätzliche gegenseitige Wechselwirkung zwischen sprachlicher Wirklichkeit und medial gebrauchter Sprache. Weiter gedacht würde sich natürlich die Frage nach gewissen wiederkehrenden Prinzipen innerhalb dieser Wechselwirkungen stellen. Die vorliegende Untersuchung könnte demzufolge dahingehend erste Informationen liefern.
B THEORETISCHER HINTERGRUND
1. Begriffsklärung
Seit langem ist man sich in der Linguistik darüber im Klaren, dass von „dem Deutschen“ zu sprechen eine Abstraktion ist. Die deutsche Sprache weist neben einer schriftsprachlichen Standardsprache diverse Subsysteme auf. Dies können z.B. Dialekte Fachsprachen oder Soziolekte sein. Der Frage der Systematisierung geht die Soziolinguistik nach, die inzwischen durch Löffler (Löffler 1994:86-171) ein Modell zur Sprachwirklichkeit liefert.
Die Sprache als Zeichensystem, das den jeweiligen Sprechern zur Verständigung innerhalb der Kommunikation dient, ist gesellschaftsabhängig. Gesellschaft besteht aus verschiedenen Gruppen mit unterschiedlichen sozialen Netzwerken. Die Untersuchung von gesprochener Sprache erfordert darüber hinaus immer auch eine Berücksichtigung des räumlichen und zeitlichen Kontextes. Vor allem sind es aber die gesellschaftlichen Faktoren, die mündliche Kommunikation beeinflussen. Je nach vorherrschendem Usus einer Sprechergemeinschaft oder bestimmter situativer Bedingungen verfügt gesprochene Sprache über eine Vielzahl von einsetzbaren Sprachvarietäten (s. Wiesinger in Stickel 1996:9f.).
Varietäten erfahren auch bewusste Verwendung in der Werbung. Dies kann sowohl in mündlicher Form, wie z.B. bei Rundfunk und Fernsehen geschehen oder aber auch schriftlich, wie etwa bei Einblendungen in Fernsehspots oder in der Anzeigenwerbung der Print- oder Online-Medien. Bei schriftlich wiedergegebenen sprachlichen Varietäten handelt es sich in manchen Fällen jedoch um den Versuch, gesprochene Sprache zu visualisieren, was nachfolgend zu erörtern ist. Die vorliegende Arbeit wird außerdem einleitend auf die verschiedenen Definitions- und Gliederungsprobleme gesprochener Sprache eingehen.
1.1 Standard
Unter Standard wird hier mündliche Realisierung der auf ostmitteldeutscher Basis entstandenen, relativ einheitlichen Schriftsprache verstanden. Die Bezeichnung Standardsprache kam in den Neunzehnhundertsiebzigerjahren auf und hat sich bis heute weitgehend durchgesetzt. Damit löste sie die früher gebräuchlichen Termini Hochsprache oder manchmal auch Einheitssprache ab (vgl. Wiesinger in Stickel 1997:11).
Hadumod Bußmann definiert die Standardsprache auf pragmatischer Ebene als
„[...] historisch legitimierte, überregionale, mündliche und schriftliche Sprachform der sozialen Mittel- bzw. Oberschicht; in diesem Sinn synonyme Verwendung mit der (wertenden) Bezeichnung >>Hochsprache<<. Entsprechend ihrer Funktion als öffentliches Verständigungsmittel unterliegt sie (besonders in den Bereichen Grammatik, Aussprache und Rechtschreibung) weitgehender Normierung, die über öffentliche Medien und Institutionen, vor allem aber durch das Bildungssystem kontrolliert und vermittelt werden.“ (s. Bußmann 1983:502)
Gegenüber der schriftlichen Realisierung verfügt die mündliche Variante der Standardsprache über eine Reihe von Besonderheiten, die sich besonders auf der syntaktischen aber auch lexikalischen Ebene zeigen. Wiesinger bezeichnet die mündliche Standardsprache als „[...] erstrebte mündliche Realisierung der Schriftsprache [...]“ (vgl. Wiesinger in Stickel 1997:33). Besonders die Aussprache rückt bei der Betrachtung von mündlichen Varietäten in den Vordergrund. So finden sich landschaftlich unterschiedliche Gebrauchsnormen von Standardsprache, die sich vor allem in Lautbildung, Lautkombinatorik sowie regional üblicher Intonation manifestieren. Diese wiederum sind dialektalen Ursprungs. So ist es auch in vielen Fällen leicht möglich, die regionale Färbung bzw. den Akzent eines Sprechers räumlich zuzuordnen. In diesem Fall spricht man von gemäßigter Hochlautung. Das heißt, dass ähnlich wie bei der Umgangssprache auch bei der mündlichen Realisierung der Standardsprache eine regionale Gliederung zu finden ist. Folglich wird zu berücksichtigen sein, dass nicht immer von beabsichtigt umgangssprachlichem Gebrauch auszugehen ist, wenn etwa lexikalische Besonderheiten auftreten. Je nach Sitz einer Produktionsfirma besteht die Möglichkeit einer lokalen Divergenz im Standardgebrauch.
