Das Thema Holocaust hat nach wie vor Relevanz in der kindlichen Lebenswelt, überall und in jedem Alter, bei gleichzeitig immer noch fehlenden Unterrichtskonzepten in Schulen. Das grausame Kapitel der NS-Herrschaft verknüpft Vergangenes mit der Gegenwart in einer Weise, die jedem Menschen, vor allem dem an der Erziehung beteiligten, eine Thematisierung und Wachsamkeit abverlangt. Im Sinne einer politischen Bildung, aber auch einer ethischen Erziehung,ist die Beschäftigung mit der Thematik Holocaust auch 60 Jahre danach wichtig und nötig. Die zeitliche Distanz zu den Ereignissen des Nationalsozialismus hat Konsequenzen für die politische, aber auch für die literaturwissenschaftliche Perspektive. Als Beispiel für ein aktuelles Werk dient der Jugendroman "Lauf, Junge, lauf" von Uri Orlev. Unter Zuhilfenahme spezieller Kriterien der Holocaustliteratur wird das Werk literaturanalytisch bewertet. Der methodisch-didaktische Teil übersetzt die gewonnenen Erkenntnisse in die Unterrichtspraxis und schlägt Anwendungsmöglichkeiten vor.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlegende terminologische und literaturhistorische Aspekte der Thematik
2.1 Terminologische Problematik
2.2 Das historische Ereignis – Formen der literarischen Überlieferung
2.3 Fiktionalität versus Historizität – die narrative Vergegenwärtigung des Holocaust
3 Theoretische Überlegungen zur Vermittlung des Themas „Holocaust“
3.1 Psychologische Erinnerungsbarrieren und deren Folgen für die erzieherische Arbeit
3.1.1 Der Umgang der Kinder mit dem Tod
3.2 Diskussion über psychische Voraussetzungen von Grundschulkindern für die Thematisierung des Holocaust oder „Ist Überforderung noch ein Argument?“
3.2.1 Piagets entwicklungstheoretisches Stufenmodell
3.2.2 Kritik an Piagets Stufenmodell
3.2.3 Ein Konsens und die Konsequenzen
3.3 Die Rolle der Pädagogik bei der Aufarbeitung des Holocaust
3.3.1 Zukunft braucht Vergangenheit: „Und was geht mich das an?“
3.3.2 Gegenwartsbezug: Aktuelle Ereignisse mit neonazistischem Hintergrund in der Öffentlichkeitsdarstellung
3.3.3 Spuren der Vergangenheit: Der Holocaust und die Kultur des Erinnerns
3.3.4 Im Spannungsfeld zwischen Perspektivlosigkeit und Hoffnung: Angemessene Darstellung historischer Realität und der Schutz der kindlichen Integrität
3.3.5 Erziehungsideale in der pädagogischen Diskussion: Die Forderung, „dass Auschwitz nicht noch einmal sei...“
Exkurs: Empathie und Perspektivenübernahme
4 Didaktisch-methodisches Vorgehen bei der Umsetzung im Unterricht
4.1 Lehrer- und Erzieherrolle bei der Vermittlung des Holocaust
4.2 Selbstreflexion der Lehrperson und die Rolle der Eltern
4.3 Wie sag ich es? Zur Vermeidung von Sprachlosigkeit
4.4 Unterrichtsgestaltung
5 Literaturtheoretische Betrachtungen
5.1. Kinder- und Jugendliteratur – Definition und Genese
5.1.1 Historische und definitorische Aspekte der Kinder- und Jugendliteratur
5.1.2 Fiktonale Kinder- und Jugendliteratur: eine Merkmalsbestimmung
5.1.3 Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur
5.2 Narrative Texte als Zugang zum Holocaust und das Dilemma der Ästhetisierung
5.2.1 Was ist Holocaustliteratur?
5.2.2 Wozu fiktionale Holocaustliteratur?
5.2.3 Identifikation durch fiktionale Holocaustliteratur: Möglichkeiten und Grenzen
5.3 Besondere Aspekte des Themas in der Kinder- und Jugendliteratur
5.3.1 Genese der Kinder- und Jugendliteratur über den Holocaust von der Nachkriegszeit bis heute
5.3.2 Zur Übersetzungsproblematik
5.3.3 Deutungen des Faschismus in Kinder- und Jugendbüchern 167
5.4 Beurteilungskriterien für die literarische Analyse von Kinder- und Jugendbüchern nach Ernst Cloer
6 Narratologische Analyse des Jugendromans Lauf, Junge, lauf
6.1 Einleitende Informationen und formaler Aufbau des Buches
6.2 Autorenporträt
6.3 Aufbau und Bewertung nach Cloers Beurteilungsraster
6.3.1 Inhalt
6.3.2 Historischer Hintergrund
6.3.3 Faschismusverständnis
6.3.4 Literarische Gestaltung
6.3.4.1 Zum Titel des Buches
6.3.4.2 Erzählinstanz
6.3.4.3 Spannungsgestaltung
6.3.4.4 Zwischen Abenteuergeschichte und Zeitgeschichtlichem Roman
6.3.4.5 Erzählte Zeit – Erzählzeit: zwischen Stunden und Jahren
6.3.4.6 Erzählweise
6.3.4.7 Sprachprofil
Exkurs: Humor in der Holocaustliteratur im polaren Spannungsfeld: legitim oder vermessen?
6.3.5 Verknüpfung von Individual- und Gesellschaftsgeschichte
6.3.6 Handlungsfiguren
6.3.6.1 Entwicklung der Hauptfigur
6.3.6.2 Figurenkonstellationen
Die Frau des Partisanen
Bei der Gestapo: Soldat und Offizier
6.3.7 Adressaten
6.3.8 Kritische Würdigung / Beurteilung
6.3.9 Medien
7 Fachdidaktische Überlegungen und Vorschläge für die Umsetzung der Unterrichtseinheit im Deutschunterricht
7.1 Begründung für den Einsatz des Romans im Deutschunterricht
7.2 Wege eines gelungenen Einstiegs in den Roman
7.3 Textanalytisches Vorgehen
7.4 Produktionsorientierter Unterricht
7.5 Handlungsorientierter Unterricht
7.6 Legitimation der Thematik im Literaturunterricht durch den Lehrplan der Haupt- und Realschule des Hessischen Kultusministeriums
7.6.1 Der Literaturunterricht im Bildungsgang Realschule
7.6.2 Lernzielformulierung
8 Schlussbetrachtung und Ausblick
9 Bibliografie
9.1 Primärliteratur
9.2 Sekundärliteratur
1 Einleitung
Aber es wurde nun einmal geschrieben, es musste geschrieben werden, und uns bleibt die schwere und unbarmherzige Aufgabe zu lesen
Sem Dresden
Bei den Ereignissen des Nationalsozialismus handelt es sich keineswegs um Fußnoten der Weltgeschichte. Das grausame Kapitel der NS-Herrschaft verknüpft Vergangenes mit der Gegenwart in einer Weise, die jedem Menschen, vorrangig dem an der Erziehung beteiligten, eine Thematisierung und ständige Wachsamkeit abverlangt. Zum einen, weil Erkenntnisse und Erfahrungen der Menschen über geschichtliche Ereignisse wichtig für eigenes Denken und Handeln sind, um in der Vergangenheitserinnerung eine tragfähige Zukunftsperspektive zu entwickeln. Dies geschieht im Sinne einer politischen Bildung. Zum anderen – und dies dient einer ethischen Erziehung –, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und eine solche Barbarei nie wieder zuzulassen.
