Die Arbeitswelt in Deutschland ist derzeit von zahlreichen Veränderungen geprägt. In Zeiten der Globalisierung vollzieht sich eine verstärkte Entwicklung zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, verbunden mit der Entstehung neuer Berufsbilder, Arbeitsaufgaben und Arbeitstätigkeiten. Dementsprechend sind viele Betriebe gezwungen, Veränderungs- und Umstrukturierungsprozesse durchzuführen, um ihre Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit gegenüber anderen Unternehmen erhalten zu können. Diese Prozesse führen gleichzeitig zu einer Intensivierung der Arbeit, die geprägt ist durch eine zunehmende Flexibilisierung sowie einem erhöhten Zeit- und Leistungsdruck auf die Mitarbeiter 1 . Gleichzeitig sehen diese sich mit Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen sowie der Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes konfrontiert. Die steigenden Erwartungen und Anforderungen hinterlassen bei den Mitarbeitern ihre Spuren und verursachen bei den Unternehmen meist hohe Kosten. Die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle, die eingeschränkte Leistungsfähigkeit und die Motivationsdefizite der Belegschaft wirken destruktiv auf die Produktivität der Betriebe und führen folglich zu einer Einschränkung der Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen. Es wird deutlich, dass in den Unternehmen ein akuter Handlungsbedarf besteht, um mit den neu entstandenen Arbeitsbelastungen für die Mitarbeiter so umzugehen, dass deren Leistungen erhalten bleiben.
Doch die wichtigste innerbetriebliche Herausforderung stellt den Umgang mit der Auswirkung des demographischen Wandels dar, die jedoch noch in vielen Betrieben unterschätzt wird. Im Jahr 2000 gaben nur 4 Prozent der Unternehmen in einer repräsentativen Untersuchung an, dass das steigende Alter ihrer Belegschaft für sie problematisch wäre. 2 Doch angesichts der Alterung der Erwerbsbevölkerung, die nach neuen gesetzlichen Änderungen auch länger im Erwerbsleben verbleiben sollen sowie der geringeren Anzahl an Nachwuchskräften, müssen Unternehmen darauf hinwirken, dass die Belegschaft länger dem Unternehmen zur Verfügung stehen wird. Gleichzeitig sollen sie mit dieser alternden Belegschaft produktiv und innovationsfähig arbeiten, um konkurrenzfähig bleiben zu können.
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Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Grundlagen
2.1 Begriffsklärungen
2.1.1 Gesundheit
2.1.2 Ältere Mitarbeiter
2.2 Der demographische Wandel
2.3 Einflüsse der Arbeit auf die Gesundheit der Mitarbeiter
2.3.1 Ressourcen der Arbeit
2.3.2 Belastungen der Arbeit
2.4 Zusammenfassung
3 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.1 Definition Gesundheitsförderung
3.2 Definition betriebliche Gesundheitsförderung
3.3 Abgrenzung zur Prävention und zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
3.4 Zielsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung
3.5 Beteiligte der betrieblichen Gesundheitsförderung
3.6 Rechtliche Aspekte der betrieblichen Gesundheitsförderung
4 Analyse der aktuellen Konzepte betrieblicher Gesundheitsförderung
4.1 Gesundheitsbericht
4.2 Gesundheitszirkel
4.3 Arbeitsorganisationsentwicklung
4.3.1 Prinzipien der Arbeitsgestaltung
4.3.2 Arbeitszeitgestaltung
4.3.2.1 Altersteilzeit
4.3.2.2 Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle
4.3.3 Gruppenarbeit
4.4 Kompetenzentwicklung
4.5 Partnerschaftliche Unternehmenskultur
4.6 Führungs- und Organisationsentwicklung
4.7 Stärkung der zwischenmenschlichen Beziehungen
4.8 Fazit
5 Handlungsempfehlungen
5.1 Handlungsempfehlungen für Kleinstbetriebe und kleine Unternehmen
5.2 Handlungsempfehlungen für mittelständische Unternehmen
5.3 Handlungsempfehlungen für große Unternehmen
6 Schlussbetrachtung
7 Literaturverzeichnis
Selbständigkeitserklärung
Ich erkläre an Eides Statt, dass ich die Diplomarbeit mit dem Titel: „Betriebliche Gesundheitsförderung für ältere Mitarbeiter - Analyse aktueller Konzepte“ selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und alle den benutzten Quellen wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Berlin, 07.07.2006
Katrin Knospe
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1:überblick der rechtlichen Grundlagen
Abbildung 2: Gesundheitsberichterstattung der TK
Abbildung 3: Arbeitsschritte des Arbeitskreises
Abbildung 4: Weiterbildungsbeteiligung im Zeitraum von 1990 bis 1992
Abbildung 5: Entwicklung der Bandbreite der Leistungsfähigkeit mit zunehmenden Alter
Abbildung 6: Handlungsfelder für den Umgang mit einer älter werdenden Belegschaft
Tabelle 1: Strategien der Arbeitsgestaltung
Tabelle 2: Wichtigste Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsgestaltung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Arbeitswelt in Deutschland ist derzeit von zahlreichen Veränderungen geprägt. In Zeiten der Globalisierung vollzieht sich eine verstärkte Entwicklung zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, verbunden mit der Entstehung neuer Berufsbilder, Arbeitsaufgaben und Arbeitstätigkeiten. Dementsprechend sind viele Betriebe gezwungen, Veränderungs- und Umstrukturierungsprozesse durchzuführen, um ihre Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit gegenüber anderen Unternehmen erhalten zu können. Diese Prozesse führen gleichzeitig zu einer Intensivierung der Arbeit, die geprägt ist durch eine zunehmende Flexibilisierung sowie einem erhöhten Zeit- und Leistungsdruck auf die Mitarbeiter1. Gleichzeitig sehen diese sich mit Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen sowie der Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes konfrontiert. Die steigenden Erwartungen und Anforderungen hinterlassen bei den Mitarbeitern ihre Spuren und verursachen bei den Unternehmen meist hohe Kosten. Die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle, die eingeschränkte Leistungsfähigkeit und die Motivationsdefizite der Belegschaft wirken destruktiv auf die Produktivität der Betriebe und führen folglich zu einer Einschränkung der Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen. Es wird deutlich, dass in den Unternehmen ein akuter Handlungsbedarf besteht, um mit den neu entstandenen Arbeitsbelastungen für die Mitarbeiter so umzugehen, dass deren Leistungen erhalten bleiben.