Innerhalb Deutschlands sind dies etwa von Norden nach Süden herrschende lexikalischen Unterschiede, wie Sonnabend / Samstag oder Harke / Rechen. In den 70er Jahren wurden erstmals festgestellte Auseinanderentwicklungen der damaligen beiden deutschen Staaten zum Untersuchungsgegenstand. Da sich die deutsche Sprache darüber hinaus über mehrere Staaten verteilt, finden sich eine Vielzahl von „nationalen Varietäten“, wobei diejenigen der kleineren Staaten wie Österreich und der Schweiz aufgrund der geringeren Anzahl von Sprechern keine größere Akzeptanz finden (vgl. Wiesinger in Stickel 1997:34f.).
Präskriptive Normen für eine reine Hochlautung geben sogenannte Aussprachewörterbücher, wie Mangold (Mangold 2000). Auch werden dort Angaben zur angemessenen Aussprache fremder Sprachen gemacht. Eine tatsächliche Einhaltung solcher Normen findet jedoch lediglich bei geschulten Berufssprechern statt, wie Rundfunk- und Fernsehmoderatoren. Besonders bei regionalen Sendestationen ist ein lokal gefärbter Gebrauch der Standardsprache möglich oder teilweise sogar erwünscht. Auch in manchen Werbespots finden sich solche Färbungen. Ein anderes Beispiel für überregional geltende gesprochene Varietät wäre etwa das sogenannte Bühnendeutsch.
1.1.1 Standarddeutsch in der Schweiz
Im Bewusstsein der meisten Schweizer gibt es oberflächlich betrachtet das sogenannte „Hochdeutsch“ als einheitlich verstandene Größe. Dies wird in der Bevölkerung in der Regel mit der Schriftsprache gleichgesetzt. In erster Linie kann man diesen Terminus quasi als Sammelbecken verstehen, das alle deutschen Varietäten auffängt, die nicht einem Schweizer Dialekt zuzuordnen sind. Vieles wird als Hochdeutsch im Sinne des schriftsprachlichen Standarddeutschen empfunden, enthält aber nicht selten auch hochgradig umgangssprachliche Anteile.
Nun soll das Augenmerk u.a. auf diejenigen Werbespots im Schweizer Fernsehen gerichtet werden, die sich umgangssprachlicher Mittel bedienen und entsprechend näher beleuchtet werden. In deutschdeutscher Werbung nimmt die Umgangssprache oft Funktionen ein, die in Schweizerdeutscher Werbung durch Dialektverwendung bedient werden. „Deutschdeutsch“ wird hier im Sinne Hoves, als Bezeichnung von deutschländischem Deutsch, also derjenigen Varietäten innerhalb des bundesdeutschen Sprachgebietes, verstanden (vgl. Hove 2002:4).
Dieser umgangssprachliche Gebrauch ist etwa auf denkbare Szenarien zu beziehen, wie die Dialektverwendung zur Schaffung eines als privat empfundenen Kontextes, da sich der Schweizer im privaten Gespräch fast ausschließlich seiner Mundart bedient.
