Marco Iezzi untersucht die Soziale Marktwirtschaft.
Unter dem Oberbegriff der Sozialen Marktwirtschaft hat sich das ereignet, was oftmals
als das deutsche Wirtschaftswunder bezeichnet wird. Dieses Konzept wurde deshalb
lange Zeit als Merkmal einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik angesehen.
Doch gleichzeitig ergeben sich auch Zweifel an diesem System. War es noch für die
Nachkriegszeit angemessen und führte zu einem großen wirtschaftlichen Aufschwung,
stellt sich nun immer häufiger die Frage, ob dieses System noch zeitgemäß sein kann.
Die Problemstellungen heute sind von denen der 50er und 60er Jahre grundverschieden.
War es in der Vergangenheit wichtig, die Auswirkungen des Weltkrieges zu überwinden
und dem Land zu einer intakten Wirtschaft zu verhelfen, besteht heute die Aufgabe,
den immer weiter gehenden Strukturwandel zu bewältigen. Hier ergeben sich neue
Zielkonflikte, z.B. im ökologischen und sozialen Bereich.
Bereits im Jahr 1983 wurde nach einer Phase des Aufschwungs ein Absinken der
Beschäftigungszahlen und der Zuwachsrate des Sozialprodukts ersichtlich. Gleichzeitig
kam es zur Ausbreitung von Schwarzarbeit, Schattenwirtschaft und finanziellen
Problemen der privaten Haushalte. Der Ruf nach einer neuen Wirtschaftsordnung wurde
laut, da o.g. Probleme mit der Sozialen Marktwirtschaft nicht lösbar zu sein schienen.
Erörtert werden ethische Hintergründe und Fragestellungen der Sozialen
Marktwirtschaft die sich in ihrer Betrachtung auf die Bundesrepublik
Deutschland beschränken.
Zum besseren Verständnis beschäftigt sich das erste Kapitel mit der Geschichte und
den Einflussfaktoren der Sozialen Marktwirtschaft. Im Anschluss daran werden die
Ethik der Sozialen Marktwirtschaft sowie die Gedanken der christlichen Soziallehre
aufgezeigt. Das Kapitel IV hat die Soziale Marktwirtschaft als wirtschaftspolitisches
System zum Inhalt und führt von einer Begriffsuntersuchung zu einer Skizzierung der
Ergebnisse und Probleme dieses Konzepts. Den Abschluss bildet eine kurze
Schlussbetrachtung in Kapitel V.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft
2.1 Die Kapitalismusforschung
2.2 Der Ordo-Liberalismus der Freiburger Schule
2.3 Die philosophische und wissenschaftliche Anthropologie
2.4 Das christliche Menschenbild
3 Ethische Einflüsse auf die Soziale Marktwirtschaft
3.1 Ethik und Wirtschaft
3.2 Die katholische Soziallehre
3.3 Die evangelische Sozialethik
4 Die Soziale Marktwirtschaft als wirtschaftspolitisches System
4.1 Der Begriff der Sozialen Marktwirtschaft
4.2 Das Soziale an der Marktwirtschaft
4.3 Ergebnisse
4.4 Probleme
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Unter dem Oberbegriff der Sozialen Marktwirtschaft hat sich das ereignet, was oftmals als das deutsche Wirtschaftswunder bezeichnet wird. Dieses Konzept wurde deshalb lange Zeit als Merkmal einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik angesehen. Doch gleichzeitig ergeben sich auch Zweifel an diesem System. War es noch für die Nachkriegszeit angemessen und führte zu einem großen wirtschaftlichen Aufschwung, stellt sich nun immer häufiger die Frage, ob dieses System noch zeitgemäß sein kann. Die Problemstellungen heute sind von denen der 50er und 60er Jahre grundverschieden. In der Vergangenheit war es wichtig, die Auswirkungen des Weltkrieges zu überwinden und dem Land zu einer intakten Wirtschaft zu verhelfen. Heute besteht die Aufgabe, den immer weiter gehenden Strukturwandel zu bewältigen. Hier ergeben sich neue Zielkonflikte, z.B. im ökologischen und sozialen Bereich.