Doch die wichtigste innerbetriebliche Herausforderung stellt den Umgang mit der Auswirkung des demographischen Wandels dar, die jedoch noch in vielen Betrieben unterschätzt wird. Im Jahr 2000 gaben nur 4 Prozent der Unternehmen in einer repräsentativen Untersuchung an, dass das steigende Alter ihrer Belegschaft für sie problematisch wäre.2 Doch angesichts der Alterung der Erwerbsbevölkerung, die nach neuen gesetzlichen Änderungen auch länger im Erwerbsleben verbleiben sollen sowie der geringeren Anzahl an Nachwuchskräften, müssen Unternehmen darauf hinwirken, dass die Belegschaft länger dem Unternehmen zur Verfügung stehen wird. Gleichzeitig sollen sie mit dieser alternden Belegschaft produktiv und innovationsfähig arbeiten, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Demzufolge wird der wesentliche Erfolgsfaktor in dem Leistungserhalt der Belegschaft liegen, der durch eine Gesundheitsförderung erreicht werden kann. Zwar sind ältere Beschäftigte nicht häufiger arbeitsunfähig als jüngere Mitarbeiter, sie sind aber im höheren Maße von langwierigen und von Mehrfacherkrankungen betroffen, die zu einem höheren Krankenstand, bezogen auf die Dauer der einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiträume, führen. Betriebliche Gesundheitsförderung, ist somit eine Investition in die Zukunft eines Unternehmens. Obwohl vielen Unternehmen die Maßnahmen und Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung bekannt sind, setzen wenige sie in die Praxis um.
1.2 Ziel der Arbeit
Daher beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit den Konzepten zur betrieblichen Gesundheitsförderung unter dem Gesichtspunkt einer älter werdenden Belegschaft. Zu diesem Zweck werden die verschiedenen Einflüsse der Arbeit auf die Gesundheit der Mitarbeiter transparent gemacht sowie der Zusammenhang zwischen der Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern herausgestellt. Ziel der Arbeit ist es, aktuelle Konzepte zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu analysieren und deren Umsetzung für die Unternehmen anhand von praktischen Beispielen zu zeigen. Anliegen dieser Arbeit ist es auch, Handlungsempfehlungen zur besseren Umsetzung betrieblicher Gesundheitsförderung in den Unternehmen abzuleiten.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die Ausarbeitung ist in sechs Kapitel untergliedert. Die Einleitung stellt zunächst die Problemstellung und das Ziel der Arbeit vor. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen der Arbeit. Hierbei werden zunächst die Begriffe „Gesundheit“ und „Ältere Mitarbeiter“ bestimmt. Anschließend erfolgt die Erläuterung des demographischen Wandels mit dessen Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation in Unternehmen. Ebenso erfolgt eine Vorstellung der Einflussfaktoren der Arbeit auf die Gesundheit der Belegschaft. Das dritte Kapitel erläutert die betriebliche Gesundheitsförderung. Zu diesem Zweck werden, nach der Definition von Gesundheitsförderung und betrieblicher Gesundheitsförderung, die Begriffe „Arbeits- und Gesundheitsschutz“ sowie „ Prävention“ zueinander abgegrenzt. Danach werden die Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung und deren Beteiligte vorgestellt sowie die rechtlichen Aspekte einer betrieblichen Gesundheitsförderung erläutert. Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Analyse von aktuellen Konzepten zur betrieblichen Gesundheitsförderung. In Ableitung daran, werden im fünften Kapitel verschiedene Handlungsempfehlungen für die Unternehmen aufgezeigt. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung, die die wesentlichen Erkenntnisse kurz zusammenfasst und einen Ausblick vorstellt.
2 Grundlagen
Im Folgenden werden zunächst die Begriffe „Gesundheit“ und „Ältere Mitarbeiter“ zur Einführung in das Thema erläutert. Es schließt sich die Erörterung der Effekte des demographischen Wandels für die Arbeitswelt an. Anschließend erfolgt die Darlegung der positiven und negativen Einflüsse auf die Gesundheit der Beschäftigten.
2.1 Begriffsklärungen
2.1.1 Gesundheit
In der Literatur wurde mehrfach versucht Gesundheit zu interpretieren, ohne sich jedoch auf eine allgemein gültige, anerkannte wissenschaftliche Definition zu einigen.3 In vielen Unternehmen wird gegenwärtig die Krankenquote als einziges Merkmal für den Gesundheitszustand der Belegschaft gesehen. Ist diese Quote niedrig, erscheint in den Augen des Unternehmens die Beschäftigten gesund zu sein. Diese traditionelle Sichtweise, die Gesundheit mit der Abwesenheit von körperlicher Krankheit verbindet, entspricht der bisherigen Praxis des Gesundheitswesens und dem größten Teil der Bevölkerung.4
Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organisation) legte mit ihrer Begriffserklärung von Gesundheit die Basis für ein neues Verständnis. In ihrer Satzung von 1946 definierte diese Gesundheit als einen „ Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen “5.
40 Jahre später, im Jahr 1986, konkretisierte sie diesen Definitionsansatz, in der Gesundheit ausgelegt wurde als „ die Fähigkeit und Motivation ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben zu führen “6. Der Mensch erhält bei dieser Auslegung den Zuspruch, eine eigenverantwortliche und selbstbestimmte Rolle zur Entwicklung und Erhaltung seiner Gesundheit auszuüben. Erstmals erscheinen auch die Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Begriff „Gesundheit“ einen Einfluss zu haben.