Viele Themen unserer Zeit waren schon früher gegenwärtig und haben die Menschen herausgefordert. Die Fragen nach Demokratie und Absolutismus, nach Gerechtigkeit und Toleranz, nach Gewalt und Frieden sind nicht neu. Daher überprüft jede Generation aufs Neue bestehende und erwünschte Werte auf ihre Tragfähigkeit und Aktualität, hinterfragt bestehende Zustände und entwirft gesellschaftliche Modelle.
Doch speziell bei den Lehren um die Geschehnisse des Nationalsozialismus muss festgestellt werden: „Allgemeine Lehren aus dem Holocaust, die für jeden und alle akzeptabel wären, gibt es nicht“ (Abram in Abram/Heyl 1996: 26). Es bleiben Unsicherheitsfaktoren, will man konkrete Verhaltensstrategien entwickeln, weil keine allgemeinen Handlungsanweisungen existieren und jede Situation von Neuem entschieden werden muss.
Die Massenvernichtung Andersdenkender im Nationalsozialismus hat als Extrembeispiel die Verletzung der Menschenwürde demonstriert und erfahren lassen, wohin blinder Gehorsam, Rassismus und eine von allen ethischen Werten entfesselte Gefühllosigkeit führen kann. Daher hat das Grundgesetz in Artikel 1 die Würde des Menschen als unantastbar deklariert. Es trägt damit den Erfahrungen des Dritten Reiches und den Schwächen der Weimarer Verfassung Rechnung. Deswegen halte ich es für die Wertschätzung unserer bestehenden Demokratie unabdingbar, die Gründungszusammenhänge der Verfassung mit den Schülern zu diskutieren, da das, was man versteht, besser geschützt wird.
Ich werde in dieser Arbeit auf die Frage nach der Relevanz der Geschehnisse im Dritten Reich für die heutige Lebenswelt der Kinder und den Sinn der Thematisierung im Unterricht eingehen. Die schulische Vermittlung des Holocaust ist weit gehend das Produkt der gesellschaftlichen Diskussion während der letzten drei Jahrzehnte, angestoßen u.a. durch die Kritik der Achtundsechziger[1] an der verdrängten Thematisierung des Nationalsozialismus während der 50er- und 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts.
Mein persönlicher erster Kontakt mit der Thematik des Dritten Reiches wurde durch die Schilderungen meines Sachkundelehrers zu Beginn der 80er-Jahre in der dritten Grundschulklasse initiiert, der den Krieg in russischer Gefangenschaft überlebte und uns Schülern als Augenzeuge davon berichtete. Was damals noch wie eine gruselige Abenteuergeschichte erschien, fügte sich erst im Laufe der Jahre in das Bild eines realen historischen Gesamtzusammenhangs ein.
Neben dieser eigenen Erfahrung stellt sich grundsätzlich die Frage, ob und in welcher Form der Nationalsozialismus im Allgemeinen und der Holocaust im Speziellen als Schulthema behandelt werden kann – und das mit zunehmend früherem Zeitpunkt der Thematisierung. Zudem stellt sich die Frage hinsichtlich der Behandlung des Themas in ländlichen Gebieten, in denen – im Gegensatz zu Kindern in größeren Städten oder sozialen Brennpunkten – die Schüler manchmal keinerlei Bezug zu dieser Thematik haben, wenn ihnen weder Hakenkreuzschmierereien noch rechtsradikale Parolen oder ausländerfeindliche Übergriffe begegnen. Als ich mich in meinem Bekanntenkreis für einen frühen Moment der Thematisierung des Holocaust aussprach, stieß ich zum Teil auf große Vorbehalte und Bedenken gegenüber einer Frage, die für mich so selbstverständlich mit einem „Ja“ beantwortet schien. Auch in der Öffentlichkeit werden weitere Punkte aufgeführt, die gegen eine Thematisierung sprechen.
Es heißt beispielweise, dass die Kinder zu jung seien, um damit konfrontiert zu werden, die Thematik sei überfordernd und beängstigend oder es wird davon gesprochen, dass ein so belastendes Thema besser im Elternhaus diskutiert werden sollte und in den Medien bereits genug Raum einnehme. So weit zu den Gegenstimmen.
Obwohl dies nur vereinzelte Stellungnahmen sind, fordert es mich heraus, die Argumente ernst zu nehmen und meinen Standpunkt zu überprüfen. Ich stelle diese Bedenken einer völlig gegensätzlichen Haltung gegenüber, die eine Schonung der Kinder als „Herablassung“ (Schreier 1998: 34) ihnen gegenüber betrachtet.
Dass es tatsächlich immer mehr Bemühungen gibt, die Geschehnisse des Dritten Reiches auch von Kindern im Grundschulalter nicht fern zu halten, zeigen die vermehrten Auseinandersetzungen wie die Konferenz „Der Holocaust – ein Thema für Kindergarten und Grundschule?“[2] oder die zunehmende wissenschaftlich-didaktische Beschäftigung an Universitäten in Seminaren wie in dem Veranstaltungsangebot des Fritz-Bauer-Institutes mit der Veranstaltungsbezeichnung „Nationalsozialismus und Holocaust als Unterrichtsthema in der Grundschule“[3]. Es lässt sich im Laufe der Jahrzehnte nach dem Genozid eine Veränderung im Umgang mit diesem historischen Ereignis feststellen.
Die Form und die Grenzen der Vermittlung stellt sich selbstverständlich je nach Altersstufe unterschiedlich dar. Während ich im allgemeinen Teil grundsätzliche Fragen thematisiere, die auf die gesamte Kindheit und Jugend zutreffend sind, beziehe ich mich im literaturdidaktischen Teil auf die Altersstufe der frühen Jugend ab 12 Jahren.
Es existieren zahlreiche Publikationen zur Verfolgung und Ermordung Andersdenkender im Zweiten Weltkrieg. Geschichts- und Sozialwissenschaftler, Philosophen und Pädagogen und insbesondere Literaturdidaktiker sollen in der vorliegenden Arbeit zu Wort kommen. Ihre Positionen sollen dargestellt, erörtert und in ihrer Kontroverse gegenübergestellt und analysiert werden.
In den Auschwitz-Diskursen des jeweiligen wissenschaftlichen Kanons geht es neben der Benennung des Geschehens stets um dessen Deutung und um die Konsequenzen aus der Tatsache, dass Auschwitz möglich war.
Auch die Pädagogik muss sich die Frage stellen, was der mit Auschwitz verbundene geschichtliche Einschnitt für die aktuelle Erziehungsarbeit mit Kindern bedeutet.
Wie sieht der Umgang, die Einbettung und Sinnbildung dieses „Zivilisationsbruch[s]“ (Diner in Heyl 1997: 10) in der pädagogischen Praxis aus?
Ist es immer noch angesagt, 60 Jahre nach den grausamen Geschehnissen über dieses Vergangenheitskapitel zu sprechen und zwar mit einer Generation, die keine persönlichen Erinnerungen an das Dritte Reich hat?
Die zeitliche Distanz zu den Ereignissen des Nationalsozialismus hat Konsequenzen für die politische, aber auch für die literaturwissenschaftliche Perspektive. Als Beispiel für ein aktuelles Werk dient der vor zwei Jahren erschienene Jugendroman Lauf, Junge, lauf von Uri Orlev. Dieses literarische Werk fördert ein Hineinversetzen in die damalige Zeit mit ihren Problemen und Möglichkeiten.
Unter literaturdidaktischem Gesichtspunkt stellt sich daher die Frage, ob und mit welcher Zielsetzung das Buch nutzbringend in den Deutschunterricht integriert werden kann.
Um sich dieser Frage zu nähern, soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein Vorgehen in drei Schritten erfolgen.
