"Abschied von Sidonie" und "Bronsteins Kinder" sind Bücher, die auf den ersten Blick gesehen, keinen Vergleichsansatz bieten. Allein der Zeitunterschied zwischen dem Erzählten läßt zunächst vermuten, daß die Inhalte nicht viele Ähnlichkeiten aufweisen. Hackls Werk handelt von einem Mädchen, das durch den in Deutschland herrschenden Rassismus und dessen Auswirkungen auf die Menschen ums Leben gekommen ist. Sidonie ist das Opfer, das sich nicht wehren kann und deshalb sterben muß. Die Täter sind ‚ganz normale Menschen‘, deren Opportunismus und Feigheit sie schuldig werden läßt.
In Jurek Beckers Roman ist es Arno Bronstein, ein anerkanntes Opfer des Faschismus, das zum Mittel der Selbstjustiz greift, um sich von den Ereignissen der Vergangenheit zu befreien. Er scheitert jedoch an diesem Versuch und stirbt. Indem Arno Bronstein selbst Gewalt ausübt, wird er vom Opfer zum Täter.
In den Büchern werden also zwei unterschiedliche ‚Täterprofile‘ gezeichnet. Ziel dieser Arbeit ist es, Gründe aufzuzeigen, warum einige handelnde Personen zum Täter und damit schuldig geworden sind. Ich gehe von der These aus, daß die Schuldigen in "Abschied von Sidonie" eine gewisse ‚Wahl‘ gehabt haben. Der Einsatz von Zivilcourage und gesundem Menschenverstand hätte Sidonie eine Überlebenschance gegeben.
Arno Bronstein wird schuldig, weil er unter einem gewissen Zwang handelt. Seine Psyche hat die Zeit im Lager nicht verarbeitet, so daß ihm ein normales Leben unmöglich ist. Sein Weg der Vergangenheitsbewältigung wäre nicht der Assimilationsversuch, der am Ende zur Katastrophe führt, sondern eine psychologische Betreuung, die auch auf eine verbesserte Beziehung zu seinem Sohn Hans gezielt hätte, gewesen. Doch auch Jahre nach dem Holocaust „verwüstet Hitler noch sein Leben“, so daß ihm eine seelische Gesundung verwehrt bleiben muß.
Im folgenden stelle ich die Personen jeweils vor den Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Umstände, um dann die Bedeutung der Zeit für Opfer als auch Täter deutlich zu machen. In einem abschließenden Kapitel fasse ich die Erkenntnisse über die Täterprofile zusammen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Abschied von Sidonie
- Perversität des Weltbildes, in das Sidonie nicht paßt
- Bestialität des Anstandes
- „Siehst du, jetzt bin ich auch weiß" — Sidonies Strategie der Anpassung
- Bronsteins Kinder
- Assimilationsversuch
- Vom Opfer zum Täter
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die ,Täterprofile' in Erich Hackls Erzählung "Abschied von Sidonie" und Jurek Beckers Roman "Bronsteins Kinder". Die Analyse befasst sich mit den Gründen, warum bestimmte Personen zum Täter werden und die Frage nach der Schuld in beiden Werken beleuchtet.
- Die Perversität des NS-Rassenantisemitismus und seine Auswirkungen auf die Menschen
- Die Rolle von Feigheit, Opportunismus und mangelnder Zivilcourage im Kontext von Sidonies Schicksal
- Die Auswirkungen des Holocausts auf die jüdische Nachkriegsgeneration und die Schwierigkeit der Vergangenheitsbewältigung
- Die Problematik des Assimilationsversuchs und die Suche nach Identität
- Die Frage nach der Kollektivschuld und -unschuld des deutschen Volkes
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der ,Täterprofile' in den beiden Werken ein und stellt die zentralen Fragestellungen der Arbeit dar.
Das Kapitel "Abschied von Sidonie" analysiert die Perversität des Weltbildes des Nationalsozialismus, in das Sidonie nicht passt. Es wird die Rolle von Rassismus und Antisemitismus im Kontext der Ausgrenzung und Vernichtung von Sinti und Roma beleuchtet. Der Fokus liegt auf der Bestialität des Anstandes, der sich in der Feigheit und dem vorauseilenden Gehorsam der Behörden zeigt. Sidonies Strategie der Anpassung an die Diskriminierung wird als gescheitert dargestellt, da die Maschinerie der Ausgrenzung bereits zu weit fortgeschritten ist.
Das Kapitel "Bronsteins Kinder" behandelt die Auswirkungen des Holocausts auf die jüdische Nachkriegsgeneration. Der gescheiterte Assimilationsversuch Arno Bronsteins und seine Schwierigkeiten mit der Vergangenheitsbewältigung werden in den Mittelpunkt gestellt. Der Roman zeigt, wie die fehlende Auseinandersetzung mit der jüdischen Kultur zu einer Entfremdung vom Judentum führt. Arno Bronsteins Griff zur Selbstjustiz wird als Ausdruck seiner Traumatisierung und als Versuch, Gerechtigkeit herzustellen, interpretiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den NS-Rassenantisemitismus, die Ausgrenzung und Vernichtung von Sinti und Roma, die Feigheit und den vorauseilenden Gehorsam von Behörden, die Folgen des Holocausts auf die jüdische Nachkriegsgeneration, die Vergangenheitsbewältigung, den Assimilationsversuch, die Suche nach Identität und die Frage nach der Kollektivschuld und -unschuld des deutschen Volkes.
- Citar trabajo
- Manuela Freese (Autor), 2000, Was läßt Menschen schuldig werden? 'Täterprofile' in Erich Hackls Erzählung Abschied von Sidonie und Jurek Beckers Roman Bronsteins Kinder, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6650
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