Die Begriffserklärung der Weltgesundheitsorganisation wurde allerdings auch oftmals kritisiert. Der Anspruch des „vollkommenen Wohlbefindens“ entspräche nicht der Realität, da der Mensch beispielsweise durch das Erleben von privaten wie auch beruflichen Trennungen oder den Verlust eines geliebten Menschen an einem Wohlbefinden gehindert werden kann. Die Definition von Gesundheit erfüllt ferner ein Wunschbild, welches nicht existieren kann, da weltweit zu große Unterschiede des Wohlstandes zu verzeichnen sind. Desgleichen stellt der Begriff „Zustand“ eine statische Sichtweise dar. Tatsächlich ist Gesundheit jedoch verbunden mit einer stetigen Anpassung an veränderte Umweltbedingungen.7
Nach Weinreich I./ Weigl, C. (2002, S. 11) ist demnach die Auffassung von Gesundheit „ das Streben nach einem Zustand des Gleichgewichts zwischen dem Individuum, seinem autonomen Potenzial zur Selbstorganisation und Erneuerung und seiner sozial-ökologischen Umwelt “. Dieser Sichtweise von Gesundheit wird in dem weiteren Verlauf der Arbeit gefolgt, da eine Person sich nur dann gesund fühlt, wenn sie einen Ausgleich zwischen den belastenden Einflüssen der Umwelt und seinen eigenen Ressourcen herstellen kann. Daher wendet sich dieses Verständnis von Gesundheit von der reinen Betrachtung der Ursachen ab, die zu einem bestimmten Krankheitszustand führen (pathogenetische Sicht). Vielmehr stehen die Schutzfaktoren im Mittelpunkt, welche den Menschen nützlich sind, seinen Gesundheitszustand zu verbessern und damit für die Zukunft seine Gesundheit zu erhalten und zu fördern (salutogenetische Perspektive).8 Zu diesen Schutzfaktoren zählen bestimmte Eigenschaften der Person oder ihres sozialen Umfeldes. Ressourcen biologischer Art, die ein Mensch besitzt und die ihn vor einer bestimmten Erkrankung schützen kann, werden ebenfalls als Schutzfaktoren genannt.9
2.1.2 Ältere Mitarbeiter
Für die Begriffsbestimmung der älteren Mitarbeiter existieren keine wissenschaftlichen Definitionen, sondern lediglich unterschiedliche Sichtweisen auf ältere Beschäftigte.
Der Alterungsprozess eines Menschen istüber das gesamte Leben hinweg sehr differenziert zu betrachten und kann daher nicht am kalendarischen Alter einer Person festgelegt werden.10 Dieser Prozess wird von verschiedenen gesundheitsförderlichen und gesundheitsgefährdenden Einflüssen des Arbeits- und Privatlebens geprägt.11 Deshalb kann nicht willkürlich eine Altersgrenze festgelegt werden, die den Begriff „Ältere Mitarbeiter“ bestimmt. Verschiedene Organisationen nahmen eine Einordnung der Altersgrenzen vor.12 Beispielsweise definiert die OECD13 ältere Personen als die Kohorte, „ die in der zweiten Hälfte ihres Berufsleben stehen, aber das Pensionsalter noch nicht erreicht haben “14. Damit legt sie die Grenze für einen älteren Arbeitnehmer um das 40. Lebensjahr herum. Das Institut für Arbeitsmarkt - und Berufsforschung hingegen betrachtet einen Menschen als einen älteren Beschäftigten im Alter zwischen 45 bis 55 Jahren.15 Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO folgt dieser Sichtweise, da sie den Begriff aufüber 45-jährige Arbeitnehmer anwendet.16 Die Zuordnung der Altersgrenzen für Beschäftigte folgt demnach unterschiedlichen Einflüssen. Buck, H. (2002, S. 73) führt an, dass die Sichtweise auf das Alter eines Arbeitnehmers sich mit seinem Tätigkeitsfeld und seiner hierarchischen Position, ebenso aber auch mit der Altersstruktur des Umfeldes und der Branche wandelt. Ein 35-40 Jahre alter Softwareentwickler wird beispielsweise als älterer Mitarbeiter gesehen, aber ein Manager erst im Alter von 50-55 Jahren. Heutzutage werden Arbeitnehmer einzelner Branchen viel schneller in die Gruppe der älteren Mitarbeiter eingeordnet als in den 80er Jahren.17
Die unterschiedlichen Einschätzungen und vorgebrachten Beispiele verdeutlichen, dass eine allgemeingültige Aussageüber die Zuordnung von Arbeitskräften in die Gruppe der Jüngeren oder Älteren nicht möglich ist. Trotz der Individualität des Alterungsprozesses werden in Rahmen dieser Arbeit die Berufstätigen ab dem 45. Lebensjahr zur Gruppe der älteren Mitarbeiter gezählt.
2.2 Der demographische Wandel
Unter dem Begriff des demographischen Wandels ist die Veränderung der strukturellen Zusammensetzung einer Bevölkerung wie dem Geschlecht, Alter und der Nationalität zu verstehen. In der öffentlichen Diskussion, wie auch in der vorliegenden Arbeit, wird der demographische Wandel unter dem Aspekt der Alterung der Gesellschaft erörtert.
Seit Anfang der 70er Jahre sinkt die Anzahl der Geburten in Deutschland rapide. Während in den 60er Jahren die Fertilitätsrate18 bei 2,5 Kindern lag, gebärt heute jede Frau gerade mal durchschnittlich 1,3 Kinder.19 Im Gegensatz dazu steigt die Lebenserwartung der Bevölkerung aufgrund des Fortschrittes im Gesundheitswesen, der Hygiene und der Ernährung sowie des allgemein gestiegenen Wohlstands und der Verbesserung der Lebensbedingungen. Durch die steigende Lebenserwartung und der geringeren Geburtenzahl reduziert sich fortwährend der Anteil jüngerer Menschen in Deutschland, während die Anzahl der älteren Personen stetig zunimmt. Es kommt zu einer unaufhörlichen Verschiebung der klassischen Alterspyramide.