Der erste Teil bildet den theoretischen Hintergrund. Definitionsschwierigkeiten sollen geklärt und auf die vielfach besprochene Problematik des Spannungsverhältnisses der erzählenden und berichtenden Literatur Bezug genommen werden. Darauffolgend wird im zweiten Teil der pädagogische und psychologische Forschungsstand dargestellt und erörtert.
So wird eine profunde Grundlage geschaffen, um im Verlauf des dritten literaturanalytischen Teils auf diese (literatur-)theoretischen Erkenntnisse zu rekurrieren. Erzähltheoretische Aspekte finden neben spezifischen Bewertungskriterien der Holocaustliteratur in der konkreten Auseinandersetzung mit dem Roman Lauf, Junge, lauf Anwendung, um zu einer kritischen Bewertung zu gelangen.
Schließlich soll die eingangs aufgeworfene Frage nach dem praktischen Nutzen der fiktionalen Kinder- und Jugendliteratur über den Holocaust in Zusammenhang mit dem Lehrplan für den Bildungsgang Realschule begründet werden. Der Theorieteil soll mit dem Analyseteil dieser Arbeit mit Unterrichtsideen abgerundet werden.
Die in der Literaturdidaktik gängige Abkürzung ‚KJL’ soll für den Terminus ‚Kinder- und Jugendliteratur’ stehen.
Die männliche Personenbezeichnung in meiner Arbeit richtet sich selbstverständlich an beiderlei Geschlecht und stellt keine Hierarchisierung dar.
2 Grundlegende terminologische und literaturhistorische Aspekte der Thematik
2.1 Terminologische Problematik
Es existieren viele Bezeichnungen für den Völkermord. In der Wahl eines jeden ist eine perspektivische Interpretation impliziert. Annegret Ehmann weist auf diese nicht immer bewussten Bedeutungszusammenhänge hin:
Die Schwierigkeiten der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen beginnen mit der Sprache. Die Begriffe und Metaphern, die wir wählen, um das historische Geschehen zu beschreiben, sagen etwas über das Verhältnis zu dieser Geschichte aus (Ehmann in Heyl 1997: 10).
Auch James E. Young betrachtet die terminologische Festlegung als wichtig und bestimmend:
Die Benennung ist einer der ersten hermeneutischen Schritte bei der Betrachtung eines Ereignisses. Sie prägt die Ereignisse und hält sie in der Erinnerung lebendig, während sie zugleich ein ganz bestimmtes Verständnis dieser Ereignisse bedingt (Young in Feuchert 2000: 7).
Der amerikanische Literaturwissenschaftler und Holocaust-Forscher bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass bei einer bestimmten Begriffswahl, seien es die hierzulande gebräuchlichen Begriffe Holocaust und Schoah oder auch das Toponym Auschwitz, stets eine Konnotation mitschwingt.
Wie selbstverständlich werden Begriffe wie Genozid und Völkermord gebraucht, um der Tragik des Geschehenen einen Namen geben. Auch Cynthia Ozick mahnt in dem Satz „Jews are no metaphors“ (Ozick in Heyl 1997: 11) auf eine knappe und direkte Weise einen vorsichtigen Umgang mit den Begrifflichkeiten an.
Und doch kommen wir nicht umhin, uns für einen Begriff zu entscheiden, wenn wir über dieses Geschichtskapitel reden und es werten wollen. Wir müssen uns mit einem Kompromiss zufrieden geben, da wir uns der Verbalisierung der Vergangenheit mit der Wahl eines Ausdruckes nur annähern. Er kann stets nur ein Platzhalter sein und nie die ganze Tragweite benennen.
Das griechische Wort Holocaust bedeutet Brandopfer. Ursprünglich religiös konnotiert, hat sich diese Benennung für die Verfolgung und Massenvernichtung der Juden in Deutschland als globale Chiffre weitgehend durchgesetzt und wird mittlerweile appellativisch gebraucht (vgl. Kluge 1995: 381).
Schoah leitet sich aus dem Hebräischen ab und heißt Katastrophe / Untergang[4] . Der Begriff hat einen Wandel erfahren, sodass nicht der natürliche, sondern der gewaltsame Tod gemeint ist (vgl. Heyl 1997: 14f.).
Die Diskussion um die Wahl eines adäquaten Terminus ist intensiv und mehr als eine philologische Wortdeutelei: Wiesel beispielsweise geht sogar so weit von einer „Banalisierung“ bei der Wahl des Wortes Holocaust zu sprechen und auch der Terminus Schoah gerate in die Kritik, „die Einzigartigkeit des Geschehens zwangsläufig [zu überdecken]“ (Wiesel in Feuchert 2000: 9).
Walter Reich wagt den Kompromiss, die Begriffe in Beziehung zu setzen und eine Verbindung herzustellen, die beide Aspekte berücksichtigt, wenn er von der „Schoah, der Vernichtung der europäischen Juden“ als „dem grauenhaften Kern des Holocaust“ spricht (Walter Reich in ebd.:15).
In dem Dschungel der verschiedenen Begrifflichkeiten – seien es Schoah, Holocaust, Auschwitz oder das unbekanntere Churban u.v.m. – entscheide ich mich für den Terminus Holocaust, weil er in der öffentlichen und vor allem internationalen Diskussion über die Vernichtung der Juden der gebräuchlichste ist.[5] In Anlehnung an Habermas, der den Ausdruck Holocaust als Pars pro Toto bezeichnet (Habermas in Feuchert 2000: 14), werde auch ich den Begriff Holocaust auf die gesamte Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten beziehen[6], da es meiner Auffassung nach keine Höher- oder Minderwertigkeit der Opfergruppen gibt.
Nicht zuletzt sorgte der in den Siebzigerjahren ausgestrahlte amerikanische Film ‚Holocaust’ für große Betroffenheit in der deutschen Bevölkerung und entfachte eine längst überfällige Diskussion um die Vergangenheit. Der vierteilige Fernsehfilm trug zu einer Auseinandersetzung mit diesem düsteren Kapitel der Geschichte bei. Die enorme Wirkung des Films lag vor allem an dem individualisierenden Zugang am Beispiel einer Familie. Der Historiker Detlev Peukert weist darauf hin, „dass die Präsentation eines emotional nachvollziehbaren Beispiels weitaus eindringlicher wirkt, als trockene Dokumentationen oder die statistische Auflistung von Millionen NS-Opfern“ (Peukert in Heyl 1997: 58). Gerade weil auch kritische Stimmen mit dem Vorwurf einer „Hollywoodisierung“ (Dahrendorf 1999a: 26) laut wurden, war eines erreicht: Die Nazivergangenheit war im Gespräch.
In der Auseinandersetzung um die richtige Wortwahl wird vor allem eins deutlich: Es gibt keine Wörter ohne Vorbedeutungen und Assoziationen. Wir benutzen sogar Fremdwörter, weil die deutsche Sprache keinen eigenen Begriff kennt, welcher der Tragik des Geschehens gerecht wird. Wolffsohn beschreibt die Problematik der unzureichenden Begrifflichkeit treffend mit einem Bild: „Die millionenfache Judenvernichtung durch Deutsche, im deutschen Namen – und das ohne einen Begriff der deutschen Sprache. Wie ein sanftes Polster schiebt sich der Begriff ‚Shoa’ und ‚Holocaust’ zwischen die Wirklichkeit und unsere Erinnerung“ (Wolffsohn in Heyl 1997: 17).