Bereits im Jahr 1983 wurde nach Jahren des Aufschwungs ein Absinken der Beschäftigungszahlen und der Zuwachsrate des Sozialprodukts ersichtlich. Gleichzeitig kam es zur Ausbreitung von Schwarzarbeit, Schattenwirtschaft und finanziellen Problemen der privaten Haushalte. Der Ruf nach einer neuen Wirtschaftsordnung wurde laut, da o.g. Probleme mit der Sozialen Marktwirtschaft nicht lösbar zu sein schienen.1 Diese Arbeit erörtert ethische Hintergründe und Fragestellungen der Sozialen Marktwirtschaft und beschränkt sich in ihrer Betrachtung auf die Bundesrepublik Deutschland.
Zum besseren Verständnis beschäftigt sich das folgende Kapitel mit der Geschichte und den Einflussfaktoren der Sozialen Marktwirtschaft. Im Anschluss daran werden die Ethik der Sozialen Marktwirtschaft sowie die Gedanken der christlichen Soziallehre aufgezeigt. Das Kapitel IV hat die Soziale Marktwirtschaft als wirtschaftspolitisches System zum Inhalt und führt von einer Begriffsuntersuchung zu einer Skizzierung der Ergebnisse und Probleme dieses Konzepts. Den Abschluss bildet eine kurze Schlussbetrachtung in Kapitel V.
2 Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft
Heutzutage wird unter dem Begriff der Sozialen Marktwirtschaft hauptsächlich das von Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack entwickelte wirtschaftspolitische Konzept verstanden, welches 1948 in der BRD umgesetzt wurde.
Dieses Konzept bezieht sich auf die Grundideen des Ordoliberalismus und erweitert die daraus resultierende Forderung nach staatlicher Gewährleistungsfunktion für eine intakte Wettbewerbsordnung um sozialpolitische Komponenten. Das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft versucht, Werte und Zielvorstellungen der christlichen Soziallehre, der sozialdemokratischen Programmatik und des Liberalismus miteinander zu verbinden. Dabei entsteht kein eng gefasster Gestaltungsrahmen sondern ein System, das den Trägern der Wirtschaftspolitik einen flexiblen Handlungsrahmen bietet.2
Mit der am 20. Juni 1948 erfolgten Währungsreform begann der wirtschaftliche Wiederaufbau Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg. An diesem Tag wurden die Weichen für die weitere Entwicklung gestellt. Die Träger der Wirtschaftspolitik griffen das Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft auf und machten es zum Gegenstand der deutschen Wirtschaftspolitik, die eine Antwort auf die misslichen Zustände der 40er Jahre darstellte. Offensichtlich waren Versorgungsprobleme der Bevölkerung vorhanden, so war bspw. die Versorgung mit Rohstoffen oder Grundnahrungsmitteln gefährdet. Bestimmte Güter waren nur auf Zuteilung erhältlich. Im Produktionsprozess fand kaum noch Arbeitsteilung statt, Tauschwirtschaft und der Schwarzmarkt florierten. Aus der geschilderten Notlage entstand aber noch nicht der Ruf nach einem neuen marktwirtschaftlichen System. Vielmehr wurde eine stärkere staatliche Lenkung verlangt. Die Befürworter der Sozialen Marktwirtschaft befanden sich zu dieser Zeit in der Minderheit, unter ihnen sind Namen wie Wilhelm Röpke, Alfred Müller-Armack, Walter Eucken und Ludwig Erhard zu finden, die in ständigem Kontakt zu einander standen. Diese Gruppe sah den Weltkrieg nur als teilweise verantwortlich für die wirtschaftliche Schieflage an. Besonders die staatliche Lenkungswirtschaft wurde von ihnen kritisiert, da sie die Harmonie der produktiven Kräfte geschwächt hat. Neben den ökonomischen Überlegungen waren vor allem vier verschiedene Ideen für die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft von Bedeutung. Diese sollen im folgenden Verlauf kurz dargestellt werden.3
2.1 Die Kapitalismusforschung
