Zum Thema Alter und Technik kommt vielen Menschen zuerst der mühsame Kampf von Senioren mit ihrem Handy oder dem Bankautomaten in den Sinn. Eine immer größere Aufmerksamkeit richtet sich auf derartige Probleme, die Technik vielen Senioren bereitet. Immer stärker werden aber auch Chancen betrachtet, die technische Entwicklungen für das Alter bieten. Die Zunahme der Aufmerksamkeit hängt zum einen mit der Veränderung der Altersstruktur zusammen, die auch als Dreifaches Altern (Tews 1993) bezeichnet wird: Durch eine steigende Lebenserwartung und eine geringe Geburtenquote steigt die absolute Zahl älterer Menschen, der relative Anteil im Verhältnis zu jüngeren sowie der Anteil Hochaltriger an der Gesellschaft. Dieser demographische Wandel spielt sich vor dem Hintergrund einschneidender ökonomischer, technologischer und kultureller Veränderungen ab. Gesellschaftliche Entwicklungen wie die Veränderung der Ausbildungsdauer, eine Anhebung des Ausbildungsniveaus, Arbeitslosigkeit sowie die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen außerdem die qualitative Zusammensetzung der Altersgruppe (BMFSFJ 2001, 15f). Ein weiteres Kennzeichen der Neuen Alten sind mehr behinderungsfreie Lebensjahre, verbesserte materielle Ressourcen sowie eine zeitliche Ausdehnung eigenständiger Lebensformen (Backes et al. 2004, 8). Diese Veränderungen sind verbunden mit der Hoffnung, das eigene Alter gesund erleben und selbständig gestalten zu können. Begleitet und verstärkt werden diese gesellschaftlichen Entwicklungen durch rasante technische Fortschritte - besonders eindrücklich auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik.
Vielfach wird ein negatives Bild vom Alter gezeichnet. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die wenigsten Senioren hilfs- oder pflegebedürftig sind. Obwohl altersbedingt die körperlichen und geistigen Kräfte nachlassen, führen die meisten Senioren ein selbständiges Leben, das sie mit hoher Zufriedenheit erfüllt. Die Aufrechterhaltung des gewohnten Lebensstils ist oft aber mit einem großen Aufwand verbunden, da für alltägliche Aufgaben nun mehr Zeit, Kraft und Aufmerksamkeit aufgewendet werden muss. Technische Errungenschaften können dabei eine große Hilfe sein. So erhofft man sich von einem Einsatz technischer Lösungen, Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit sowie gesellschaftliche Partizipation und Integration auch und gerade im Alter zu erhalten.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Gegenstand, Fragestellung, Vorgehen
2.1 Gegenstand
2.2 Fragestellung
2.3 Vorgehen
3 Analyse
3.1 Rahmenbedingungen der Forschung zu Alter und Technik
3.2 Entwicklungen vor 1990
3.3 Phase I: Die Herausbildung eines neuen Forschungsgebiets
3.3.1 Gerontechnology
3.3.2 USA
3.3.2.1 Wohnen und Haushalt
3.3.2.2 Kommunikation und Information
3.3.2.3 Mobilität und Verkehr
3.3.2.4 Gesundheit
3.3.2.5 Studie: A Human Factors Analysis of ADL Activities
3.3.3 Deutschland
3.3.3.1 Wohnen und Haushalt
3.3.3.2 Information und Kommunikation
3.3.3.3 Mobilität und Verkehr
3.3.3.4 Gesundheit
3.3.3.5 Projekt: Alter und Technik (ALTEC)
3.4 Phase II: Thematische Ausweitung
3.4.1 Gerontechnology
3.4.2 USA
3.4.2.1 Wohnen und Haushalt
3.4.2.2 Kommunikation und Information
3.4.2.3 Mobilität und Verkehr
3.4.2.4 Gesundheit
3.4.2.5 Studie: Consumer Assessment Study
3.4.3 Deutschland
3.4.3.1 Wohnen und Haushalt
3.4.3.2 Kommunikation und Information
3.4.3.3 Mobilität und Verkehr
3.4.3.4 Gesundheit
3.4.3.5 Projekt: sentha – Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag
3.5 Phase III: Differenzierung, Spezialisierung und Internationalisierung
3.5.1 Gerontechnology
3.5.2 USA
3.5.2.1 Wohnen und Haushalt
3.5.2.2 Information und Kommunikation
3.5.2.3 Mobilität und Verkehr
3.5.2.4 Gesundheit
3.5.2.5 Forschungszentrum: CREATE – Center for Research and Education on Aging and Technology Enhancement
3.5.3 Deutschland
3.5.3.1 Wohnen und Haushalt
3.5.3.2 Information und Kommunikation
3.5.3.3 Mobilität und Verkehr
3.5.3.4 Gesundheit
3.5.3.5 Studie: Technikaufgeschlossenheit und Nachfrageverhalten
3.6 Ausblick
3.7 Vergleich und Bewertung
4 Ergebnisse
5 Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bewahrung der Selbständigkeit durch Technik
Abbildung 2: Potenziell an der Gerontechnology beteiligte Disziplinen
Abbildung 3: Beispiel für eine Smart Home Vernetzung
Abbildung 4: Die sentha-Teilprojekte
Abbildung 5: Der CREATE-Forschungsansatz
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Altersbedingte Funktionseinschränkungen
Tabelle 2: Altersrelevante Technik nach Funktionen
Tabelle 3: Perspektiven auf Technik im Alter
Tabelle 4: Demographische Daten für die USA und Deutschland für 2005
Tabelle 5: Elektronische Informationssuche älterer Personen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Zum Thema Alter und Technik kommt vielen Menschen zuerst der mühsame Kampf von Senioren mit ihrem Handy oder dem Bankautomaten in den Sinn. Eine immer größere Aufmerksamkeit richtet sich auf derartige Probleme, die Technik vielen Senioren bereitet. Immer stärker werden aber auch Chancen betrachtet, die technische Entwicklungen für das Alter bieten. Die Zunahme der Aufmerksamkeit hängt zum einen mit der Veränderung der Altersstruktur zusammen, die auch als Dreifaches Altern (Tews 1993) bezeichnet wird: Durch eine steigende Lebenserwartung und eine geringe Geburtenquote steigt die absolute Zahl älterer Menschen, der relative Anteil im Verhältnis zu jüngeren sowie der Anteil Hochaltriger an der Gesellschaft. Dieser demographische Wandel spielt sich vor dem Hintergrund einschneidender ökonomischer, technologischer und kultureller Veränderungen ab. Gesellschaftliche Entwicklungen wie die Veränderung der Ausbildungsdauer, eine Anhebung des Ausbildungsniveaus, Arbeitslosigkeit sowie die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen außerdem die qualitative Zusammensetzung der Altersgruppe (BMFSFJ 2001, 15f). Ein weiteres Kennzeichen der Neuen Alten sind mehr behinderungsfreie Lebensjahre, verbesserte materielle Ressourcen sowie eine zeitliche Ausdehnung eigenständiger Lebensformen (Backes et al. 2004, 8). Diese Veränderungen sind verbunden mit der Hoffnung, das eigene Alter gesund erleben und selbständig gestalten zu können. Begleitet und verstärkt werden diese gesellschaftlichen Entwicklungen durch rasante technische Fortschritte – besonders eindrücklich auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik.
Vielfach wird ein negatives Bild vom Alter gezeichnet. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die wenigsten Senioren hilfs- oder pflegebedürftig sind. Obwohl altersbedingt die körperlichen und geistigen Kräfte nachlassen, führen die meisten Senioren ein selbständiges Leben, das sie mit hoher Zufriedenheit erfüllt. Die Aufrechterhaltung des gewohnten Lebensstils ist oft aber mit einem großen Aufwand verbunden, da für alltägliche Aufgaben nun mehr Zeit, Kraft und Aufmerksamkeit aufgewendet werden muss. Technische Errungenschaften können dabei eine große Hilfe sein. So erhofft man sich von einem Einsatz technischer Lösungen, Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit sowie gesellschaftliche Partizipation und Integration auch und gerade im Alter zu erhalten. Neben dem individuellen Wunsch, auch im Alter selbständig in den eigenen vier Wänden zu leben, stehen volkswirtschaftliche Gründe, die für eine Förderung der Technik für das Alter sprechen, da immensen Investitions- und Betriebskosten für einen Pflegeplatz vergleichsweise geringe Kosten für den Umbau der eigenen Wohnung und die Nutzung technischer Unterstützung gegenüber stehen. Gleichzeitig gilt es die Hindernisse, die für Senioren aus neuen Technologien oft entstehen, auszuräumen.
Diese Erwägungen haben dazu geführt, dass sich inzwischen ganz unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen damit beschäftigen, wie aktuelle technische Möglichkeiten zum Vorteil älterer Menschen genutzt werden können. Psychologische, ergonomische und arbeitswissenschaftliche Untersuchungen erforschen die Interaktion des Nutzers mit dem technischen Gerät. Die einfache Bedienbarkeit durch nutzerfreundliche Gestaltung steht hier im Mittelpunkt. Direkte Anknüpfungspunkte finden dort die Konstruktionslehre und Designwissenschaft. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen haben die Auswirkungen der Technik auf den Lebensalltag älterer Menschen, den konkreten Nutzen aber auch die Herausforderungen technischer Entwicklungen im Blick. Ebenso werden Themen wie Technikakzeptanz und Technikerfahrung untersucht. Zunehmend betrachten auch Ökonomen und Marketingfachleute Technik für das Alter, da im sogenannten Silbermarkt große Absatzpotenziale für neue Produkte gesehen werden.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Alter und Technik ist gerade in Deutschland noch relativ jung. Im interdisziplinären Projekt TEKLA – Technik, Kultur, Alter, das an der RWTH Aachen vom Lehr- und Forschungsgebiet Textlinguistik koordiniert wird, soll daher ein interdisziplinärer Ansatz zur altersgerechten Gestaltung von Technologien entwickelt werden. Im Mittelpunkt steht zunächst die Entwicklung von Methoden, um Erkenntnisse zu Technikeinstellungen und Techniknutzung älterer Menschen sowie zu ihren Wünschen und Bedürfnissen in Bezug auf Technik zu gewinnen. Darauf aufbauend soll eine Testumgebung entwickelt werden, in der Entwicklungen für das Alter an und von der Zielgruppe erprobt werden können. Diese Magisterarbeit ist innerhalb dieses Projekts entstanden.