Die deutsche Standardsprache wird darüber hinaus regional unterschiedlich realisiert. Bei der Schweizer Realisierung des Standarddeutschen findet sich eine solche Vielzahl an spezifischen Merkmalen, dass vor allem in der neueren Forschung die Frage gestellt wird,
„[...] ob es sich bei der gesprochenen Schweizer Standardsprache um eine Menge von Dialekten von Personen einer geografisch und kulturell definierten Region handelt, deren Gemeinsamkeiten lediglich darauf beruhen, dass die SprecherInnen denselben Einflüssen ausgesetzt sind, oder ob die Gemeinsamkeiten tiefgreifender Natur sind, so dass es gerechtfertigt ist, von „dem“ Schweizerhochdeutschen als einer Varietät der deutschen Standardsprache zu sprechen.“ (Hove 2002:1)
Neben einer ausführlichen theoretischen Auseinandersetzung liefert Hove einen Überblick der verschiedenen Kodifizierungen des Schweizer Standards und erarbeitet, auf Grundlage gelesener und spontan gesprochener Sprache, eine Beschreibung der lautlichen Ebene der schweizerischen Varietät der Standardsprache sowie Faktoren bei deren Erwerb.
Im Allgemeinen beschreibt man seit Kolde die sprachliche Situation in der Schweiz als mediale Diglossie (Kolde 1981:66ff.). Im schriftsprachlichen Bereich wird dabei überwiegend Standardsprache verwendet, während Mundart die mündliche Kommunikation dominiert. Als Verwendungsbereiche des Standarddeutschen im mündlichen Gebrauch sind vor allem die Schule und die Medien zu nennen.
In früheren Zeiten, als das Fernsehen noch nicht so verbreitet war, hatten viele Schweizer Kinder ihren ersten Kontakte mit dem Hochdeutschen erst mit dem Schuleintritt. Nicht zuletzt durch den gestiegenen Einfluss der Medien hat sich dieser Umstand dahingehend verändert, dass heutzutage bereits umfassende hochsprachliche Kenntnisse vorhanden sind (s. Hove 2002:175).
Lange herrschte eine generelle Reserviertheit der Schweizer gegenüber allem Deutschen vor. Manche Literaturen sprachen hierbei sogar von einer „Germanophobie“ (s. Christen 1985:5). Einige sehen den Grund dafür in den politischen Verhältnissen des Dritten Reichs und den damaligen großdeutschen Machtansprüchen. Jüngste Befragungen vor allem jüngerer Schweizer bestätigen allerdings eine tendenzielle Rückläufigkeit dieser Einstellung (vgl. Hove 2002:163).
1.2 Dialekt
Gegenüber der mündlichen Realisierung der Standardsprache steht der Dialekt als zweiter äußerer Pol des Varietätenspektrums gesprochener Sprache. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Herausbildung von Dialekten in deutschen Sprachgebieten waren, sprachhistorisch betrachtet, in den überwiegend bäuerlich und handwerklich geprägten Dorfgemeinschaften ziemlich homogen. Die deutschen Dialekte haben ihren Ursprung im Westgermanischen, besonders dem Mittelhochdeutschen bzw. Mittelniederdeutschen und wurden in mündlicher Tradition weiter entwickelt. Dialekte haben mit ihren Großraum-, Kleinraum- und einzelnen Ortdialekten eine große räumliche Ausdifferenzierung (vgl. Wiesinger in Stickel 1997:24f.).