Eine große Einflussnahme auf die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft nahm die Kapitalismusforschung in der Zeit nach Karl Marx. Hatte Marx noch der Marktwirtschaft den Untergang prophezeit, so konnte die wissenschaftliche Untersuchung seiner Aussagen, im Besonderen die der Akkumulations- und Ausbeutungstheorie sowie das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate, das Gegenteil erkennen lassen. Die Kapitalismusforschung beschränkte sich nicht auf die Widerlegung von Marx’ Aussagen, sie beschäftigte sich u.a. mit dem Denken in Wirtschaftssystemen und verschiedenen Wirtschaftsstilen sowie der marktwirtschaftlichen Theorie. So haben z.B. Max Weber mit seiner Erkenntnis, dass religiöse, wissenschaftliche und geistige Einflüsse auf das Wirtschaftsgeschehen bestehen sowie Josef Schumpeter durch seine Funktionsanalyse zum Verständnis der unternehmerischen Marktwirtschaft beigetragen.4
2.2 Der Ordo-Liberalismus der Freiburger Schule
Das Denken in Ordnungskategorien sowie die Prinzipien des Wettbewerbs sind hier maßgeblich. Eine enge Verbindung besteht mit Walter Eucken. Die Freiburger Schule wird oftmals als deutsche Variante des Neoliberalismus angesehen. Die Gedanken Adam Smiths zur Nationalökonomie und sein klassisches Marktkonzept werden aufgegriffen, genauer untersucht und weiterentwickelt.
Die Idee des Ordo-Liberalismus beinhaltet die Aufgabe der Wirtschaftspolitik, einen genau definierten Ordnungsrahmen für die wirtschaftliche Entwicklung zu gestalten. Der Staat tritt als Garant für eine intakte Wettbewerbsordnung auf und trägt Sorge für einen stabilen wettbewerbsfördernden Rahmen.5 Walter Eucken wollte eine Wettbewerbsordnung schaffen, in der die Macht Einzelner möglichst gering ausgeprägt ist, denn anders als Adam Smith glaubte er, dass die Bildung von Macht einzelner Individuen die Freiheit zerstören kann.6
2.3 Die philosophische und wissenschaftliche Anthropologie
Das Menschenbild, das der Gesellschaft zu Grunde liegt, hat ebenfalls einen Einfluss auf das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft gehabt. Die philosophische Anthropologie betont die Tragweite des geschichtlichen Hintergrundes des Menschen. Dieser wird in eine bestimmte Situation hineingeboren ohne dass ihm Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Eine Veränderung seiner Situation ist ihm jedoch möglich, wodurch die Zukunft gestaltbar wird. Es vollzieht sich ein steter Wandel, der das Erreichte zeitlich befristet sein lässt.
Diese Ansicht steht im Gegensatz zu den kommunistischen Endzeitgedanken und erkennt die Unvollkommenheit des menschlichen Handelns an. Die Grenzen des Menschen werden aufgezeigt und stehen im Einklang mit den theologischen Prinzipien, die ebenfalls die Unvollkommenheit menschlichen Handelns beinhalten.7 Das Verlangen eines Individuums, sein Überleben zu sichern und den Lebensstandard zu verbessern, kann nicht autark umgesetzt werden. Das menschliche Leben ist sozial, d.h. es besteht ein Miteinander bei der Sicherung des Lebensunterhaltes. Wirtschaft zielt auf die Tätigkeiten ab, die den Lebensunterhalt in materiellem Sinn sichern sollen. Das Wirtschaften hat Anteil an der kulturellen Entwicklung der Menschen und es hat eine umso größere Bedeutung, je höher der Grad der Integration der Individuen ist. Eine Abstimmung der Tätigkeiten gewinnt durch die Vernetzung der einzelnen Handlungen an Bedeutung. Herrscht in einer Gesellschaft Arbeitsteilung, so liegt eine kommerzielle Gesellschaftsform vor. Ihre Mitglieder, die Wirtschaftssubjekte, treffen Entscheidungen bezüglich Konsum, Produktion und Transferleistungen unter Abwägung der zur Verfügung stehenden Mittel. Planvolles Handeln ist erforderlich, um das Risiko von Wohlfahrtsverlusten zu minimieren. Die Wirtschaft als Teil des Kulturprozesses ist geschichtlich, sie beinhaltet die Erfahrungen der Vergangenheit und die Chancen der Zukunft.8