Überblicksartige Darstellungen über den Forschungsstand gibt es bisher kaum. Diese Arbeit zeichnet daher solche Forschungsbemühungen, die sich mit der Techniknutzung im Alter und den daraus entstehenden Potenzialen, Problemen und Risiken der Technik beschäftigen, nach. Exemplarisch werden die Forschungsbemühungen der USA und Deutschlands gegenübergestellt. Durch den Vergleich dieser sehr unterschiedlichen Länder soll ein möglichst breiter Blick auf die Forschung ermöglicht werden. Das zentrale Augenmerk liegt auf der Entwicklung von Forschungsschwerpunkten. Wo haben sich Schwerpunkte herausgebildet und wie unterscheiden sich die Herangehensweisen und Blickwinkel der beiden Länder? Im Mittelpunkt stehen normal alternde Menschen, die selbständig ihr Leben führen. Dabei soll nicht vernachlässigt werden, dass Altern ein äußerst heterogener Prozess ist und es das Altern an sich nicht gibt. Betrachtet werden die Bereiche, in denen Technik einen wesentlichen Beitrag zur Erleichterung von Alltagsaufgaben spielen kann bzw. weitreichende Auswirkungen auf den Alltag hat: Wohnen und Haushalt, Information und Kommunikation, Mobilität und Verkehr, Gesundheit sowie Forschung, die übergreifend zu diesen Bereichen zu sehen ist.
Im folgenden einführenden Kapitel wird zunächst der Gegenstand dieser Arbeit beschrieben. Da Alter(n) in der Öffentlichkeit häufig sehr einseitig gesehen wird, werden zunächst kurz Ergebnisse der gerontologischen Forschung vorgestellt. Daran anschließend werden die Fragestellung und das Vorgehen der Arbeit näher erläutert. In der darauf folgenden Analyse werden die Entwicklung der amerikanischen und deutschen Forschung zum Thema Alter und Technik gegenübergestellt.
2 Gegenstand, Fragestellung, Vorgehen
An dieser Stelle soll zunächst ein Überblick über einige gerontologische Ergebnisse zu Alter und Alternsprozessen erfolgen, da sich vor diesem Hintergrund die Forschung zu Alter und Technik entwickelt. Daraufhin werden Fragestellungen entwickelt, die innerhalb dieser Arbeit betrachtet werden und das Vorgehen dieser Arbeit erläutert.
2.1 Gegenstand
Mit der Erforschung von Alter und Alternsprozessen beschäftigten sich zunächst die Psychologie und Medizin. Erst ab den 50er Jahren traten soziologische neben medizinischen und psychologischen Aspekten in den Vordergrund (Scharf 2001, 490; Wahl 2005, 131). Mit zunehmender Bedeutung der Altersforschung bildete sich die Gerontologie als Disziplin heraus, die sich aus sozial- und verhaltenswissenschaftlicher Sicht mit Alter und Alternsprozessen des Menschen beschäftigt[1], während die Geriatrie medizinisch-biologische Altersprozesse untersucht. Schon ihrer Natur nach ist die Gerontologie also interdisziplinär angelegt. Innerhalb des großen Themenspektrums erhält immer öfter auch die Thematik Technik und Alter Bedeutung. Außerhalb der Gerontologie, Soziologie, Psychologie und Medizin beschäftigen sich zunehmend weitere Disziplinen mit dem Wechselspiel von Alter und Technik, wie etwa die Ergonomie und die Ingenieur- und Designwissenschaft.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird Alter häufig mit Abbauprozessen und dem Nachlassen körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit gleichgesetzt. Tatsächlich steigt mit zunehmendem Alter das Risiko funktioneller Beeinträchtigungen sensorischer, kognitiver und physischer Art und ist häufig verbunden mit Einschränkungen der Mobilität und einer höheren Anfälligkeit für Krankheiten (Fozard et al. 2000, 332). Oft treten mehrere Krankheitsbilder gleichzeitig auf (Multimorbidität) oder gehen mit psychischen Erkrankungen wie depressiven Störungen und Demenzen einher. Obwohl Altern ein höchst individueller Prozess ist, kann man somit sagen, dass die „Wahrscheinlichkeit von Einschränkungen der Funktionsfähigkeit, Pflegebedürftigkeit und des Angewiesenseins auf Unterstützung bei der Bewältigung des Lebensalltags“ mit zunehmendem Alter steigt (BMFSFJ 2001, 16). Von Funktionseinschränkungen wird dann gesprochen, wenn eine oder mehrere Aufgaben in einer spezifischen Umgebung nicht mehr ausgeführt werden können (Assistivetech 2005).
Wenn Technologie als eine Lösungsmöglichkeit für altersbedingte Probleme bei der Bewältigung des Alltags angesehen wird, sollten die Gründe solcher Probleme näher betrachtet werden. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Funktionen auf physischer, sensorischer und kognitiver Ebene, die von altersbedingten Veränderungen betroffen sein können. Ebenso sind Beispiele für solche Einschränkungen gegeben. Die aufgeführten Einschränkungen sind zumeist normale Alterserscheinungen; durch Krankheiten bedingte Funktionseinbußen sind nicht aufgeführt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Altersbedingte Funktionseinschränkungen (Quelle: Eigene Zusammenstellung nach
Biermann & Weißmantel 1995, 157ff.)
Diese Tabelle gibt einen Überblick über mögliche altersbedingte Einschränkungen. Im Detail kann darauf nicht eingegangen werden. Ergänzend sei jedoch erwähnt, dass die kognitive Leistungsfähigkeit zwar insgesamt abnimmt, hier aber zwischen zwei Arten kognitiver Leistungen unterschieden werden muss: Die fluide Intelligenz (die Fähigkeit, neuartige kognitive Probleme zu lösen) lässt im Alter nach, während die sogenannte kristalline Intelligenz (die Speicherkapazität: erworbene Erfahrungen, Fähigkeiten und Wissen) im Alter sogar zunehmen kann (Biermann & Weißmantel 1995, 182; s. a. Baltes/Lindenberger/Staudinger 1995). Altern ist also durchaus nicht nur mit Abbauprozessen verbunden, wie diese Tabelle möglicherweise suggeriert.
Ein häufig genutztes Schlagwort in diesem Zusammenhang ist das erfolgreiche Altern. Durch diesen Begriff wird verdeutlicht, dass Altern nicht schlicht mit Verlust und Verfall synonym ist (Krauss Whitbourne 2005, 99). Häufig wird unterschieden zwischen normalem, erfolgreichem und pathologischem Altern. Pathologisches Altern bezieht sich auf das Auftreten von chronischen und schweren Krankheiten, die sich oft gegenseitig beeinflussen und verstärken (Multimorbidität) (z. B. Baltes & Baltes 1990). Auch das normale Altern, das in dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, ist zwar generell mit den oben aufgeführten Beeinträchtigungen verbunden, verläuft aber individuell sehr verschieden, indem Beeinträchtigungen zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichen Intensitäten eintreten. Durch eine Art Handlungsstrategie soll erfolgreiches Altern möglich werden: Diese wird bezeichnet als Selektive Optimierung mit Kompensation - Eine Selektion von Lebenszielen und -aktivitäten, gleichzeitige Optimierung der vorhandenen Handlungsmittel und Kompensation durch Entwicklung alternativer Strategien[2] (Baltes 1996, 65). Die Nutzung von Technik soll die Kompensation unterstützen, indem die Auswirkungen von Funktionseinschränkungen abgefedert werden. Andererseits ist auch denkbar, dass gerade die Technik Selektionsmöglichkeiten einschränkt (wenn z.B. die Alternative Kauf einer Fahrkarte am Schalter oder am Automat nicht mehr zur Verfügung steht).
Das Altern an sich gibt es demnach nicht. In der Bevölkerung haben sich dennoch verallgemeinernde Altersbilder gebildet, die die Wahrnehmung und den Umgang mit älteren Menschen prägen. Dies sind
allgemeinere Vorstellungen über das Alter, über die im Alternsprozess zu erwartenden Veränderungen und über die für ältere Menschen mutmaßlich charakteristischen Eigenschaften. Altersbilder umfassen Ansichten von Gesundheit und Krankheit im Alter, Vorstellungen über Autonomie und Abhängigkeiten, Kompetenzen und Defizite, über Freiräume, Gelassenheit und Weisheit, aber auch Befürchtungen über materielle Einbußen und Gedanken über Sterben und Tod. Nicht zuletzt enthalten sie auch – normative – Vorstellungen über Rechte und Pflichten alter Menschen (BMFSFJ 2001, 64).
