Die kunsthistorische Methode der Ikonologie, in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts von Aby Warburg und Erwin Panofsky entwickelt, bereicherte die Forschung ungemein und lieferte neue, um nicht zu sagen bahnbrechende, Erkenntnisse. Doch im Laufe der Jahre wurden immer mehr Fragen aufgeworfen, die nicht nur die Methode an sich, sondern auch ihre Ergebnisse bezweifeln.
Gerade in den Interpretationen Eddy de Jonghs zur holländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts wird man mit Problemen konfrontiert: So kann man feststellen, dass der ikonologische, bzw. emblematische Ansatz zwar interessante und meistens auch in sich schlüssige Ergebnisse lieferte – sich aber komplementär zu anderen Forschungsmeinungen verhält. Der somit auferlegte ‚Zwang zur Entscheidung’ führte zu einer notwendig und nützlich erscheinenden intensiveren Weiterbeschäftigung mit dieser Thematik: Die Validität der Ikonologie als Methode, ihre Verwendbarkeit, Nützlichkeit und vor allem die sich aus ihr ergebenden Probleme stellen daher das Thema dieser Arbeit dar.
Zuerst werden die Begriffe ‚Ikonographie’ und ‚Ikonologie’ erklärt, dann ein kurzer Überblick über die Entwicklung der ikonologischen Methode gegeben. Anschließend wird die Forschungsmethode anhand repräsentativer Kunsthistoriker hinsichtlich ihres Aufbaus, fehlenden Aspekten und Problemen chronologisch vorgestellt.
Vorab konstatiert werden kann, dass im Laufe der Forschungsbeschäftigung immer weniger an der Methode an sich gearbeitet wurde, sondern vielmehr bisher vernachlässigte Aspekte und neue Betätigungsfelder integriert wurden: Die ikonologische Methode entwickelte sich vom Allgemeinen zum Speziellen.
Nach diesem allgemeinen Überblick wurde ein Schwerpunkt gewählt, an welchem sich die Problematik besonders deutlich zeigt: Die Forschungspositionen zur Ikonologie der holländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts gehen (fast) unvereinbar weit auseinander und verdeutlichen daher exemplarisch die Schwierigkeiten ikonologischer Untersuchungsansätze.
Jan van Eycks Gemälde „Die Arnolfini-Hochzeit“ bot sich schließlich für eine praktische Analyse der Methode an, da es zum einen von einem Begründer der Ikonologie, Erwin Panofsky, als auch, über 50 Jahre später, von seinem Kritiker Joannes Bedaux untersucht wurde.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt somit eher auf den Grenzen als den Möglichkeiten der Ikonologie.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Thematische Einführung
1. Die Termini ‚Ikonographie’ und ‚Ikonologie’
2. Kleine Geschichte der Ikonologie
III. Die Entwicklung der Ikonologie in Dekaden
1. 1930-1940: Erwin Panofsky: Die Grundlagen
2. 1950-1960: Rudolf Wittkower: Ergänzung der Stilistik
3. 1960-1970: Erik Forssmann: Die Rolle des Kunstrezipienten
4. 1970-1980: Ernst H. Gombrich: Problemfelder
5. 1980-1990: Eric Sluijter: Zur Bedeutung der Quellenlage
6. 1990-2000: Martin Warnke: Politische Ikonologie
IV. Die ikonologische Revolution: Die holländische Genremalerei
1. Emblematische Vorbilder: Eddy de Jongh
2. Beschreibende Weltschau: Svetlana Alpers Kritiken und Anmerkungen
V. Die Ikonologie im Beispiel: Die Arnolfini-Hochzeit
1. Erwin Panofsky
2. Joannes Baptist Bedaux
VI. Grenzen: Kritik der Ikonologie
VII. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
I. Einleitung
Die kunsthistorische Methode der Ikonologie ist untrennbar mit Erwin Panofsky verknüpft. In den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Vorarbeit von Aby Warburg entwickelt, bereicherte dieser Ansatz die Forschung ungemein und lieferte neue, um nicht zu sagen bahnbrechende, Erkenntnisse. Doch im Laufe der Jahre wurden immer mehr Fragen aufgeworfen, die nicht nur die Methode an sich, sondern auch ihre Ergebnisse bezweifeln.