Auch Hans Hofmeyer[7], der dem Prozess gegen NS-Verbrecher politisches Gewicht verlieh, wies in seiner Urteilsbegründung einleitend auf die Schwierigkeiten der Bezeichnung hin: „Denn hinter diesem Tor begann eine Hölle, die für das normale menschliche Gehirn nicht auszudenken ist und die zu schildern die Worte fehlen“ (Hofmeyer in Reichel 2001: 176). Es bleibt ein Ringen um Worte, mal um die passende Terminologie mit ihrer inhaltlichen Färbung und einer Entscheidung für eine Chiffre, mal – wie bei Hofmeyer – in einer konkreten qualvollen Schilderung:
Man schnitt ihnen (die) Haare, [...], man gab ihnen ein paar Lumpen als Kleidung [...] Tag und Nacht gepeinigt von Ungeziefer [...], mit schweren Holzschuhen an den zerschundenen Füßen trieb man sie schlimmer als das Vieh zu ungewohnter schwerer Arbeit (ebd.).
Es existiert kein treffender Allgemeinbegriff und eine Kategorisierung ist nicht möglich. Nur im anschaulichen Belastungsmoment seiner Anklage – und diese führt der Richter ausführlich an – kann sich jeder Einzelne eine Vorstellung von den Verbrechen gegen die Menschlichkeit machen.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Auschwitz, Holocaust und Schoah im Sprachgebrauch oft synonym verwendet werden und jede Entscheidung für einen Begriff stets ein Kompromiss bleibt auf der Suche nach einer adäquaten und stimmigen Vokabel in einer Dimension, „wohin die Sprache nicht reicht“ (Keilson in Heyl 1997: 19).
Die Wahl der richtigen Worte wird auch in der Öffentlichkeit immer wieder kritisch beäugt. Es bleibt ein emotional aufgeladenes Thema, bei dem unüberlegte und banalisierende Äußerungen scharf kritisiert werden und Gedankenlosigkeit nicht toleriert wird. Selbst die oft verwendete Ausdrucksweise des Nationalsozialismus als Bruch in der Kontinuität deutscher Geschichte wird gelegentlich als einmalige Verirrung betrachtet und muss sich dann dem Vorwurf der Verleugnung jeglicher persönlichen Verantwortung stellen.
Auch Walter Wilhelm[8] sorgte kürzlich mit seiner Äußerung zum Verfassungsschutzbericht für Unmut. Der Bericht belegte einen Anstieg rechtsextremer Propagandadelikte. Im Zusammenhang mit Hakenkreuzschmierereien bemerkte er: „Das haben wir früher auch gemacht“ (Stengel 2006: 4). Die politische Szenerie liefert immer wieder Beweise, dass die Wunde noch offen ist und deswegen eine ständige Wachsamkeit und Sensibilität nötig ist.
Doch selbst wenn sich für einen Begriff entschieden wurde, stellt sich die nächste Frage: Darf der Holocaust überhaupt ästhetisch dargestellt werden? Diese bis heute andauernde Debatte gibt Diskussionsanlass und soll im Verlauf der Arbeit vorgestellt werden.
2.2 Das historische Ereignis – Formen der literarischen Überlieferung
Geschichte ist Stoff, kann zumindest als solcher verwendet werden,
aus dem man das Kleid der Dichtung zusammenschneidern kann.
Ruth Klüger[9]
Aufgrund der zeitlichen Distanz zur nationalsozialistischen Vergangenheit leben immer weniger Zeitzeugen, sodass die Erinnerungen verblassen.
Da sich die Chance dieser personalen Begegnung mit Zeitzeugen des Holocaust als ‚lebendige’ Geschichte immer seltener bietet, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie wir als Nachgeborene des Holocaust Vergangenheit erinnern.
Der Wunsch, Erfahrungen literarisch zu verarbeiten und zu konservieren, reicht weit in die Menschheitsgeschichte zurück (vgl. Hörbuch Manfred Mai 2001: CD1).
Doch können Texte überhaupt eine objektive Wirklichkeitsschilderung leisten und Fakten liefern, wie sich die Dinge wirklich zugetragen haben, und in welchem Spannungsfeld befinden sich dann fiktionale Texte im Gegensatz zu dokumentarischen Darstellungen? Oder anders gefragt: Welche Funktion erfüllt ein Text ohne literarischen Anspruch, welche dagegen narrative Texte fiktionaler Literatur in der Vergegenwärtigung des Holocaust?
Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es einer Begriffserklärung, was Literatur überhaupt ist: Literatur umfasst zunächst den gesamten Bestand an schriftlich Aufgezeichnetem. Das ist sowohl die sachbezogene als auch die sogenannte schöngeistige Literatur, die nicht zweckgebunden ist, sondern aus sich heraus besteht und durch eine besondere ästhetische Ausdrucksform gekennzeichnet ist (vgl. von Wilpert 2001: 470).
Dieser Definition folgend gehören sowohl historische Darstellungen als auch fiktionale Erzählungen in die Sparte der Literatur. Aus dieser Bestimmung resultiert die Frage, ob und zu welchem Zweck zwischen den beiden Textsorten unterschieden wird. Um eine Antwort zu finden, bedarf es der Ausführung, inwieweit der individuelle Gestaltungsraum der jeweiligen Autoren – Berichterstatter wie Dichter – eine Rolle spielt.
2.3 Fiktionalität versus Historizität – die narrative Vergegenwärtigung des Holocaust Dichtung ist immer nur eine Expedition
nach der Wahrheit
Franz Kafka[10]
In der Forschung herrscht zunehmend Konsens, dass alle Formen der Überlieferung, die auf menschlichen Erfahrungen beruhen, nur Annäherungsversuche an die Wirklichkeit sind. Schon Nietzsche behauptete, es gäbe keine Tatsachen, sondern nur Interpretationen davon. Selbst in der Geschichtsdarstellung gibt es kein monolithisch feststehendes Geschichtsbild eines historischen Realismus. Der Geschichtsdidaktiker Klaus Bergmann formuliert diese vielleicht erstaunliche Behauptung folgendermaßen: „Die vielen Zeugnisse [...] sind immer perspektivische Zeugnisse und nicht [...] die objektive Spiegelung einer vergangenen Wirklichkeit“ (Bergmann 2000: 26). Auch Diner schließt sich dieser Betrachtungsweise an: „Es [kann] eine universell begründete Erinnerung nicht geben – allenfalls als historisches Konstrukt“ (Diner in Heyl 1997: 38). Die Begründung für diese dem Konstruktivismus naheliegenden Theorien liegt in der subjektiv unterschiedlichen Erfahrungswelt jedes Menschen – die des Historikers genauso wie die des Dichters. Somit bleibt auch der vermeintlich authentische Anteil einer Geschichte immer nur das Wissen von ihr, welches aus verschiedenem Quellenmaterial erworben wurde. Der individuelle Standpunkt bestimmt die Erzählperspektive, weswegen mit Schreiben stets die Entscheidung für eine Auswahl einhergeht.
Feuchert geht mit seiner Aussage sogar einen Schritt weiter: „Dabei sind nicht nur die übermittelten ‚Fakten’ wichtig, sondern auch die Form der Überlieferung, die Art und Weise, wie die Ereignisse, etwa in der Literatur, aber auch in anderen Medien, dargestellt werden“ (Feuchert 2000: 16). Er bringt die Perspektive der Machart und Darbietungsweise ins Spiel, die ich in meiner Textanalyse referieren werde. Auch Gansel betont: „Von Interesse beim Erzählen sind nunmehr das ‚was’ und das ‚wie’“ (Gansel 1999: 22). Young schließt sich diesen Positionen an: „[...] wie es [das Geschehen des Holocaust] erinnert wird, hängt von den Texten ab, die diesen Ereignissen heute Gestalt geben (Young in Lange 2000: 488).