Altersbilder sind also soziale Konstrukte, die in der Interaktion, der Wahrnehmung und des Handelns älterer Menschen mit Jüngeren entstehen und durchaus wertende Elemente enthalten. Entscheidend ist, mit welchem Altersbild sich der einzelne ältere Mensch selbst identifiziert (BMFSFJ 2001, 64). Trotz einer großen Bandbreite an Forschung zu Stereotypen sind gerade Altersstereotypen bisher selten untersucht worden. Dennoch konnten Filipp und Mayer in Untersuchungen unterschiedliche Kategorisierungen alter Menschen ausmachen, die gewissermaßen als Archetypen des Alters gelten können. Dies sind bspw. die „liebenswerten Großeltern“, die „aktiven Alten“ oder die „griesgrämigen Alten“ (Filipp & Mayer 1999, 125). Selbst in diesen Stereotypen zeigt sich, dass es den typischen alten Menschen nicht gibt.
Eine derartige Vielfalt des Alters, der teilweise in unterschiedlichen Altersbildern Rechnung getragen wird, wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Zum einen umfasst das Alter eine Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten, in der Veränderungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit in unterschiedlichem Ausmaß auftreten (s. Tabelle 1, S. 4). Dazu kommen unterschiedliche Lebensläufe und -bedingungen, Interessen und Fähigkeiten der Menschen (BMFSFJ 2001, 64). Durch eine generelle Verlängerung dieser Lebensphase wird diese Heterogenisierung noch verstärkt (Tews 2000, 27f.). Zunehmend wird aber die Heterogenität der Alternsprozesse und Lebensweisen im Alter anerkannt. So findet sich gerade in der wissenschaftlichen Betrachtung ein immer differenzierteres Altersbild, das die ganze Spannbreite an biologischen, psychischen und sozialen Alternsprozessen anerkennt. Dieses vielschichtigere Altersbild, das auch gesellschaftliche Potenziale anerkennt, wird in der öffentlichen Diskussion allerdings oft vernachlässigt (BMFSFJ 2001, 47).
Diese Heterogenität führt zu der Frage, ab welchem chronologischen Alter man überhaupt als alt bezeichnet werden kann. Die Problematik dieser Frage wird schon daran deutlich, dass das Altersselbstbild der 40-85-jährigen Männer und Frauen stark von ihrem chronologischen Alter abweicht – im Durchschnitt fühlen sie sich ca. 10 Jahre jünger (Kreibich 2004, 3). Vielfach wird eine Einteilung der Phase des Alters in junge Alte und alte Alte bzw. Hochaltrige vorgenommen (Backes et al. 2004, 8). Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Übergang von der Phase des Jungen Alters/ Dritten Lebensalters zum Alten Alter/ Vierten Lebensalter um einen qualitativen Sprung handelt. Eine Einteilung des Lebens in vier verschiedene Lebensalter nahm zuerst Laslett (1989) vor, der durch demographische Faktoren und das immer frühere Austreten aus dem Arbeitsleben die klassische Einteilung in drei Stufen nicht mehr gegeben sah. Diesen Lebensphasen schreibt Laslett folgende Eigenschaften zu:
- 1. Lebensalter: Abhängigkeit, Sozialisation und Ausbildung,
- 2. Lebensalter: Reife, Unabhängigkeit, familiäre und soziale Verantwortung,
- 3. Lebensalter: persönliche Erfüllung,
- 4. Lebensalter: Abhängigkeit und Altersschwäche (Laslett 1989).
In dieser Perspektive wird das Dritte Lebensalter, das mit dem Austritt aus dem Erwerbsleben beginnt, als der Höhepunkt der persönlichen Entwicklung angesehen (Laslett 1989). Wahl und Heyl (2004, 55) bemängeln allerdings, dass es außerhalb medizinischer und pflegewissenschaftlicher Forschung kaum Studien zu Hochaltrigen gibt, obwohl diese die derzeit wachstumsstärkste Bevölkerungsgruppe ausmachen. Dies wurde auch von der Politik erkannt; der Vierte Altenbericht der Bundesregierung beschäftigt sich ausschließlich mit der Lebenssituation Hochbetagter (BMFSFJ 2002).
Der weit überwiegende Teil der Menschen im Dritten Lebensalter, also den jungen Alten, besitzt einen guten oder zufrieden stellenden Gesundheitszustand und ist nicht auf Pflege oder Hilfeleistungen anderer angewiesen. Auch psychische Indikatoren, wie z. B. der Grad der Lebenszufriedenheit oder die Ausprägung depressiver Symptomatik weisen aus psychologischer Sicht auf ein erfolgreiches Altern in dieser Altersgruppe hin. Ebenso sind Gefühle der Einsamkeit oder gar Isolation selten und die materielle Sicherheit älterer Menschen hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Im Vierten Lebensalter ändern sich diese positiven Aussagen jedoch zunehmend, da das Risiko der chronischen Erkrankungen, Multimorbidität sowie der Hilfs- und Pflegebedürftigkeit stark zunimmt (BMFSFJ 2001, 50; vgl. auch Baltes 1999). Trotz dieser gebräuchlichen Einteilung besteht gerade wegen der Vielfalt der Alternsprozesse die Schwierigkeit, für den Eintritt in das Vierte Lebensalter sinnvolle Altersgrenzen anzugeben. Gesellschaftliche oder institutionalisierte Grundlagen dafür existieren kaum (Backes et al. 2004, 8). In dieser Arbeit wird der Austritt aus dem Erwerbsleben als Zeitpunkt für den Eintritt in das Alter angenommen, sofern nicht anders angegeben. Zwischen dem Dritten und Vierten Lebensalter wird nur unterschieden, wenn dies inhaltlich notwendig erscheint.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Bewahrung der Selbständigkeit durch Technik (Quelle: Göbel 2001, 20)
Es wird deutlich, dass das Alter mit vielen, individuell unterschiedlichen Funktionseinschränkungen verbunden ist, die allerdings in vielen Fällen mit Hilfe von technischen Entwicklungen hinausgeschoben, kompensiert oder gar verhindert werden können (Fozard et al. 2000, 332). Diese Hoffnung verdeutlicht folgende Abbildung:
Viele Forschungsbemühungen zielen darauf ab, hierfür technische Lösungsmöglichkeiten zu finden und existierende zu verbessern. Dieses Defizitbild darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl im Dritten als auch im Vierten Lebensalter viele körperliche, alltagspraktische, psychische und kognitive Kompetenzen erhalten bleiben oder gesteigert werden können (BMFSFJ 2001, 55ff.). Zunehmend werden Technologien entwickelt, die darauf abzielen, diese Kompetenzen des Alters zu erweitern. Potenziale werden insbesondere in der Gestaltung sozialer Beziehungen, beruflichen Aktivitäten im Rentenalter, ehrenamtlichen Tätigkeiten, aber auch bei Freizeitaktivitäten und Selbstverwirklichung gesehen. Möglichkeiten der Technik werden u. a. in den Bereichen des alltäglichen Lebens, der Kommunikation, Mobilität und lebenslangen Lernens gesehen (Fozard et al. 2000, 332).
Zusätzlich zu den Chancen, die Technik älteren Menschen bietet, müssen ebenso die Schwierigkeiten, die Ältere bei der Nutzung bestimmter technischer Geräte haben, betrachtet werden. Neben Problemen, die sich aus oben beschriebenen Funktionseinschränkungen ergeben, haben ältere Kohorten Nachteile gegenüber jüngeren, da ihre Ausbildung und Lebenserfahrung sie nicht adäquat auf heutige Technologien vorbereitet hat. Technik stellt also auf zweierlei Art eine Herausforderung für Senioren dar (Schaie/Wahl/Mollenkopf/Oswald 2003, xvii).
2.2 Fragestellung
Diese kurze Einführung in die Probleme und Potenziale älterer Menschen wirft die Frage auf, inwiefern die Forschung sich konkret mit dem Thema Alter und Technik beschäftig. Im Gegensatz zur Gerontologie ist dies ein relativ neues Forschungsthema, das erst mit den erweiterten Möglichkeiten der Technik entstanden ist. Daher gibt es in der Literatur kaum Überblicke über die bisherige Forschung. Diese Arbeit soll daher einen perspektivenübergreifenden Überblick über die vorhandenen Forschungsbemühungen geben. Beispielhaft werden diese für die Länder USA und Deutschland gegenübergestellt. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage nach der Entwicklung und Konsolidierung dieses Forschungsgebietes. Wo liegen Gemeinsamkeiten und inwiefern unterscheidet sich die Forschung zu Alter und Technik in den Ländern? Die zugrunde liegende These lautet, dass sich in beiden Ländern die Herangehensweise an die Thematik Alter und Technik grundsätzlich unterscheidet, da unterschiedliche Forschungstraditionen vorliegen. Daraus ergeben sich weitere Fragestellungen:
1. Welche Forschungsschwerpunkte gibt es überhaupt?
a. Wie haben sie sich über die Zeit gewandelt, welche Veränderungen und Kontinuitäten gibt es hinsichtlich der Schwerpunktsetzung?
b. Wodurch wurden sie verändert und beeinflusst?
2. Welche Disziplinen sind an der Forschung beteiligt?
3. Unterscheidet sich die Forschungsmethodik?
4. Lässt sich ein unterschiedliches Altersbild in beiden Ländern feststellen? Hat es sich über die Zeit gewandelt?
5. Unterscheiden sich die Sichtweisen auf Technik?
6. Erfolgt eine gegenseitige Rezeption der Forschungsergebnisse und wenn ja, in welcher Form?
Schließlich sollte am Ende dieser Arbeit die Frage beantwortet werden, ob es sich in beiden Ländern überhaupt um ein eigenes Forschungsgebiet handelt.