Während der Ausarbeitung eines Referats zur Emblematik in der holländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts wurde ich mit diesem Problemen konfrontiert: ich stellte fest, dass der ikonologische, bzw. emblematische Ansatz Eddy de Jonghs zwar interessante und meistens auch in sich schlüssige Ergebnisse lieferte – sich aber komplementär zu anderen Forschungsmeinungen verhielt. Der mir somit auferlegte ‚Zwang zur Entscheidung’ – eine Vereinbarkeit der verschiedenen Ansätze schien kaum möglich – führte zu einer notwendig und nützlich erscheinenden intensiveren Weiterbeschäftigung mit dieser Thematik.
Die Validität der Ikonologie als Methode, ihre Verwendbarkeit, Nützlichkeit und vor allem die sich aus ihr ergebenden Probleme stellen daher das Thema dieser Hausarbeit dar.
Zuerst werden die Begriffe ‚Ikonographie’ und ‚Ikonologie’ erklärt, dann ein kurzer Überblick über die Entwicklung der ikonologischen Methode gegeben. Hier zeigen sich die Möglichkeiten und Erkenntnisse, welche diese Methode liefert. Anschließend wird die Forschungsmethode anhand repräsentativer Kunsthistoriker hinsichtlich ihres Aufbaus, fehlenden Aspekten und Problemen chronologisch vorgestellt.
Während 1930 und 2000 beschäftigten sich zahlreiche namenhafte Kunstwissenschaftler mit dem Aufbau und der Hinterfragung der Ikonologie. Vorab konstatiert werden kann, dass im Laufe der Forschungsbeschäftigung immer weniger an der Methode an sich gearbeitet wurde, sondern vielmehr bisher vernachlässigte Aspekte und neue Betätigungsfelder integriert wurden: Die ikonologische Methode entwickelte sich vom Allgemeinen zum Speziellen.
Nach diesem allgemeinen Überblick wurde ein Schwerpunkt gewählt, an welchem sich die Problematik besonders deutlich zeigt: Die Forschungspositionen zur Ikonologie der holländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts gehen (fast) unvereinbar weit auseinander und verdeutlichen daher exemplarisch die Schwierigkeiten ikonologischer Untersuchungsansätze. Auf andere interessante Bereiche, wie z. B. die Entwicklung der Ikonologie in der Architektur, wird jedoch verzichtet.
Jan van Eycks Gemälde „Die Arnolfini-Hochzeit“ bot sich schließlich für eine praktische Analyse der Methode an, da es zum einen von einem Begründer der Ikonologie, Erwin Panofsky, als auch, über 50 Jahre später, von seinem Kritiker Joannes Bedaux untersucht wurde. Die unterschiedlichen Ergebnisse markieren daher den Beginn der ikonologischen Methode, als auch den letzten Stand derer Hinterfragung.
Schließlich werden die Grenzen der Ikonologie, also die bis dahin konstatierten Probleme, offenen Fragen und Sackgassen, in einem gesonderten Kapitel zusammengefasst.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt damit verstärkt auf den Grenzen als den Möglichkeiten der Ikonologie. Dies entspricht weniger meiner persönlichen Meinung als vielmehr den der Methode an sich zugrunde liegenden Probleme: Während die Einzelanalysen von Gemälden oft fundierte und nachvollziehbare Ergebnisse liefern, muss bezweifelt werden, dass die Methode als theoretisches Gebilde unverändert weiter bestehen kann. Dieser Frage soll nun nachgegangen werden.