Die Alterung der Erwerbsbevölkerung wird bei bleibenden Bedingungen das wichtigste Problem für die Arbeitswelt darstellen. Voraussichtlich kommt es zu keinem allgemeinen Mangel an Arbeitskräften, jedoch könnten bis zum Jahr 2040 etwa ein Fünftel weniger Erwerbspersonen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Unternehmen würden dannüber weniger Handlungsspielräume bei der Rekrutierung von jungen Arbeitskräften verfügen.20 Ebenso könnte sich das Ungleichgewicht zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage im qualifikatorischen und regionalen Bereich vergrößern.21
Die Bevölkerungszahl in Deutschland liegt derzeit bei rund 82 Millionen, von denen etwa 55 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter22 sind. Die Erwerbspersonenanzahl23 beträgt rund 40 Millionen, das entspricht einer Erwerbsquote von etwa 72 Prozent. Die Zahl der Erwerbspersonen unter 45 Jahren wird voraussichtlich bis zum Jahr 2020 um 10,5 Millionen zurückgehen, dagegen wird die Zahl der Erwerbspersonenüber 45 Jahren um 4,7 Millionen zunehmen. Das Problem hierbei ist, dass die Anzahl der erwerbsfähigen Personen im höheren Alter seit Jahren rückläufig ist. In der Altersgruppe der männlichen 60-bis 65-Jährigen liegt sie in den neuen Bundesländern bei 21,4 Prozent und in den alten Bundesländern bei rund 34 Prozent. Die Erwerbsquote der Frauen dieser Altersgruppe ist noch geringer als die der Männer desselben Alters.24 Die Arbeitslosenstatistik verzeichnet daher schon seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Erwerbslosen in der Altersklasse der 50-65-Jährigen. Lediglich ein Drittel dieser Altersgruppe war im Jahr 2001 in Beschäftigung. Zugleich ließ sich im Jahr 1999 feststellen, dass 2,3 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 60 Jahre oder älter waren.25 Mittlerweile arbeiten in fast 60 Prozent aller deutschen Betriebe keine Mitarbeiter mehr, die ein Alterüber 50 Jahren erreicht haben.26 Mit Sicherheit trugen einige Kampagnen der Bundesregierung für den Gebrauch der Frühverrentung, die Maßnahmen der Altersteilzeit und die Inanspruchnahme des § 428 des dritten Sozialgesetzbuches (SGB III)27 dazu bei, dass ein höherer Anteil älterer Arbeitsloser zu verzeichnen ist.28 Sind ältere Personen von Arbeitslosigkeit betroffen, verbleiben diese länger ohne Arbeit als jüngere Personen. Im Jahr 1999 waren etwa 60 Prozent der 55- bis 60-jährigen Erwerbslosen länger als ein Jahr ohne Arbeit. Besonders betroffen sind die älteren Personen, die nicht ausreichend qualifiziert sind oder deren Qualifikation veraltet ist. Aber auch gesundheitliche Einschränkungen wirken sich negativ auf den Erwerb einer neuen Tätigkeit aus.29 Folglich ergibt sich aus dem Rückgang der Erwerbstätigen im höheren Alter auch eine Zunahme der Zugänge bei den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern. Im Jahr 1998 waren 84 Prozent der Männer und 54 Prozent der Frauen vor Erreichen des 65. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter lag im Jahr 2000 unter den männlichen Personen in den alten Bundesländern bei 60 Jahren und in den neuen Bundesländern bei 58,6 Jahren. Ähnlich sieht es in der weiblichen Bevölkerung aus.30
Die Erwerbsquote dürfte aber drastischer sinken, wenn der niedrige Anteil der Erwerbstätigen höherer Altersgruppen bestehen bleibt. Im Jahr 2020 wird dann jeder dritte Erwerbstätige älter als 50 Jahre alt sein und sich folglich mehrüber 50-Jährige, als 30-Jährige in einem Unternehmen befinden. Daher setzt sich inzwischen vor allem in der Politik eine andere Sichtweise durch, denn die volkswirtschaftliche Ebene wird auf ältere Erwerbstätige nicht verzichten können. Um den Trend der Frühverrentung zu stoppen und damit vor allem die Belastung der Rentenkassen einzudämmen, hat die Politik in den letzten Jahren Rentenreformen erlassen.
Zusätzlich wurden Forschungen beauftragt und eine umfangreiche Marketing-Kampagne eingeführt, die die Wiedereingliederung älterer Personen ins Berufsleben zum Ziel hat.31
2.3 Einflüsse der Arbeit auf die Gesundheit der
Der Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit ist sehr komplex und vielschichtig. Einerseits können Arbeitssituationen als belastend empfunden werden und damit krankheitsauslösende Folgen haben. Andererseits kann sich die Arbeit positiv auf die Gesundheit auswirken, da sie Einkommen bringt, das Selbstwertgefühl stärkt und ein soziales Netz von Kollegen und Freunden schafft. Arbeit nimmt folglich einen zentralen Stellenwert im Leben eines Menschen ein.32
Im Folgenden werden die gesundheitsförderlichen Potentiale und die gesundheitsbeeinträchtigenden Belastungen der Arbeit beschrieben.