Mit den genannten Autoren lässt sich die These belegen, dass Geschichtsdarstellungen nicht chronologisierte Tatsachenberichte sind, sondern eine Interpretationsfreiheit beinhalten, die je nach Erklärungsabsicht des Schildernden fokussiert ist. Daraus resultiert eine selektive Darstellung, oder – anders ausgedrückt – eine ‚partielle Blindheit’. Der Beliebigkeit wird glücklicherweise ein Riegel vorgeschoben, indem die eigene Argumentation einer kritischen Überprüfung standhalten und eventuell revidiert werden muss. Gansel bemerkt hierzu kritisch: „[...] verschiedene Geschichten-Bilder [sind] ergänzend, kontrastierend, korrigierend nebeneinander zu stellen. Problematisch wird es immer dann, wenn ein Bild-Produzent den Monopol-Anspruch auf die richtige, die einzige, die wahre Geschichte stellt“ (Gansel 1999: 151).
Somit haben wir es stets, ob in der Ursprungsform der Zeitzeugenberichte, der Auswertung durch Historiker oder in der Darstellung in der Belletristik mit individuellen Wahrnehmungen zu tun, die persönlich interpretiert sind.
Ruth Klüger konstatiert zum Verhältnis Faktizität und Fiktionalität Ähnliches: „Die Historiker erkennen, dass es in der Geschichte immer um Erzählungen geht. Damit verschwimmt auch die ehemals deutliche Zäsur zwischen Sprachwissenschaften und historischen Wissenschaften“ (Klüger 2000: 13). Wenn nun zutrifft, dass jede Wahrnehmung und folglich auch ihre sprachliche Beschreibung individuell komponiert sei, wo liegt dann der Unterschied zwischen fiktionaler und historischer Literatur speziell im Themenbereich Holocaust?
Durch beide Literaturquellen machen sich Leser ein Bild vom Nationalsozialismus, doch beide, sowohl fiktionale Literatur als auch Historiografie, verdienen eine unterschiedliche Lesart, da ihr Charakter unterschiedlich ist.
Der Historiker bleibt nah am tatsächlichen Geschehen. Seine Darstellungen werden optimalerweise nur durch die von Bergmann beschriebenen unvermeidbar-subjektiven Gewichtungen beeinflusst. Ruth Klüger benennt die Aufgabe der Historiker treffend in nur einem Satz: „Nur darf sich der Historiker oder die Historikerin weniger Freiheiten mit dem Rohmaterial erlauben, einfach deshalb, weil er sich dazu verpflichtet hat, weil er (oder sie) einen anderen Kontrakt mit dem Leser hat als der Romancier“ (Klüger 2000: 39). Dahingegen besteht zwischen dem Autor und dem Leser fiktionaler Literatur die Übereinkunft, dass es sich um dichterische Wahrheit handelt. Die künstlerische Imaginationsfreiheit regiert den Schreibprozess.
Während die Geschichtswissenschaftler also bestrebt sind, durch Quellenarbeit möglichst nah an das Geschehen heranzurücken und unverfälscht, original und authentisch zu berichten, um im nächsten Schritt bewusst davon abgegrenzt zu deuten, gilt dieses enge Korsett nicht den Dichtern: hier dürfen geschichtliche Begebenheiten als Grundgerüst angeführt werden. Ergänzend ist es legitim, sich fantasievoll in die Geschichte ‚einzudenken’ und eine illusorische Welt zu kreieren, die so passiert sein könnte, aber eben auch anders. Was beim Erzähler fiktionaler Literatur erwünscht und erlaubt ist, ist beim Berichterstatter verwerflich. Die Versprechen, die beide Schreiber einlösen wollen, unterscheiden sich voneinander.[11] Schon Aristoteles soll in seiner Poetik auf die Unterschiede zwischen Dichtung und Dokumentation eingegangen sein: „Es ergibt sich, dass es nicht die Aufgabe des Dichters ist zu berichten, was geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte und was möglich wäre nach Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit“ (Klüger 2000: 19). Folglich kommt es nicht darauf an, dass etwas genau so wie beschrieben abgelaufen sein muss. Die Schilderung soll aber bei einem historisch zutreffenden Hintergrund den Zeitgeist widerspiegeln.
Der Historiker hingegen orientiert sich in seinen Werken viel stärker an der historischen Realität und versucht zu informieren. Während wissenschaftliche Geschichtsschreibung historisches Wissen vermittelt, zeigt die fiktionale Literatur eine spezifisch ästhetische Sicht auf die Geschichte unter Verwendung von Stilmitteln. Die Erzählliteratur hat eine größere erzählerische Bandbreite: diese reicht von autobiografischen Schilderungen wie das Tagebuch der Anne Frank[12] bis hin zu der Mäuseparabel Der überaus starke Willibald[13], die zwar unverkennbare Parallelen zu dem nationalsozialistischen Machtapparat aufweist, jedoch erst mit dem erforderlichem Geschichtswissen seine Bedeutung erlangt. Es ist nicht genau bestimmbar, wie hoch der Wahrheitsgehalt einer Erzählung zwischen diesen beiden Polen ist. Der Dichter nimmt sich gewisse Freiheiten, die aber stets durch die Fakten begrenzt sind. Daher kann das Gelesene nur als eine Wirklichkeit gedeutet werden, die erdachte Anteile enthält und mit welcher der Verfasser eine Deutung der Geschichte bezweckt. Zugespitzt formuliert mag sich der ein oder andere Geschichtswissenschaftler hierin erkennen: „Dem Historiker graut vor dem Gedanken, dass da jemand – möglicherweise auch noch ein nicht nach den Regeln der Kunst ausgebildeter Laie – äußerst frei mit den historischen Fakten umgeht, manches weglässt, vor allem aber vieles hinzufügt, was so nicht in den Quellen zu finden ist“ (von Reeken 1999: 69). Doch die thematischen Berührungspunkte und die Absicht, Vergangenheit zu vergegenwärtigen, verbindet Historiker und Dichter. Insofern können sich die beiden Schreibformen ergänzen: Ein Roman ist keine Schulstunde, ebenso wie ein Dokument durch die Fantasie des Dichters anschaulich wird. Auch wird die erzählende Literatur nie in die reine Fiktion abweichen, weil der Holocaust leider Realität war.
Warum aber überhaupt über Geschichte dichten und sich eine „Zwangsjacke“ (Klüger 2000: 20) überstülpen? Schließlich werde – so die Literaturwissenschaftlerin – ein Stück dichterischer Freiheit aufgegeben, wenn über nachprüfbare Situationen geschrieben werde (vgl. ebd.).
Einen gelungenen Erklärungsversuch liefert Margaret Drew, wenn sie sagt: „History records the events and compiles the statistics; literature translates the events and statistics into real things happening to real people. Each without the other ist inadequate; together, they provide a window into the truth”[14] (Drew in Deckert-Peaceman 2002: 61).