II. Thematische Einführung
1. Die Termini ‚Ikonographie’ und ‚Ikonologie’
Die Begriffe ‚Ikonologie’ und ‚Ikonographie’ werden – trotz genauer Definition – immer noch unpräzise verwendet. Panofsky schlug z. B. vor, eine differenzierte Verwendung innerhalb seines dreistufigen Interpretationsmodells zu verwenden:[1]
‚Ikonographie’ leitet sich im zweiten Wortteil von dem griechischen Verb ‚graphein’ (schreiben) ab und setzt daher eine deskriptive, vielleicht sogar statistische Verfahrensweise voraus. Daher beschreibt und klassifiziert die Ikonographie Bilder, sie zeigt auf, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort bestimmte Themen durch bestimmte Motive sichtbar gemacht wurden und liefert dadurch die Grundausrüstung einer jeden Interpretation.[2]
Die ‚Ikonologie’ nun – abgeleitet von ‚logos’ (Denken, Vernunft, Wort, Rede) – impliziert eine interpretatorische Leistung, eine Bildwissenschaft, die aus der Synthese der Ikonographie mit historischen, literarischen, psychologischen Methoden entsteht. Sie könnte auch als interpretatorisch angewandte Ikonographie bezeichnet werden, da sie das Wissen der Ikonographie als Basis für weiterführende Untersuchungen verwendet. Panofsky schlug nun vor, die Ikonologie als Bezeichnung für den dritten und finalen Schritt seines Bildinterpretationsmodells zu verwenden, da dieser sich genau mit dieser Leistung beschäftigt und im Grunde das eigentlich Neue seiner Methode darstellt.[3]
In dieser Hausarbeit wird die Bezeichnung ‚Ikonographie’ für die interpretatorische Erarbeitung eines Bildgegenstandes, der Terminus ‚Ikonologie’ generell für die kunstwissenschaftliche Methode und zugrunde liegende Theorie, welche es darzustellen gilt, benutzt.[4]
2. Kleine Geschichte der Ikonologie
Der im 17. Jahrhundert lebende Archäologe und Kunsttheoretiker Giovanni Pietro Bellori war wahrscheinlich der erste Forscher, der sich mit der Ikonographie im heutigen Sinne beschäftigte. In seinem Werk „Le vite de´ pittori, scultori ed architetti moderni“ von 1672 stellt er kurze interpretierende Bildbeschreibungen vor, die sich bei manchen Beispielen zu regelrechten Interpretationsessays entwickeln. Dazu identifizierte er zuerst die Motive der betreffenden Bilder und versuchte dann, sie mit klassischen oder modernen literarischen Quellen in Verbindung zu bringen. Durch die Verbindung von Motiv und Quelle wollte er dann die grundlegende Bedeutung oder auch die allgemeine symbolische Idee des Werkes extrahieren.[5]
Winckelmanns 1776 erschienene Abhandlung „Versuch einer Allegorie besonders für die Kunst“ hatte zum Ziel, alles, was durch Bilder und Zeichen angedeutet und gemalt wurde, zu erfassen. Er unterschied dazu zwischen ‚abstrakten Bildern’ (Figuren und Zeichen, die auf Begriffe hindeuten, also Allegorien und Embleme) und ‚konkreten Bildern’ (mit mythologischen oder historischen Inhalten, die als Handlungen dargestellt werden: ikonographische Stoffe).[6] Winckelmann blieb insofern der klassischen Ikonographie verhaftet, als er ein Nachschlagewerk ikonographischer Topoi beabsichtigte und seine Beschreibungen normativen Charakter hatten. Grundlegend für die Ikonologie im Panofskyschen Sinne ist laut Forssman jedoch, dass er in seinen Ausführungen auf die klassischen Denkmäler verwies und anhand dieser auch seine theoretischen Ausführungen belegte:[7]
„Statt phantasievoller Paraphrasen über alte Bildwerke erstrebte er eine korrekte Inhaltsdeutung aus den literarischen und historischen Quellen.“[8]
Für Białostocki stellt Gottfried Ephraim Lessings Abhandlung „Wie die Alten den Tod gebildet“ von 1769 den ersten Versuch in Richtung einer interpretierenden Ikonographie dar, da der Autor hier versuchte, einen ikonographischen Typus – den Amor mit der nach unten weisenden Fackel – zu interpretieren und durch die Verweise auf Religion, Brauch und Philosophie der Antike die eigentliche Bedeutung dieses Motivs herauszufinden. Das einzelne Kunstwerk stellte für Lessing ein Symptom für etwas anderes dar – und damit erklärte er nicht die Antike durch das neuere Kunstwerk, sondern das Kunstwerk durch die Vorbilder der Antike.[9]