Seit dem letzten Jahrhundert haben sich zahlreiche soziale Bedingungen auf die deutsche Dialektverwendung ausgewirkt. Neben dem Rückgang der Landwirtschaft, Zuwanderung ortsfremder Leute, neuen Berufen, Ausweitung des Pendlerwesens und Einfluss durch die Medien sieht Wiesinger eine weitere Ursache für die Veränderung in der Verwendung der Dialekte in der „[...]Vergrößerung des Lebens- und Kontaktraumes jedes einzelnen[...]“. Nach der Ansicht des Autors sind die modernen sozialen Gemeinschaften
„[...] zu heterogenen, offenen Gesellschaften geworden, wobei ein jeder in viel mehr soziale Netzwerke integriert ist als früher und über einen viel größeren kommunikativen Radius verfügt.“ (Wiesinger in Stickel 1997:24)
Grundsätzlich ist gerade in Deutschland ein Rückgang, vor allem der einzelnen Ortsdialekte, bedingt durch die großen sprachlichen Unterschiede zum Schrift- und Standardsprachlichen Überbau, festzustellen. An ihre Stelle treten weitgehend sprachliche Umstrukturierungen bzw. Ersetzungen durch eine höhere Sprachschicht. Auch die sprachsoziologische Prestigefrage spielt hierbei eine Rolle. Generell ist das dialektale Prestige im oberdeutschen Raum und in Teilen Westmitteldeutschlands höher anzusehen. Eine Umstrukturierung der traditionellen Basisdialekte findet weiterhin auf der dialektalen Ebene statt. Im ostmittel- und niederdeutschen Raum hingegen findet sich heutzutage nur noch eine geringe Anzahl von Dialektsprechern. Entsprechend niedrig ist das damit verbundene Prestige. Hier erfolgt weitgehend eine Aufgabe des Dialekts bzw. ein Ersatz (vgl. Wiesinger in Stickel:25 f.)
Für eine Untersuchung der bewussten Verwendung von Dialekten durch die Werbung wäre es nun interessant zu betrachten, ob sich diese Prestigebedingungen im medialen Gebrauch wieder spiegeln. Welche Dialekte werden verwendet, welche nicht und was könnte der Hintergrund für eine solche Verwendung sein?
1.2.1 Dialektverwendung in Österreich
Auch wenn der Dialektgebrauch in Österreichischer Werbung im späteren Korpus nicht weiter berücksichtigt wird, soll der Vollständigkeit halber, in einem kleinen oberflächlichen Exkurs auf die Verwendung von Dialekten in Österreich eingegangen werden. Scheuringer spricht in diesem Zusammenhang von einer starken allgemeinen „Dialektität [...] in dialektographisch sehr unterschiedlicher Gestalt mit wichtigen Binnengrenzen [...]“ andererseits finde sich aber auch „[...] ein äußerst differenziertes Spektrum sogenannter umgangssprachlicher Ebenen und auch eine sehr lebendige gegenwärtig vor sich gehende Hinwendung zu regionalen Verkehrssprachen“ (Scheuringer in Stickel 1997:332). Die Dialekte Österreichs gehören überwiegend zum bairischen Dialektraum (vgl. Scheuringer in Stickel 1997:333). Die Anzahl an Varietäten ist schier unüberschaubar. In Österreich genießen ähnlich wie in Süddeutschland die Mundarten ein höheres Prestige. Linguistische Beschreibungen, in Hinblick auf abgrenzbare Subsysteme für das österreichische Deutsch, können meist nur Tendenzen wider geben, obwohl sich größere einheitliche Dialektgebiete festmachen lassen. Diese sind jedoch wiederum von kleineren Sprachinseln durchzogen, in denen wiederum alles völlig anders ist. Sprachpolitisch ist seit längerem eine Diskussion um das österreichische Deutsch als eigenständige nationale Variante der deutschen Standardsprache im Gange, die linguistisch jedoch kaum haltbar ist.
1.2.2 Dialektverwendung in der Schweiz
In der Schweiz herrscht eine sehr breite Dialektverwendung. Vor allem die Stadtdialekte von Bern und Zürich spielen hierbei ein gehobene Rolle (Wiesinger in Stickel 1997:26). Im mündlichen alltäglichen Gebrauch findet, wie zuvor erwähnt, beinahe uneingeschränkt Dialektverwendung statt. Die Mundart ist dabei völlig losgelöst von der gesellschaftlichen Stellung des jeweiligen Sprechers. Der Dialekt ist somit die Alltagssprache aller Bevölkerungsschichten. Dadurch unterscheidet sich der Gebrauch dieser beiden Sprachformen grundlegend von allen anderen deutschsprachigen Ländern. Man könnte in Bezug auf die Prestigefrage sogar sagen, dass ein Mundartensprecher in der Schweiz generell an Prestige gewinnt. Jedoch finden sich Unterschiede im Ansehen von Sprechern verschiedener Schweizer Dialektgegenden.
