„Eine der ältesten Zeitungen Deutschlands, die ‚Magdeburgische Zeitung‘, muß mit der Herausgabe aufhören. Die Entscheidung zeigt das Ende der Anstrengungen der Familie Faber an, sie in der Bundesrepublik erscheinen zu lassen, nachdem sie nach dem Kriege Magdeburg als Flüchtlinge verlassen mußten. Den Fabers gehörte die Zeitung seit 1664 ...“ schrieb die Londoner Times, als mit Erscheinen der Ausgabe Nr. 9 vom 4.9.1956 der Magdeburgischen Zeitung - Anhalter Anzeiger die lange Tradition der Magdeburgischen Zeitung endgültig beendet wurde. Der Anhalter Anzeiger war eine in Speyer erscheinende Exil-Magdeburgische Zeitung, die der Verleger Fritz Faber dort seit Anfang 1954 herausgab, nachdem ihn englische Besatzungstruppen nach Westdeutschland mitgenommen hatten. „Wie entstand diese Zeitung und wie verlief generell die Herausbildung des Zeitungswesens in der heutigen Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts?“, dies sind die Fragen, denen in dieser Hausarbeit nachgegangen werden soll. Dabei soll eine Entwicklungslinie der Presse in Magdeburg von der Erfindung und Ausbreitung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gezeichnet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Geschichte der Presse in Magdeburg
2.1 Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts
2.2 Die ersten periodischen Zeitungen Magdeburgs
2.3 Die Müller-Faber’sche Buchdruckerei und die „Wochentlichen Zeitungen“
2.4 Die „Magdeburgische Zeitung“
2.5 Die „Magdeburgische Zeitung“ und das Intelligenzwesen
2.6 Die Magdeburger Presse am Ende des 18. Jahrhunderts Verzeichnis der verwendeten Literatur
1. Einführung
„Eine der ältesten Zeitungen Deutschlands, die ‚Magdeburgische Zeitung‘, muß mit der Herausgabe aufhören. Die Entscheidung zeigt das Ende der Anstrengungen der Familie Faber an, sie in der Bundesrepublik erscheinen zu lassen, nachdem sie nach dem Kriege Magdeburg als Flüchtlinge verlassen mußten. Den Fabers gehörte die Zeitung seit 1664 ...“[1]
schrieb die Londoner Times, als mit Erscheinen der Ausgabe Nr. 9 vom 4.9.1956 der Magdeburgischen Zeitung – Anhalter Anzeiger die lange Tradition der Magdeburgischen Zeitung endgültig beendet wurde. Der Anhalter Anzeiger war eine in Speyer erscheinende Exil- Magdeburgische Zeitung, die der Verleger Fritz Faber dort seit Anfang 1954 herausgab, nachdem ihn englische Besatzungstruppen nach Westdeutschland mitgenommen hatten.[2]
„Wie entstand diese Zeitung und wie verlief generell die Herausbildung des Zeitungswesens in der heutigen Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts?“, dies sind die Fragen, denen in dieser Hausarbeit nachgegangen werden soll. Dabei soll eine Entwicklungslinie der Presse in Magdeburg von der Erfindung und Ausbreitung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gezeichnet werden.
2. Geschichte der Presse in Magdeburg
2.1 Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts
Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen und austauschbaren Lettern bildet die Grundlage für die Entwicklung des Zeitungswesens. Die neue Technik fand - ausgehend von Gutenbergs Geburtsort Mainz - rasche Verbreitung durch wandernde Druckergesellen. Spätestens 1480 muss die Buchdruckerkunst dann auch Magdeburg erreicht haben, da in diesem Jahr ein gedruckter Kalender von Bartholomäus Gothan erschien.[3] Von diesem ersten Drucker Magdeburgs ist nicht viel Weiteres bekannt. Dafür mehr von seinen zwei Nachfolgern Albert Ravenstein und Joachim Westfal, deren Bestreben es war, religiöse Literatur in der Sprache des Volkes zu verbreiten. So ist dann auch neben kleineren lateinischen Schriften für kirchliche Zwecke das erste in niederdeutscher Sprache gedruckte Evangelienbuch von 1484 ihr wichtigstes Druckerzeugnis. Bisher waren solche religiösen Schriften nur in Hochdeutsch erschienen, das Niederdeutsche hingegen war auch für Laien verständlich.[4] Am Ende des 15. Jahrhunderts war Magdeburg in Bezug auf die Buchdruckerkunst ein zentraler Ort, von dem aus gedruckte niederdeutsche Schriften über ganz Niedersachsen verbreitet wurden. Meist handelte es sich dabei um theologische Literatur. Generell war die Drucktätigkeit in Magdeburg jedoch nicht so ausgedehnt wie in Leipzig oder Wittenberg, in Städten also, die auch Sitz von Gelehrtenschulen waren.[5]