Im 20. Jahrhundert lenkte die Warburg-Schule[10] die Ikonographie in eine neue, bedeutende Richtung. 1912 stellte Aby Warburg[11] eine damals bahnbrechende Neuinterpretation der Fresken von Francesco Cossa im Palazzo Schifanoja bei Ferrara vor, indem er die Darstellungen als Bilder von Tierkreiszeichen interpretierte. Er betonte die Wichtigkeit der von ihm erstmals als ikonologische Analyse bezeichneten Methode, da diese die „großen allgemeinen Entwicklungsgänge in ihrem Zusammenhang beleuchtet“[12]. Im Gegensatz zu den Ikonographen des 19. Jahrhunderts stellte Warburg – und damit auch das Warburg-Institut in London – nicht die religiöse Kunst in den Vordergrund, sondern untersuchte Bilder hinsichtlich ihres Verhältnisses zu Religion, Dichtung, Mythos, Wissenschaft, sowie gesellschaftlichem und politischem Leben.[13]
Erwin Panofsky, der zusammen mit Warburg und Fritz Saxl – dem wohl berühmtesten Warburg-Schüler – in den 20er Jahren in Hamburg arbeitete, nutzte den von Warburg vorgegebenen Ansatz, um die interpretierende Ikonographie grundlegend zu theoretisieren. 1930 veröffentlichte er die Abhandlung „Herkules am Scheidewege“, zwei Jahre später einen grundlegenden theoretischen Aufsatz.[14] Es war jedoch nicht er, sondern G. J. Hoogewerff, der als erster die Bezeichnung Ikonologie für die Methode der Inhaltsanalyse eines Kunstwerks vorschlug. 1931 unterschied er in dem Aufsatz „L´iconologie et son importance pour l´étude systématique de l´art chrétien“[15] zwischen der Ikonographie als beschreibender Wissenschaft mit dem Ziel, Themen zu identifizieren, und der Ikonologie, welche die in den bildlichen Formen ausgedrückten – oder eben verborgenenen – symbolischen, dogmatischen, oder mystischen Bedeutungen herauszufinden versucht.[16] Während jedoch Hoogewerff nur methodologische Vorschläge unterbreitete, belegte Panofsky diese auch mit praktischen Beispielen und historischen Interpretationen. Die bedeutendste Untersuchung dazu stellt „Studies in Iconology“ von 1939 dar.
Die Zusammenarbeit der Kunst- und Literaturhistoriker äußerte sich dann vor allem in der Untersuchung von Emblemen, wobei hier vor allem die Arbeit von Mario Praz genannt werden muss.[17] Die Veröffentlichungen von Heckscher, Wirth, Clements, von Monroy, von Erffa, de Jongh und Miedema – um nur einige zu nennen – beschäftigten sich allesamt mit der Struktur und Bedeutung von Emblemen und ihrem enormen Einfluss auf die bildende Kunst. Arthur Henkel und Albrecht Schöne fassten dann die Untersuchungen insoweit zusammen, indem sie durch ihr Handbuch „Emblemata“ fast alle Embleme des 16. und 17. Jahrhunderts versammelten und der Öffentlichkeit uneingeschränkt zugänglich machten.[18] Die Emblematik erreichte es, dass in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche Untersuchungen zu Werken berühmter Künstler neue Bedeutungsebenen erhielten und damit bisher unbekannte Aspekte zu Tage kamen.[19] Doch auch die religiöse Ikonographie wurde nicht vernachlässigt – vor allem für die Kunst des (Spät-)Mittelalters und Spätbarocks.[20] Und auch die Architekturgeschichte blieb von der Ikonographie nicht unberührt: allegorische und symbolische Darstellungen führten dazu, die Architektur als Bedeutungsträger zu definieren und ihren Charakter damit wesentlich zu verändern.[21]
Mit der steigenden Anzahl von Publikationen und den damit verbundenen Einzelaspekten wurde das Bedürfnis nach einem systematischen ikonographischen Index geweckt. Das Niederländische Institut für Kunstgeschichte in Den Haag schuf 1950 eine erste photographische Sammlung, welches dann von van de Waal an der Universität Leiden durch ein Klassifikationssystem erweitert wurde, dass damit als ein Meilenstein in der Verwissenschaftlichung der Ikonographie bezeichnet werden kann. Van de Waal erarbeitete ein System, in welchem fünf Gruppen darstellbare Dinge einteilten (Das Übernatürliche, Natur, Mensch, Gesellschaft, Abstrakta), vier Gruppen besondere Gegenstände auflisteten (Geschichte, die Bibel, Mythen, Legenden und Erzählungen, Mythen und Legenden der klassischen Antike).[22]
Die als ‚Ikonographische Wende’ bezeichnete Entwicklung in der Kunstgeschichte und der damit verbundenen Interdisziplinarität führte zum einen zu einem verstärkten Interesse der Kunsthistoriker an der Ideengeschichte, zum anderen zu vermehrter Kritik, die sich vor allem um die Reinheit und Autonomie der Methode konzentrierte.
