Das Memorandum zur Lage der serbischen Nation
Ein Instrument des Nationalismus?
Einleitung
Mit dieser Arbeit versuche ich das von der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste (serbisch: Srpska akademija nauka i umetnosti; kurz: Sanu) verfasste Memorandum zur Lage der serbischen Nation in Jugoslawien hinsichtlich der problematischen Kosovofrage näher zu beleuchten.
Den Kosovo-Konflikt als solchen werde ich großteils ausklammern, da es den Umfang dieser Arbeit deutlich sprengen würde, jedoch kann ich den geschichtlichen Kontext nicht außer Acht lassen, da das Memorandum nur in diesem Rahmen verstanden werden kann. Des Weiteren werde ich die Wichtigkeit von Mythen und Nationalismen zur Sprache bringen, die vor allem für die Völker des ehemaligen Jugoslawiens von vorrangiger Bedeutung sind und ihre Identität mitbestimmen.
In meiner Seminararbeit gehe ich von der These aus, dass das Sanu-Memorandum politische Nachwirkungen hatte, da es als ein nationalistisches Instrument der Serben gesehen worden ist. Ich möchte der Frage nachgehen, ob es nun tatsächlich nationalistisch geschrieben worden ist bzw. im Nachhinein als ein Instrument des Nationalismus gesehen werden kann.
Das Interesse zu diesem Thema haben bei mir das Buch „Kosovo Kosova“ von Wolfgang Petrisch und das Seminar Europäische Hochschulpolitik geweckt, da ich dem Einfluss von Hochschule/Universität bzw. akademischer Elite auf einen Konflikt bisher keine derartige Bedeutung beigemessen habe.
[...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Arbeitsweise
Der geschichtliche Kontext
Öl ins Feuer
Mythos und Wahrheit
Das Sanu-Memorandum
Kritik am Sanu-Memorandum
Antworten zur Kritik
Nutzen für den Nationalismus
Resümee
Literatur
Einleitung
Mit dieser Arbeit versuche ich das von der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste (serbisch: Srpska akademija nauka i umetnosti; kurz: Sanu) verfasste Memorandum zur Lage der serbischen Nation in Jugoslawien hinsichtlich der problematischen Kosovofrage näher zu beleuchten.
Den Kosovo-Konflikt als solchen werde ich großteils ausklammern, da es den Umfang dieser Arbeit deutlich sprengen würde, jedoch kann ich den geschichtlichen Kontext nicht außer Acht lassen, da das Memorandum nur in diesem Rahmen verstanden werden kann. Des Weiteren werde ich die Wichtigkeit von Mythen und Nationalismen zur Sprache bringen, die vor allem für die Völker des ehemaligen Jugoslawiens von vorrangiger Bedeutung sind und ihre Identität mitbestimmen.
In meiner Seminararbeit gehe ich von der These aus, dass das Sanu-Memorandum politische Nachwirkungen hatte, da es als ein nationalistisches Instrument der Serben gesehen worden ist. Ich möchte der Frage nachgehen, ob es nun tatsächlich nationalistisch geschrieben worden ist bzw. im Nachhinein als ein Instrument des Nationalismus gesehen werden kann.
Das Interesse zu diesem Thema haben bei mir das Buch „Kosovo Kosova“ von Wolfgang Petrisch und das Seminar Europäische Hochschulpolitik geweckt, da ich dem Einfluss von Hochschule/Universität bzw. akademischer Elite auf einen Konflikt bisher keine derartige Bedeutung beigemessen habe.
Arbeitsweise
In der ersten Phase meiner Recherchearbeit analysierte ich den, im schon vorher erwähnten Buch „Kosovo Kosova“, ins Deutsche übersetzten Auszug aus dem Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste. In einem weiteren Schritt fand ich auf der „freien Internet-Enzyklopädie“ „Wikipedia“ (www.wikipedia.org) unter dem Stichwort „Serbische Akademie der Wissenschaften“ weitere Links zum Memorandum selbst und widmete mich dann der Internetrecherche.