2.3.1 Ressourcen der Arbeit
Für den Umgang mit belastenden Arbeitssituationen sowie der Verhinderung vonüberbelastungen und den daraus resultierenden Krankheiten sind Ressourcen von besonderer Bedeutung für die Gesundheit eines Menschen.33 Unter Ressourcen sind hierbei Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu verstehen, die sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen auswirken.34 Die Ressourcenforschung unterscheidet zwei grundsätzliche Ressourcen: die personalen und die situativen Ressourcen. Zu den personalen Ressourcen zählen beispielsweise „ internale Kontrollüberzeugungen, Bewältigungskompetenz und ein generelles Gefühl der Durchschaubarkeit, Beeinflussbarkeit und Sinnhaftigkeit “35. Zu den situativen Ressourcen zählen außer „ einer gesunden Umwelt und materieller Sicherheit, funktionierenden familiären und sozialen Bedingungen und guten Wohnverhältnissen vor allem befriedigende Arbeitsbedingungen “36. Zwischen den situativen und personalen Ressourcen besteht ein Bindeglied von sozialen Gesundheitspotentialen. Unter sozialen Gesundheitspotentialen versteht man die soziale Unterstützung am Arbeitsplatz und im Privatleben. Gerade die Hilfe und Unterstützung von Arbeitskollegen, Freunden und Familie sind von großer gesundheitlicher Bedeutung, da sie die Bewältigung alltäglicher Anforderungen und kurzfristiger Höchstbelastungen erleichtert.37
Am Arbeitsplatz drücken sich die Ressourcen durch die Vollständigkeit einer Arbeitsaufgabe sowie Handlungs- und Entscheidungsspielräumen aus. Eine vollständige Arbeitsaufgabe berücksichtigt planende, ausführende und kontrollierende Arbeitstätigkeiten. Haben Mitarbeiter hohe Entscheidungsspielräume, können sie zusätzliche Fähigkeiten und Fertigkeiten aufgrund größerer Handlungsmöglichkeiten bei der Erledigung der Arbeitstätigkeit entwickeln. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Mitarbeiter die Arbeitstätigkeiten durchschauen, verstehen und auch beherrschen. Ist dies der Fall, können die Beschäftigten die Ausführung ihrer Tätigkeiten besser kontrollieren und steuern.38 Auch sollte sich die Arbeitsaufgabe durch verschiedene bzw. wechselnde Tätigkeiten auszeichnen. Weiterhin wirken die Möglichkeiten der Kooperation und Kommunikation während der Arbeit gesundheitsförderlich, da sie das Selbstwertgefühl der Arbeitnehmer steigern können. Aber auch ein „ gutes Arbeitsklima, eine positive Beziehung zum Vorgesetzten, Anerkennung/ Erfolg, die Berufsarbeit selbst, Entwicklungsmöglichkeiten, Selbständigkeit, allgemeine organisatorische Bedingung und Sicherheit des Arbeitsplatzes “39 können die Gesundheit der Mitarbeiter begünstigen. Zusätzlich fördern Möglichkeiten zur Mitbestimmung im Unternehmen die Gesundheit der Beschäftigten.40
2.3.2 Belastungen der Arbeit
Mittlerweile ist wissenschaftlich bestätigt, welchen hohen Einfluss die Arbeitsbedingungen, Arbeitstätigkeiten und die Arbeitsumgebung auf die Entstehung von Krankheiten haben. Diese gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse finden dennoch wenig Anklang in Unternehmen und werden daher unzureichend umgesetzt.41 Nach der Meinung vieler Unternehmen fällt die Gesundheit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Mitarbeiters. Lediglich ein Zugeständnis hinsichtlich körperlicher Fehlbelastungen und toxischen Einflüssen während der Arbeit auf die Entstehung von Krankheiten erfolgt. Die Einflüsse der Arbeit auf das seelische Wohlbefinden und der Gesundheit der Belegschaft werden daher oftmals nicht berücksichtigt. Doch gerade infolge von Automatisierungsprozessen, zunehmender Arbeitsteilung und organisierter Fertigung entstehen vermehrt mentale und psychische Belastungen.42
Die arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren lassen sich in die folgenden Einflussbereiche unterteilen:
1. Chemische und physikalische Umwelteinflüsse
Zu diesen Umgebungsbelastungen zählen Lärm, Staub, Hitze, Schmutz und chemische Stoffe.43 Zum Bereich der chemischen Schadstoffe zählen Substanzen, die ihren Einsatz in der Produktion finden oder ein Erzeugnis bzw. Abfallprodukt des Produktionsprozesses darstellen. Dazu gehören beispielsweise Blei, Lösungsmittel oder Kohlenmonoxid. Durch strikte Sicherheitsvorschriften ist die Gefahr einer Vergiftung im Falle eines Betriebsunfalls in Deutschland, aber auch einer möglichen chronischen Erkrankung durch langandauernde Einwirkung, stark begrenzt.44 Doch prinzipiell kann jeder Arbeitstätige von Umgebungsbelastungen betroffen sein, wenn dieser sich an einem entsprechenden Arbeitsort aufhält. Die meisten gesundheitsschädlichen physikalischen Einflüsse sind auf bestimmte Beschäftigungsgruppen beschränkt. Beispielsweise können Beschäftigte in einem Uranbergwerk den Einwirkungen von radioaktiven Strahlen und die Mitarbeiter in einem Steinkohlenbergbau verschiedenen Stäuben ausgesetzt sein. Ferner wirkt in bestimmten Arbeitsbereichen extreme Hitze oder Kälte gesundheitsschädigend auf die Belegschaft ein. Letztlich ist ebenso der Einfluss von Lärm und Vibrationen bei der Entstehung von Krankheiten nicht zu unterschätzen.45 Belastende Einflüsse können langfristige Folgen für die Gesundheit eines Menschen haben und erhöhen sein Krankheitsrisiko. Ebenso können kurzfristige Folgen auftreten, z. B. ein Konzentrationsmangel im Verlauf eines Arbeitstages. Dieser Mangel könnte durch eine Lärmbelästigung, die eine schlechte Akustik bewirkt, hervorgerufen werden. Als Folge werden Zurufe nicht verstanden, so dass vermehrt Fehler entstehen, die sich negativ auf die Qualität der Arbeit auswirken.46
2. Körperliche Arbeitsbelastungen
Im Bereich der körperlichen Arbeitsbelastungen können vor allem organische Erkrankungen des Bewegungsapparats wie auch Beeinträchtigungen von Körperfunktionen und Schmerzzustände entstehen.47 Zu den körperlichen Arbeitsbelastungen zählen insbesondere die stehende Ausübung der Tätigkeit, das Heben und Tragen von schweren Lasten, Tätigkeiten unter starken Erschütterungen, Stößen oder Schwingungen und körperliche Zwangshaltungen, wie dieüber-Kopf- Arbeit. Im Jahr 1998 ergab eine Umfrage bei den Erwerbstätigen in Deutschland, dass 61 Prozent praktisch immer oder häufig bei der Ausübung ihrer Arbeit stehen. Eine stehende Erwerbsperson leistet vor allem statische Muskelarbeit, was zu einer verstärkten und vorzeitigen Ermüdung der Muskulatur führen kann. Auf lange Sicht drohen Gefäßerweiterungen, Ödeme oder Thrombosen, aber auch Schäden an Bandscheibe und Wirbelsäule können auftreten. Außerdem gaben etwa 9,3 Millionen Erwerbstätige an, schwere Lasten zu heben und zu tragen. Diese Art von Muskelarbeit wirkt sich negativ auf den Stütz- und Bewegungsapparat sowie auf das Herz-Kreislauf-System aus. Im Gesamtergebnis gaben ca. 46 Prozent der Beschäftigten an, von einer Mehrfachbelastung (mindestens zwei körperliche Belastungsfaktoren) betroffen zu sein.48