III: Die Entwicklung der Ikonologie in Dekaden
1. 1930-1940: Erwin Panofsky – Die Grundlagen
Erwin Panofskys[23] Theorie zur Interpretation eines Kunstwerks umfasst drei Ebenen. Die erste Ebene, die vor-ikonographische Beschreibung, beschäftigt sich mit dem Interpretationsgegenstand als ‚primäres oder natürliches Sujet’. Hier spricht Panofsky von einer Region des ‚Phänomensinns’, der sich in Sach-Sinn und Ausdrucks-Sinn aufteilt, also entweder das unumstößlich klar Dargestellte beschreibt (z. B. einen Menschen) oder gleich auch den Ausdruck des Bildgegenstandes, der ja auch schon eine gewisse Art von Interpretation darstellt, mit berücksichtigt (also z. B. einen traurigen oder fröhlichen Menschen feststellt).[24] Um eine korrekte Interpretation zu erlangen, muss der Betrachter eine gewisse kulturell-praktische Erfahrung haben, also Gegenstände und Ereignisse erkennen können. Die Beobachtungen müssen jedoch durch die Kenntnis der Stilgeschichte kontrolliert werden – also verstanden werden, wie bestimmte Ereignisse oder Gegenstände in verschiedenen Epochen und Zeitabschnitten dargestellt wurden.[25]
Die zweite Ebene stellt die ikonographische Analyse dar, bei welcher das ‚sekundäre oder konventionale Sujet’ untersucht wird. Hierzu muss der Interpret literarische Quellen kennen, um bestimmte Themen oder Vorstellungen richtig zu identifizieren, also laut Panofsky die Region des ‚Bedeutungssinns’ aktivieren.[26] Kontrolliert wird dieser Zugang dann durch die Typenlehre und natürlich die Einsicht, dass unter wechselnden historischen Bedingungen gewisse Themen oder Vorstellungen durch unterschiedliche Gegenstände oder Ereignisse ausgedrückt werden.[27] Diese Analyse von Motiven, Personifikationen und Allegorien stellte die bis dahin eigentlich unter ‚Ikonographie’ verstandene Arbeit dar, die nun von Panofsky um den vorhergehenden und nun nachfolgenden Schritt erweitert wurde.[28]
Die ikonographische Analyse im tieferen Sinn (1939) oder die ikonologische Analyse (1955) beschreibt schließlich die dritte Ebene und untersucht die ‚eigentliche Bedeutung’ bzw. den ‚Gehalt’ eines Kunstwerks durch die ‚Region des Wesenssinns’. Der Betrachter sollte hier mit den wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes vertraut sein und seine Ergebnisse durch das Verständnis der Art und Weise kontrollieren, wie unter wechselnden historischen Bedingungen grundlegende Tendenzen des menschlichen Geistes durch bestimmte Themen und Vorstellungen ausgedrückt werden können, also durch die Rückberufung auf die allgemeine Geistesgeschichte.[29] Dieser dritte Schritt – welcher laut Panofsky einzig als Ikonologie bezeichnet werden sollte, muss dann auch die verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen gleichberechtigt zusammenführen.[30]
Panofskys Dreigliederung stellte das erste System einer integralen Interpretation eines Kunstwerkes dar, die auf einer Analyse des Inhalts beruht.[31]
Sein Ausgangspunkt war zwar die sinnliche, äußerliche Form des Kunstwerks, doch seine Interpretationen fokussierten sich nicht auf die Form als Bedeutungsträger, sondern auf die Allegorien, literarischen Themen und Symbole, welche er als Symptome der Geistesgeschichte ansah und durch deren Untersuchung er dann auch die anderen historischen Forschungsdisziplinen mit einband.[32]
Białostocki stellt heraus, dass es hauptsächlich Panofskys Verdienst war, dass die nun Ikonologie getaufte Methode die Kunstgeschichte nach dem 2. Weltkrieg dominierte und damit die Stilistik ablöste.[33] Panofsky, Giehlow und Saxl trugen vor allem zur Verbreitung der ikonographischen Methode bei, indem sie auch die Profankunst untersuchten und somit das bereits gut erforschte Feld der religiösen Ikonographie erweiterten. Es entstanden nach 1940 die ersten großen Nachschlagewerke zur Ikonographie, sowohl Wörterbücher als auch Enzyklopädien.[34] Die Historiker beschäftigten sich mit Einzelaspekten der Ikonographie, wie z. B. der Symbolik von Zeichen, Zeremonien, Kostümen und Waffen.[35]