2.3 Vorgehen
Der Vergleich der Forschungsbemühungen in den USA und Deutschland bietet sich an, da beide Länder sehr unterschiedliche Voraussetzungen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, technischer und politischer Art besitzen. Gerade in den USA wurden früh gerontologische Forschungsprogramme ins Leben gerufen, weshalb das Land gewissermaßen als Vorreiter auf diesem Gebiet gelten kann. Zudem gilt das Land traditionell als sehr offen in Bezug auf technologische Neuerungen. Deutschland wiederum gilt als ein Land mit bemerkenswerten sozialstaatlichen Errungenschaften, das sich aber durch eine sehr niedrige Geburtenquote mit großen Herausforderungen an den Sozialstaat konfrontiert sieht, und Technik evtl. einen Ausweg bieten kann. Diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen in beiden Ländern lassen einen interessanten Vergleich erwarten. Die USA eignen sich insofern auch besser zum Vergleich mit Deutschland als andere europäische Länder, da die USA nicht an europäischen Forschungsprogrammen beteiligt sind. Ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen sind also gegeben.
Im folgenden Kapitel werden als Hintergrund für die Analyse zunächst verschiedene Arten von Technik für das Alter kategorisiert. Darauf folgend werden die Rahmenbedingungen in beiden Ländern kurz skizziert, da Forschung immer von gewissen Ausgangsbedingungen beeinflusst wird. Die Analyse der Länder erfolgt aufgeteilt in drei Phasen, in denen versucht wird, Schwerpunkte der Forschung und Einflüsse darauf herauszustellen. Da bei einem solch breiten Überblick es schwer möglich ist sehr in die Tiefe zu gehen, werden vor allem Forschungsprojekte betrachtet, die einen gewisse Außenwirkung hatten (z. B. Publikation in internationalen Sammelbänden, vielfach zitiert etc.) und daher Schwerpunkte verdeutlichen. Für jede Phase und jedes Land wird exemplarisch zusätzlich eine herausragende Studie oder ein Projekt eingehender betrachtet. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der dritten Phase, da in den ersten beiden Phasen noch nicht zu jedem betrachteten Gebiet nennenswerte Forschung stattfand. Da die Betrachtung der Forschung in den beiden Ländern ohne Einbezug des internationalen Forschungskontextes nicht möglich ist, wird in jeder Phase zunächst die zur nationalen Forschung parallel verlaufende Herausbildung des von vorneherein international angelegten Gebiets der Gerontechnology (eine Wortschöpfung aus Gerontology und Technology) betrachtet. Schließlich erfolgt eine vergleichende Bewertung der Forschung zu Alter und Technik in beiden Ländern.
Zur Betrachtung der Forschungsbemühungen dient eine ausführliche Literaturanalyse. Aufsatzsammlungen und Zeitschriftenaufsätze sind hierfür besonders wertvoll, da sie einen guten Überblick über den jeweiligen Forschungsstand geben. Gerade Regierungsberichte erlauben zudem Rückschlüsse auf die politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Auch Projektberichte sowie die wenigen bisher erschienenen Lehrbücher können wichtige Hinweise geben. Monographien sind zum Themengebiet Alter und Technik bisher noch kaum erschienen. Zusätzlich von Interesse ist die Gründung und Entwicklung von Forschungszentren, die mit der Thematik Technik und Alter befasst sind. Von Bedeutung ist hier, wann diese Forschungszentren gegründet wurden, welche Themen besondere Aufmerksamkeit erhalten und welche Disziplinen beteiligt sind. Das Internet stellt in diesem Zusammenhang eine wichtige Hilfe dar, um Informationen über die thematische Ausrichtung etc. von Forschungszentren zu erhalten.
3 Analyse
Zunächst ist es notwendig, Anwendungsbereiche für Technik für das Alter einzugrenzen, um in der folgenden Analyse die Forschungsbemühungen besser einordnen zu können. In der Literatur zum Thema Technik und Alter lassen sich unterschiedlichste Kategorisierungen der Technikbereiche, die für Ältere von Belang sind, finden. Voß (2002, 11) stellt die Funktion der Technik in den Vordergrund. In der folgenden Tabelle sind diese Techniken jeweils mit einigen Beispielen aufgeführt, die so gleichzeitig einen einleitenden Überblick über die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten der Technik für das Alter gibt. Nicht jede technische Lösung, von der Ältere profitieren, wurde dabei originär für Senioren entwickelt. Viele Entwicklungen stammen aus dem Bereich der Behinderten- bzw. Rehabilitationstechnik. Haushaltsgeräte wiederum erleichtern allen Menschen den Alltag, wobei Senioren besonders profitieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Altersrelevante Technik nach Funktionen (Quelle: nach Voß 2002, 11; Mollenkopf & Hampel 1994, 23).
Diese Einteilung ist sehr ausführlich, allerdings wenig praktikabel, da technische Geräte verschiedene Funktionen gleichzeitig erfüllen können. Eine andere Herangehensweise wählt der Dritte Altenbericht der Bundesregierung, der lediglich unterscheidet zwischen alltags- und altersrelevanter Technik (z. B. Griffe an der Badewanne oder Rollator als Gehhilfe) und neuen Technologien auf der Basis von Mikroelektronik. Hier wird zusätzlich unterteilt in Alltagstechnik (Geräte, die nicht nur für Senioren relevant sind, insbesondere aber ihnen den Alltag erleichtern, wie z. B. Intelligente Haustechnik) und Pflege- und Rehabilitationstechnik, die u. a. dazu dient, physische oder kognitive Beeinträchtigungen auszugleichen bzw. zu behandeln (z. B. Hörgeräte). Informations- und Kommunikationstechnologien spielen in beiden Bereichen eine Rolle (BMFSFJ 2001, 263).
Eine praktikablere, da weniger grobe Kategorisierung, die auf den Bedürfnissen und Interessen Älterer basiert und ähnlich bei anderen Autoren zu finden ist, nehmen Fozard et al. (2000, 332ff.) vor. Sie teilen Technik je nach ihrem Einsatzgebiet in folgende Bereiche auf: Wohnen und Haushalt, Kommunikation, Mobilität und Verkehr, Gesundheit, Freizeit und Selbstverwirklichung sowie Beruf. Keine Rolle in dieser Einteilung spielt die Technik zur Unterstützung institutioneller oder privater Pflege. In diesem Zusammenhang ist jedoch die Unterscheidung zwischen Pflegetechnik und solcher Technik, die in den privaten Gesundheitsbereich fällt, wie beispielsweise Geräte, die zur Überwachung des eigenen Gesundheitsstatus dienen (Blutdruckmessgerät etc.) oder auch technische Hilfsmittel bzw. Assistive Technologies (Sehhilfen, Prothesen etc.) notwendig.
Zusätzlich zu den genannten Bereichen lassen sich übergreifende Themengebiete ausmachen, die ebenfalls Gegenstand der Forschung sind. Hierzu gehört die Sicherheit. Fahrerassistenzsysteme im Fahrzeug erhöhen die Sicherheit im Straßenverkehr, dienen aber generell der Mobilität. Auch Low-tech -Lösungen wie zusätzliche Handgriffe im Bad dienen der Erhöhung der persönlichen Sicherheit, werden aber hier dem Bereich Haushalt und Wohnen zugerechnet. Gleichzeitig ist Sicherheit eine der wichtigsten Anforderungen an alle technischen Geräte. Zusätzlich spielen in allen genannten Technikbereichen Fragen des Designs und der Bedienbarkeit bzw. Nutzbarkeit eine Rolle. Mittlerweile hat sich hier ein ganzer Forschungsbereich entwickelt, der sich etwa mit seniorengerechtem Design oder einer für ältere Menschen optimierten Nutzerführung auseinandersetzt. Darüber hinaus gibt es übergreifende Studien, die sich beispielsweise mit der Techniknutzung und -akzeptanz bzw. -skepsis oder Hemmnissen der Techniknutzung auseinandersetzen.
In Anlehnung an Fozards Einteilung wird für diese Arbeit folgende erweiterte Kategorisierung nach Anwendungsbereichen verwendet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Perspektiven auf Technik im Alter
Die Bereiche 1-4 (Wohnen u. Haushalt, Kommunikation u. Information, Mobilität u. Verkehr, Gesundheit) sind für eine selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zentral. Da in dieser Arbeit der normal alternde, nicht mehr erwerbstätige Mensch in seinem alltäglichen Lebensumfeld im Mittelpunkt steht, werden die Bereich Pflege und Arbeitsplatz soweit möglich von der Betrachtung ausgenommen. Ebenso ausgeblendet wird der Bereich der Freizeitgestaltung und Selbstverwirklichung, da die Forschungsprioritäten in diesem Bereich nicht sehr hoch sind. Eingehend betrachtet werden also die vier Bereiche
- Wohnen und Haushalt,
- Mobilität und Verkehr,
- Kommunikation und Information,
- Gesundheit.
Eine trennscharfe Einordnung ist dennoch nicht immer zweifelsfrei möglich. Intelligente Haustechnik ist beispielsweise kaum ohne IKT denkbar. Ihrem Hauptzweck nach wird diese Technik in den Bereich Wohnen und Haushalt eingeordnet. Ein weiteres Beispiel wäre ein Handy, das auch als Navigationsgerät genutzt werden kann. Dies wäre je nach genutzter bzw. untersuchter Funktion in die Bereiche Kommunikation und Information oder Mobilität und Verkehr einzuordnen. Da hier ein breiter Überblick erfolgen soll, kann nicht jeder Bereich in aller Tiefe betrachtet werden. Im Bereich der IKT gibt es z. B. inzwischen eine so große Anzahl an Studien, dass eine tiefgehende Analyse an dieser Stelle nicht möglich ist.