Ruth Klüger spricht ebenfalls von einer gemeinsamen Schnittmenge der Bereiche Geschichte und Literatur (vgl. Klüger 2000: 17) und James E.Young bringt das Verhältnis auf einen knappen Nenner: „Historisches und Phantastisches durchdringen einander“ (Young zitiert in Feuchert 2000: 19). In diesem überschneidenden Teil dienen Dichtung und Geschichte einander und ergänzen sich oder – in den Worten Ernst Cloers gesprochen – Jugendbücher sind „Geschichtsschreibung mit anderen Mitteln“ (Cloer 1985: 8). Darin wird aufgeklärt, sogar unterhalten, und die Dichtung nutzt die Geschichte wie „eine Vorratskammer, die geplündert werden darf“ (Klüger 2000: 22) mit dem Ziel einer Wirklichkeitsbewältigung. Sie liefert dem Rezipienten eine Interpretation, die ihm neue Sichtweisen ermöglicht oder Fragen aufwirft. ‚Was hat der Dichter aus den Fakten gemacht?’, mag der Leser sich fragen, wenn der Schriftsteller für ihn selbst Unwichtiges weggelassen oder Neues dazu erfunden hat. In ihrem autobiografischen Roman bemerkt Klüger: „Wer mitfühlen, mitdenken will, braucht Deutungen des Geschehens“ (Klüger 1992: 160) und macht damit deutlich, dass jeder Autor nur eine neue Sichtweise bietet oder ein bestimmtes Gefühl im Leser hervorruft, indem er eine bestimmte Perspektive einnimmt. Fiktionale Literatur will vor allem als Literatur wahrgenommen werden und nicht als Hilfsmittel, um allgemeine Schilderungen aus der Geschichtswissenschaft zu veranschaulichen. Es gestaltet sich schwierig, die eingangs gestellte Frage nach Unterscheidungsmerkmalen zwischen erzählender und berichtender Literatur mit eindeutigen Zuweisungen zu beantworten. Als gesichert gilt, dass es sich bei Erzählliteratur um eine dichterische Konstruktion handelt und als solche interpretiert werden muss, während Geschichtsberichte wirklich Geschehenes möglichst authentisch wiedergeben wollen.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Unterscheidung von fiktionalen und nichtfiktionalen Texten in der Holocaustliteratur ungenau ist und vielmehr die Einstufung in eine Textgattung – Poetik oder Historiografie – durch den Autor oder Verlag dem Leser einen Anhaltspunkt gibt, wie er den Text zu entschlüsseln hat. Dieses Übereinkommen zwischen Leser und Autor setzt eine unterschiedliche Erwartungshaltung voraus: „Die Rekonstruktion der Vergangenheit, welche die Literatur ins Werk setzt, ist fast immer trügerisch, wenn man sie mit Kategorien geschichtlicher Objektivität misst. Die literarische Wahrheit ist eine Wahrheit, die historische eine andere“ (Vargas Llosa in Thomas Kraft 2000: 326). Erst wenn dieser Kontrakt des Schreibers mit dem Leser berücksichtigt wird, kann eine Interpretation des Textes gelingen.
3 Theoretische Überlegungen zur Vermittlung des Themas „Holocaust“
3.1 Psychologische Erinnerungsbarrieren und deren Folgen für die erzieherische Arbeit
Die Tatsache, dass erst in den vergangenen 30 Jahren Schwung in die zunächst zögerliche Veröffentlichung von Literatur über den Holocaust gekommen ist, kann als ein Zeichen für den lang verbreiteten Verdrängungs- und Umdeutungsmechanismus in der deutschen Bevölkerung betrachtet werden. Die Ursachen dieses vermeidenden Verhaltens und die Konsequenzen für die erzieherische Arbeit sollen in diesem Kapitel vorgestellt werden.
„Erinnerung ist ohne Vergessen nicht denkbar“ (Yerushamit in Heyl 1998: 39). Vergessen nicht im Sinne von Ignorieren, sondern vielmehr als einem psychologischen Selektionsprozess, der vor einer seelischen Überwältigung schützt. Der Psychotherapeut Müller-Hohagen weist auf beide Seiten der Medaille hin: „Wir kennen uns aus mit Verleugnung und Verdrängung, wissen um ihre schädlichen Wirkungen, aber auch um ihre Funktion, Menschen zunächst vor einem Zusammenbruch zu schützen“ (Müller-Hohagen 1992: 43).
Es existiert eine mentale Barriere, die in der Natur des Menschen begründet liegt: Unangenehme Erinnerungen und schmerzvolle Assoziationen – insbesondere traumatische – werden unterdrückt und ausgeblendet, um sie auf emotionaler Ebene weder nochmals erleben noch sich der Furcht stellen zu müssen, dass sie sich möglicherweise wiederholen.
Diese „existentielle[n] Ängste, die aus der Todesfurcht als dem Prototyp menschlicher Furcht herrühr[en]“ (Aguilera in Moysisch/Heyl 1998: 36) sind bei der Rekonstruktion des Völkermords im Dritten Reich umso stärker, da es sich nicht um einen natürlichen Tod, sondern um Mord handelt. Darüber hinaus „[...] provozieren [Schuld- und Schamgefühle] Abwehr gegen jede Form der Erinnerung“ (Brainin u.a. in Heyl 1997: 131).
Auch in der psychologischen Neurosenlehre sind Verdrängung und Verleugnung als Abwehrmechanismen traumatischer Erlebnisse bekannt. Ziel eines solchen Unterdrückungsmechanismus ist es, „mit dem Unlust erregenden Impuls, der zum Konflikt führt, fertig zu werden“ (Hoffmann/Hochapfel 1999: 61). Übertragen auf die Erinnerungsleistung bezüglich der Ereignisse des Nationalsozialismus bedeutet dies: Was früher ein ‚ Von alledem haben wir nichts gewusst’ war, endet heute in einem ‚ Wir können es nicht mehr hören’. Gemeinsam ist beiden Aussagen die Vermeidung von Konfrontation.
Hubertus Kunert beobachtet jedoch nicht nur ein Schweigen, sondern viel häufiger entlastende und beschwichtigende Aussagen wie „wegen der perfekten Geheimhaltung haben wir von den Greueltaten nichts gewusst“ oder „wer sich den Nazis zu widersetzen wagte, wurde erschossen“ (Kunert 1985: 396). Diese moderate Abwehr liegt darin begründet, dass „in der Struktur der Psyche der permanente Druck, selbst Mittäter zu sein, als unerträglich empfunden wird. Die Psyche verschafft sich sozusagen wieder selbst Luft zum Atmen, indem sie die Realität verharmlost oder verzerrt“ (ebd.).
3.1.1 Der Umgang der Kinder mit dem Tod
Stellt der Tod ein tabuisiertes, mit emotionalen Verunsicherungen behaftetes Thema schon bei den Erwachsenen dar, so gilt diese Schwierigkeit umso mehr, wenn es darum geht, mit Kindern darüber zu reden. Und dennoch kommen wir in der pädagogischen Arbeit nicht umhin, die drängenden Fragen der Kinder zu beantworten.
Der Tod stellt immer ein Verlusterlebnis dar und ruft Trauer und Hilflosigkeit hervor. Yalom stellt hierzu fest: „Der Schrecken des Todes ist überall in solchem Ausmaß vorhanden, dass ein beträchtlicher Teil der Lebensenergie für die Verleugnung des Todes aufgebraucht wird“ (Yalom 1989: 99). Doch gerade jüngere Kinder gehen unbefangen mit diesem Thema um und fragen interessiert oder stellen auf eine unschuldige und oft unerwartete Weise Behauptungen auf, wie Yalom aus seiner therapeutischen Erfahrung berichtet: „Wann wirst du sterben? [...] Ich höre niemals auf, [über den Tod] nachzudenken. Jetzt sind nur noch drei von uns zu Hause, Du und ich und Mami. Ich bin gespannt, wer zuerst sterben wird“ (ebd.). Kinder sind demzufolge intensiv mit der Endlichkeit und dem Sterben beschäftigt. Der Tod erscheint ihnen als Rätsel, welches sie nachdenklich macht. Sie benötigen deswegen die Hilfestellung Erwachsener, um den Tod zu entmystifizieren. Damit sind nicht Erklärungen über biologische Prozesse wie etwa die Verwesung gemeint, sondern einfühlsame Gespräche über das Abschiednehmen und die Trauer um den verstorbenen Menschen. Vertrauen und Nähe helfen bei der Bearbeitung mehr als wissenschaftliche Erklärungen. Stattdessen werden Kinder oft vor dem Tod abgeschirmt oder fehlinformiert, wie Yalom feststellt: „Die Verleugnung wird ihnen früh im Leben eingegeben [...] mit der Versicherung, dass Kinder nicht sterben“ (ebd.). Es werden Mythen und religiöse Erklärungen zum Trost angeboten und die Realitätsdosis wird mit steigendem Alter erhöht, doch es bleibt stets schwierig, sich dem Tod ohne Selbsttäuschung zu stellen. Euphemismen wie „dahinscheiden“ oder „schlafen gegangen“ zeugen von einer mildernd-beschönigenden Umschreibung des Todes als endgültigem Abschied.
