Herbert Marcuses Werk „Der eindimensionale Mensch“ war 1964, als es in den USA erschien, eine Art Stichwortgeber für die aufkommende Studentenbewegung und die folgende 68er Generation Linksintellektueller. Inmitten des kalten Krieges konstatiert Marcuse eine Welt voller Destruktionsmittel, die aber im Zuge der Produktion und Konsumtion ein falsches, glückliches Bewusstsein in den Menschen hervorrufen, welche wichtige historische sowie ökonomische Zusammenhänge der Gesellschaft untergraben und verschleiern. Bevor eine genauere hermeneutisch- interpretative Betrachtung des ersten Kapitels folgt, möchte ich auf biographische sowie ideengeschichtlich bedeutsame Einflüsse für das Werk eingehen.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Die eindimensionale Gesellschaft – Die neuen Formen sozialer Kontrolle
2.1 Merkmale der fortgeschrittenen Industriegesellschaft
2.2 Freiheit als zentrale Kategorie
2.3 Falsche und wahre Bedürfnisse
2.4 Massenmedien und ihre ideologische Funktion
3. Das eindimensionale Denken und die neue Stufe der Entfremdung
3.1 Rationale Irrationalität
3.2 Die Alternative
4. Schluss
5. Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Herbert Marcuses[1] Werk „Der eindimensionale Mensch“ war 1964, als es in den USA erschien, eine Art Stichwortgeber für die aufkommende Studentenbewegung und die folgende 68er Generation Linksintellektueller. Inmitten des kalten Krieges konstatiert Marcuse eine Welt voller Destruktionsmittel, die aber im Zuge der Produktion und Konsumtion ein falsches, glückliches Bewusstsein in den Menschen hervorrufen, welche wichtige historische sowie ökonomische Zusammenhänge der Gesellschaft untergraben und verschleiern. Bevor eine genauere hermeneutisch- interpretative Betrachtung des ersten Kapitels folgt, möchte ich auf biographische sowie ideengeschichtlich bedeutsame Einflüsse für das Werk eingehen.
Marcuse vereint in „Der eindimensionale Mensch“ Ansätze seiner früheren Werke wie „Vernunft und Revolution“[2] und „Triebstruktur und Gesellschaft“[3].
Er zeigte sich stark enttäuscht von der verpassten deutschen Revolution 1917/1918, zumal er als Mitglied des Soldatenrates fungierte, diesen aber aufgrund der Wahl vieler ehemaliger Offiziere wieder verließ. Nach dem Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1921 schien für ihn „[...] nichts da zu sein, womit man sich identifizieren konnte.“[4] Schließlich trat er nach einem Jahr SPD-Mitgliedschaft aus der Partei aus und bekannte somit seine revolutionär- marxistische Haltung. Für Marcuse war das Erscheinen der „Ökonomisch-Politischen Manuskripte“[5] von Marx eine wichtige Inspirationsquelle, sein Werk kann stellenweise als Fortführung der Entfremdungstheorie von Marx gedeutet werden.
Im Exil kamen dann ideengeschichtliche Einflüsse der Frankfurter Schule um Adorno und Horkheimer dazu, die ihre Kulturkritik im Werk „Dialektik der Aufklärung“ dargelegt hatten. Marcuse greift auf viele Ansätze dieses Werkes zurück und zeichnet die Kulturindustrie[6] in Facetten nach. Dies mündet in der Dreiteilung des „eindimensionalen Menschen“, welche die Gesellschaft insbesondere die Sprache, das Denken der neuen positivistisch-empiristischen Philosophie kritisiert sowie gleichzeitig Chancen und Alternativen aufzeigt.
Des weiteren wurde Marcuse von Heidegger, von Hegels dialektischer Methode[7], von Sartre und auch Freud beeinflusst. Ebenso fließen Kommunikationstheorien wie Brechts Radiotheorie in seine Betrachtung ein. Daraus ergab sich eine oppositionelle Haltung, die revolutionäre Kräfte als Möglichkeit der Demokratie ansieht und versucht in der Gesellschaft inhärente Manipulationen aufzudecken. Marcuse beschreibt eine Gesellschaft, in der die Logik der Herrschaft, kapitalistische Machtverhältnisse und mediale Beeinflussung eingebettet sind in die Gegensätze der Blöcke des kalten Krieges. Diese fortgeschrittene Industriegesellschaft schafft Wohlstand durch die Produktion von Destruktionsmitteln, welche in der Kultur der Angst ihre Legitimation finden, statt kapitalistische Produktion zum Wohle aller zu nutzen. Deswegen bescheinigt Marcuse in seiner Vorrede der Opposition auch eine „Paralyse der Kritik“ und beschreibt die „Gesellschaft ohne Opposition“[8] und damit als eindimensional.
Seine Analyse, die versucht moderne, spätkapitalistische Phänomene der Gesellschaft in Kategorien zu fassen, ist aber nicht bloße Utopie, sondern zeitigt Marcuse als Suchenden nach Alternativen.