2.4 Das christliche Menschenbild
Das Spannungsverhältnis des Menschen zwischen Immanenz und Transzendenz wird beleuchtet. Einerseits ist er der Mittelpunkt der Schöpfung und agiert im irdischen Leben, andererseits ist er auch von seinem Schöpfer abhängig und somit Gott gegenüber verantwortlich. Dadurch wird das irdische Handeln in Beziehung gesetzt zu dem jenseitigen Leben. Der Mensch trägt die Verantwortung für sein Handeln und für das Unterlassen von Handlungen. Vor Gott muss für das Tun Rechenschaft abgelegt werden. Darüber hinaus besteht eine Verantwortung für den Nächsten, was nicht nur die eigene Familie, sondern alle hilfsbedürftigen Gesellschaftsmitglieder sowie die von dem Handeln des Einzelnen betroffenen Personen mit einbezieht. Auch nachfolgende Generationen und die Umwelt liegen in diesem Verantwortungsbereich.9
Auf diesen Überlegungen und Einflussfaktoren basierend entstand die Überzeugung, dass eine Lösung der Probleme nur im Rahmen einer freiheitlichen Verfassung und einer marktwirtschaftlichen Ordnung möglich ist. Ludwig Erhard, der als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft nach der von den Alliierten erlassenen Währungsreform die Aufhebung staatlicher Preis- und Bewirtschaftungsvorschriften vollzog, hat maßgeblich zur Umsetzung der theoretischen Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft beigetragen.10
3 Ethische Einflüsse auf die Soziale Marktwirtschaft
3.1 Ethik und Wirtschaft
Innerhalb der Grenzen einer Wirtschaftsordnung bestehen allgemeine Regeln, die für die beteiligten Wirtschaftssubjekte gelten. Derartige Regelsysteme sind durch ordnungspolitische Maßnahmen veränderbar. Eine Diskussion diesbezüglicher Veränderungen wird überwiegend mit moralischen Argumenten geführt. Die Konzentration auf ökonomische Gesichtspunkte führt leicht zu einer Überbewertung der Wirtschaft. Der Ökonomismus lehnt eine Wirtschaftsethik ab und ordnet die gesellschaftlichen Prozesse dem rationalen Handeln und der materiellen Produktivität unter. Die Wirtschaft wird dabei als ein eigener Ordnungsraum aufgefasst, der durch das wirtschaftliche Handeln geprägt ist und in dem natürliche Gesetze herrschen. Ethik im Bezug zur Wirtschaft stellt eine Beziehung zwischen Wirtschaft und der Kulturentwicklung des Menschen her. Sich hieraus ergebende Pflichten werden betont, denn wirtschaftliches Handeln stellt einen Freiheitsakt dar, für den zumindest die sittliche Verantwortung zu übernehmen ist.11
[...]
1 Vgl. Grosser, D.: Soziale Marktwirtschaft: Geschichte - Konzept - Leistung, 1983, S. 4.
2 Vgl. Arentzen, U., T. Hadeler, et al.: Gabler Wirtschafts-Lexikon, 13. Auflage, 1992, S. 3012.
3 Vgl. Grosser, D.: Soziale Marktwirtschaft: Geschichte - Konzept - Leistung, 1988, S. 7.
4 Vgl. Grosser, D.: Soziale Marktwirtschaft: Geschichte - Konzept - Leistung, 1988, S. 7.
5 Vgl. a.a.O., S. 8.
6 Vgl. Eucken, W.: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Tübingen, 1952, S. 254.
7 Vgl. Grosser, D.: Soziale Marktwirtschaft: Geschichte - Konzept - Leistung, 1988, S. 7
8 Vgl. Meckenstock, G.: Wirtschaftsethik, 1997, S. 4-9.
9 Vgl. Grosser, D.: Soziale Marktwirtschaft: Geschichte - Konzept - Leistung, 1988, S. 9.
10 Vgl. a.a.O., S. 10-11.
11 Vgl. Meckenstock, G.: Wirtschaftsethik, 1997, S. 9-10.
- Quote paper
- Marco Iezzi (Author), 2007, Ethik der Sozialen Marktwirtschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66691
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