3. Arbeitszeitbedingte Belastungen
Momentan sind etwa 20 Prozent der Beschäftigen in der Europäischen Union von Schichtarbeit betroffen, wobei etwa die Hälfte von ihnen in einem Tag-Nacht-Wechselschichtdienst oder Dauernachtdienst beschäftigt sind. Bei dieser Art von Beschäftigung besteht ein erhöhtes Risiko einer Herz-Kreislauferkrankung. Vergleicht man einen Arbeitnehmer, der seit 20 Jahren im Schichtdienst tätig ist mit einem Arbeitnehmer ohne Schichtdienst, stellt man fest, dass der Schichtarbeiter ein um das zweifach höhere Risiko hat, einen Herzinfarkt zu erleiden als der normale Arbeiter. Vor allem die Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus und die damit zusammenhängenden physiologischen Prozesse bergen hohe Risiken für die Beschäftigten.49 Zunehmend werden auch Termin- und Leistungsdruck sowie eine sehr lange durchschnittliche Wochenarbeitszeit verbunden mit häufigen Wochenenddienste als arbeitszeitbedingte Belastungsfaktoren angesehen.50
4. Psychosoziale Belastungen
Unter den psychosozialen Belastungen fallen speziell die fehlende Unterstützung und Anerkennung, der Verantwortungsdruck, die mangelhafte Kommunikation, die konfliktäre Beziehung zu Kollegen und Vorgesetzten sowie die fehlende Autonomie und Mitbestimmung. Diese Belastungserscheinungen führen vor allem zu chronischen Stresserfahrungen, die das subjektive Befinden beeinträchtigen und zentralnervöse Prozesse im Körper aktivieren können. Stresserfahrungen wirken nicht nur direktüber das autonome Nervensystem, welches das Krankheitsgeschehen beeinflussen, sondern auch indirekt auf ein gesundheitsschädigendes Verhalten wie einem erhöhten Tabak- oder Alkoholkonsum. Untersuchen zeigen, dass der Trend der psychosozialen Belastungen zunimmt.51 Beispielsweise steigt die Monotonie der Arbeitsabläufe in Produktionsunternehmen. Folglich ist das Produktergebnis für die Mitarbeiter nicht mehr sichtbar, welches sich negativ auf ihr Engagement auswirkt und damit die mentalen Belastungen erhöht.52 Eine repräsentative Untersuchung unter 2000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland, im Alter von 16- bis 65 Jahren, ergab folgende Belastungserscheinungen: „ Erschöpfung, nicht abschalten können, Nervosität, Reizbarkeit sowie Wut, Verärgerung, Lustlosigkeit, Ausgebranntsein und Niedergeschlagenheit “53. Der erhebliche Anstieg der Frühverrentungen aufgrund psychischer Erkrankungen verdeutlicht diesen Tatbestand. Bei den weiblichen Beschäftigen konnte im Zeitraum von 1984 bis 1999 ein Anstieg von 8 auf 32 Prozent und bei den Männern von 9 auf 19 Prozent registriert werden.54
Eine weitere psychische Belastung stellt laut Benz-Overhage, K. (2001, S. 17) die arbeitsmarktpolitische Lage dar, die dazu geführt hat, dass sich der Druck auf die Belegschaft erhöht. Viele Arbeitnehmer gehen aus Angst vor der Entlassung lieber krank zur Arbeit statt eine Erkrankung auszukurieren.
Zusätzlich erhöhen sich die Belastungen durch die Verringerung der Belegschaft und die zunehmende geringere Arbeitszeit. Nacht- und Schichtarbeit, Wochenendarbeit undüberstunden werden dann selbstverständlich und für den Erhalt des Arbeitsplatzes in Kauf genommen.
5. Belastungen durch das Alter
Neben den arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren nimmt das Alter einer Person eine besondere Rolle ein. Das Alter ist neben der Schichtzugehörigkeit heute einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Krankheitsanfälligkeit eines Menschen. Jedoch handelt es sich beim Zusammenhang zwischen dem Alter und der Gesundheit einer Person um eine variable Größe, die u.a. durch Maßnahmen der Gesundheitsförderung beeinflusst werden kann. Dennoch nehmen vor allem körperliche und sinnliche Fähigkeiten durch den natürlichen Alterungsprozess ab. Die nachlassende Geschwindigkeit von körperlichen und geistigen Prozessen stellt hierbei die wichtigste Komponente dar. Aber auch die Sinnesfunktionen, wie das Hör- und Sehvermögen, verschlechtern sich mit zunehmendem Alter. Dabei erfährt die Hörfähigkeit bereits erste Schädigungen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren und geht danach kontinuierlich zurück. Ähnliches gilt für die Sehfähigkeit, die sich mit den Jahren verschlechtert. Diese Sinnesfunktionen können zusätzlich durch eine erhöhte Lärmbelästigung am Arbeitsplatz oder im Privatleben negativ beeinträchtigt werden. Beispielweise nimmt durch die verstärkte Nutzung des Bildschirmarbeitsplatzes, die Akkomodationsfähigkeit55 des Auges ab.56 Die Körperkraft, insbesondere die körperliche Ausdauer und Belastbarkeit reduziert sich gleichermaßen nach dem 30. Lebensjahr und besonders stark ab dem 50. Lebensjahr. Des Weiteren ist eine Abnahme der Reaktionsgeschwindigkeit und des Wahrnehmungsvermögens beobachtbar sowie eine Verlangsamung der Verarbeitung von geistigen Vorgängen. Doch die Unterschiede zwischen den Menschen einer Altersgruppe sind relativ groß und müssen daher relativiert werden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es immer auf die jeweiligen Arbeitsanforderungen ankommt, ob die beschriebenen Defizite hinderlich auf die Arbeitstätigkeit wirken. Beispielsweise erscheint heutzutage die körperliche Kraft in vielen Unternehmen nicht mehr extrem wichtig zu sein oder wird durch eine entsprechende Arbeitsplatzgestaltung kompensiert.57
2.4 Zusammenfassung
Die Begriffe „Gesundheit“ und „Ältere Mitarbeiter“ wurden als Grundlage für das Thema der Arbeit dargelegt. Des Weiteren erfolgte die Darlegung der Effekte, die durch den demographischen Wandel für die Unternehmen bestehen. Die Relevanz des Themas ist angesichts der zunehmenden Alterung der Belegschaft deutlich erkennbar, so dass folglich auf betrieblicher Seite ein Handlungsbedarf bestehen sollte. Anschließend wurde die Beschreibung der gesundheitsförderlichen und gesundheitsschädigenden Einflüsse der Arbeit auf die Gesundheit der Mitarbeiter vorgenommen, um Kenntnis zu erhalten, welche Ressourcen durch eine betriebliche Gesundheitsförderung ausgebaut und welche Belastungen abgebaut werden sollten. Sind den Unternehmen die arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren bekannt, kann ihnen angemessen begegnet werden. Würde ein Unternehmen aktiv Gesundheitsförderung betreiben und richtet es alle Prozesse und Strukturen danach aus, könnte festgestellt werden, dass die Mitarbeiter, auch die älteren unter ihnen, wesentlich gesünder und leistungsfähiger sind.58 Dementsprechend erfolgt im nächsten Kapitel eine umfassende Darstellung der Aspekte der betrieblichen Gesundheitsförderung.