In einer ihrer späteren Arbeiten geht Helen Christen der Frage nach Koiné-Tendenzen im Schweizerdeutschen nach (s. Christen in Stickel 1997:346ff.). Dabei geht es darum, ob der nahezu uneingeschränkte mündliche Gebrauch schweizerdeutscher Dialekte Veränderungstendenzen erkennen lässt, die, bedingt durch die aus dieser besonderen Diglossiesituation resultierenden Dialektkontakte, zu einem einheitlichen Schweizerdeutsch, also einer Koiné, führen. In ihrer Untersuchung beleuchtet die Autorin 42 Texte zufällig ausgewählter jünger Sprecherinnen und Sprecher, die „nicht standardisiert“ und „dialogisch“ interviewt wurden. Diese Texte stellt sie in Bezug zu Datenmaterial des Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS), dessen Inhalt in etwa den Stand der Dialektverteilung 50 Jahre vor ihrer Untersuchung widerspiegelt. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Entwicklung zu einem Einheitsschweizerdeutsch nicht erkennen lässt. Sie räumt allerdings ein, dass die Vielzahl an Dialekten im Vergleich zu den Daten des SDS abgenommen habe. Dies führt sie zu der Annahme, dass von einer Vereinheitlichung auf regionaler Ebene auszugehen sei, wie sie es nennt: „von mehreren Koinéen sozusagen“ (s. Christen in Stickel 1997:361).
1.3 Umgangssprache
Die Umgangssprache wird in der Linguistik als Ausgleichsprodukt zwischen Dialekt und Standard angesehen. Die generelle Orientierung geht dabei in Richtung schriftsprachlichen Standards, nimmt dabei jedoch verschiede dialektale und soziolektale Komponenten auf (vgl. Esser 1983:50ff.).
Diese Sprachform ist sehr variabel. Je nach Gesprächspartner kann sie sowohl eine Nähe zum Standard, als auch zum Dialekt aufweisen. Im Gebrauch ist die Umgangssprache lockerer und weniger offiziös. Insbesondere in den Aussprachen manifestieren sich in der Umgangssprache dialektale Bindungen. Von daher lassen sich regionale Umgangssprachen leicht voneinander unterscheiden.
Eine breite Verwendung findet diese Sprachform in der sogenannten Alltagssprache. Besonders in Deutschland erfuhren Dialekte bereits seit dem 17. Jahrhundert mit der allmählichen Entstehung und Durchsetzung des Neuhochdeutschen eine stetige Abwertung in ihrem Ansehen. Dies ist vor allem mit der primären Verwendung durch die unteren Schichten zu erklären. Inzwischen löst die Umgangssprache auch in den modernen „unteren“ Gesellschaftsschichten die Dialekte ab. (s. Wiesinger in Stickel 1997:28f.). In großem Umfang ist sie im Sprachgebiet der Bundesrepublik Deutschland bereits Ersatz für Dialekte, was im Besonderen für Mittel- und Norddeutschland gilt. Die dialektalen Bestandteile in der Alltagssprache nehmen räumlich gesehen dabei von Süden nach Norden ab:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach Eichhoff 1977-93:11
In der Linguistik ist der Terminus der Umgangssprache außerordentlich umstritten. Bußmann etwa beschreibt die Umgangssprache als:
„(1) Mit leicht abwertender [...] Konnotation im Sinne von >>Alltagssprache<< die Gesamtmenge der mündlichen und schriftlichen Äußerungen im familiären und beruflichen Kontext.
(2) Überregionales Ausgleichsprodukt zwischen sozialen und regionalen mündlichen Sprachvarianten.“ (Bußmann 1983:561)
Konkurrierende Termini bzw. mannigfache Subklassifizierungen lassen die Umgangssprache zu einem unüberschaubaren Komplex erwachsen. Viele Linguisten ordnen der Umgangssprache eine rein mündliche Sprachverwendung zu, die sich in hohem Maße auch außersprachlicher Kommunikationsmittel wie Gestik und Mimik bedient (s. Esser 1983:52).