Yalom resümiert, dass Kinder den Tod in einem frühen Alter entdecken und gleichzeitig befürchten, ihr Leben werde bald ausgelöscht. Schließlich wenden sie den Schrecken des Todes auf sich selbst an und können als Ergebnis große Angst erleiden (vgl. ebd.).
Da gleichzeitig im Gespräch über den Tod die eigene Sterblichkeit verdeutlicht wird, erscheint es vor diesem Hintergrund zunächst verständlich, wenn diese unangenehmen Empfindungen verdrängt werden. An genau dieser Stelle brauchen Kinder die Hilfe Erwachsener, um in einem Balanceakt zwischen der Darstellung des Sterbens als Teil des Lebens und der Trauer über die Endlichkeit Zuversicht zu fassen.
Adorno setzt den Gedankengang fort und fordert im Erziehungsprozess das Zulassen der Angst, die diese Erinnerungen begleitet: „Wenn Angst nicht verdrängt wird [...], dann wird gerade dadurch wahrscheinlich doch manches von dem zerstörerischen Effekt der unbewussten und verschobenen Angst verschwinden“ (Adorno 1977: 683). Auch Jan-Uwe Rogge, Erziehungsberater und Medienforscher, konstatiert in einem Beitrag zum Thema Umgang von Kindern mit Tod Folgendes und unterstreicht damit Adornos These: „Vermeidung, Verdrängung von Ängsten helfen weder Erwachsenen noch Kindern. Notwendiger denn je erscheint es mir, Kinder bei der Ver- und Bearbeitung von Trennungs- und Vernichtungsängsten zu unterstützen, ihnen Vertrauen zu geben, sich mit ihren meist sehr anschaulichen Mitteln auf die durch Bilder- und Hörwelt belebten Ängste einzulassen“ (Rogge 2003: 55).
Matthias Heyl benennt für diese Verdrängungsreaktion folgende Motive: „Scham, Schuldgefühle, Angst, Unsicherheit, Wut, Abwehr und Hilflosigkeit. Abwehr erscheint dabei als ganz normale Reaktion gegenüber einem Geschehen, das über die Grenzen unseres Verstehens und Empfindens hinauszugehen scheint“ (Heyl 1996: 24).
Doch – und hier fragt Batsheva Dagan – woraus lässt sich dann die Rechtfertigung ableiten, „dieses Thema zum Gegenstand der Erziehung zu machen, insbesondere in Hinblick auf die Schwierigkeiten und Gefahren, die dem beiwohnen?“ (Dagan in Moysisch/Heyl 1998: 37). Genügt es nicht, den Stimmen zu folgen, die einen Schlussstrich unter dieses Vergangenheitskapitel ziehen wollen und sich, wie in Umfragen der Sechzigerjahre deutlich geworden, dagegen aussprachen, „ihr eigenes Nest zu beschmutzen“ (Bergmann in Reichel 2001: 181). Hat die Natur mit diesem Verdrängungsmechanismus nicht etwas Sinnvolles eingerichtet?
Und ergänzend mit pädagogischer Zielrichtung gefragt: Wo begegnen Kinder heute, über sechs Jahrzehnte nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft, noch Zeugnissen des schrecklichen Geschehens der Vergangenheit? Haben sie tatsächlich Berührungspunkte ihrer aktuellen Lebenssituation mit den damaligen Ereignissen, die Fragen herausfordern, um auch der Forderung des Rahmenplans Genüge zu leisten, „bei den Erfahrungen der Kinder“ (Hessisches Kultusministerium 1995: 13) anzusetzen?
Diesen didaktischen Kernfragen soll im weiteren Verlauf der Arbeit nachgegangen werden.
3.2 Diskussion über psychische Voraussetzungen von Grundschulkindern für die Thematisierung des Holocaust oder „Ist Überforderung noch ein Argument?“
Immer wieder taucht in der Diskussion um die Thematisierung des Holocaust der Begriff der ‚Zumutbarkeit’ auf, wenn es um das geeignete Alter geht. Dabei wird erörtert, ob eine Altersfestlegung psychologisch legitimiert werden kann. Zunächst liegt es nahe, dass Lernangebote in der Schulpraxis entwicklungsadäquat angeboten werden und Schüler weder unter- noch überfordert werden sollen. Dies insbesondere, wenn es um ihre psychische Integrität geht. Gesetzmäßigkeiten und eine Sequenzierung, wie z.B. das von Piaget in Experimenten erarbeitete und oft zitierte Modell, das die Kinder in verschiedene Entwicklungsstadien gruppiert, erleichtern die Unterrichtsplanung. Piagets Absicht bei seinen Untersuchungen war es u.a. herauszufinden, welche Wissenselemente in die bestehende kognitive Organisation des Kindes passen, um es nicht zu überfordern. Zu Piagets Theorie entwickeln der Psychologe Krieger und der Didaktiker von Reeken kritische Sichtweisen. Die kontroversen Debatten über Reifungstheorien und Stufenmodelle bilden den Hintergrund für unterschiedliche Deutungsmuster. Aus Platzgründen können an dieser Stelle die Ergebnisse Piagets zum abstrakt-formalen Denken der Kinder nur skizziert werden. Zweifellos zeigt Piagets Ansatz auch löbliche reformpädagogische Forderungen wie die Selbststeuerung und Eigenständigkeit des Kindes, die an dieser Stelle allerdings nicht betrachtet werden sollen.[15]
3.2.1 Piagets entwicklungstheoretisches Stufenmodell
Der Schweizer Psychologe Jean Piaget entwickelte die Stufentheorie als Modell der kognitiven Entwicklung des Kindes. Piaget geht von der Annahme aus, dass das Handeln des Subjekts mit Gegenständen – später als geistig-formaler Vorgang – Erkenntnisse bringt und folglich neue Denkstrukturen und Kompetenzen eröffnet (vgl. Gudjons 2001: 119). Dabei folgen Kinder einem genetisch festgelegten Entwicklungsprinzip in vier Stadien, die sie in einer unveränderlichen Sequenz durchlaufen. Nach Piagets Phasenkonzept befindet sich das Grundschulkind in der Phase der konkreten Operationen und verfügt nicht über die Fähigkeit abstrakt-formalen Denkens, um Hypothesen aufzustellen und sich abstrakte Begriffe vorzustellen (vgl. ebd.). Piaget transferiert die Entwicklung der kognitiven Intelligenz auch auf andere Felder, wie den sozialen Bereich oder eben die Moralentwicklung. Mit dieser bereichsübergreifenden Übertragung lässt sich erklären, dass Perspektivenübernahme beispielsweise eine Fähigkeit ist, die er Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren abspricht. „Nach Piaget kann das ältere Grundschulkind zwar ein konkretes Objekt aus der Sicht eines anderen richtig beschreiben – es versagt aber offenbar bei weniger anschaulichen Aufgaben der Perspektivenübernahme“, resümiert Krieger (Krieger 2001: 39).