3 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.1 Definition Gesundheitsförderung
Die Ottawa-Charta, das Grundsatzpapier der Weltgesundheitsorganisation, die heute als Leitfaden für die weitere Entwicklung von Konzepten und der internationalen Verbreitung von Gesundheitsförderung gesehen wird, fasste deren Ziele und Prinzipien im Jahr 1986 folgendermaßen zusammen:
„ Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maßan Selbstbestimmungüber ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl Einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit ebenso wie die körperlichen Fähigkeiten betont. Die Verantwortung für Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur im Gesundheitssektor, sondern in allen Bereichen der Politik und zieltüber die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden “59 .
Dieser mehrdimensionale Erklärungsansatz verdeutlicht, dass der Mensch selbst auf seine Gesundheit Einfluss nehmen kann, aber auch auf die äußeren Einflüsse der Umwelt, insbesondere der Arbeitsumgebung, angewiesen ist. Damit will Gesundheitsförderung nicht nur auf die individuellen Lebens- und Handlungsfähigkeiten der Menschen wirken, sondern sie auch zu einer Verbesserung der Gesundheit befähigen. Ziel ist es ferner, die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Determinanten sowie die politischen Interventionen zur Beeinflussung dieser gesundheitsrelevanten Faktoren zu betrachten.60
In den folgenden Jahren wurden einzelne Bereiche der Ottawa-Charta näher charakterisiert. Dafür wurde eine Bilanzüber die Erfahrungen mit Gesundheitsförderung und einer Bewertung der Einflussfaktoren auf die Gesundheit durchgeführt.61 Das Ergebnis brachte neue Schwerpunkte für die Zukunft. Vor allem sollten die nachstehenden Handlungsfelder und - ebenen umgesetzt werden:
- Entwicklung einer gesundheitsfördernden Politik auf allen Ebenen,
- Herstellung einer gesundheitsfördernden Umwelt,
- Förderung von gesundheitsfördernden Aktivitäten,
- Entfaltung persönlicher Stärken und
- eine neue Ausrichtung der Gesundheitsdienste.62
Durch die Einführung von Programmen für die Öffentliche Gesundheit und Gesundheitsförderung nahm die Europäische Union (EU) in den 90er Jahren eine wichtige Rolle in der europäischen Gesundheitsförderung ein. Hierbei lag der Fokus nicht auf der Weiterentwicklung des Grundgedankens der Gesundheitsförderung, sondern auf der Zusammenarbeit der Mitgliedsländer der EU, dem Aufkommen der Kosten für die einzelnen Programme und der Unterstützung der Forschungsbemühungen. Das erste Aktionsprogramm zur Gesundheitsförderung, -aufklärung, -erziehung und -ausbildung im Öffentlichen Gesundheitswesen wurde durch die Europäische Union 1996 ratifiziert. Allerdings standen vielmehr die präventiv-medizinischen Anstrengungen im Zentrum der Betrachtung. Im Jahr 2002 wurden dann einzelne Ziele der vorherigen Aktivitäten in ein neues, einheitliches Aktionsprogramm zusammengefasst, welches die „ Förderung der Gesundheit und die Verhütung von Krankheiten durch Beeinflussung der Gesundheitsfaktoren in allen gemeinschaftlichen Politik- und Tätigkeitsfeldern “63 umfasste. Die nun vorherrschende Konzentration auf die Förderung von Gesundheit und die Verhütung von Krankheiten zeigt den Fortschritt der Gesundheitsförderung. Auch für den deutschen Sachverständigenrat stand die Vermeidung von Krankheiten im Mittelpunkt ihrer Arbeit, so dass dem Programm zugestimmt und damit weitgehend der europäischen bzw. internationalen Entwicklung bis heute gefolgt wird.64
3.2 Definition betriebliche Gesundheitsförderung
Indem die Arbeit einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen hat, kommt der Gesundheitsförderung im Unternehmen eine besondere Bedeutung zu.65 Im Jahr 1997 definierte das Europäische Netzwerk „Betriebliche Gesundheitsförderung“ in ihrer Luxemburger Deklaration, dass „ alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz “ 66 betriebliche Gesundheitsförderung darstellen . Auch nach den Gesundheitswissenschaftlern Badura, B. et al. (2001, S. 11) stehen im Zentrum der betrieblichen Gesundheitsförderung das Wohlbefinden und die Gesundheit der Beschäftigten, die damit das wichtigste Anliegen der Unternehmen sein sollten, wenn die Glaubwürdigkeit gegenüber der Belegschaft gewahrt werden will. Demnach sind „ vertrauensvolle Bindungen, Zuwendungen, Information, Anerkennung und praktische Unterstützung als auch gemeinsameüberzeugung, Werte und Regeln “67 die wichtigsten Komponenten erfolgreicher Gesundheitsförderung in einem Unternehmen.68 Demzufolge sollten Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung durchgeführt werden,
- „ die der Bekämpfung krankheitsrelevanter privater Risikoverhaltensweisen dienen,
- die auf die Erhöhung unspezifischer Gesundheitspotenziale (Ressourcen) zielen und/ oder
- die der spezifischen oder unspezifischen Förderung des sozialen, psychischen oder physischen Wohlbefindens der Mitarbeiter dienen “ 69 .