An dieser Stelle möchte ich festhalten, dass Wikipedia als sozusagen „offenes“ System anfällig ist für Fehler und pseudowissenschaftliche Argumente, sehr wohl aber als Ansatzpunkt einer Recherche dienen kann.
Leider habe ich nicht das gesamte Memorandum in deutscher oder englischer Sprache gefunden und konnte so nur mit den gefundenen übersetzten Auszügen arbeiten. Als Grundlage dienten mir der vom Haverford College zur Verfügung gestellte, ins Englische übersetzte Teil und in Deutsch fand sich auf elf Seiten in Petritschs „Kosovo Kosova“ ebenfalls ein bedeutender Teil des Memorandums. Anzumerken sei, dass es die im Jahr 1986 veröffentlichten Teile waren, die viel Erregung stifteten. Das Gesamtdokument publizierte man erst Jahre später in überarbeiteter Form und als Antwort auf die Kritik, die es nach dem Bekannt werden gehagelt hatte.
In meiner Arbeit versuche ich den Wurzeln und Intentionen der Autoren des Memorandums und dem dazugehörenden geschichtlichen Rahmen nachzugehen, der nicht unbeachtet bleiben darf. Weiters möchte ich die Nachwirkungen des Textes und die Kritik und Antworten auf diese Kritik in meine Arbeit einfließen lassen.
Der geschichtliche Kontext
Im Jahr 1980 verstarb der langjährige Staatspräsident Josip Broz Tito und ließ Jugoslawien in einem Stadium der Verunsicherung zurück.1 Die Einigkeit, die zwischen den ethnischen Linien geherrscht bzw. die durch Tito in dieser besonderen Form des jugoslawischen Staates funktioniert hat, begann zu bröckeln.
„Für die Albaner im Kosovo hatte Tito den Status eines Protektors gehabt, dem sie das Ende der serbischen Unterdrückung und die Anerkennung politischer Grundrechte verdankten.“2
Im Frühjahr 1981 begannen Unruhen in der südserbischen Provinz aufgrund von Studentenprotesten an der Universität Pristina und den schlechten Aussichten vor denen Jungakademiker standen.3 In weiterer Folge kam es aufgrund genereller sozialer und ökonomischer Missstände zu Demonstrationen und Ausschreitungen in anderen Teilen Kosovos, die mit zahlreichen Verhaftungen und auch Toten von der Polizei niedergeschlagen wurden. Die Behörden in Belgrad waren ratlos, da diese Form des offenen Protestes relativ unbekannt war, und verhängten für einige Monate den Ausnahmezustand über die Provinz.4
Anstatt jedoch nach den Ursprüngen der Unzufriedenheit zu forschen und an der Wurzel der schlechteren wirtschaftlichen Lage des Kosovos und des angespannten Verhältnisses innerhalb der Bevölkerung zu arbeiten, kam es zu Entlassungen in den oberen und mittleren Reihen des politischen Systems im Kosovo, die kaum Auswirkungen auf das eigentliche Problem hatten.
„But the most damaging effect of the political reaction in 1981 was the way in which it unleashed a new round of accusations and counteraccusations about Albanian and Serbian nationalism. “5
Das Begräbnis von Aleksandar Rankovic, dem ehemaligen Innenminister und Chef der Geheimpolizei6, im Jahr 1983 wurde als Massenkundgebung von unzufriedenen Serben im Kosovo verwendet, um eine politische Kurskorrektur zu fordern. Es folgten zahlreiche Märsche nach Belgrad, um auf die unbefriedigende Lage in der Provinz aufmerksam zu machen.7
Öl ins Feuer
Das Aufleben der nationalistischen Positionen von Albanern und Serben im Kosovo zeigte sich als Reflexion in den Schriften zahlreicher Intellektueller und Historiker. So hat auf beiden Seiten die nationale Geschichtsschreibung, Kritik an der Politik der jeweils anderen, wer wann wo zuerst gelebt hat und wer wo das Recht auf Land hat, begonnen.