Als Ursprung des Unternehmens der in der Einführung genannten Verlegerfamilie Faber, die das Zeitungswesen in Magdeburg bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts prägte, lässt sich die in Leipzig gegründete Druckerei Conrad Kachelofens bezeichnen. Kachelofen, der spätestens ab 1485 in Leipzig druckte, wurde zum bedeutendsten Drucker der Stadt, nachdem Moritz Brandis, der als Erster in Leipzig druckte, nach Magdeburg verzogen und dort von 1491 bis 1504 tätig war.[6] Seit Beginn der 90er Jahre des 15. Jahrhunderts wurde Kachelofen durch seinen späteren Schwiegersohn Melchior Lotter d.Ä. in der Druckerei unterstützt. Lotter gelang es, die Bedeutung der Druckerei noch weiter auszubauen, nachdem er das Unternehmen ganz übernommen hatte. Unter seiner Leitung wurde sie zur wichtigsten Druckerei Martin Luthers, seitdem dieser 1517 Lotter den Auftrag erteilte, seine 95 Thesen als Plakat zu drucken.[7]
Luther lag jedoch viel daran, dass seine Schriften in seiner nächsten Nähe gedruckt wurden. So gelang es ihm, Lotter dazu zu bewegen, auch in Wittenberg eine Druckerei einzurichten.[8] Melchior Lotter eröffnete 1519 ein solches Zweitgeschäft, das seine Söhne Melchior Lotter d.J. und Michael Lotter leiteten. Auch dieses Geschäft blühte auf, als Luther die Druckerei mit dem ersten Bibeldruck und anderen Aufträgen betraute, jedoch gingen dadurch in gleichem Maße die Geschäfte in Leipzig zurück. Nur schwand wenig später auch der Erfolg der Wittenberger Filiale, als sich Melchior Lotter d.J. aus ungeklärtem Grund die Ungnade des Kurfürsten zuzog, so dass die Druckerei irgendwann keine Aufträge mehr erhielt.[9] Michael Lotter - von nun an ohne die Unterstützung seines Bruders, der nach Leipzig zurückkehrte und die dortige Druckerei seines Vaters übernahm - war somit gezwungen, sich nach einer neuen Wirkungsstätte umzusehen.
Er entschied sich 1529 für Magdeburg als den günstigsten Ort für die Errichtung einer neuen Druckerei. Ein Grund für die Übersiedlung nach Magdeburg war, dass von 1513 bis 1523 keine Drucke von Magdeburg ausgegangen waren. Moritz Brandis folgte nur noch Jakob Winter, mit dessen Tod die Buchdruckerkunst in Magdeburg vorerst zum Erliegen kam. Als Beweis dafür dient ein 1513 an die Leipziger Druckerei Melchior Lotters d.Ä. übergebene Druckauftrag für ein Magdeburger Brevier. Die Magdeburger Stiftskirche hätte den Auftrag an Winter vergeben, wenn dieser noch tätig gewesen wäre, denn Jakob Winter besaß nachweislich Typenformen für solche Gebetbücher.[10]
Lotter wusste auch, dass von da ab lediglich drei Drucker - Heinrich Oettinger, Hans Bart und Hans Walther - längere Zeit in der Stadt tätig waren. Somit schien noch Raum und Arbeit für eine weitere Druckerei vorhanden zu sein.[11] Diese drei Drucker veröffentlichten hauptsächlich amtliche Publikationen und Streitschriften gegen verschiedene Domprediger. Heinrich Oettinger muss hier besonders betont werden, da er sozusagen der erste Zeitungsverleger der Stadt war. Ihm wird der Druck des ältesten Magdeburger Flugblattes aus dem Jahr 1525 zugeschrieben. Bei diesem ersten Einzelblatt, das die Bezeichnung ‚Zeitung‘ trägt, handelt es sich um eine Nachricht aus dem Bauernkrieg. Der Titel lautet:
Wahrhaftige neue Zeitung und Anzahl der verbrannten, zerstörten Schlösser und Klöster im Frankenland mit Namen angezeigt. 1525. Gott allein die Ehre.[12]
Er brachte noch weitere dieser losen, ganz unregelmäßig erscheinenden Zettel heraus, die die primitiven Anfänge von Zeitungen darstellen. Außerdem fertigte Oettinger 1528 den ersten Bibeldruck der Stadt Magdeburg an, das ins Niederdeutsche übertragene alte Testament. Eine große, bedeutende Druckerei erhielt Magdeburg jedoch erst mit der Übersiedelung Lotters.