Die Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sollten aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt hinsichtlich ihres Wirkungsgrades und ihres Ziels in primär verhaltensorientierte und verhältnisorientierte Maßnahmen eingeordnet werden. Untersuchungen in den 90er Jahren belegten, dass der Schwerpunkt der betrieblichen Gesundheitsförderung im Bereich der verhaltensorientierten Maßnahmen liegt.70 Diese zielen auf eine Veränderung der Einstellungen und des Verhaltensmusters einer Person, welche durch Informations- oder Sportveranstaltungen bewirkt werden soll. Beispielsweise können Angebote im Bereich von muskuloskelettaler Erkrankungen, Suchtpräventionsprogramme, Entspannungsprogramme, Herz-Kreislaufprogramme und Krebsvorsorgeprogramme vorgenommen werden. Verhältnisorientierte Gesundheitsförderung zielt hingegen auf eine Veränderung in der Unternehmung und damit auf eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen mit deren vielfältigen Aspekten. Dazu gehören Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und struktureller Organisationsveränderungen, die u.a. durch Veränderungen der Arbeitsmittel oder einer Einführung von Gruppenarbeit erreicht werden können.71
[...]
1 Um der Lesbarkeit willen, wird im Verlauf dieser Arbeit vorwiegend die männliche Sprachform verwendet. Bei allen männlichen Bezeichnungen sind selbstverständlich stets auch die weiblichen gemeint.
2 Vgl. Badura, B. et al. (2003), S. VI.
3 Vgl. Fröschle-Mess, M. (2005), S. 13.
4 Vgl. Meifert, M./ Kesting, M. (2004), S. 4.
5 Klose, T. (2002), S. 17.
6 Ulich, E./ Wülser, M. (2005), S. 17.
7 Vgl. Ulich, E./ Wülser, M. (2005), S. 39.
8 Vgl. Meifert, M./ Kesting, M. (2004), S. 7.
9 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Arbeitsgruppe 2 (2004), S. 37.
10 Vgl. Husemann, R. et al. (2003), S. 19ff.
11 Vgl. Braedel-Kühner, C. (2005), S. 31f.
12 Vgl. Husemann, R. et al. (2003), S. 19ff.
13 Organisation for Economic Cooperation and Development
14 Husemann, R. et al. (2003), S. 21.
15 Vgl. Ebenda, S. 21.
16 Vgl. Braedel-Kühner, C. (2005), S.32.
17 Vgl. Raabe, B. et al. (2003), S. 137.
18 die durchschnittliche Geburtenrate je Frau
19 Vgl. Gatterburg, A. et al. (2006), S. 77.
20 Vgl. Husemann, R. et al. (2003), S. 36.
21 Vgl. Buck, H. et al. (2002), S. 11.
22 statistisch wird der Personenkreis der 15 bis 65jährigen einbezogen
23 die Erwerbstätigen und Erwerbslosen zusammen
24 Vgl. Behrend, C. (2002), S. 12ff.
25 Vgl. Morschhäuser, M. (2002), S. 10.
26 Vgl. Meierjürgen, R./ Scherrer, K. (2004), S. 199.
27 Die Regelung des dritten Sozialgesetzbuches erlaubt den Bezug von Arbeitslosengeld für Arbeitnehmer unter erleichterten Bedingungen, wenn sie dadurch früher in Rente gehen. Voraussetzung ist die Vollendung des 58. Lebensjahres (Vgl. Sozialgesetzbuch- Bundessozialhilfegesetz)
28 Vgl. Kistler, E. (2004), S. 72.
29 Vgl. Behrend, C. (2002), S. 16.
30 Vgl. Ebenda, S. 15.
31 Vgl. Marstedt, G./ Müller, R. (2003), S. 15f.
32 Vgl. Badura, B. et al. (2001), S. 7f.
33 Vgl. Ulich, E./ Wülser, M. (2005), S. 78.
34 Vgl. Badura, B./ Hehlmann, T. (2003), S. 35.
35 Ducki, A. (1998), S. 146.
36 Ebenda, S. 146.
37 Vgl. Ulich, E./ Wülser, M. (2005), S. 79f.
38 Vgl. Schmidt, K.-H./ Hollmann, S. (2004), S. 181f.
39 Ducki, A. (1998), S. 147.
40 Vgl. Ebenda, S. 147.
41 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (2004), S. 65ff.
42 Vgl. Fröschle-Mess, M. (2005), S. 58.
43 Vgl. Ulich, E./ Wülser, M. (2005), S. 68.
44 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Arbeitsgruppe 2 (2004), S. 15f.
45 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (2004), S. 67.
46 Vgl. Ducki, A. (1998), S. 149.
47 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (2004), S. 67.
48 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Arbeitsgruppe 1 (2004), S. 12ff.
49 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Arbeitsgruppe 2 (2004), S. 19f.
50 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Arbeitsgruppe 1 (2004), S. 16ff.
51 Vgl. Ebenda, S. 16f.
52 Vgl. Fröschle-Mess, M. (2005), S. 60.
53 Zok, K. (2006), S. 161f.
54 Vgl. Richter, P. (2004), S. 197.
55 die Fähigkeit des Auges, sich auf eine bestimmte Entfernung einzustellen
56 Vgl. Maintz, G. (2003), S. 47ff.
57 Vgl. Buck, H. (2002), S. 73ff.
58 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung (2004), S. 49.
59 Badura, B./ Hehlmann, T. (2003), S. 13.
60 Vgl. Borchardt, G. (2004), S. 24.
61 Vgl. Ebenda, S. 23f.
62 Vgl. Ebenda, S. 25.
63 Borchardt, G. (2004), S. 25.
64 Vgl. Ebenda, S. 25ff.
65 Vgl. Bamberg, E. et al. (1998), S. 19.
66 Meierjürgen, R./ Scherrer, K. (2004), S. 191.
67 Fröschle-Mess, M. (2005), S. 67.
68 Vgl. Ebenda, S. 67.
69 Pfaff, H. (2001), S. 33.
70 Vgl. Meierjürgen, R./ Scherrer, K. (2004), S. 189.
71 Vgl. Fröschle-Mess, M. (2005), S. 69f.
- Citar trabajo
- Katrin Knospe (Autor), 2006, Betriebliche Gesundheitsförderung für ältere Mitarbeiter. Aktuelle Konzepte, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66628
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