Eine langsam „freier“ werdende Presse und aufbrechende Tabus ließen immer mehr nationalistisches und Aufsehen erregendes Material zu, das die (vor allem serbische) Masse polarisierte. Jedoch handelte es sich dabei nicht um nachgewiesene und belegbare Tatsachen, sondern um aufgebauschte „Skandale“ wie zum Beispiel den Fall des Bauern Martinovic, der mit verletztem Anus in ein Spital in Pristina aufgenommen worden ist und behauptete, dass dies die Folgen eines Anschlags zweier Albaner auf ihn gewesen seien. Albanische Stimmen sprachen von einem Unfall bei einem Akt von Selbstbefriedigung, da Martinovic homosexuell wäre.
Der „Martinovic-Fall“ wurde in einer Erstauflage von 50.000 Büchern als 485-Seiten starkes Buch gedruckt und verkauft.8 Anhand dieses Beispiels kann man die Medienwirkung auf die öffentliche Meinung der Serben durchaus gut veranschaulichen.
Ein weiteres, sehr medienwirksames Thema waren die angeblichen Vergewaltigungen von serbischen Frauen durch albanische Männer im Kosovo, deren Anzahl in der Realität im Vergleich zu der Restjugoslawiens geringer war.9
Im Ganzen erschuf man das Bild der Kosovo-Serben, die als Menschen zweiter Klasse im Kosovo von den dort lebenden Albanern gedemütigt, drangsaliert und zum Verlassen ihrer Heimat gedrängt werden. In Realität entsprach dieses Bild nicht unbedingt der Wahrheit. Zwar verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Serben und Albanern zusehends, doch waren Albaner zum Beispiel bei der Vergabe von öffentlichen Positionen (Behörden, Schulen, Spitäler, Fabriken usw.) den Serben schlechter gestellt.10
Mythos und Wahrheit
Betrachtet man den gesamt-jugoslawischen Konflikt oder im speziellen auch nur die Krise um den Kosovo, wird man feststellen, dass Legende, Mythen, nationale Heldenepen und Erzählungen immer eng mit der tatsächlichen Geschichte in Zusammenhang stehen, gleichzeitig jedoch weit weg voneinander ihren Platz in der Wahrheitsfindung gefunden haben.
[...]
1 Petritsch W., Kaser K., Pichler R., Kosovo Kosova, Mythen Daten Fakten, Wieser Verlag, Klagenfurt, 1999, S.154
2 ebd, S.155
3 ebd, S.155
4 Malcolm N., Kosovo, A Short History,New York University Press, New York,1998, S.335
5 Malcolm, Kosovo, S.337
6 Er wurde 1966 aus dieser Position und später aus der Kommunistischen Partei aufgrund des Vorwurfs von Amtsmissbrauch abgesetzt. Siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Aleksandar_Rankovi%C4%87 (download am 17. Sep. 2006)
7 Petritsch, Kosovo Kosova, S.159
8 Malcolm N., Kosovo, S.338
9 Im Jahr 1990 gab es eine unabhängige Untersuchung von serbischen Anwälten und Menschenrechtlern, die die Vorwürfe als haltlos erwiesen haben. Dennoch hatte das kaum Auswirkungen auf die öffentliche Meinung. Siehe Malcolm, Kosovo, S.339
10 Serben und Montenegriner machten 15% der kosovarischen Bevölkerung aus, hatten jedoch 30% der staatlichen Arbeitsstellen inne. Siehe Malcolm, Kosovo, S.337
- Arbeit zitieren
- Natascha Krisch (Autor:in), 2006, Das Memorandum zur Lage der serbischen Nation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66787
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