3.1 Rahmenbedingungen der Forschung zu Alter und Technik
Die Forschung in einem Land lässt sich nicht losgelöst von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen betrachten, da sie die Zielsetzungen der Forschung maßgeblich beeinflussen. Die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet der Technologie sind außerdem für diese Betrachtung von großer Bedeutung. Im Folgenden werden daher zunächst einige grundlegende Daten erläutert, da diese gewissermaßen den Rahmen der Forschung bilden. Einige demographische Angaben dürfen nicht fehlen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: Demographische Daten für die USA und Deutschland für 2005
(Quelle: CIA Worldfactbook 2006)
In der Tabelle wird deutlich, dass sich die Altersstruktur in beiden Ländern klar unterscheidet, mit einer Differenz des mittleren Lebensalters von fast sechs Jahren. Trotz einer nur geringfügig höheren Lebenserwartung ist der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre in Deutschland um 6,5 Prozentpunkte höher als in den USA und der Anteil der Unter-15-Jährigen dementsprechend niedriger. Die sehr niedrige Geburtenrate führt so in Deutschland zu einem schnellen Altern der Gesamtbevölkerung. Auch ein durch bessere medizinische und hygienische Bedingungen bedingter Anstieg der Lebenserwartung trägt zur Alterung der Gesellschaft bei. Diese Entwicklungen werden sich in Zukunft noch verstärken: Für das Jahr 2050 wird nicht nur mit einem Anstieg der Lebenserwartung um rund sechs Jahre gerechnet, sondern auch mit einer gleich bleibend niedrigen Geburtenrate. Der Anteil der Über-Sechzigjährigen an der Gesamtbevölkerung wird sich demnach von 2001 bis 2050 von ca. einem Viertel auf mehr als ein Drittel verstärken. Der Anteil der 80+ Generation wird sich nach den Berechnungen der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung sogar verdreifachen (Statistisches Bundesamt 2003, 5ff.). Dieses Verhältnis fällt in den USA nicht so drastisch aus, da hier mit einer stabilen Geburtenziffer von 2,0-2,1 gerechnet wird (Statistisches Bundesamt 2003, 12). Gerade in Deutschland ist nicht nur die Lebensphase nach hinten verlängert, sondern beginnt auch früher, denn der Übergang in den Ruhestand hat sich in den letzten Jahren deutlich nach vorne verschoben, heute liegt er bei Männern bei 59,9 Jahren und bei Frauen bei 60,5 Jahren. Schon relativ früh beginnt also eine neue Lebensphase mit neuen Orientierungen, in der auch neue Dienstleistungen und Technik wahrgenommen werden (Kreibich 2004, 7). Für die USA wird ebenfalls ein starker Anstieg des Anteils der Senioren an der Bevölkerung erwartet. Schätzungen zufolge soll der Anteil der Über-75-Jährigen bis 2020 sogar um 74% anwachsen (U.S. Embassy 2006).
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Lebensstandard deutscher Senioren deutlich verbessert und die meisten Rentner können ihren Lebensstandard mit dem Austritt aus dem Erwerbsleben mehr oder weniger halten (Ebbinghaus 2006, 2). In den USA ist der Eintritt in das Rentenalter dagegen häufig mit einem spürbaren Nachlassen der Kaufkraft verbunden, was sich auf die Möglichkeit, sich bestimmte Technologien leisten zu können, auswirkt (Charness 2004, xxvi).
Wegen der großen Bedeutung der Bereiche Mobilität und Wohnen sollen kurz einige Daten dazu angeführt werden. In Deutschland leben 92% aller Menschen über 65 in der eigenen Wohnung (Großjohann 2003, 119f.). Lediglich 5,3% der Über-65-Jährigen leben in Pflegeheimen, wobei hiervon der größte Teil auf die Über-80-Jährigen entfällt. Dies gilt ähnlich für die USA, wo nur 4,3% in Pflegeheimen leben. Allerdings ist in den USA die Nutzung alternativer Wohnformen (Betreutes Wohnen etc.) höher. Außerdem ist die Zahl der Eigenheimbesitzer weitaus größer (79%) als in Deutschland (48%) (Wahl & Gitlin 2003, 285), was sich möglicherweise positiv auf Möglichkeiten der Wohnungsanpassung auswirkt. Was die Ausstattung von Seniorenhaushalten mit Technik anbelangt, lässt sich feststellen, dass viele technische Neuerungen in Deutschland ca. 10 Jahre später als in den USA Verbreitung fanden. Bei Geräten der Standardausstattung (Radio, TV, Kühlschrank, Telefon) ist die Verbreitung in beiden Ländern nahezu 100%. Zentralheizung und Waschmaschine sind in deutschen Seniorenhaushalten weiter verbreitet, während amerikanische Haushalte besser mit Spülmaschinen, Mikrowellen, Videorekordern und Computern ausgestattet sind (Wahl & Mollenkopf 2003, 219f.)
Die USA sind geprägt von großen Distanzen, die oft für alltägliche Besorgungen zurückgelegt werden müssen und besitzen ein schlecht ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz. Daher ist gerade in den USA der Pkw für ein selbständiges Leben im Alter zentral. So besitzen in den USA 92% aller Haushalte mindestens ein Auto, 19% aller Haushalte haben sogar drei oder mehr Autos und 9 von 10 Wegen werden mit dem Auto zurückgelegt. Amerikaner über 85 Jahren fahren sogar noch häufiger selber anstatt Beifahrer zu sein. Hier ist also eine sehr starke Abhängigkeit vom Pkw festzustellen, die sich in Zukunft noch verstärken wird (Stutts 2003, 192ff.). In Deutschland ist diese Abhängigkeit weniger stark. So betrug der Anteil der Autofahrten an der gesamten Personenmobilität ca. 84% und der Anteil der über 65-jährigen Autofahrer betrug 1996 13,6%, wird sich bis 2040 aber vermutlich auf 26% erhöhen (Oswald 1999, 18). Obwohl die Ausgangsbedingungen in beiden Ländern ähnlich sind, zeigen sich auf den zweiten Blick doch große Unterschiede. Leider kann an dieser stelle kein Vergleich der gesellschaftspolitischen Unterschiede und der Forschungslandschaften erfolgen.
3.2 Entwicklungen vor 1990
In den 50er und 60er Jahren herrschte in der Gerontologie ein Defizitbild des Alters vor. Ab den 70er und 80er Jahren diagnostizieren Wahl und Tesch-Römer allerdings einen Gesinnungswandel hin zu einem Interventionskult, der auf der Hoffnung beruhte, die Funktionseinbußen des Alters vermeiden oder sogar rückgängig machen zu können (Wahl & Tesch-Römer 2000, 4). So geriet die Umweltabhängigkeit von Alternsprozessen in den Blickwinkel und damit auch die Möglichkeit, durch eine Veränderung der Umwelt Alternsprozesse positiv beeinflussen zu können. Im Mittelpunkt standen dabei zunächst Rehabilitationsmöglichkeiten. Eine ähnliche Herangehensweise bildete sich in der Ergonomie[3] heraus. Die zentrale Idee geht davon aus, dass der Mensch in Interaktion zu seiner Umwelt steht und man diese Wechselwirkungen als ein System betrachten sollte. Ein optimales Resultat kann erreicht werden, indem man die Voraussetzungen einer Person anpasst, die Umweltbedingungen an die individuellen Voraussetzungen des Menschen oder beides (Fozard et al. 2000, 335). Lawton und Nahemow (1973) prägten diese Perspektive maßgeblich durch ihre sogenannte Docility-These: Je geringer die Kompetenz einer Person, desto stärker wirken sich Umwelteinflüsse auf sie aus bzw. desto schlechter ist auch die Anpassungsfähigkeit an Umweltbedingungen. Mit Kompetenz sind hier biologische Gesundheit, sensorisch-motorische Funktionsfähigkeit, kognitive Fähigkeiten sowie Stärke des Selbstbewusstseins zusammengefasst (Lawton 1980, 14). Trotz der allgemeinen Tendenz, verstärkt die Umweltbedingungen des Alters zu betrachten, wurde vor 1990 in Deutschland noch kaum Aufmerksamkeit auf das Gebiet Alter und Technik gerichtet. In den Vereinigten Staaten hingegen gab es schon relativ rege Forschungsaktivitäten innerhalb der Ergonomie. Einer der ersten Artikel, der die Bedeutung der Ergonomie für die Gerontologie beschrieb, war eine Publikation von Alphonse Chapanis in der Zeitschrift Gerontologist im Jahr 1974 zum Thema „Human engineering environments for the aged“. Im Jahr 1981 wurde eine Sonderausgabe der Zeitschrift Human Factors zum Thema Altern herausgegeben und 1990 erschien eine zweite Sonderausgabe zum gleichen Thema. Gleichzeitig nahm eine Technical Interest Group (TIG) innerhalb der Human Factors and Ergonomics Society zum Thema Alter an Gestalt an. 1987 wurde zudem die Special Interest Group on Technology and Aging der Gerontological Society of America (GSA-TAG) gegründet, die das Bewusstsein für die Bedeutung der Thematik Technik und Alter(n) in der wissenschaftlichen Gemeinde deutlich erhöhte (Fozard 2004, 264f.).