Umgangsprache kann auch als eine Art Überbegriff verstanden werden, dem eine Vielzahl von Varietäten zu- bzw. untergeordnet werden wie z.B. Schichtensprachen, Intimsprachen, Individualsprachen, Soziolekte oder Idiolekte, also der individuelle Sprachgebrauch.
In der vorliegenden Arbeit soll auf diese Definitionsschwierigkeiten jedoch nicht tiefgreifender eingegangen werden. Somit seien unter Umgangssprache, in Bezug auf das vorliegende Korpus, all die definitorisch schwierig zu erfassenden deutschen Sprachformen verstanden, die weder eindeutig dem Dialekt noch dem Standarddeutschen zuzuordnen sind. Im Folgenden werden allerdings wohl für die Werbesprache bedeutsame Varietäten, wie etwa Jugendsprache oder Fachsprachen einer genaueren Betrachtung unterzogen. Dies geschieht in den jeweils relevanten Kapiteln an konkreten Beispielen.
2. Werbung und Werbesprache
Eine Definition von Werbesprache ist mit diversen Schwierigkeiten verknüpft. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht umfasst der Begriff so viel, dass es nötig ist, den Gegenstand genauer einzugrenzen.
Etymologisch stammt das zu Grunde liegende Verb werben vom althochdeutschen (h)werban und mittelhochdeutschen werben oder werven ab und bedeutet ursprünglich „sich drehen, wenden, umkehren, einhergehen, sich bemühen“. Zur Bedeutungsveränderung schreiben die Brüder Grimm:
„[...] während die vorgenannten bedeutungen (sic!) allmählich zurücktreten, wird im neueren dt. (sic!) ’sich um etw. bemühen’ zur hauptbedeutung (sic!) von werben.“ (s. Grimm 1991:165)
In der späteren Entwicklung seines Gebrauchs konnte das Verb sowohl in der Bedeutung ‚um eine Person werben’ als auch ‚um eine Sache werben’ im Sinne von ‚jemanden für eine Arbeit oder ein Amt gewinnen wollen’ später (ab Ende des 19. Jh.) auch ‚für etwas Reklame machen’ verwendet werden (vgl. Janich: 2001:18).
Bußmann definiert Werbesprache als
„Sprache zur Formulierung von (Konsum-)Appellen, die sich auf psychologisch begründete Beeinflussungsstrategien stützen und ökonomische oder politische Zwecke verfolgen.“ (Bußmann 1983:583)
Wie aus der Schweizer Radio und Fernsehverordnung von 2001 (RTVV) (entnommen aus der systematischen Sammlung des Bundesrechts) hervorgeht, wird nach der Gesetzesgrundlage für den TV-Werbemarkt ‚Werbung’ wie folgt definiert:
„ Art. 11 Begriffe
1 Als Werbung gilt jede öffentliche Äußerung zur Förderung des Abschlusses von Rechtsgeschäften über Waren oder Dienstleistungen, zur Unterstützung einer Sache oder Idee oder zur Erzielung einer anderen vom Werbetreibenden gewünschten Wirkung, wofür dem Werbetreibenden gegen Bezahlung oder eine ähnliche Gegenleistung Sendezeit zur Verfügung gestellt wird.
1bis Als Werbung gilt auch die Eigenwerbung eines Veranstalters, mit Ausnahme von Hinweisen auf eigene Programme und Begleitmaterialien, die inhaltlich in direktem Zusammenhang mit diesen Programmen stehen.
2 Verkaufssendungen sind Sendungen mit direkten Angeboten an die Öffentlichkeit zum Abschluss von Rechtsgeschäften über die vorgestellten Waren und Dienstleistungen.“ (www.admin.ch)
Linguistisch betrachtet stellt Werbesprache nach Janich zunächst einmal den Versuch der Beeinflussung und nicht eine Beeinflussung selbst dar (s. Janich 2001:18f.). Auf Werbesprache treffen folgende Merkmale zu:
- Die Werbesprache wählt ihre sprachlichen Mittel weitgehend aus der Alltagssprache aus.
- Sie bedient sich Varietäten wie Dialekten, Fachsprachen oder Jugendsprachen.
- Citation du texte
- Magister René Bogdanski (Auteur), 2006, Zur Verwendung von Varietäten des Deutschen in der Werbung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67003
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