3.2.2 Kritik an Piagets Stufenmodell
Studien weiterer Wissenschaftler wie Aebli und Montada belegen, dass der Entwicklungsgang der Kinder sehr wohl beeinflussbar ist und Denkleistungen durch Unterstützung beschleunigt werden können (vgl. ebd.: 42f.). Sie kritisieren vor allem die von Piaget vertretene „Notwendigkeit der Selbstregulation“ (ebd.), die gelenkte Prozesse wie den Unterricht infrage stellen.
Es werden ferner methodenkritische Einwände aufgrund der geringen Stichprobenauswahl laut, die Zweifel an der empirischen Basis aufkommen lassen (vgl. Klose 1997: 51).
Von Reeken deutet auf den Missstand hin, dass stichhaltige Untersuchungen für die Grundschule fehlen, die Antwort auf die Frage geben, ob Grundschulkinder über die Spezifik historischen Lernens verfügen (vgl. von Reeken 2004: 16). Zwar werden in der Literatur vielfach die von Piaget abgegrenzten Entwicklungsstadien referiert, mittlerweile ist aber eine Abkehr von diesen Erklärungsversuchen zu beobachten, welche eine Altersnormierung als einzigen Indikator verwenden. Begründet ist die Distanzierung v.a. durch den Mangel an individueller Berücksichtigung des einzelnen Kindes (vgl. Krieger 2001: 45). Es werden – so von Reeken – nur allgemeine Aussagen angeboten, deren Relevanz für das Lernen fraglich sei (vgl. von Reeken 2004: 16). Der emotionale sowie der kognitive Horizont der Kinder ist nicht altersspezifisch und keine feststehende Größe, sondern erheblichen Unterschieden unterworfen, die in der statischen Tabelle Piagets keinen Niederschlag finden.
Ein weiterer Grund, der das Stufenmodell spätestens in der praktischen Umsetzung ins Wanken bringt, ist das Fehlen homogener Lerngruppen in der Schule und die damit erforderliche Differenzierung. Das Stufenmodell scheitert in der Umsetzung, da in der heutigen vielschichtigen und teils unterschiedlichen Lebenswelt der Kinder sehr differenzierte Vorerfahrungen und Biografien bestehen.
Auch verlieren allgemeine Beschreibungen von Entwicklungsstadien für das zunehmende Alter der Kinder an Genauigkeit, weil sich die individuellen Unterschiede stärker als zuvor ausprägen und nichts qualitativ Neues mehr hinzukommt (vgl. Klose 1997: 51).
Krieger konkretisiert die Kritik an der biologischen Determination und bietet eine – keineswegs neue – Alternative an, die das Vorwissen der Kinder berücksichtigen soll. Diese Wendung rückt von der Entwicklungspsychologie ab und stellt die Sozialisation und die Prägung des Kindes durch die Umwelt in den Fokus: „Bei der [...] Unterrichtsplanung kommt es also darauf an, phantasievoll darüber nachzudenken, wie das Problem in den Fragehorizont der Schüler gebracht werden kann und an welche Ankerkonzepte aus ihrer Erfahrungswelt anzuknüpfen ist“ (Krieger 2001: 48). Er betont entschieden die Orientierung am vorhandenen Kenntnisstand, um einen Zuwachs an Wissen zu erlangen. Dieses dem Konstruktivismus naheliegende Konzept ermöglicht eine Förderung des Entwicklungsprozesses.
[...]
[1] Die Studentenaufstände Ende der Sechzigerjahre richteten sich u.a. gegen die Tabuisierung der NS-Verbrechen und die fehlende Verantwortungsübernahme der Elterngeneration.
[2] Internationale Tagung in Hamburg 1997. Es fand eine Auseinandersetzung verschiedener Experten v.a. aus Israel, den USA, Deutschland und den Niederlanden statt, die sich mit der Frage beschäftigten, ob und wie der Holocaust thematisch für jüngere Kinder geeignet sei.
[3] Aktuelles Seminar im Sommersemester 2006 des Fritz-Bauer-Institutes / Frankfurt. Das Institut bezeichnet sich als „Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust“.
[4] Vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003 [CD-ROM]. Im Etymologischen Wörterbuch ist zu diesem Stichwort kein Eintrag zu finden.
[5] Z.B. Holocaust Studies, Holocaust Education (ein umstrittener Begriff, da die Übersetzung „Holocaust-Erziehung“ nicht klar ausdrückt, ob es sich um eine Erziehung handelt, wie ein Holocaust organisiert oder vermieden wird).
[6] Neben Juden wurden auch Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle, Sinti, Roma und politisch Andersdenkende verfolgt und getötet.
[7] Landgerichtsdirektor Hans Hofmeyer war Senatspräsident und Vorsitzender Richter der Hauptverhandlung des ersten Auschwitz-Prozesses in Frankfurt a.M. (20.12.1963 – 20.8.1965).
[8] Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz.
[9] Ruth Klüger anlässlich einer Vorlesungsreihe im Wiener Rathaus 1999.
[10] Franz Kafka. In: Das überzeugende Zitat. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG. Mannheim 2004, S. 142.
[11] Solche Versprechen können aber wie im Fall Wolfgang Koeppen mit dem Werk Jakob Littners Aufzeichnungen aus einem Erdloch irreleiten. 1948 verfasste Koeppen auf Wunsch eines Juden dessen Kriegsaufzeichnungen in Form einer Autobiografie. 44 Jahre später erschien der gleiche Roman mit Koeppen als nichtjüdischem Verfasser und einem Vorwort, indem er dieses Paradoxon zugibt: Zunächst soll der Text ein Tatsachenbericht gewesen sein, tatsächlich war er ein Dokumentarroman. Der Leser könnte sich in seinem Vertrauen, es hier mit selbsterlebten Schilderungen zu tun zu haben, betrogen fühlen. Die Verbindung des Schriftstellers zum Geschehen ist für die Beurteilung des Textes wichtig. Ein Buch, das Authentizität vorgibt, doch Fiktion ist, kann irreleiten.
[12] Gerade bei diesem Selbstzeugnis ist es eine Streitfrage, ob das Werk eher den Dokumenten oder der Literatur zuzuordnen ist. Anne schrieb auf der einen Seite mit einem für ihr Alter hohen dichterischen Anspruch mit dem Wunsch, ihre Eindrücke und Empfindungen für eine spätere Publikation aufzubereiten. Ferner sind ihre Eindrücke subjektiv, was dem Typus des Tagebuchs entspricht. Andererseits schildert sie viele Situationen, wie z.B. die Lebensmittelknappheit, ihre kindlichen Erfahrungen der Entwurzelung im Exil oder die Angst und Gefahr entdeckt zu werden, wie sie auch von anderen Zeitgenossen wahrgenommen wurden.
[13] Der überaus starke Willibald von Willi Fährmann behandelt den Aufbau autoritärer Strukturen und die Problematik des Machtmissbrauchs am Beispiel eines Mäuserudels.
[14] Geschichte zeichnet die Ereignisse auf und trägt Statistiken zusammen. Literatur übersetzt die Ereignisse und Statistiken in wirkliche Geschehnisse, die wirklichen Leuten widerfahren. Das eine ohne das andere zu sehen ist unzureichend; [erst] zusammen stellen sie ein Fenster zur Wahrheit bereit.
[15] Es soll nur Bezug auf die Grundschule genommen werden, da die Frage nach der Besprechung der Thematik in der Sekundarstufe I hinreichend diskutiert wurde und in den Lehrplänen verankert ist.
- Arbeit zitieren
- Maria Kalaitzi (Autor:in), 2006, Die Darstellung des Holocaust in der fiktionalen Kinder- und Jugendliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66902
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