Auch von politischer Seite erhielt das Thema in den USA Aufmerksamkeit. So beauftragte der Kongress im Jahr 1984 einen Bericht, der den Allgemeinzustand älterer Amerikaner untersuchen und Wege aufzeigen sollte, wie Technologie zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit und Erhöhung der Lebensqualität beitragen kann. Ausgangspunkt war die Feststellung, dass aufgrund der längeren Lebenserwartung chronische Krankheiten zunehmen, die die selbständige Lebensführung einschränken. Der Bericht zielt daher darauf ab, gerade chronisch kranke Senioren durch Technologie zu unterstützen, bzw. die Möglichkeiten dafür zu evaluieren (US Congress 1985, iii). Schwerpunkt bildete die Evaluation der prinzipiellen technischen Möglichkeiten und das Aufzeigen von Handlungsfeldern für die Politik. Neben einer kurzen Betrachtung des Wohnens lag der Fokus nicht auf Alltagstechnologien, sondern eindeutig auf technischen Möglichkeiten, die physische und mentale Gesundheit älterer Menschen zu erhalten; sozialwissenschaftliche Betrachtungen spielten keine Rolle. Generell ist der Bericht von einer Technikeuphorie getragen sowie dem Bewusstsein, dass eine technologische Revolution ansteht, deren Konsequenzen kaum absehbar sind (U.S. Congress 1986, 6). Dieser Bericht zeigt, dass in den USA schon früh eine explizite Betrachtung des Zusammenspiels von Alter und Technik stattfand und dies keine Nischenforschung war, sondern durchaus politische Relevanz besaß.
Zwei weitere einflussreiche Publikationen zum Thema Alter und Technik erschienen in den USA: Robinson, Livingston und Birren (1984) sowie Lesnoff-Caravaglia (1988). Beide beschäftigten sich in Form von Aufsatzsammlungen mit der Thematik. Insgesamt stehen medizintechnische Anwendungen und Assistive Technologies im Mittelpunkt und Ältere werden großteils auf ihre Behinderungen und Erkrankungen reduziert. Dies liegt daran, dass viele Techniken aus dem Behindertenbereich übertragen werden, insbesondere im Bereich der technischen Hilfsmittel und der Rehabilitationstechnik. Eine wichtige Rolle spielten amerikanische Veteranenorganisationen, die sich wesentlich auf dem Gebiet der Behindertentechnik betätigten, da viele ihrer Mitglieder durch Kriegsbehinderungen beeinträchtigt sind. Da diese Veteranen nun altern, scheint eine stärkere Beschäftigung mit den Problemen (behinderter) Älterer folgerichtig und eine Übertragung der Forschungsergebnisse auf alle Senioren mit ähnlichen Problemen bietet sich an. In dieser frühen Phase der Beschäftigung mit Alter und Technik wird häufig der Wunsch nach verstärkter Grundlagenforschung laut, da viele Basisfakten über Altersprozesse körperlicher, physischer und mentaler Art noch fehlen.
Im Jahr 1990 konnten die Vereinigten Staaten also durchaus auf eine gewisse Forschungstradition zum Thema Technik und Alter zurückblicken, die allerdings maßgeblich zum einen von einer ergonomischen Sichtweise, zum anderen von einem Defizitbild des Alters geprägt war. Auch die universitäre Lehre profitierte von dieser Forschung, so gab es in den USA schon seit 1987 Kurse zum Thema Altern und Technik (Burdick & Kwon 2004, ix). In Deutschland war dagegen keine vergleichbare Entwicklung erkennbar. Dies änderte sich Anfang der 90er Jahre.
3.3 Phase I: Die Herausbildung eines neuen Forschungsgebiets
Nachdem frühe Entwicklungen des Gebiets Alter und Technik skizziert wurden, sollen nun die Entwicklungen in der ersten Hälfte der 90er Jahre ausführlich dargestellt werden. Wesentliche Impulse erhielt die Forschung durch die Formierung des neuen Forschungsgebiets der Gerontechnology. Zudem regte sich in Deutschland erstes Interesse an diesem Thema. Daher scheint das Jahr 1990 ein guter Zeitpunkt für den Einstieg in eine tiefere Betrachtung zu sein. Da die Forschung noch nicht sehr breit aufgestellt ist, sind einige Bereiche ausführlicher als andere dargestellt.
3.3.1 Gerontechnology
Anfang der 90er wurde eine gemeinsame internationale Plattform für die bisher vereinzelt in verschiedenen Staaten stattfindende Forschung zu Alter und Technik geschaffen. Besonders fortgeschritten war die Forschung in den Niederlanden. Aus der Einsicht heraus, dass ein gemeinsames Bemühen notwendig ist, um Technologien für Ältere nutzbar zu machen, ist die interdisziplinär ausgerichtete Disziplin Gerontechnology entstanden. Da es sich um eine internationale Bewegung handelt, wird im Folgenden die englische Bezeichnung verwendet. Als Ziel der Gerontechnology geben Bouma und Graafmans „the study of technology and aging with the aim of improving the functioning of the elderly in daily life” (Bouma & Graafmans 1991, v) an. Zwar beschäftigten sich schon früher Forschergruppen mit dem Alter, insbesondere in den Bereichen Wohnen und Pflege. Nun steht aber zum ersten Mal das Ziel im Vordergrund, generell die Lebensqualität durch Technik zu erhöhen und nicht nur einzelne Probleme zu beheben. Das Spektrum der Disziplinen, die in diesem Rahmen zur Ent wicklung seniorengerechter Produkte beitragen können, ist sehr groß:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Potenziell an der Gerontechnology beteiligte Disziplinen (Quelle: Reents 1996b, 3)
In all diesen Disziplinen ist natürlich schon Wissen zu Alter und Technik vorhanden, allerdings nicht unbedingt in einen größeren Kontext integriert. Angestrebt wird eine Integration, die sich durch Forschung, Entwicklung, Design, Marketing sowie durch politische und wirtschaftliche Ziele zieht. Ein Grundproblem ist jedoch zunächst, dass noch kaum empirische Daten über die Lebensbedingungen von Senioren existieren, wie z. B. welche Arten von Technologie sie sich überhaupt leisten können. Eine zentrale Forderung lautet demnach, wirtschaftliche und soziale Hintergründe älterer Menschen und deren Einfluss auf Technikakzeptanz zu untersuchen (Bouma 1992, 3f.). Der Anspruch der noch jungen Gerontechnology war also, zunächst eine stabile Datengrundlage zu schaffen, auf der die weitere Forschung aufbauen kann.
Eine erste internationale Konferenz fand 1991 in Eindhoven statt und wurde mit europäischen und niederländischen Fördermitteln finanziert. Obwohl die Niederlande zunächst eine Vorreiterrolle bei der Etablierung dieses Forschungsfeldes übernahmen, war eine internationale Beteiligung von vorneherein gegeben. Vorherrschende Themengebiete waren Mobilität, Wohnen, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Medizintechnik. Diese und nachfolgende Konferenzen bieten – neben anderen Publikationen – einen guten Ansatzpunkt, um die Entwicklung der Forschung zu Alter und Technik und den Stand der Technik nachzuzeichnen.
Es fällt auf, dass deutsche Beiträge zur Eindhoven-Konferenz vor allem die Möglichkeiten der Telekommunikation für Ältere thematisieren (Garbe et al. 1992; Erkert 1992; Robinson 1992). Dieses Themengebiet ist ausschließlich von deutschen Beiträgen besetzt. Ein weiterer Beitrag stellt die Ergebnisse des weiter unten beschriebenen ALTEC-Projekts, das die seniorengerechte Gestaltung von Alltagstechnik untersucht, vor (Rudinger et al. 1992). Die amerikanischen Beiträge sind thematisch breiter gestreut: Zum einen geben sie einen Überblick über biomedizinische Erkenntnisse zu Alternsprozessen (Corso 1992; Fozard et al. 1992) und betrachten ökonomische Grundlagen für technische Möglichkeiten (Hurd 1992). Weiterhin werden medizintechnische Fallstudien vorgestellt, die sich an Einzelproblemen wie der Versorgung von Inkontinenz-Patienten (Petrucci et al. 1992), der Behandlung von Hörstörungen (Brant et al. 1992) und der Entwicklung von Erinnerungshilfen zur Medikamenteneinnahme (Park et al. 1992) ausrichten. Schon dieser grobe Überblick zeigt, dass beide Länder Schwerpunktthemen vertreten – Telekommunikation auf deutscher und Medizintechnik auf amerikanischer Seite. Gleichzeitig gibt es aus den USA Betrachtungen genereller Art zum Thema Alter und Technik, die zeigen, dass sich in den USA bereits eine verschiedene Technikbereiche übergreifende Betrachtungsweise herausbildet. Dies soll im folgenden Abschnitt näher betrachtet werden.
3.3.2 USA
Schon Ende der 1980er Jahre erarbeitete ein Komitee aus nationalen Behörden aus dem Gesundheitsbereich eine nationale Forschungsagenda zum Thema Altern. Die 1991 erschienene Agenda sollte die wichtigsten altersrelevanten Forschungsbereiche für die folgenden 20 Jahre identifizieren und als Prioritätenliste für zukünftige Forschungsvorhaben dienen. Diese Initiative beruhte auf dem Erfordernis, akute und chronische Krankheiten im Alter zu kontrollieren und Behinderungen und Leiden zu reduzieren bzw. zu mildern. Eine Verbesserung der Lebensqualität wurde also angestrebt. Neuartige Methoden der Grundlagenforschung zu Alternsprozessen eröffneten dazu neue Möglichkeiten (Lonergan 1991, 2ff.). Der Erforschung des Alters wurde also eine hohe Relevanz zugesprochen, wobei die Bedeutung neuer Technologien zur Erhöhung der Lebensqualität im Alter noch nicht erkannt wurde, obwohl es schon in den 80ern Initiativen dazu gab. Auch wenn dieser Forschungsbereich nicht ganz oben auf der Forschungsagenda stand, gab es ein reges Interesse an der Thematik Alter und Technik: Forschungsinitiativen, die den Nutzen von Technologie für das Alter erkannten, kamen weiterhin zumeist aus dem Bereich der Ergonomie. Die Verbindung zwischen Ergonomie und Gerontologie herzustellen bemühte sich vor allem Sara Czaja, die 1990 sowohl eine Sonderausgabe der Zeitschrift Human Factors zum Thema Altern herausgab (Czaja 1990a) als auch einen vom National Research Council (NRC) geförderten Bericht zum Thema Human factors needs for an aging population (Czaja 1990b).