Der wichtigste Grund für den Umzug Michael Lotters nach Magdeburg war aber, dass die Stadt durch den Anschluss an die Reformation sozusagen zum reformatorischen Vorort für ganz Mitteldeutschland wurde und durch Konzentration des geistigen Lebens auf das Evangelisch-Lutherische neuen Auftrieb erfuhr. Zudem machte es die bei Magdeburg verlaufende Sprachgrenze möglich, Luthers Schriften sowohl in Hochdeutsch als auch in Niederdeutsch zu drucken, was sich positiv auf den Absatz auswirken würde. 1529 verlegte Michael Lotter nun die Druckerei nach Magdeburg, wo sie zunächst im Haus des Bürgermeisters Alemann untergebracht wurde.[13] Lotter, der anfangs noch im Auftrag seines Vaters arbeitete, machte sich Mitte der 30er Jahre des 16. Jahrhunderts selbständig und wurde zum wichtigsten Drucker und Buchhändler der Stadt. Mit der Veröffentlichung lutherischer und anderer reformatorischer Schriften trug er viel zur Verbreitung der Reformation im Magdeburger Raum bei. Der dadurch hervorgerufene geistige Aufschwung sorgte zudem für eine vermehrte literarische Tätigkeit, die wiederum neue Buchdrucker in die Stadt lockte. Lesen und Schreiben wurden immer mehr zu einer Notwendigkeit.
Zu seiner Tätigkeit gehörte der Druck der ersten Magdeburger Schulbücher, der ersten niederdeutschen Gesamtausgabe der Bibel, Luthers Gesangbuch und dessen Katechismus. Einen ruhmvollen Namen erwarb er sich vor allem durch den Druck zahlreicher von Geistlichen verfasster polemischer Streitschriften gegen das Augsburger Interim, die Magdeburg den Ehrennamen „Unsres Hernn Gottes Cantzley“ verschafften. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1548 wurde vom Kaiser aufgrund der Religionsstreitigkeiten, die die Reformation verursacht hatte, eine interimistische Regelung des Religionswesens erlassen, der sich das protestantische Magdeburg widersetzte. Dies hatte die Verhängung der Reichsacht über Magdeburg und die Belagerung der Stadt zur Folge.[14] Doch beides hielt Lotter nicht davon ab, weiterhin seinen Namen und den Druckort unter solche Schriften zu setzen. Ab 1530 beschäftigte Michael Lotter einen Gehilfen namens Ambrosius Kirchner, der nach dessen Tod 1550 die Druckerei übernahm. Jedoch endete mit dem Tod Michael Lotters auch die literarische Glanzzeit Magdeburgs.[15]
Aus den Jahren 1556 bis 1562 sind zwölf Magdeburger Flugschriften eines anderen Druckers - Pankratius Kempf - nachgewiesen. Alle wurden durch Zufall in der Kirchenbibliothek von Kalbe an der Milde entdeckt.[16] Zu dieser Zeit wurden die meisten Flugschriften nicht sorgfältig und auch nur auf schlechtem Papier gedruckt. Kempf, der vor allem Schriften für die große Menge herstellte, verwendete kunstlose Lettern und nur selten Verzierungen mit schlichten Holzschnitten, denn im Unterschied zur Bibel oder anderen Büchern galten sie nicht als vornehme Verlagsartikel und waren nur für ein kurzes Dasein bestimmt. Deshalb durften sie nicht viel kosten und wurden meist auch nur von kleinen, oft wandernden Druckereien angefertigt.[17]
Kempf beschäftigte bereits eine Art ‚Redakteur‘, den Pfarrer Johannes Baumgarten, dessen Aufgabe darin bestand, zu den berichteten Ereignissen, die sich häufig um wundersame Dinge oder Mordgeschichten drehten, die nötigen Ausführungen zu liefern. Zu jeder erzählten Geschichte schrieb er außerdem einen Beitrag, in dem er eine Moral aus der Begebenheit zog, die die Leser zur Buße geleiten sollte. Oft wurden auch einfach Texte aus Flugschriften anderer Gegenden nachgedruckt.[18]
[...]
[1] Fischer, (1972), S. 73
[2] ebd., (1972), S. 72 f.
[3] Vgl. Hasse, (1940), S. 2
[4] Vgl. Pergande, (1997), S. 29
[5] ebd., S. 1
[6] Vgl. Hasse, (1940), S. 5
[7] ebd., S. 9 f.
[8] Vgl. Pergande, (1997), S. 42
[9] Vgl. Hasse, (1940), S. 11
[10] Vgl. Perganda, (1997), S. 40
[11] Vgl. Hasse, (1940), S. 38
[12] Vgl. Borris, (1997), S. 10
[13] Vgl. Hasse, (1940), S.39
[14] Vgl. Hasse, (1940), S. 40
[15] ebd., S. 52 f.
[16] Vgl. Borris, (1997), S. 10
[17] Vgl. Neubauer, (1912)
[18] Vgl. Borris, (1997), S. 12
- Citation du texte
- M.A. Kathleen Deutschmann (Auteur), 2001, Die Geschichte der Presse in Magdeburg - Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66672
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