2. 1950-1960: Rudolf Wittkower – Ergänzung der Stilistik
Der Kunsthistoriker Rudolf Wittkower[36] nahm in seiner Abhandlung „Interpretation of Visual Symbols in the Arts“[37] von 1955 leichte Modifikationen an Panofskys Interpretationsmodell vor, indem er versuchte, die Grenzen der Interpretation von visuellen Symbolen aufzuzeigen. ‚Visuelle Symbole’ definiert er dazu in seiner weitesten Bedeutungsform: jede Darstellung, die eine Vorstellung verkörpert, ist ein visuelles Symbol und kann daher in irgendeiner Weise interpretiert werden. Wittkower untersucht dann, ob und wie sich ein visuelles Symbol in der Kunst von einem Betrachter in seiner Bedeutung erschließen lässt.[38] Dazu unterscheidet er vier Bedeutungsebenen eines visuellen Symbols:
a) Die Ebene der bloßen Abbildungsbedeutung
Hier wird bestimmt, was in einem Bild dargestellt ist. Die Tatsache, dass man in vielen Fällen ohne Probleme selbst die reduziertesten Darstellungen korrekt zu dem beabsichtigten Darstellungsobjekt zuordnen kann – zwei Punkte mit einem darunter liegenden Halbkreis werden als Kinderzeichnung eines Gesichts erkannt – beweist, dass die Größe der menschlichen Interpretationsleistung enorm ist. Hier zeigt sich außerdem der grundlegende Unterschied zwischen Wort und Bild, da ersteres arbiträr ist (das Wort ‚Baum’ hat nichts mit der realen Pflanze Baum gemeinsam), letzteres jedoch etwas von der Identität des Abbildungsgegenstandes einfängt.[39]
[...]
[1] Im Gegensatz zu dem Vorschlag von Hoogewerff (dazu mehr unter 2. Kleine Geschichte der Ikonographie). Vgl. Panofsky: Ikonographie, S. 212-213.
[2] Einige Beispiele: die sich ändernde Bekleidung Christi (Lendentuch oder Gewand), der Wandel vom Vier- zum Dreinageltypus des gekreuzigten Christus oder die unterschiedliche Darstellung von Tugend und Laster in den verschiedenen Jahrhunderten. Vgl. ebd.
[3] Mehr dazu unter II. 1) Erwin Panofsky. Vgl. ebd., S. 213-214.
[4] Manche Kunsthistoriker verwendeten freilich den Begriff ‚Ikonographie’ zur Darstellung dieser Methode. Sofern diese Forscher zitiert werden, wird der Begriff natürlich nicht abgeändert, in meiner Darstellung jedoch dann als ‚Ikonologie’ bezeichnet (außer natürlich bei dem folgenden historischen Abriss: hier war der Terminus ‚Ikonologie lange Zeit noch nicht erfunden).
[5] Vgl. Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 43.
[6] Vgl. Forssman: Ikonologie, S. 258.
[7] Vgl. ebd.
[8] Ebd., S. 258.
[9] Vgl. Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 44-45.
[10] Von Warburg gegründete und von seinen Schülern (vor allem Fritz Saxl) am Warburg Institute weitergeführte Forschungsrichtung und methodisches Prinzip. Zu den Einzelheiten s. Fußnote 11 „Aby Warburg“.
[11] Aby Warburg (1866-1929) war der erste Kunsthistoriker, der sich von der rein formal-stilistischen Betrachtungsweise Wölfflins und Riegls löste und eine interdisziplinär arbeitende Kunstwissenschaft schuf. Er versuchte, die Geschichte als Einheit aus Kunst, sozialen, politischen und kulturellen Entwicklungen zu sehen. Warburg studierte ab 1886 in Bonn, München, Florenz und Straßburg. Er promovierte 1892 über „Sandro Botticellis ‚Geburt der Venus’ und ‚Frühling’“. Ab 1904 lebte er wieder in Hamburg und entschied sich für eine private Forschertätigkeit. 1912 verlieh ihm die Stadt Hamburg den Professorentitel. Er gründete eine halböffentliche Forscherbibliothek, in welcher durch Schriften zu allen historischen Bereichen die von ihm beabsichtigte Interdisziplinarität bereits enthalten war. Die kulturwissenschaftliche Orientierung seiner Bibliothek sollte außerdem Wegbereiter für die Ikonologie werden. Vgl. Metzler Kunsthistoriker Lexikon.