Die Forschung zu Alter und Technik gewann zu Anfang der 1990er Jahre also gerade durch Initiativen aus der Ergonomie an Fahrt. Im Folgenden soll die Forschung zu den Gebieten Wohnen und Haushalt, Kommunikation und Information, Mobilität und Verkehr sowie Gesundheit vorgestellt werden, die allerdings nicht in jedem Bereich gleichermaßen stark vertreten war.
3.3.2.1 Wohnen und Haushalt
Die Bedeutung, die die seniorengerechte Gestaltung der Wohnumgebung für ältere Menschen besitzt, wurde in den USA zwar früh erkannt, systematische Forschung zur Hauhalts- oder Wohntechnik fand noch nicht in nennenswertem Umfang statt. Im Jahr 1990 erschien dennoch ein Übersichtswerk über Produkte für das Wohnen im Alter, das sich an Architekten, Produktentwickler, Bauunternehmer, Hersteller etc. wandte. Neben der Vorstellung geeigneter Produkte werden auch Kriterien aufgeführt, die eine Einschätzung der Produkte auf ihre Seniorentauglichkeit hin ermöglichen (Selvidge/Wylde/Rummage 1990). Solche Richtlinien beruhen oft jedoch nicht auf empirischen Untersuchungen. Hier setzen z. B. Czaja, Weber und Nair (1993) an, die Ausführung von Alltagsaufgaben mittels Videoaufnahmen analysieren. Diese Untersuchung wird exemplarisch weiter unten vorgestellt, da sie einerseits eine methodische Ausnahme in dieser Phase darstellt, zum anderen aber auch eine der wenigen Studien in diesem Bereich ist.
3.3.2.2 Kommunikation und Information
Auch Studien zur Informations- und Kommunikationstechnologie sind Anfang der 90er Jahre selten. Der Gerontechnology-Sammelband (Bouma & Graafmans 1992) zeigt, dass vor allem Deutsche dieses Themengebiet besetzen. Erwähnt werden soll allerdings die SeniorNet-Initiative, die sich schon 1986 aus einem Forschungsprojekt der privaten Markle Foundation gründete. Ziel des Projektes war die Ergründung der Frage, ob Computer- und Telekommunikationsdienste das Leben älterer Menschen bereichern können. Seitdem wurden im ganzen Land Zentren gegründet, in denen Senioren den Umgang mit dem Internet lernen können. Seit 1990 existiert SeniorNet als gemeinnützige Weiterbildungsorganisation. Neben Schulungszentren unterhält die Initiative zudem eine Website, die sich an die Bedürfnisse von Senioren richtet und führt Studien zu Nutzungsgewohnheiten und Bedürfnissen von älteren Menschen in Bezug auf das Internet durch (zumeist in der Form von Online-Befragungen) und stellt Studien anderer Forschergruppen zur Verfügung (SeniorNet 2006). SeniorNet ist so zum Vorbild für viele ähnlich ausgerichtete Initiativen in den USA, aber auch in Deutschland geworden.
3.3.2.3 Mobilität und Verkehr
Da die USA ein Land der Autofahrer sind, gab es naturgemäß schon früh wesentliche Forschungsbemühungen zum Themenbereich Alter und Autofahren. Owsley, Ball, Sloane, Roenker und Brune (1991) sowie Sixsmith und Sixsmith (1993) zeigen anhand verschiedener Auswertungen von Unfallstatistiken, dass ältere Autofahrer ein größeres Unfallrisiko als jüngere Autofahrer besitzen. Dieses Unfallrisiko versuchen ältere Autofahrer aber durch eine Anpassung der eigenen Fahrstrategien zu vermeiden. Da sie ihre langsamere Reaktionsgeschwindigkeit in den meisten Fällen gut einschätzen können, fahren sie langsamer und beschränken ihre Fahrten auf Tageszeiten, wo Beeinträchtigungen des Sehens weniger zum Tragen kommen: Fahrten in der Dämmerung oder Nachtfahrten werden großteils vermieden (Sixsmith & Sixsmith, 1993). Owsley et al. zeigen außerdem, dass sich überraschenderweise physische Einschränkungen des Sehens wesentlich weniger auf das Unfallrisiko auswirken als verminderte visuelle Aufmerksamkeit, also kognitive Leistungseinbußen. Dies hat z. B. direkte Konsequenzen für die Konzeption von Fahrtüchtigkeitsprüfungen. Diese wenigen Studien zeigen schon, dass es hier vor allem um die Ergründung physiologischer und kognitiver Alterseinbußen, die sich auf die Fahrtüchtigkeit älterer Menschen auswirken, und grundlegende Erkenntnisse über das Fahrverhalten älterer Personen geht. Psychologische Experimente sind hier das Mittel der Wahl, mit denen vorwiegend die Zusammenhänge von Altern, Kognition und Autofahren untersucht werden. Häufig geschieht dies auch aus einer ergonomischen Perspektive (vgl. für einen Überblick Park 1994).
3.3.2.4 Gesundheit
Die Forschung zu Alter und Technik in den Vereinigten Staaten hat eine Wurzel in der Behinderten- und Rehabilitationstechnik (s.o.), gerade durch die einflussreiche Interessenvertretung der Veteranenverbände. Daher gibt es einen großen Forschungsbereich zu sogenannten Assistive Technologies (AT). Diese können folgendermaßen definiert werden:
Dazu zählt jedes Produkt, Instrument, Gerät oder technisches System, das von älteren Menschen bzw. Menschen mit altersbedingten Behinderungen eingesetzt wird, das eine Spezialanfertigung oder ein Massenprodukt sein kann und einer Behinderung oder generellen Beschwerde vorbeugt, sie kompensiert, erleichtert oder neutralisiert (Huning 2000, 92).
Im Deutschen wird die Bezeichnung Assistive Technologies zumeist beibehalten oder mit technischen Hilfsmitteln übersetzt. Ebenso wird in dieser Arbeit verfahren bzw. die Abkürzung AT verwendet. Die Anwendungsmöglichkeiten solcher Hilfsmittel sind äußerst vielfältig und reichen von Low-Tech -Geräten wie Gehstöcken bis zu High-Tech- Geräten wie textbasierten Telefonen, die es auch tauben Menschen erlauben über die Telefonleitung zu kommunizieren. Obwohl solche Geräte häufig ursprünglich aus dem Bereich der Unterstützungstechnik für Behinderte kommen, sind sie vielfach ebenso zur Kompensation altersbedingter Funktionseinschränkungen geeignet. Häufig werden aber schlicht bestehende technische Produkte auf die Bedürfnisse Älterer übertragen, ohne dass eine tatsächliche Anpassung stattfindet. Einen anderen Ansatz wählen Brant et al. Anhand von Daten über altersbedingte Verminderungen der Hörfähigkeit, die aus der Boston Longitudinal Study of Aging (BLSA)[4] gewonnen wurden, leiten sie Anforderungen an Hörgeräte und technologische Entwicklungen ab, die solchen Hörschwierigkeiten vorbeugen (Brant/Metter/Gordon/
Person/Fozard 1992, 269f.). Hier stehen also tatsächlich empirische Daten über ältere Menschen im Vordergrund, anhand derer technische Hilfsmittel entwickelt werden.
Interessant ist zudem die Consumer Assessment Study (CAS) von William Mann und Kollegen. Diese auf zehn Jahre angelegte Längsschnittstudie (Beginn 1991) untersuchte Kompensationsstrategien älterer Menschen mit Behinderungen und deren Nutzung von AT. Da die Ergebnisse erst in den späteren Jahren der Studie vorliegen, wird diese Studie in der folgenden Phase ausführlich vorgestellt. Es fällt jedoch auf, dass nur ältere Menschen mit Behinderungen angesprochen sind, dies schließt einerseits einen großen Teil der Senioren aus, zum anderen werden ausdrücklich die Defizite des Alters betont.
3.3.2.5 Studie: A Human Factors Analysis of ADL Activities
Wie bereits erwähnt, hat die Forschung zu Alter und Technik ihre Ursprünge in der Ergonomie. Czaja, Weber und Nair (1993) leisten aus ergonomischer Perspektive wichtige Grundlagenforschung für die Entwicklung von Haushaltsgeräten für ältere Menschen. Die vom National Institute of Aging (NIA) geförderte Untersuchung sollte dazu beitragen, die bisher sehr schlechte Datenlage zum Zusammenhang zwischen Umweltanforderungen und individuellen Kompetenzen zu verbessern. Die Untersuchung strebte zwar nicht direkt eine Verbesserung der Lebensbedingungen Älterer durch Technik an, wollte aber durch Anpassungen der Alltagsumwelt dazu beitragen. Die Ergebnisse können zudem wichtige Impulse für die Entwicklung seniorengerechter Technik geben und gerade die genutzten Methoden sind für viele spätere Forschungsarbeiten grundlegend.
Ausgangspunkt der Studie war die Annahme, dass die erfolgreiche Erledigung einer Aufgabe von einer Übereinstimmung der Umweltanforderungen mit den individuellen Fähigkeiten abhängt. Dahinter steht die Docility-These Lawtons (s. S. 16). Durch eine Veränderung der Umweltgegebenheiten sollte die funktionale Unabhängigkeit älterer Personen erhöht werden. Dazu muss zunächst eine Analyse der Aufgabenanforderungen und der dafür notwendigen individuellen Fähigkeiten erfolgen. Czaja et al. bemängeln, dass genauere empirische Erkenntnisse über konkrete Alltagsprobleme bisher nicht vorliegen bzw. allenfalls statistischer Art sind (wie häufig kommen bestimmte Probleme vor etc.). Zur Erhebung der empirischen Daten wählte die Forschergruppe die ursprünglich aus der Arbeitswissenschaft stammende Aufgabenanalyse. Dabei werden Aktivitäten in Unterschritte aufgeteilt um für jeden dieser Schritte die kognitiven und physiologischen Anforderungen an die Person zu ermitteln. Daraufhin können die ermittelten Anforderungen mit den ebenfalls ermittelten Fähigkeiten der Person verglichen werden. Einbezogen wurden Umweltbedingungen und die für die Aktivität genutzten Geräte (Czaja et al. 1993, 44f.).