2. Die eindimensionale Gesellschaft – Die neuen Formen sozialer Kontrolle
In der Vorrede beschreibt Marcuse den Ist-Zustand der Gesellschaft in der eine permanente Bedrohungssituation durch den Kalten Krieg aufrecht erhalten wird und die Unterwerfung der friedlichen Produktion von Destruktionsmitteln unterworfen ist, in der die Arbeiter geistig verkrüppeln und verdummen und das Paradox der stetig steigenden Rüstungsproduktion in einer hochentwickelten kapitalistischen Kultur nicht wahrnehmen.[9]
Marcuse versucht den Zusammenhang zwischen der Organisation der Gesellschaft und den Ursachen der Gefahr herzustellen. Er fragt nach der Machbarkeit und Verwirklichung von ausgegrenzten Utopien und versucht, eine Realisation in praxi herauszustellen. Für ihn ist die fortgeschrittene Industriegesellschaft in sich selbst irrational und paradox, indem sie anwachsende Produktivität und anwachsende Zerstörung vereinigt, sozialen Wandel unterbindet und Oppositionen untergräbt.[10] Es werden neue totalitäre Formen sozialer Kontrolle gebildet, welche in Kultur, Politik und Mediensystem verschmelzen und ein falsches Bewusstsein durch falsche Werte und Bedürfnisse generieren.
Während für Horkheimer und Adorno die „Kulturindustrie“[11] eher eine stetig wachsende Populärkultur bedeutet und Phänomene der Massenmedien pejorativ als Institutionen, die von der Kultur Besitz ergreifen und ihre Botschaft inszenieren, charakterisiert werden[12], beschreibt Marcuse die Prozesse zur Rationalisierung der Muße und äußert grundsätzliche Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise und dem technokratischen Geist. Seine Kritik des positivistischen Geistes, der nicht mehr zu negativen und somit kritischen Ideen befähigt ist, verbindet er mit Hegels Dialektik, sodass er schließlich die Identität von Kultur und Zivilisation fordert.[13]
[...]
[1] Geboren 19.7.1889 in Berlin und gestorben 29.7.1979.
[2] Die Schrift erscheint 1941, verbindet Hegels Dialektik mit marxistischen Ideen und prägt den Begriff der kritischen, also auch negativen Ideen und Theorie. Vgl., Marcuse, Herbert, Vernunft und Revolution. Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie, 21968 Neuwied am Rhein.
[3] Vgl. Marcuse, Herbert, Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, 161990 Frankfurt /Main. 1955 in Deutschland erschienen.
[4] Vgl. Habermas, Jürgen / Bovenschen, Silvia, Gespräche mit Herbert Marcuse, Frankfurt /Main 1978, S. 10.
[5] Besonders die von Marx begründete Entfremdungstheorie und die ganzheitliche Betrachtung des Menschen und die Beschreibung der modernen bürgerlichen Gesellschaft, jenseits starrer nationalökonomischer Kategorien, beeinflussten Marcuses Denken stark.
[6] Kulturindustrie beschreibt Tendenzen der aufkommenden Massenkultur und der Massenmedien, die von der Hochkultur Besitz ergreifen. Das Kapitel im Buch „Dialektik der Aufklärung“ über die Kulturindustrie kritisiert die Populärkultur und die Verdummung der Massen, die regelrecht süchtig nach Unterhaltung und Vergnügen werden.
[7] Dialektik als Aufzeigen von der Einheit der Gegensätze.
[8] Vgl. Marcuse, Herbert, Der eindimensionale Mensch, 81979 Neuwied und Berlin, S.11-20.
[9] Diese Argumentation folgt der Marxschen Totengräberthese, in der die Bourgeoisie ihre Totengräber selbst produziert. Gleichzeitig produzieren in die Arbeiter ihre Entfremdung stetig selbst durch Reproduktion des falschen Bewusstseins.
[10] Vgl. Marcuse, Herbert, S.14f.
[11] Vgl. Adorno, Theodor W. / Horkheimer, Max, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt Main 2003. Kritisiert werden unter anderem seichte Soap- Operas, Jazz-Musik und Werbung.
[12] Vgl. ebd., 129-135.
[13] Die Herrschaft trennt demnach die Vernunft der Wissenschaft von der Kunst, diese Unterscheidung verbleibt also als Nicht-Identität. Der Zusammenhang beider bleibt für die Menschen verschleiert, als verbindendes Element dient das Bewusstsein, welches die Diskrepanz zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit offenbaren könnte. Vgl. Marcuse, Herbert, Bemerkungen zur Neubestimmung der Kultur S.147 bis 173, in: Marcuse Herbert, Kultur und Gesellschaft 2, Frankfurt / Main 1965.
- Arbeit zitieren
- Juliane Scholz (Autor:in), 2006, Herbert Marcuse: 'Der eindimensionale Mensch' Abschnitt 1: Die neuen Formen sozialer Kontrolle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66388
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.