[12] Zitiert nach: Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 46-47.
[13] Vgl. ebd., S. 47.
[14] Erwin Panofsky: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst. In: Logos 21 (1932), S. 103-119.
[15] Vortrag auf dem Internationalen Historikerkongress in Oslo 1928. Erschienen auf Deutsch („Die Ikonologie und ihre wichtige Rolle bei der systematischen Auseinandersetzung mit christlicher Kunst“) in: Kaemmerling: Ikonographie, S. 81-111.
[16] Vgl. Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 48.
[17] So veröffentlichte Praz u. a. die erste Bibliographie von Emblembüchern (1939-1947). Vgl. ebd., S. 52.
[18] Henkel/Schöne: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1967. Ebenfalls zu nennen sind die Untersuchungen von Erik Iversen zu den Hieroglyphen, sowie Robert Kleins Abhandlungen zu den Impresen. Vgl. ebd.
[19] Aus der Flut von Abhandlungen seien hier nur einige genannt: Panofsky untersuchte die Kunst von Michelangelo sowie die Galerie von Franz I. in Fontainebleau; Tolnay und Stridbeck wiesen Breughel als einen skeptisch-humanistischen Allegoriker aus; Gombrich, Friedländer, Panofsky und v. a. Blunt widmeten sich der Symbolik und Thematik der historischen und mythologischen Bilder Poussins. Vgl. ebd., S. 53.
[20] Zur mittelalterlichen Kunst sind die Arbeiten von Schapiro, Katzenellenbogen, Bober, Panofsky und Elbern zu nennen, zum Spätmittelalter Kalinowsky, Ringbom und Dobrzeniecki. Der Spätbarock wurde von Mrazek und Bauer neu interpretiert. Vgl. ebd., S. 53-54.
[21] Neben vielen Forschern ist hier vor allem Bandmanns Werk „Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger“ (1951) zu nennen. Vgl. ebd., S. 54.
[22] Vgl. ebd., S. 54-56.
[23] Erwin Panofsky (1892-1968) war neben Warburg, Saxl und Wind einer der Begründer der Ikonologie. Einer jüdischen Arztfamilie entstammend, studierte er in Freiburg zuerst kurz Jura, wechselte dann aber zur Kunstgeschichte. Er promovierte 1914 bei Vöge über „Die Kunstlehre Albrecht Dürers“. Nach seiner Habilitation 1921 dozierte er an der Hamburger Universität bis 1933. 1934 floh er aufgrund der aufkommenden nationalsozialistischen Verfolgung nach Princeton, USA. Vor allem während seiner Zeit in Hamburg hielt er regen Kontakt zum Warburg-Kreis und zu Ernst Cassirer, dessen Symboltheorie grundlegend für Panofskys Arbeiten wurde. Seine Schwerpunkte lagen in theoretischen und methodologischen Fragen der Kunstgeschichte sowie der Entwicklung von der Spätantike zum 17. Jahrhunderts, vor allem der Renaissance und dem Nachleben der Antike in der europäischen Kunst. Als Hauptwerke gelten „Studies in Iconology“ (1939), „Albrecht Dürer“ (1943), „Early Netherlandish Painting“ (1953) und „Renaissance and Renascenses in Western Art“ (1960). Vgl. Metzler Kunsthistoriker Lexikon.
[24] Vgl. Panofsky: Problem der Beschreibung, S. 188.
[25] So unterscheidet Panofsky z. B. den schwebenden Jesus vom Isenheimer Altar mit dem Evangeliar Ottos III., dessen mittelalterliche Bildaufteilung die Figuren für ein Kind oder künstlerisch vollkommen ungeübten Menschen auch schweben lässt. So werden durch einfache Beschreibungsversuche bereits Verhältnisse zwischen Fläche und Tiefe, Körper und Raum, Statik und Dynamik verhandelt. Vgl. ebd., S. 190ff und Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 48-49.
[26] Vgl. Panofsky: Problem der Beschreibung, S. 188.