Für die Untersuchung wurden Interviewdaten und Videomaterial ausgewertet. Bei den Interviews, die eine Analyse des Videomaterials erleichtern sollten, wurden zunächst 244 ältere, ihren Haushalt selbständig führende Probanden zu Alltagsaufgaben (persönliche Hygiene, Putzen, Einkaufen etc.) befragt. Anschließend wurden 60 dieser Personen in ihrem Zuhause, in Waschsalons und beim Einkaufen bei der Verrichtung dieser Aufgaben gefilmt. Insgesamt wurden 25 Aufgaben identifiziert, die nun anhand der Aufgabenanalyse detailliert ausgewertet wurden. Es konnten Haltungen, Bewegungen und Kräfte identifiziert werden, die Schwierigkeiten bereiten. Als problematisch erwiesen sich die Zubereitung von Mahlzeiten, Einkaufen, Hausputz und das selbständige Anziehen. Situationen, die Bücken, Heben oder Hocken erforderten, waren mit den meisten Schwierigkeiten verbunden, gleichzeitig aber Bestandteil vieler Aktivitäten. Im Fokus standen rein körperliche Schwierigkeiten; kognitive Probleme wurden nicht betrachtet, wobei hier dringender Forschungsbedarf für die Zukunft gesehen wurde. Auf Basis der Ergebnisse sollten gezielt Interventionsstrategien und Designrichtlinien entwickelt werden (Czaja et al. 1993, 46ff.).
Die Untersuchung wird noch heute vielfach zitiert, da sich die Ergebnisse zum einen noch immer als wertvoll für die Gestaltung von Wohnungen und Haushaltsgeräten erweisen, zum anderen in ihrer Systematik und Umfang der gesammelten Daten ihresgleichen sucht. Systematische Beobachtungen älterer Menschen in ihrem Wohnumfeld bilden allerdings die Ausnahme; üblich sind eher Fokusgruppen und Umfragen, um Probleme in der Bewältigung des Alltags zu untersuchen (Gutman 2003, 257). Ein weiterer Pluspunkt der Studie ist, dass die Methode der Nichtteilnehmenden Beobachtung eine objektive Auswertung von Alltagsproblemen ermöglicht. Ergänzt werden sollten solche Untersuchungen, wie es hier auch geschieht, durch qualitative Methoden, um Erkenntnisse über das persönliche Erleben der Schwierigkeiten zu gewinnen. Zudem darf nicht nur der Alltag Älterer ohne technische Hilfen analysiert werden, um Technik zu einem Allheilmittel für die gefundenen Probleme zu propagieren. Vielmehr können die gleichen Methoden genutzt werden, um Probleme Älterer mit bestimmten Technologien zu untersuchen, um daraufhin konkret Produkte zu verbessern.
3.3.3 Deutschland
Auf eine Forschungstradition zum Thema Alter und Technik, wie sie für die USA beschrieben wurde, kann Deutschland Anfang der 90er Jahre noch nicht zurückblicken. In den 80er und 90er Jahren fand in Deutschland zunächst ein Konsolidierungsprozess der sozialen Gerontologie statt, der sowohl akademische Institutionen, aber auch den Politikbereich betraf. Viele Forschungsprojekte wurden initiiert (einen Überblick gibt Scharf 2001) und dank der Entstehung einer grauen Lobby wurde auch in der Politik den Belangen Älterer verstärkt Aufmerksamkeit entgegengebracht. Ausdruck dieses Wandels ist z. B. der Erste Altenbericht des Bundesministeriums für Familie und Senioren, der vor dem Hintergrund der deutschen Einheit einen fundierten Überblick über „Die Lebenssituation älterer Menschen in Deutschland“, so der gleichlautende Titel des Berichts, gibt (BMFuS 1993). Der Erste Altenbericht stellte die Grundlage für die folgenden dar, die sich mit spezielleren Aspekten des Alter(n)s befassten. Die Aufmerksamkeit und eine grundlegende Datenbasis waren nun geschaffen, um sich auch in Deutschland mit dem Thema Alter und Technik zu beschäftigen.
Viele Projekte wurden allerdings nicht durch nationale, sondern durch europäische Förderung auf den Weg gebracht. Besonders erwähnenswert ist das sogenannte COST Programm (European Cooperation in the Field of Scientific and Technical Research), das seit den 70er Jahren einen Rahmen für europäische Forschungskooperationen bietet. Ab 1991 lief das COST-A5-Programm „Ageing and Technology “, das zunächst auf drei Jahre angelegt war und bis 1996 verlängert wurde. Ziele des Programms waren die Koordination europäischer Forschung und Entwicklung im Bereich Alter und Technik, nationale Aktivitäten auf europäischer Ebene anzustoßen, Interdisziplinarität zu fördern und sozialwissenschaftliche Aspekte im COST-Projekt zu verankern (Huning 2000, 107). Besonders fruchtbar war dieses Programm für die Bildung europäischer und nationaler Forschungsnetzwerken zum Thema Alter und Technik. Das COST A5-Programm stellt damit eine Art Anschub für die nationale Forschung dar. Am Anfang standen der Aufbau einer Adressdatenbank und die Durchführung von Workshops zum Thema Alter und Technik (Zapf & Mollenkopf 1994, 11). Weiterhin erwähnenswert sind das RACE Programm (Research and Technology Development in Telecommunication Technology in Europe) und TIDE (zunächst: Technology Initiative for Disabled and Elderly People; später: Telematics for the Integration of Disabled and Elderly People), die auf dem Gebiet der Telekommunikation große europäische Projekte förderten.
Vor 1990 gab es zwar schon einzelne deutsche Studien und Projekte, die sich mit Teilaspekten von Alter und Technik befassten. Neu war, dass die bislang vereinzelt stattfindenden Forschungsbemühungen unter das Oberthema Alter und Technik gefasst wurden. Einen aufschlussreichen Überblick über den damaligen Forschungsstand gibt der vielfach zitierte Artikel von Andreas Kruse (1992). Kruse untersucht anhand einer umfassenden Literaturanalyse zur damaligen Forschung in den USA und in Deutschland, wie Veränderungen in der Umwelt die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Kompetenz fördern und inwiefern Technik dazu beitragen kann. Der Analyse liegt ein differenziertes Altersbild zugrunde, indem detailliert die jeweiligen Möglichkeiten und Gefahren von technischen Lösungen analysiert werden: Die sonst häufig übliche Technikeuphorie spielt dagegen keine Rolle. So kritisiert Kruse zunächst das in den USA in der Literatur zum Thema Technik und Alter vorherrschende Defizit-Bild des Alters: Anstatt mit technischen Lösungen nur Einschränkungen ausgleichen zu wollen, sollte ebenso betrachtet werden, wie die Potenziale älterer Menschen durch Veränderungen der Umwelt verwirklicht werden könnten (Kruse 1992, 669). Der Begriff der altersfreundlichen Umwelten ist für Kruse zentral. Solche idealen Umwelten berücksichtigen die Probleme und Bedürfnisse älterer Menschen, ermöglichen die Kompensation von Funktionseinbußen, unterstützen bei der Ausübung von Tätigkeiten und regen zur Anwendung bestehender Fähigkeiten an (Kruse 1992, 671). So gesehen kann Technik bei einer sehr breiten Palette von Anforderungen unterstützend wirken. Allerdings sei eine differenzierte Betrachtung auch der Gefahren der Techniknutzung notwendig (Kruse 1992, 673). Da die Forschung hierzu bisher unzureichend sei, fordert Kruse, Technologieforschung und Gerontologie durch forschungspolitische Programme stärker zu verbinden. Die USA seien hier ein geeignetes Vorbild (Kruse 1992, 683).
[...]
[1] Gerontologie kann definiert werden als „Beschreibung, Erklärung und Modifikation von körperlichen psychischen, sozialen, historischen und kulturellen Aspekten des Alterns und des Alters, einschließlich der Analyse von alternsrelevanten und alternskonstituierenden Umwelten und sozialen Institutionen“ (Baltes & Baltes 1992, 8).
[2] Baltes nennt als anschauliches Beispiel die Strategie des damals achtzigjährigen Pianisten Rubinstein: Zunächst hatte dieser sein Repertoire auf wenige Stücke reduziert (Selektion), diese häufiger geübt als früher (Optimierung) und schließlich führte er vor schnell zu spielenden Passagen ein Ritardando ein, so dass der Kontrast das Nachfolgende schneller erscheinen lasse (Kompensation) (Baltes 1996, 65).
[3] Die amerikanische Unterscheidung zwischen Human Factors Engineerin g und Ergonomics ist im deutschsprachigen Raum nicht üblich und wird somit nicht übernommen. Es wird durchgängig die Bezeichnung Ergonomie verwendet.
[4] Die BLSA ist eine Längsschnittstudie, die seit 1958 mit ca. 14.400 Teilnehmern im Raum Baltimore durchgeführt wird, um Informationen über physiologische Alternsprozesse zu erhalten. Finanziert wird die Studie durch das National Institute on Aging (NIA 2006).
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