[27] Die Typenlehre beschreibt laut Panofsky Darstellungen, in denen sich bestimmte Sachsinne mit Bedeutungssinnen so verbunden haben, dass sie als Träger des Bedeutungssinnes traditionell wurden, z. B. der heilige Georg mit dem Drachen oder das Kruzifix zwischen Maria und Johannes. Sein Beispiel von dem im 17. Jahrhundert entstandenen Gemälde von Franceso Maffei, welches entweder eine Judith oder eine Salome darstellt, verdeutlicht die Bedeutung der Typengeschichte: Panofsky beweist, dass zwar eine Judithdarstellung aufgrund der im 17. Jahrhundert häufigen Analogiebildung die Schüssel der Salome, nie aber eine Salome das Schwert der Judith tragen durfte. Somit identifiziert die Typengeschichte die dargestellte Frau als Judith. Vgl. ebd., S. 194f und Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 49.
[28] Vgl. Panofsky: Ikonographie, S. 210.
[29] Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 49.
[29] Vgl. Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 49. Panofskys Beispiel hierzu stellt Dürers „Melancholia“ dar, welches - durch Schriftzeugnisse der Renaissance bewiesen – einen ‚Typus Acediae’ mit einem ‚Typus Geometriae’ verbindet und dadurch das schicksalslose geistige Wirken des Menschen pathetisiert und nicht – wie man vom heutigen, modernen, Standpunkt aus annehmen könnte, einen allgemeinen Weltschmerz thematisiert. Vgl. Panofsky: Problem der Beschreibung, S. 202. Ein anderes – einleuchtenderes – Beispiel wäre die im 14. und 15. Jahrhundert einsetzende Darstellungsänderung der Geburt Christi: Wurde vor dieser Zeit Maria in einem Bett liegend dargestellt, befindet sie sich danach kniend vor ihrem Kind – und offenbart eine geänderte emotionale Einstellung der Gesellschaft zu diesem Thema. Vgl. Panofsky: Ikonographie, S. 211-212.
[30] Vgl. ebd., S. 212.
[31] Vgl. Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 50.
[32] Vgl. ebd., S. 50-51.
[33] Während der 20er und 30er Jahre gab es natürlich auch bereits ikonographische Untersuchungen (Vgl. dazu die Abhandlungen von Mâle, Knipping, van Marle, Wilpert, Saxl und Panofsky), genauso wie auch die stilistische Methode weiterhin ihre Anhänger fand. Vgl. ebd., S. 51.
[34] Bei den Wörterbüchern sind die Arbeiten von Guy de Tervarent und Aurenhammer zu nennen, die zahlreichen Enzyklopädien beschäftigten sich hauptsächlich mit größeren Epochen, z. B. zur deutschen Kunst, zu Antike und Christentum oder zur byzantinischen Kunst. Vgl. ebd., S. 51.
[35] Nur einige Beispiele dafür sind: Alföldi: „Insignien und Tracht der römischen Kaiser“ (1935); Ders.: „Die Geburt der kaiserlichen Bildsymbolik“ (1952); L`Orange: „Studies in the Iconography of Cosmic Kingship in the Ancient World“ (1953); Ders.: „Art Forms and Civic Life in the Late Roman Empire“ (1965); Schramm: „Herrschaftszeichen und Staatssymbolik“ (1954-56). Vgl. Białostocki: Skizze einer Geschichte, S. 51-52.
[36] Rudolf Wittkower (1901-1971) war ein britisch-amerikanischer Kunsthistoriker und Autor. Er studierte unter Wölfflin in München Kunstgeschichte, habilitierte aber in Berlin bei Adolf Goldschmidt über "Domenico Morone". Von 1933 bis 1956 arbeitete er am Warburg Institute in London. Seine Hauptwerke waren das 1949 erschienene Buch "Architectural Princeples in the Age of Humanism" und "Art and Architecture in Italy: 1600-1750." Vgl. http://dictionaryofarthistorians.org/wittkowerr.htm (Stand: 17.12.06)
[37] Grundlage stellt hier die deutsche Übersetzung von Peter Gerlach und Ekkehard Kaemmerling (19874) dar: Rudolf Wittkower: Die Interpretation visueller Symbole in der bildenden Kunst. In: Kaemmerling: Ikonographie, S. 226-256.
[38] Vgl. Wittkower: Visuelle Symbole, S. 227-228.
[39] Vgl. ebd., S. 230-231.
- Arbeit zitieren
- Franziska Irsigler (Autor:in), 2006, Möglichkeiten und Grenzen der Ikonologie als kunsthistorische Methode. Panofsky und seine Kritiker, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66726
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